Das Vater Tochter Beziehungsdrama
Koskys Walküre in Hannover
Spannung herrschte in Hannover, nachdem das bildreiche Rheingold große Zustimmung erfahren hatte, aber auch die Frage hinterließ, wie es weiter gehen würde, mit dem Ring und welche Klammer das große Projekt zusammenhalten würde.
Eine klare Antwort gibt es auch jetzt nach dieser Premiere der Walküre nicht, aber ich gewann die Erkenntnis, dass es Kosky nicht nur vermag großartige Bilder, wie die federgeschmückten Revuetänzerinnen als Rhein, zu inszenieren, sonder auch unspektakuläre aber enorm eindringliche Momente der Zweisamkeit.
Nachdem schon im Programmheft ein Text von Wagner als stand, dass das Werk immer wieder neu gedeutet und in unsere Zeit versetzt werden soll, verwunderte es nicht mehr wirklich, dass Hunding in einer eiskalten modernen Vorstadtvilla mit großen Schiebefenstern in den Garten, grauen Granit und Designer Ledergarnitur wohnt. Dort schläft Sieglinde als Siegmund hektisch versucht ins Haus zu dringen, um Zuflucht zu finden. Eher gestört wirkt ihre Beziehung, weit auseinander sitzen sie und mit ihren eigenen Ängsten und seelischen Verformungen beschäftigt (Autistisch?) als sich wirklich in einander verlieben zu können. Hunding, sehr schön schwarz und dominierend gesungen und verkörpert von Albrecht Pesendorfer, ist ein brutale Sadist, der seine Frau an den Haaren herumschubst und mit dem Gürtel züchtigt.
Das Drama ist einerseits sehr dicht und durch den Jetztbezug nah an einem dran und doch – liegt es an der musikalischen Gestaltung – nicht vollends fesselnd und berührend.
Zum Ende dann „der Aufreger“ der schon ein erstes Buh-Gewitter nach dem Aktschluß provozierte; Nothung wurde aus der Decke gezogen die Eschenstamm/Vagina darstellte und ein Ausfluß gelblicher Flüssigkeit ergoss sich über Schwert und Siegmung - Frucht-/Wundwasser oder Samenerguss?? Es durfte diskutiert werden.
Vincent Wolfsteiner wurde vom Publikum gefeiert, sein kerniger leicht baritonaler Tenor versprühte Kraft, mir fehlte aber der Glanz in den Höhen so zum Beispiel bei den „Wälse –Rufen“. Sein Spiel war aber großartig.
Gleiches gilt für Kelly God aus dem Ensemble, wobei hörbar war, dass sie an ihre Grenzen stieß. Ihr Sopran war in den hohen Lagen metallisch und für mich zu eng, es gab aber auch immer wieder bewegende und berührende Momente. Eine solide Leistung!
Der zweite Akt zeigte dann einen Wotan in „neustaatsmännischer“ Manier beim Joggen und Multitasking mit den neuen Insignien der Macht. Brünhilde in Motorradkluft erscheint spätpubertär und singt treffsicher und präsent ihre „Hojoto“ Rufe zu Hampelmannübungen des Vaters. Eine gelungen Szene!
Fricka eilt im orangen Kleid und obligatorischer Sonnebrille herbei, um zu Begin von ihrem Mann kaum wahrgenommen zu werden, der seinen Staatsgeschäften weiter nach geht. Erst mit den weiteren Argumenten ringt sie Wotan nieder, der erschöpft auf der Strecke bleibt.
Immer enger ziehen sich dann die Vorhänge zu bis am Ende die beiden Protagonisten vor den Hauptbühnenvorhang, der Theaterbühne entzogen, reduziert auf ihr Mensch- und nicht mehr auf ihr Rollendasein, gedrängt werden zu einem wirklich stark berührenden Wotansmonolog bis „zum Ende“.
Erst zur Todesverkündigung öffnet sich die Bühne wieder vorsichtig und fast unspektakulär enden Siegmund und Hunding- fast auf dem Schoß von Wotan.
Leider war die sonst so starke Kathuna Mikrabize ein Totalausfall als Fricka, stark forcierend, kurzatmig, ein Schatten ihrer selbst. Berührend inniglich aber auch kraftvoll Brigitta Hahns Rollendebut als Brünhilde und Robert Bork helltimbrierte Baritonstimme war textverständlich, nicht immer intonationssicher aber sehr schön und berührend zu hören. Da hatte man das Vibratogeknödel von Scheidegger in der Vorgängerproduktion wahrlich nicht so gern gehört.
Der Walkürenritt fand auf einer Tankstelle – ein Architekturmodell ganz weiß im schwarzen Raum – statt, Zombie Rockerbräute hoch dynamisch verstärkt durch die Statisterie waren die Walküren, die hart zugerichtete Männerleichen hin- und herzogen. Ein an sich gelungenes Bild, dass aber noch zugespitzter geprobt werden muss und weniger sinnfreies hin und herlaufen braucht. Auch wenn zu hören war, dass Bork und Hahn langsam an die Reserven gingen, gelang das anschließende Duett für mich sehr bewegend und eindringlich. Gesungen und gespielt wurde unspektakulär die Wendung in Wotan, die Liebe seiner Tochter und ihre Aufopferung.
Am Ende war es nur eine Fackel und nur das ausgegossene Benzin, das den Feuerzauber darstellte, ein Bild das eher langsam Größe gewann.
Leider fiel da beim Schlusszauber auch das Orchester böse auseinander, dass vorher beherzt, manchmal etwas rau und wenig mystisch musizierte. Die Buhs für Bozic insbesondere nach dem ersten Akt waren unberechtigt, für ein echtes Bravo hat es aber auch nicht gereicht.
Insgesamt ein bewegender Abend, der lange bei mir nachwirkte. Die Regie? Gar nicht die großen Bilder, sondern die kleinen Beziehungen waren es, die fesselten. Manches könnte noch mal in die Werkstatt, um noch zugespitzter und treffender zu werden. Gespannt auf den Siegfried ist man allemal.
War sonst jemand da oder hat es auf NDR Kultur gehört? Die Stimmen sollen im Haus deutlich besser rübergekommen sein
Herzliche Grüße
Wenzeslaus