Die großen Operndirigenten der Vergangenheit

  • Eigentlich hätte es ja ein Thread über Tullio Serafin werden sollen, aber wenn man die Quellenlage, die Arbeit der Recherche und die zu erwartende Threadbeteiligung in Beziehung zueinander stellt, dann ist das denn doch ein zu waghalsiges Unterfangen.


    Laut Wikipedia wurde er 90 Jahre alt und gilt als "Entdecker" der Callas.
    Eine schmale Eintragung, für solch ein langes Künstlerleben, so dachte ich bei mir. Jedoch dürfte dies das Schicksal vieler Dirigenten sein, die sich ausschliesslich oder vorwiegend mit dem Thema "Oper" befasst haben. Sie stehen ja in der Tat immer im Schatten der Sänger.


    Kaum einer von ihnen wurde mit Ovationen überhäuft, kaum einer hat in der Nachwelt bemerkenswerte Resonanz genossen. Mir fällt under anderen hier Richard Bonynge ein, der spöttisch "Mr. Sutherland" genannt wird - - sehr zu Unrecht, wie ich meine....


    Welche Namen fallen euch zu diesem Thema an, welche typischen Aufnahmen, welche Verhaltensweisen etc.


    Sollte der Thread "ankommen", so kann einerseits ein weiterer - zum Thema "Die großen Operndirigenten der Gegenwart" (oder so ähnlich) gestartet werden - oder aber es ergibt sich, daß vereinzelt auch die hier genannten Dirigenten zu einem eigenen Thread kommen....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred !



    Tullio Serafin wird ähnlich wie de Sabata oder Antonino Votto wegen der engen Zusammenarbeit mit Maria Callas 8 dazu der thread von Gustav " Maria Callas - live 2 hier im TF ! ) festgemacht .


    Tatsache ist aber , dass die künstlerische Entwicklung weit breiter angelegt gewesen ist und die mir bekannten berühmten italienischen Dirigenten fast alle auch als Dirigenten von Symphonien oder z.B. Klavierkonzerten hervorgetreten sind und auch berühmt wurden .
    De Sabata vor allem mit seinen Brahms - interpretationen .
    Votto , ein Toscanini - Schüler , hat sich auch intensiv mit Kompositionen und Auffführungen sog. Moderner Komponisten befasst und dadurch Ansehen erlangt .
    De Sabata hatte 1939 in Bayreuth einen berühmten " Tristan" dirigiert und auch anerkannte Kompositionen geschaffen .
    Tullio Serafin war weit mehr als der "Macher " der Callas : Er schrieb noch in sehr hohem Alter ein zweibändiges Werk über Musikstile etc. , das heute noch zitiert wird .


    Als " Cetra " noch mit den LPs blühte, da gab es , zumindest in Italien , nicht wenige Aufnahmen mit Nicht - Opern auch von Gui , dem ganz jungen Giulini ( geb. 1914 ) und anderen .


    Dazu zählen auch Mario Rossi und Alberto Erede , der ja viele Jahre mit Düsseldorf eng verbunden war . Darauf hat Harald Kral verdienstvollerweise hier im TF hingewiesen .


    Und ich darf auf den inzwischenberühmten Satz von Daniel Barenboim noch einmal hinweisen, dass die wohl bedeutensten Dirigenten des romantischen und spätromantische Repertoires bei den Symphonien durch italiensiche Dirigenten repräsentiert werden ( Giulini , Muti , Abbado , Chailly ) .


    Der Informationsfluss über die Generation von Abbado oder Muti und Chailly ist eben sehr viel grösser als es dies früher war .


    Als Abbado in Berlin Chef wurde war seine wohl bahnbrechenste Aufnahme die der c - moll - Symphonie von Johannes Brahms . Riccardo Muti hat bei seiner Nachfolge Ormandys in Philadelphia einen vollständigen Beethoven- wie Brahms - Zyklus dirigiert und aufgenommen ( EMI ) . Schubert stand oft auf Mutis Programmen . Mutis Opernaufnahmen muss man sich aus meiner Sicht oft richtig erarbeiten . 2013 wird er ja in Wien Verdi ausgiebig dirigieren .


    Eines wird dadurch überdeutlich : Das internationale Publikum möchte unbedingt das klassische Repertoire sowie die Romantiker und Spätromantiker in den Konzertsälen hören !


    Heute hat Daniel Barenboim das Jubiläumskonzert in der Universität Oxford mit Brahms' 1. Symphonie mit den Berliner Philharmonikern bestritten ( die " Berliner " übrigen sehr verjüngt ! ) .


    Er hätte ja auch auch Holst dirigieren können .


    es ist wirklich ein sehr interessantes Thema : Woran denken wir ( nur ? 9 , wenn wir Namen wie de Sabata , Serafin , Gui, Erde , Votto, Gavazzeni und andere hören ?


    Nur an Oper ? Nein !


    Beste Grüsse Dir und nach Wien !



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • @ Frank:


    Sollte Barenboim das wirklich gesagt haben, kann man das glaube ich so nicht ganz stehen lassen. Wenn wir z.B. Brahms, Bruckner und Mahler zu den romantischen und spätromantischen Komponisten zählten, fallen mir auf Anhieb einige nicht italienische Namen ein wie Wilhelm Furtwängler, Otto Klemperer, Günter Wand, Sir Georg Solti, Sir John Barbirolli, Leonard Bernstein, Klaus Tennstedt und und und...


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich beginne hier mit einem Dirigenten, der mit dem Begriff Oper verknüpft ist, wie nur wenige: Richard Bonynge
    Da er glücklicherweise noch unter uns weilt habe ich ein Problem, wo ich ihn einordnen soll unter die Dirigenten der Gegenwart, oder jene der Vergangenheit. Soweit ich eruieren konnte hat er bis 2009 noch gelegentlich an amerikanischen Opernhäusern dirigiert - danach konnte ich keine Aktivitäten mehr ausmachen. Wie dem auch sei - seine Glanzzeit war an der Seite seiner Frau, Joan Sutherland, wo er jede Opernaufnahme mit ihr selbst dirigierte. Das hat gelegentlich zu spitzen Kommentaren geführt, und auch zum Spitznamen "Mr. Sutherland" - aber das war natürlich ungerecht. Er war ein vorzüglicher Dirigent (und soweit mir bekannt, auch Musikwissenschaftler), seine Wahl war ein Glücksfall für uns Hörer - und für DECCA.




    natürlich hatte er auch ansonst stets die bestmöglichen Sänger - aber auch der Orchesterklang war unter seiner Stabführung beeindruckend...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Der italienische Dirigent Lamberto Gardelli (1915-1998) ist uns besonders als Dirigent von Verdi-Opern in Erinnerung
    Zu Beginn seiner Karriere war er Assistent von Tullio Serafin, sein Debüt als Operndirigent absolviuerte er in Rom mit Verdis „La Traviata“
    Er galt insbesondere als Spezialist für Opern von Verdi, und hier wiederum speziell für die unbekannteren Werke, welche er in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts (meist für Philips) auf Schallplatte aufgenommen hat. Diese Aufnahmen halte ich für unverzichtbar - Sie wurden immer wieder neu aufgelegt, wenngleich sie zeitweise nicht in den Katalogen zu finden waren.




    Allerdings war sein Repertoire weit größer - hier zwei weitere Operngesamtaufnahmen, welch er uns hinterlassen hat.



    Die gezeigten Aufnahmen sind nur eine Auswahl - Glücklicherweise gibt es wesentlich mehr - man beachte, über welch hochkarätigen Sänger der Dirigent bei seinen Einspielungen verfügte - ein purer Luxus.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Gefragt ist nach großen Dirigenten der Vergangenheit. Berücksichtigt man bei der Beantwortung die Popularität, dann kann man sich erfreulicher Weise im besonderen auf deutschsprachige Dirigenten konzentrieren. Hier fallen mir auf Anhieb die allen bekannten Pultgiganten wie z. B. Furtwängler, Klemperer, Krauß, Walter, Karajan, Böhm, Knappertsbusch, Kleiber, Krips, Keilberth, Kempe, Wand ein. Selbstverständlich müsste diese Auswahl durch internationale Dirigenten ergänzt werden. Selbst wenn in dieser Richtung erweitert würde, wären deutschsprachige Weltklassedirigenten überproportional vertreten. Auffällig auch die Häufung des Anfangsbuchstaben K. Gibt es ein K-Gen als besondere Disposition für große Dirigentenkarrieren?


    Herzlichst


    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Wer das Glück hat, eine statistisch bewanderte Tochter zu haben, kann nun mit 99.99 prozentiger Sicherheit behaupten, dass die Häufigkeit von Namen berühmter deutscher Dirigenten mit dem Anfangsbuchstaben K signifikant größer ist als die in der deutschen Gesamtbevölkerung (max. 12%).


    Herzlichst


    Operus

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  • Auffällig auch die Häufung des Anfangsbuchstaben K. Gibt es ein K-Gen als besondere Disposition für große Dirigentenkarrieren?

    Ja, wer weiß?


    Dabei ist das K doch als berüchtigter Anführer von Abscheulichkeiten wie Krampfadern, Kaggli Ostro, Kinderschreck, Kalbshaxe, Kohlenklau, Kianti, Kartoffelkäfer, Kaiserschmarren und Kadenz bekannt.

  • Karl Böhm - er ist zwar kein waschechter Operndirigent - sondern auch dem symphonischen Genre verpflichtet, aber andrerseits sind seine Mozart - Richard Strauß - und Wagnerdirigate geradezu maßstäblich. Es sind legendäre Aufführungen und legendäre Einspielungen, die er uns hinterlassen hat. Nicht zu vergessen Beethovens Fidelio. Bohm hat indes mehr Opern dirigiert als wir an Hand der vorhandenen Einspielungen nacherleben können. Hier nur einige wenige wenige Gesamtaufnahmen des Segments der oper, wo er zu Lebzeiten geradezu federführend war - oder zumindest ganz vorne an der Spitze mitmischte...
    Im Falle der Zauberflöte hat er sogar zweimal Schallplattengeschichte geschrieben, nämlich 1955, als er die erste Stereo-Aufnahme dieser Oper für Decca in den Wiener Sofiensälen dirigierte und 1964 die Aufnahme für Deutsche Grammophon, welche Fritz Wunderlich als Tamino bieten kann und daher ein unverzichtbares Tondokument in Sachen Zauberflöte ist.
    Ähnliches liesse sich über "Cosi Fan Tutte" mit Dermota, Kunz, della Casa und Schoeffler sagen. Nein- ich habe Christa Ludwig nicht vergessen - aber ihr waren noch zahlreiche Aufnahmen in der Zukunft vergönnt.




    Erfreulicherweise - auch wenn einigiges momentan gestrichen ist - ist das Angebot so groß, daß ich es hier nicht wirklich komplett zeigen kann. Daher hier nur eine kleine - ziemlich willkürliche Auswahl.
    Nach Mozart nun Wagner. Auch hier sind seine Aufnahmen Dokumnete der Zeit, wenngleich es hier durchaus Alternativen gab und gibt.



    Richard Strauß - Böhm war mit ihm persönlich befreundet - und Strauss streute seinem "Böhmerl", wie er ihn nannte - stets Rosen. Kein Wunder daß er auch auf diesem Gebiet als Autorität gesehen wird.




    Darüber hinaus gibt es in allen genannten Bereichen und darüber hinaus MONO Aufnahmen, welche teilweise klangtechnisch recht gut gelungen waren (frühe 50er Jahre) - Sie wurde hier aber nicht erwähnt....



    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Gefragt ist nach großen Dirigenten der Vergangenheit. Berücksichtigt man bei der Beantwortung die Popularität, dann kann man sich erfreulicher Weise im besonderen auf deutschsprachige Dirigenten konzentrieren. Hier fallen mir auf Anhieb die allen bekannten Pultgiganten wie z. B. Furtwängler, Klemperer, Krauß, Walter, Karajan, Böhm, Knappertsbusch, Kleiber, Krips, Keilberth, Kempe, Wand ein. Selbstverständlich müsste diese Auswahl durch internationale Dirigenten ergänzt werden. Selbst wenn in dieser Richtung erweitert würde, wären deutschsprachige Weltklassedirigenten überproportional vertreten. Auffällig auch die Häufung des Anfangsbuchstaben K. Gibt es ein K-Gen als besondere Disposition für große Dirigentenkarrieren?


    Ja, der absolut dominante Anfangsbuchstabe "K" bei Dirigenten ist mir auch schon aufgefallen. Zu den berühmten "K"-Dirigenten darf man dann auch noch getrost ISTVAN KERTESZ, BORISLAV KLOBUCAR, PAUL KLETZKI, KIRIL KONDRASCHIN, FRANZ KONWITSCHNY, RAFAEL KUBELIK und SERGEJ KUSSEWITZKY zählen. Es gäbe darüber hinaus sicher noch wenigstens 10 weitere bekannte Dirigenten der Vergangenheit mit dem Anfangsbuchstaben "K", die dann aber vielleicht auch nicht zu den ganz großen oder berühmten Dirigenten zählen.


    wok

  • Eigentlich hätte es ja ein Thread über Tullio Serafin werden sollen, aber wenn man die Quellenlage, die Arbeit der Recherche und die zu erwartende Threadbeteiligung in Beziehung zueinander stellt, dann ist das denn doch ein zu waghalsiges Unterfangen.


    Laut Wikipedia wurde er 90 Jahre alt und gilt als "Entdecker" der Callas.
    Eine schmale Eintragung, für solch ein langes Künstlerleben, so dachte ich bei mir. Jedoch dürfte dies das Schicksal vieler Dirigenten sein, die sich ausschliesslich oder vorwiegend mit dem Thema "Oper" befasst haben. Sie stehen ja in der Tat immer im Schatten der Sänger.


    Der deutsche Wikipedia-Eintrag ist wirklich beklagenswert. Was will man erwarten. Wikipedia hat nun mal Grenzen. Jedenfalls ist Tullio Serafin viel, viel mehr als dort in wenigen dürren Sätzen aufgezählt wird. Er hat dem Opernbetrieb sechs Jahrzehnte lang seinen Stempel aufgedrückt. Er hat die Callas nicht eigentlich entdeckt, er hat sie geformt, mit zu dem gemacht, was sie geworden ist, hat die meisten ihrer Aufnahmen geleitet. Wer von ihr redet, muss auch seiner gedenken!



    Sein Arbeitsstil war gnadenlos in der Suche nach Perfektion. Walter Legge, der ihn 1968 wenige Wochen vor seinem Tod besuchte, notierte sich anschließend folgende Bemerkung des von ihm hoch geschätzten Dirigenten: "In meinem langen Leben hat es drei Wunder gegeben - Caruso, Ponselle und Ruffo." Das muss man sich mal genau durchdenken. Die Callas kam da gar nicht vor. So hoch waren seine Maßstäbe. Er hatte sie ja alle noch erlebt und mit ihnen gearbeitet. Serafin war ein Kenner. Er studierte mit vielen Sängern in langwierigen Prozeduren ihre Partien, arbeitete sich Note für Note vorwärts. Er war ein Diener der Musik und stellte sich immer hinten an. Es lohnt sich, seine Aufnahmen immer wieder zu hören. Da spielt es gar keine Rolle, ob die nun in Stereo sind oder nicht. Sie glühen wie Kohlen. Und sie schweben, wie das in der NORMA von 1954 besonders gut zu hören ist. Ich kenne wenig bessere. Sie möchte ich stellvertretend für alle einstellen:



    Ja, lieber Alfred, es braucht schon einige Zeit, etwas über Serafin zusammenzubringen, was nicht in Wikipedia steht (der italienische Beitrag ist übrigens viel umfangreicher!). Ich hatte mal etliche Quellen auf meinem Tisch zurechtgelegt, frage mich aber nun doch auch, ob sich die Arbeit lohnt, daraus etwas zusammenzustellen für diese Rubrik. Nun sollte man ja nichts für sich und nichts in der Erwartung schreiben, dass jemand die eigenen Gedanken aufgreift und weiterspinnt. Das wäre zwar schön und jeder freut sich wohl über "Post". Die Realität ist meist anders. Aber das sollte immer hinten an stehen. Wir wollen ja auch nach außen wirken und doch nicht Wikipedia sein. Ob ich dazu auf Dauer Lust und Zeit habe, muss und wird sich zeigen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Jedoch dürfte dies das Schicksal vieler Dirigenten sein, die sich ausschliesslich oder vorwiegend mit dem Thema "Oper" befasst haben. Sie stehen ja in der Tat immer im Schatten der Sänger.

    Lieber Alfred,


    keine Regel ohne Ausnahme. Zumindest Klemperer, Knappertsbusch und vor allem Karajan standen keinesfalls im Schatten von Sängern. Ich Gegenteil, diese Pultgiganten haben Sängerkarrieren gemacht und durch ihre Besetzungspolitik stark beeinflusst. Und auf der ganzen Welt gehörte ein Solovorhang mit wechselndem Licht immer ganz allein dem Übervater Karajan. Wie viele Sänger Weltstars hat allein der "Operndirigent" Karl Böhm entdeckt?


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Zumindest Klemperer, Knappertsbusch und vor allem Karajan standen keinesfalls im Schatten von Sängern.


    Das ist wahr. Ich denke da etwa an den Salzburger "Don Carlo" Karajans aus dem Jahre 1986. Zwar erhielten auch die Sänger/innen mehr als genug Applaus, aber als "der große alte Mann" ganz zuletzt auf der Bühne erschien, drehte das Publikum förmlich durch.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Karajan hatte in Salzburg ja immer diesen Heimvorteil. Er wohnte ja gleich nebenan. Dabei wurden seine Leistungen nicht besser. Auch dieser "Don Carlo" hat in meinen Augen seine Grenzen. Mit Sängern hatte er mit den Jahren keine so glückliche Hand mehr wie einst. Es kursieren die abenteuerlichsten Besetzungspläne. Schon die "Salome" von 1977 finde ich ziemlich daneben. Hildegard Behrens, von Haus aus eine "Figaro"-Gräfin, sang sich von da an in ihr stimmliches Unglück. Und doch hatte er gerade in den späten Jahren auch eine Vorstellung von seinen eigenen Grenzen, was ihn mir sehr sympathisch macht. Es gibt ja diesen bemerkenswerten Dokumentarfilm, in dem auch sein letzter Salzburger "Don Giovanni" eine Rolle spielt. Die Entourage folgt ihm in die Garderobe und überschüttet ihn mit schmeichlerischen Lobpreisungen. Darauf er lakonisch: "Na so gut war es nun auch wieder nicht."


    Bei Karajan standen schließlich viele Sänger in seinem Schatten. Und das geht nach meinem Dafürhalten auch nicht. Der Dirigent allein reißt gar nichts raus. Mich kann man mit Aufführungen und Aufnahmen von Opern jagen, in denen lediglich der Dirigent Eindruck hinterlässt. So geht es mir oft mit Thielemann. So empfand ich es auch mit Petrenko in Bayreuth, wo mir nicht ein Sänger zusagte. In Salzburg neulich zu Ostern empfang ich es wieder umgekehrt. Da gefielen mir die Sänger in der "Cavalleria" sehr, Thielemann hingegen rührte sich seinen italienischen Brahms zusammen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich beginne hier mit einem Dirigenten, der mit dem Begriff Oper verknüpft ist, wie nur wenige: Richard Bonynge


    Dies kann ich nur bestätigen. Ich erlebte RICHARD BONYNGE vor etwa 35 Jahren in einer unvergeßlichen und mitreißenden Aufführung von Rigoletto im Opernhaus in Sydney zusammen mit seiner Gattin JOAN SUTHERLAND, und er wurde schon damals für seine souveräne Leistung stürmisch gefeiert. Er ist für die Oper wirklich prädestiniert.


    Ein weiterer großartiger Operndirigent, von dem man heute leider nur noch viel zu wenig hört, ist der am 02 06. 1921 in Mailand geborene französische Dirigent GIANFRANCO RIVOLI. Von 1948 - 1950 leitete er die Ballettaufführungen an der MAILÄNDER SCALA. Von 1968 - 1971 war er künstlerischer Direktor und ständiger Dirigent des KAMMERORCHESTERS DER GULBENKIAN-STIFTUNG LISSABON. 1967 - 1977 leitete er das ANGELICUM MAILANO. Er dirigierte an zahlreichen Festspielen, vor allem in Portugal und Aix-en-Provence und arbeitete für verschiedene europäische und nordamerikanische Rundfunkanstalten. In der NEW YORKER CARNEGIE HALL führte er einige Werke BELLINIs konzertant auf. 1983 - 1987 unterrichtete er am PARISER KONSERVATORIUM Orchesterleitung. Er dirigierte alle bekannten Opern und führte auch immer wieder zahlreiche zeitgenössische Werke auf. Mit der OPER VON MONTECARLO verband ihn eine langjährige Zusammenarbeit, und seit 1958 dirigierte er dort regelmäßig.


    Ganz besonders schätze ich seine Aufnahme von 1970 der Oper IL BARBIERE DI SIVIGLIA von ROSSINI mit dem ORCHESTRE NATIONAL ET CHOEURS DE L'OPÉRA DE MONTE-CARLO mit den glänzenden Solisten LUIGI ALVA (Il conte d'Almaviva), CHRISTIANE EDA-PIERRE (Rosina) MARCO STECCHI (Figaro), ANDREW FOLDI (Bartolo) und ALESSANDRO MADDALENA (Basilio). RIVOLI interpretiert das Werk dynamisch und stilvoll, und er versteht, das Orchester und die Sänger mitzureißen. Eine rundum sehr überzeugende und gelungene Aufnahme!


    wok

  • Seit Jänner 2015 gibt es einen Parallelthread zu den großen Operndirigenten der Gegenwart. Er wird eigentlich nicht frequentiert - vermutlich weil es heutzutage nur wenige Dirigenten, die vorwiegend Oper dirigieren gibt (?)
    Die großen Operndirigenten der Gegenwart


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich beginne hier mit einem Dirigenten, der mit dem Begriff Oper verknüpft ist, wie nur wenige: Richard Bonynge


    Das greift ein wenig zu eng. Mit Richard Bonynge haben wir einen Dirigenten, dessen Schallplatten-Vermächtnis fast ausschließlich aus Musik für die Bühne besteht. Das bedeutet aber nicht nur Oper, er wendete sich gelegentlich auch leichteren Geschwistern dieser Gattung zu. Vor allem aber hat er einen meines Wissens nach unübertroffenen Schatz an Ballettmusiken hinterlassen. In einer Zeit (nach Ansermet), wo sich kaum ein Dirigent von Rang ernsthaft mit Ballettmusik beschäftigte (eine Ausnahme wäre vielleicht noch André Previn), hat er einen großen Teil des klassischen Ballettrepertoires in maßstäblichen Aufnahmen eingespielt.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • vermutlich weil es heutzutage nur wenige Dirigenten, die vorwiegend Oper dirigieren gibt (?)


    Vermutlich bis auf die ganzen GMDs (insbesondere an kleineren Häusern), die höchstens einmal im Monat ein Abonnementskonzert geben und ansonsten "im Graben" stehen ;)

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.