Flaggschiff - Berühmte Dirigenten der Independent Labels

  • In der Vergangenhiet wurden berühmte Dirigenten oft mit einenm Label in Verbindung gebracht, so beispielsweise Herbert von Karajan mit der Deutschen Gramophon, Leonard Bernstein (ursprünglich) mit CBS, Sir Georg Sollti mit Decca und Nikolaus Harnoncourt mit TELDEC.


    Irgendwann endete die "goldene Ära der Exklusivverträge" Ich weiß heute gar nicht meh, von wem die Initiative ausging, wollten die Dirigenten sich nicht mehr binden - oder wollten die Tonträgerfritzen die Allüren der Stars nicht mehr ertragen.


    Egal.


    Jedermann dirigierte überall - was meiner Meinung nach weder für die Dirigenten, noch für die Plattenfirmen gut war, es trat ein gewisser Identitätsverluist für beide Teile ein.


    Machen Dirigenten waren geradezu eine Aushängeschild für eine Plattenmarke, Solti unbd Decca waren quasi EIN Begriff....


    Allmählich gab es anscheinen eine Rückbesinnung - allerding nicht bei den "Majors" - die - zumindest im Klassikbereich - diesen Namen eigentlich gar nicht mehr wirklich verdienen - von Ausnahmen mal abgesehen, denn die wichtigen Aufnahmen erscheinen - zumindest meiner Ansicht nach - bei den Independents.


    Die wiederum haben sich einige Spitzendirigenten geangelt, und allmählich ihr Repertoire ausgebaut - sich einen Namen gemacht.


    Mir fällt hier spontan der Name Hännssler ein, wo Roger Norrington seine "2 Karriere" gestartet hatte, nachdem er EMI verlassen hatte, oder von dieser verlassen wurde (??)
    Hier erleben wir den Fall daß ein Label, welches einst vorzugsweise durch Rillings Bach-Einspielungen im Bewusstsein der Sammler war, eine Aufwertung ersten Grades erfahren hat.
    Desgleichen - egal wie man zu Norringtons Klangphilosophie steht, hat es dieser geschafft auch SEIN RSO Stuttgart bekannt zu machen und ihm den Weg zu Aufnahmen zu ebnen - in einer Zeit wo das sicherlich keine Selbstverständlichkeit ist.....


    Aber nicht alle Independent Labels haben große Namen eingekauft, weil billig zu haben (oder von der Straße aufgelesen, weil vom einstigen Vertragspartner im Stich gelassen) - sondern einige haben durch beharrliches Verfolgen von interessanten Aufnahmeprojekten ihre Stardirigenten selber kreiert. Wer hier gemeint sein kann, daß sollt IHR schreiben, ich werde dann im Laufe der Threadentwicklung - so es zu einer kommt - mitmischen


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred, das sehe ich ganz anders. Ein Musiker - wenn er denn einer ist - will zunächt: musiziern. Das vollzieht sich zunächst im Konzertsaal. Viele Musiker der alten Generation - ich nenne Furtwängler oder Knappertsbusch - fanden die Platten gar nicht so wichtig. Eine Plattenfirma versucht Musiker an sich zu binden, von denen sie meint, entsprechend Umsatz oder Image gewärtigen zu können. Kein sehr musikalische Argument, oder? In Zeiten kaum vorhandener Backlists konnte ein Karajan von EMI zu DGG hin-und herpendeln, aufgefallen ist das eigentlich niemandem. Wenn sich die Majors heute, angesichts ihrer Backlists fragen, warum denn nun zum 185.000sten Mal Beethoven 5. eingespielt werden muss, ist das ein rein ökonomischer Aspekt. Ein Riesenkonzern schleppt halt einen ganz anderen Wasserkopf an Kosten mit sich rum als Hänssler oder cpo. Künstler gehen nach dahin, wo sie Freiheit für ihr Programm bekommen. In duboi machen sie halt keine Platten. Der Bühnenapplaus ist dann doch befriedigender.


    Jedem ernsthaften Musiker wird die Flüchtigkeit eines Konzertes bewusst sein. Wenn jemand das aufzeichnen möchte, ok. Wenn sich damit Geld verdienen lässt, noch besser. Aber der Hauptjob ist eben: Musik zu machen.


    Vor gut 50 Jahren hat Pathé (EMI) dem Pianisten Aldo Ciccolini angetragen, eine Satie-Platte zu machen. "Wenn davon 300 Exemplare verkauft werden, ist das viel". Die Annahme war zwar irrig, die Platte hat eine Satie-Rennaissance ausgelöst und Ciccolini hat für EMI zwei GA's der Satie-Werke gemacht; Auslöser war allerdings - und das ist bemerkenswert - der Wunsch, Satie verfügbar zu haben. Andere Zeiten halt.


    Die Herren Karajan und Solti haben vorzugsweise gut verkaufbaren Mainstream heruntergepinselt. Damit kann man Star werden, ist aber noch lange nicht gut.


    Karl Böhm war in seinem Repertoire eingeschränkter, in dem, was er gemacht hatte indes viel besser als der Kollege aus Anif.


    Was lernen wir daraus? Den Majors geht's um Kommerz. Da sind die wie Huren, sie machen's mit jedem. Eine Empfehlung zu sein haben sie allerdings längst aufgehört.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Zitat

    Die Herren Karajan und Solti haben vorzugsweise gut verkaufbaren Mainstream heruntergepinselt. Damit kann man Star werden, ist aber noch lange nicht gut.


    Lieber Thomas,


    :no: Dein wirklich sehr allgemein und mit wenig Überlegung gehaltenes Zitat gefällt mir gar nicht !


    Wenn Dirigenten wie Karajan und Solti den sogenannten Mainstream heruntergepinselt hätten, dann würden sich bis heute keine so zahlreich vorbildlichen Aufnahmen von Beiden aufzählen lassen. Mit "Hinpinseln" kann man kein Star werden !


    Betrachte mal die Entwicklung von diesen beiden großen Dirigenten:
    Zuerst die großen frühen Aufnahmen Karajans bei Decca und EMI, die später bei DG klanglich vervollkommnet wurden. Er hat heute immer noch eine der größten Beethoven-GA für sich zu verbuchen; die Meistverkaufte und Bekannteste allemal. So etwas nennst Du hingepinselt ?


    Bei Solti kam sein großer Durchbruch beim Chicago SO mit einer großen Anzahl von beispielhaften GA der gesamten Klassiker. Solti kenne ich auch nur auf Decca; eben sein Haus- und Hof-Label. Ich kenne und habe von Solti alle Mainsteamer (wie Du es nennst, ich mag den Ausdruck ohne hin nicht). TOP !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich kann Teleton da nur zustimmen. Auch wenn an Karajan heute viel herumgemäkelt wird, so hat er doch viel hinterlassen, zum Teil noch aus der Mono-Ära, ber auch aus seinen letzten Jahren (z.B. Mahler 9., Bruckner 8. und 7.), das heute noch referenzwürdig ist.
    Und Sir Georg Solti ist, wei ich meine, doch viel weniger umstritten, und sein Jahrhundert-Ring ist sprichwörtlich, ebenso eine Reihe weiterer Wagner-Opern, Mahler-Sinfonien und und und.


    Aber denken wir doch eine Stufe niedriger, z. B. an das seit etlichen Jahren auf dem Vormarsch befindliche Label Brilliant Classics, das nicht nur Lizenzaufnahmen herausgebracht hat, sondern auch eine ganze Reihe neuer Produktionen, z. B. auf dem Gebiet der Chormusik.


    Ich denke dabei an den noch jungen Dirigenten und Chorleiter Nicol Matt, den Gründer des "Nordic Chamber Choir", des heutigen "Chamber Choir of Europe". Unter anderem hat er die folgenden beiden Gesamtaufnahmen herausgebracht und gilt bei Brilliant sicherlich inzwischen als Experte für neue Chormusikproduktionen:



    Für diese beiden Kassetten kann ich nur eine volle Kaufempfehlung aussprechen.


    Liebe Grüße


    Willi :jubel:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • ...
    Vor gut 50 Jahren hat Pathé (EMI) dem Pianisten Aldo Ciccolini angetragen, eine Satie-Platte zu machen. "Wenn davon 300 Exemplare verkauft werden, ist das viel".

    Ja, wirklich? Überraschend. Die wahrscheinlichere Version wäre gewesen, wenn Ciccolini sich das gewünscht hätte, und Pathé gnädig darauf eingegangen wäre...



    Zitat

    Die Herren Karajan und Solti haben vorzugsweise gut verkaufbaren Mainstream heruntergepinselt. Damit kann man Star werden, ist aber noch lange nicht gut.

    Ich kenne Stimmen, die meinen, Karajan z.B. habe ein viel zu breites Repertoire eingespielt. Da kann ja nicht alles gut sein...
    Also was nun? ;)



    Zitat

    Karl Böhm war in seinem Repertoire eingeschränkter, in dem, was er gemacht hatte indes viel besser als der Kollege aus Anif.

    Ist das wirklich so? Ich finde es diskutierbar, ob Böhm bei Beethoven, Brahms, Bruckner, Strauss oder Tschaikowsky wirklich "viel" besser war.



    Zitat

    Was lernen wir daraus? Den Majors geht's um Kommerz. Da sind die wie Huren, sie machen's mit jedem. Eine Empfehlung zu sein haben sie allerdings längst aufgehört.

    Na ja. Du vergisst da einen ganz wichtigen Punkt. Natürlich möchten die Plattenfirmen Geld verdienen, aber auch andere wollen das, insbesondere die Orchester! Karajan und Solti hatten ihre Orchester mit regelmäßigen Aufnahmen zu "versorgen", denn die Herren Musiker hatten sich an die regelmäßigen Zusatzeinkommen gewöhnt und wollten sie nicht mehr missen. Es kam nicht von Ungefähr, dass die Berliner mit Karajan unzufrieden wurden, als sich nämlich diese Nebeneinkünfte spürbar schmälerten, da der Meister immer häufiger auch bei Plattenaufnahmen mit den Wienern fremdging.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Dieser Thread ist ein klassisches Beispiel dafür, wie man vom Thema abkommen kann. Es ging hier nämlich nicht darum inwieweit die Dirigate der Herren Karajan und Solti "Massenware" waren, sondern inwieweit es die Indepent Labels geschafft haben sich Dirigenten von Weltruhm zu angeln, bzw sie solche selbst "gezüchtet" haben. Man kann es auch so ausdrücken: Inwieweit waren Dirigenten von Weltruhm bereit, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen und für ein "Kleinlabel " aufzunehmen. Man mag einwenden, dies sei in manchen Fällen eine wirtschaftliche Notwendigkeit gewesen - aber das glaube ich nicht. Es mag oft schädlicher sein für ein "No-Name -Label" mit schlechter Aufnahmetechnik, dilettantischer PR und zweifelhaften Bekanntheitsgard aufzunehmen als überhaupt nicht. Das gilt natürlich in erster Linie für bereits "berühmte" Dirigenten. Dennoch haben einige den Sprung ins Ungewisse gewagt. Mit unterschiedlichen Ergebnissen - wie ich meine.
    Ein beispiel für solch einen geglückten Wechsel sehe ich im Falle von Roger Norrington.
    Hier ein Dirigent, der weiß was er will, schier mit unbeugsamen Willen ausgestattet, sein Konzept durchzusetzen, dort ein Label mit mittlerem Bekannheitsgrad soweit es "allgemeines Repertoire" betrifft - (in Hinsicht auf Bach ist Hänssler indes sehr bekannt) welches sehr gut einschätzen kann, welchen Goldfisch es da an Land gezogen hat - und auch - fast wie bei "Deutscher Grammophon" - bereit ist allfällige anfänglich Durststrecken gemeinsam mit dem Künstler zu gehen.
    Das Ergebnis spricht IMO für sich.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Und indem ich hier nach längerer Pause einen Beitrag schreibe, versuche ich das ursprüngliche Thema wieder aufzugreifen.
    Wobei der kleine thematische Ausreißer in Wirklichkeit gar keiner war (so was erkennt man am besten mit zeitlichem Abstand)
    Denn die "Kleinlabels haben die von den "Majors" aufgegebenen Stardirigenten nicht aus Nächstenliebe bei sich aufgenommen - sondern ebenfalls nur um einerseits Geld zu verdienen, andrerseits um das eigene Firmenimage aufzupolieren.
    Helmut Müller-Brühl ist mein nächstes Beispiel. Mit seinem Kölner Kammerorchester war er bei Schwann eine Beinahe-Berühmtheit. Jeder der sich mit Nischenrepertoire des 18. Jahrhunderts befasste, kannte ihn. Aber "berühmt" im Sinne des Wortes war er indes nicht.
    Immerhin konnte er - als Naxos ihn im selben Segment einsetzen wollte, die Bedingung stellen, vorzugsweise Werke des Mainstream dieser Zeit einzuspielen - und Naxos akzeptierte.
    Es war für beide Seiten ein guter Deal. Müller-Brühl festigte seinen Ruf als zuverlässiger Dirigent und verhalf seinem Orchester zu mehr Breitenwirkung. Naxos hatte einen "Star" - und auch wenn ich ihn hier unter Anführungszeichen setze - er war einer. Denn die Verkaufszahlen bestätigten, dass die Entscheidung von Klaus Heymann, diesem Dirigenten das Vertrauen zu schenken, richtig war. Wenngleich ich das nicht wirklich durch Zahlen belegen kann, so spricht doch die Zahl der anschließend gemachten Einspielungen für Naxos für die Richtigkeit dieser Aussage.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Von Helmut Müller-Brühl habe ich noch nie eine Aufnahme gehört, geschweige denn in Augenschein genommen.
    Wahrscheinlich deckt er nicht "mein Repertoire" ab !?!


    :!: Es ist ohenhin schwierig für das Label NAXOS einen wirklichen Star ausfindig zu machen, da die Dirigentennamen dort sehr vielfältig sind.
    Aus meiner Sicht würde ich die Stars mit guten bis herausragenden Aufnahmen bei NAXOS eher so einordnen:
    1. Bei russischen Komponisten liest man oft den Namen Theodore Kuchar, die von sehr gut (=Schostakowitsch-Suiten) bis langweilig (Khatchturian-Gayaneh) reichen.
    2. Bei Komponisten des 20.Jhd (Rachmaninoff, Respighi) hat sich Enrique Batiz einen Namen gemacht.
    3. Ein "kleiner" Naxos-Star ist auch Jose Serebrier, der ehemalige Assistent und Schüler von L.Stokowsky; der mit eigenen Werken, Wagner/Stokowsky-Stücken, sowie von Mussorgsky, Khatchaturian, Rorem, Schuman herausragendes bei NAXOS vorgelegt hat.


    Aber wahrscheinlich hängt die Sichtweise darauf, was ein NAXOS-Star ist, auch hier davon ab, welche musikalischen Interessen vorliegen. Damit wären die unter 1.-3. genannten genau so wenig NAXOS-Star wie H.M.Brühl ...


    ;) Bei NAXOS gibt es kein wirkliches Flaggschiff !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Mir fällt hier spontan der Name Hännssler ein, wo Roger Norrington seine "2 Karriere" gestartet hatte, nachdem er EMI verlassen hatte, oder von dieser verlassen wurde (??)
    Hier erleben wir den Fall daß ein Label, welches einst vorzugsweise durch Rillings Bach-Einspielungen im Bewusstsein der Sammler war, eine Aufwertung ersten Grades erfahren hat.

    Ein beispiel für solch einen geglückten Wechsel sehe ich im Falle von Roger Norrington.
    Hier ein Dirigent, der weiß was er will, schier mit unbeugsamen Willen ausgestattet, sein Konzept durchzusetzen, dort ein Label mit mittlerem Bekannheitsgrad soweit es "allgemeines Repertoire" betrifft [...]


    Nun hat hänssler neben Sir Roger, den ich schätze und der mit dem Stuttgarter RSO zweifellos großes geleistet hat, mit Michael Gielen und der Günter Wand-Edition (vor allem Aufnahmen mit dem DSO Berlin und den Münchner Philharmonikern) ja auch keine Ladenhüter im Programm. Bezeichnend finde ich es auch, dass sich das Label fast durchweg im Hochpreis-Sektor bewegt und es anscheinend - und vor allem anders, als die sog. "Majors" - nicht nötig hat, Aufnahmen als Zweit-, Dritt-, ..., Sechsunddreissigst-Auflage zu verramschen oder die Rechte an "Billig-Labels" abzugeben.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.