Wundersame Meistersinger in KASSEL (1.Mai 2010)

  • Liebe Taminoeaner/innen


    In Kassel gibt es sehr sehens- und hörenswerte MEISTERSINGER.


    Von den ca ein Dutzend SACHS', die ich bis jetzt gehört habe, hat mich Wolfgang Brendel in Kassel nachhaltig überzeugt .
    Er ist zwar noch nicht ganz so alt wie das 72 jährige "Stimmwunder" Franz Grundheber.........
    aber ich glaube, sehr viele Jahre fehlen nicht mehr. (Jahrgang 1943?)


    Also Brendel hat nach wie vor sein wunderbares unverwechselbares Timbre. Von der ersten bis letzten Minute sang er (fast) ohne Anstrengung, einfach bewundernswert.
    Aber auch den Stolzing von Erin Caves, den David von Johannes An und die Eva von Barbara Havemann fand ich erstklassig.
    Etwas Probleme hatte ich mit dem guten Sängerdarsteller des Beckmesser: Espen Fegran. Er hat gut gesungen und phantastisch einen alternden, ja tragischen Möchte-Gern-Liebhaber der EVA dargestellt. Er ist aber kein "Liedsänger" wie Skovhus, Henschell, Gerhaher, die bei ihren "Werbegesängen" mit den Worten spielen und jonglieren können.
    Ich habe das Kasseler Orchester schon vor 10 Jahren unter Paternostro bewundert.


    Unter ihrem Schwedischen Chef Patrik Ringborg
    trumpfen sie vielleicht nicht ganz so auf.....aber sie spielen schlanker und differenzierter, was Wagner gerade bei den "Teutonischen" Meistersingern sehr gut tut.
    Er dirigiert nicht so "süffig" wie Soltesz, nicht so kraftvoll "Deutsch" wie Thielemann und nicht so dramatisch und voller Fluß wie Prick in Nürnberg.
    Ihm gebührt die Ehre einen "Mozart'schen" WAGNER hingelegt zu haben, musikantisch ausdifferenziert, ohne Effekthascherei und Bombastik !


    Die Inszenierung ist von Lorenzo Fiorini . Auf den ersten Blick erscheint einiges absurd, nämlich, dass die Meistersinger Variétekünstler sind, die sich in den Kellergewölben ihres von den Bürgern gesprengten Variétetheaters die Reste ihrer Kunst zusammensuchen und sich dort nachts zu illegalen Treffen versammeln -, diese Idee funktioniert im ersten Akt schon deshalb, weil Clowns tatsächlich ein Regelwerk besitzen.


    Ich finde den ästhetischen Gewinn dieser Idee überwältigend. Es gibt den Aufmarsch der Meister als Kunst-Clowns (man sieht Grock, den Weißclown, Pogner als Pierrot...) und die Selbstverwandlung des "Volkes" in Clowns zeigen, dass es die komischen, traurigen, sehr unterschiedlichen Clowns sind, die für das Andere der Kunst stehen, die es zu bewahren gilt.


    Für mich ist die Verkleidung des riesigen Chor-Volkes auf der Bühne auch eine Anspielung an unsere Rollenspiele, also die der Zuschauer.


    Zunächst sind die Herren Handwerksmeister nämlich (auch?) ganz bieder und bürgerlich,
    bevor sie mit ihren Clowngewändern und dazugehörigem Gestik-Mimik-Reservoir glänzen und verblüffen.


    Es ist auch ein wenig eine Anspielung auf die Politclowns die uns regieren, auch wenn es kein Westerwelle-Kostüm gab.


    Schließlich hält Hans Sachs seine Rede vor dem geschlossenen, schönen weißgoldenen Zirkusvorhang und in den letzten Takten, während das Volk den Chor im Dunkeln singt und die Clownspitzenmütze das Licht am Boden aus einem Scheinwerfer spiegelt. Eine feinnervige poetische Idee!


    Ich, wie wohl das gesamte Publikum (10 min Standing Ovations) feierten eine außergewöhnlichen Opernabend, in der die "moderne" Inszenierung ganz im Sinne des GESAMTKUNSTWERKS die Geschichte dieser Oper unterstützt, ja genial umsetzt.


    Es gibt noch eine Vorstellung am Sonntag, den 26. Mai


    Gruß....................."Titan"

  • Danke für diesen aufschlussreichen Bericht.
    Ich hatte auch im OMM einen Bericht darüber gelesen und auch dort zeigte man sich überrascht von der Idee Fiorinis. Schade, dass ich es nicht nach Kassel schaffen werde um mir selbst ein Bild zu machen.