Mozart: Le Nozze di Figaro - London 2006

  • Le nozze di figaro


    Opera buffa in 4 Akten von Wolfgang Amadeus Mozart und Lorenzo DaPonte


    Aufgenommen am 10.,13. und 17. Februar 2006 am Royal Opera House Covent Garden, London.




    Inszenierung: David McVicar, eher konventionell, aber mit modernen Elementen, insgesamt gut
    Set & Costume: Tanya McCallin, sehr schön anzusehen, Bühnenbild ist raumerfüllend


    Besetzung:
    Figaro: Erwin Schrott
    Susanna: Miah Persson
    Conte: Gerald Finley
    Contessa: Dorothea Röschmann
    Cherubino: Rinat Shaham
    Dr. Bartolo: Jonathan Veira
    Don Basilio: Philip Langridge
    Marcelina: Graciela Araya
    Antonio: Jeremy White
    Don Curzio: Francis Egerton
    Barbarina: Ana James


    Kaufempfehlung: sehr hoch


    Wie so oft war die Videoplattform „Youtube“ mir eine große Kauf-Hilfe und da ich ein großer Freund von der Stimme Gerald Finleys bin, war es für mich ein großes Anliegen mir diese DVD zu besorgen.


    Zunächst einmal erfreute mich die Inszenierung von David McVikar. Der lässt, wie man an Bühnenbild und Kostümen unschwer erkennen kann, die Handlung in historischer Zeit spielen, so um 1800. Allerdings bin ich mir nicht ganz sicher in welchem Land, denn den Kostümen nach könnte das auch eine wirklich britische Ansicht sein.
    Es ist höchst erfreulich, dass David McVikar den lebendigen Geist dieser Oper ganz bewusst einfängt und mit Hilfe der ganzen Dienerschaft den Alltag im Schlosse Almavivas bebildert. . Das mach Sinn, weil dadurch noch mehr das soziale Gefälle deutlich wird. Ganz unten in dieser Nahrungskette scheint da der Page Cherubino zu stehen, und man sieht sehr deutlich, wie sehr sich die anderen Diener des Grafen freuen, wenn der Page mal wieder in Schwierigkeiten steckt. Wie sehr McVikar auf die Musik hört, wird schon in der Ouvertüre deutlich, wenn 4 Diener am frühen Morgen des tollen Tages zum ersten Forte-Einsatz des Orchesters die Fenster des Saales aufreißen und das erste Licht des Tages in den Raum flutet.


    In diesen wird dann die fast schäbige, zu groß geratene Besenkammer eingeschoben für den ersten Akt, so dass man von der Seite schon die eintreffenden Personen beobachten kann, bevor sie den eigentlichen Raum betreten. Wenn zum Ende von Figaros „Non piu andrai“ sich die „Besenkammer“ wieder zurück zieht, wird der Blick frei auf das Zimmer der Gräfin. Als sie das Zimmer betritt, verlässt ihre ziemlich wissend schauende Dienerschaft den Raum, so dass die Einsamkeit und Scham der Contessa noch deutlicher wird. Auch wenn dieses bestimmt keine politische Inszenierung des Werkes ist, hat man als Zuschauer schon das Gefühl, dass der Graf in der post-revolutionären Zeit den Spagat zwischen Freundlichkeit und herrschaftlicher Autorität zu bewältigen sucht. Daher bewegt sich Figaro mit ihm auf Augenhöhe und wagt es sogar den Grafen anzuschreien („Perche no?“ im dritten Akt).


    Das Verhältnis der einzelnen Personen zueinander wird doch sehr genau ausgearbeitet: Selbst zwischen Marcelina und Bartolo ist von Anfang an ein Feuer, das man zwischen Graf und Gräfin vergeblich sucht. Auch die Wiedererkennungs-Szene zwischen Figaro und seinen Eltern ist zum Glück frei von allen Peinlichkeiten. Nicht ganz so geglückt ist wie üblich der vierte Akt. Eindrucksvoll ist der Übergang vom dritten auf den vierten Akt, allerdings ist mir diese Mischung aus Gartenbepflanzung und Innen-Mobiliar doch zu wenig.


    Sehr glücklich bin ich mit der Besetzung. Erstmal verdienen die Statisten, der Chor und Comprimarii ein großes Lob, die angeführt werden von einem großartigen Philip Langridge als Basilio. Alle setzen dieses lebendige Konzept sehr zufriendenstellend um.


    Erwin Schrott kommt das nur so halb entgegen. Auf der einen Seite kann er seinen ganzen darstellerischen Charme einsetzen. Auf der anderen Seite setzt er seinen schönen Bass, der zu so schönen Piano-Passagen fähig ist, doch etwas frei ein. Da ist mir der genauere Notentext eines Jose van Dam oder D'Arcangelo doch lieber. Seine Susanna ist mit Miah Persson ideal besetzt, sie besitzt ein recht freches Timbre, dazu eine süße, aber auch selbstbewusste Ausstrahlung. Dorothea Röschmann ist sicherlich nicht die beste Gräfin rein technisch gesehen, aber ihre Stimme besitzt genau die richtige Reife für die Rolle und sei weiß die Rolle auch emotional sehr gut zu gestalten. Rinat Shaham verkörpert den Cherubino mit spät-pubertärer Jung-Männlichkeit, ist simmlich zwar in diese Rolle noch nicht voll reingewachsen, aber lässt ein enormes Potential erkennen.
    Star für mich ist ganz klar Gerald Finley, der mit bronzenem Bariton dem Graf aristokratisches Profil verleiht. Seine Stimme hat den Rollensprung vom Figaro zum Grafen gut verkraftet und seine Gestaltung der Rezitative ist mustergültig.


    Diese werden von Antonio Pappano selber am Cembalo begleitet, der mit viel Schwung diesen tollen Tag anfeuert. Teilweise gießt er etwas zu viel Öl ins Feuer, so dass Blech und Pauke doch etwas zu rabiat aufzuspielen und das Allegro asai am Ende des vierten Aktes ist bei ihm schon eine Stretta, die mir schon fast zu schnell ist. Dennoch kann ich mich mit diesem Dirigat sehr anfreunden, da es die Lebendigkeit der HIP und die instrumentale Fülle der alten Tradition vereint.


    Mit ein paar kleinen Interviews sowie einer Cast Gallery und einer illustrierten Inhaltsangabe hat die DVD wenigstens ein paar Extras, die einen meist hohen Preis doch etwas erträglicher macht.