Das Label OPERA RARA - Weg vom Fenster?

  • Der letzte kleine Prunk-Katalog stammt aus dem Jahr 2009. Die letzte Produktion 0RC41, die Offenbach-Operette Vert-Vert, vorgesehen für diesen Zeitraum, verschob sich ins Frühjahr des aktuellen Jahres. Danach: Kein neuer Katalog, keine neuen Ankündigungen - keine Vorschau für beabsichtige Produktionen! Das ist schade!


    Das typische Merkmale des Labels ist der extrem hohe Kaufpreis. Der solide Karton mit 3 CDs für eine Belcanto-Oper kostet im Fachhandel zwischen 60 € und 65 €. Ich habe den Preis stets gehasst!


    Dafür gibt es eine protzige kleine Geschenkpackung, mit voluminöser Textbeilage inklusive vollständigem Libretto plus Einführung und Inhaltsangabe – auf das zwingend Notwendige beschränkt, zusätzlich in deutscher Sprache. Viele Radierungen und Kupferstiche historischer Primadonnen, die Ihre phantasievollen Frisuren (Korkenzieher-Locken) zur Schau stellen, schmücken die Seiten. Dazu jede Menge photographischer Mitschnitte der Protagonisten während der Produktion, die im feudalen Wohnzimmer eines Landhauses stattfanden. Der Produzent oder Sponsor von der Foundation Peter Moores, eine markante Erscheinung, bildet stets das Schlusslicht der Fotogalerie.


    Dem heldischen Tenor Bruce Ford gelang es, in fast jeder Aufnahme mitzuwirken. Der biologische Alterungsprozess spiegelt sich in den Produktionsphotos der letzten dreißig Jahre. Vom stimmlichen Schmelz der jungen Jahre blieb nichts. Auch die Damen Marjella Culagh, Diana Montague. Jenifer Larmore konnten sich prächtig etablieren. Bei Nellie Miricioiu muss ich allerdings gestehen, dass ich von ihrem betörenden Timbre nie genug bekommen konnte. Ach, meine liebe Nelliefer! Mit Emma d'Antiochia, der Katalog-Nummer ORC26, gab sie ihren Abschied bei Opera Rara – ihr zuckersüßes Piano verstummte für ihre Fans.


    Bleiben wir ein bisschen bei den Damen und katalogisieren wir sie.


    mein Superstar: Nellie Miricioiu
    Der eiserne Kern: Jenifer Larmore, Marjella Culagh, Anick Massis, Elizabeth Futral
    die Eintagsfliegen: René Fleming, Jane Eaglen, Sonia Canassi, Laura Polvereli, Patricia Bardon
    die Einsteiger von damals: Yvonne Kenney, Della Jones, Diana Montague, Nuccia Fossile, Lois McDonall
    die Gegenwart: Laura Claycomb, Vesselina Casarova, Patricia Ciofi, Daniela Barcellona
    die zweite Garde: Manuela Custer, Maria Constanta Nocentini, Mary Plazas, Elisabetta Scana
    neue Perlen: Dimitra Theodossiou, Carmen Giannattasio, Susan Patterson, Thora Einarsdottir
    mein jüngster Schwarm: Nicole Cabell :P


    von den Tenören gefallen mir
    etabliert: José Bros, Antonino Siragusa, Gregory Lunde, William Matteuzzi, Rockwell Blake
    neu: Dmitry Korschak, Nicola Rossi Giordano, Massimo Giordano, Giuseppe Filianoti, Dario Schmunck
    Da gibt es so viele nicht, weil Bruce Ford alles machte.


    bei den tiefen Stimmen notiert:
    Alastaire Miles (macht fast alles), Simon Keenlyside
    Christian du Plessis (weiter zurück)
    Mein Favorit: Ildebrando d'Arcangelo


    Die neuere Entwicklung bei der Stimmenauswahl ist nicht schlecht, wenn man so fort fährt und nicht wie in der Vergangenheit an Bewährtem klebt.


    Warten wir es ab, ob sich Opera rara eine neue Strategie überlegt. Wenn die Materialschlacht bei Druck und Papier eingedämmt wird, sollte sich der Preis auf etwa 40 Euro senken. Die Textheftchen sind zudem schlecht gebunden. Bei Überdehnung lösen sich die Blätter. Die Tonqualität der Aufnehmen bietet zu Beanstandungen selten Anlass.


    Das Programm sollte die Komponisten rückwärts bis Salieri (Mayr, Coccia, Fiovaranti, Rhigini und weitere etc.) ebenfalls einschließen. Bei den Franzosen im Umfeld von Meyerbeer gibt es noch einiges zu ergänzen.


    Wenn Opera rara ihre verkrusteten Strukturen nicht überdenkt, sehe ich für die Zukunft des Labels schwarz. X(


    :angel:
    Engelbert