Männerlieder - Frauenlieder

  • Hallo !


    Hier soll es um ein Thema gehen, welches mir schon einige Diskussionen beschert hat.
    Ist es legitim das Frauen Männerlieder singen (also Texte mit spezifisch, eindeutigem Inhalt) bzw. umgekehrt?
    Es geht mir jetzt speziell um das Lied da ja die Oper mit den Hosenrollen und den diversen Ammen in den Barockopern bewiesen haben, daß das problemlos möglich ist.
    Es gibt Meinungen, die es für unpassend halten, daß Frauen die Winterreise singen. Ich finde jedoch, daß gerade diese Interpretationen ganz neue Ansichten dieses Zyklus gebracht haben.
    Problematischer ist es vielleicht mit "Frauenliebe- und Leben".
    Geht das ? Kann das ein Mann singen ohne lächerlich zu wirken ?
    Bei den Melodramen halte ich es so, daß wir die männlichen und weiblichen Texte auch entsprechend geschlechtsspezifisch aufteilen, da ich glaube, daß das der Wirkung zugute kommt. Wohlgemerkt nur, wenn es eindeutig eine Frau oder ein Mann spricht. z.B. "Bergliot" von Grieg. Bei Schillings "Hexenlied" ist es relativ egal, aber was ist zum Beispiel mit "Neige du Schmerzensreiche" von Wagner. Man weiß, daß der text von Gretchen gesagt wird, aber ist es dafür notwendig, daß ihn auch eine Frau spricht?
    Typische, ich bin schon wieder ins Melodram abgerutscht ....sorry


    Aber wie ist die allgemeine Meinung zu geschlechtsspezifischen Texten im Lied ?

    "Du siehst mein Sohn, zum Raum wird hier die Zeit"

  • Zitat

    Problematischer ist es vielleicht mit "Frauenliebe- und Leben". Geht das ? Kann das ein Mann singen ohne lächerlich zu wirken ?


    Gegenfrage:


    Kann eine Frau "Frauenliebe und -leben" singen, ohne lächerlich zu wirken? :P


    Bemerkenswert finde ich dabei, daß ja die allermeisten Texte der "Frauenlieder" von Männern getextet wurden. Echte "Frauenlieder" (gedichtet und komponiert von einer Frau) gibts ja nicht so viele. Gibts überhaupt welche?


    Also, wie gesagt, die Texte der "Frauenlieder" sind oft recht peinlich, und daher sehe ich keinen Grund, warum Männer daran interessiert sein sollten, Frauenlieder zu singen. Umgekehrt schon :D


    Gruß
    Heinz

  • naja, ich kann mir vorstellen, dass "gretchen am spinnrad" von einem bass sehr unglaubwürdig wirkt ^^ oder die junge nonne. aber die "urtextfassung" nicht zu sehr verändert werden muss halte ich das für legitim. zumal ich es mir ja nicht anhören müsste.

  • @ Heinz:
    Zugegeben, emanzipatorisch gesehen bietet Frauenliebe nicht allzuviel.


    Aber ich denke doch, daß man jeden Text ernst nehmen muß und ihn auch im Zusammenhang mit der Zeit betrachten sollte in der er entstanden ist (obwohl damals natürlich nie ein Mann Frauenlieder gesungen hätte und umgekehrt).
    Es gibt Sänger die manche Schubert- oder Loewelieder nicht singen weil sie kriegstreiberisch oder hetzerisch sind (z.B. Fredericus Rex), andere wieder wollen keine monarchistische Verherrlichung...es ist sicher besser man tut es nicht, wenn man nicht voll dahinter steht und das Werk im Gesamten akzeptieren kann.


    Die großen Differenzen an Möglichkeiten in diesem Bogen liegen sicher zwischen Fischer-Dieskau mit der Aussage (sinngemäß): "Das Werk ist zwar ein Mist, aber ich mach noch was daraus" und Keenlyside mit "man braucht nichts dazu machen, es ist alles drin" (war auf Schubert bezogen soweit ich mich erinnere).
    Mit letzterer Einstellung kann vermutlich jeder alles singen und es wird trotzdem einen Sinn ergeben. (gut, gut, bestimmte qualitative Voraussetzungen sollten vermutlich vorhanden sein ;) )

    "Du siehst mein Sohn, zum Raum wird hier die Zeit"

  • Hallo,


    Auch wenn ich die Winterreise einst mit Christa Luwig im Musikverein hörte, sicher einer der besten Interpretinnen dieses Zyklus - Ich bin der Meinung das sollte nur ein Mann singen.


    Aber all das sind Geschmacksfragen und Modeerscheinungen. Es gab Zeiten, da wurden einzelne Lieder (z.B "Der Lindenbaum" ) aus diesem Zyklus gelöst und als Solostück dargeboten, ohne daß sich jemand um den Kontext gekümmert hätte. In diesem Fall gibt es natürlich keine geschlechtsspezifischen Präferenzen


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ja, ich meine durchaus, dass Frauen auch Männerlieder singen dürfen.


    Wenn es nicht so wäre, gäbe es nicht die Lieder eines fahrenden Gesellen mit Janet Baker und John Barbirolli und ich müßte eine meiner liebsten Platten/CDs vermissen. Ich habe übrigens für mich noch keine Interpretation dieser Lieder durch einen Mann gehört, die nur annähernd den Ausdruck von Janet Baker erreicht hätte. Auch Quasthoff nicht, den ich kürzlich erworben habe, um wieder einen erneuten Versuch zu starten. Winterreise von ihm ja, die Lieder eines fahrenden Gesellen nicht. Leider nicht!


    Aber verallgemeinern kann man natürlich nicht, bei der Winterreise etwa bin ich auf männliche Interpretationen fixiert, dort habe ich noch keine weiblichen Alternativen gefunden.


    Mit besten Grüßen


    Matthias

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

  • Hallo Matthias


    Zitat

    Aber verallgemeinern kann man natürlich nicht, bei der Winterreise etwa bin ich auf männliche Interpretationen fixiert, dort habe ich noch keine weiblichen Alternativen gefunden.


    Nicht gefunden oder nicht gefallen? (Ludwig, Fassbaender, Lehmann, Stutzman)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Salut,


    meinen persönlichen Geschmack trifft es nicht, wenn Schubertlieder [im Besonderen Winterreise oder Schwanengesang] von den Damen gesungen werden. Eine ähnliche Geschmacksfrage ist die, ob "OratoriensängerInnen" Opern bzw. "OpernsängerInnen" Oratorien singen sollten. Verbieten kann und darf man es natürlich nicht. Ich bin gespannt, was Caecilia Bartoli aus ihrem Schubert- und Beethovenliederabend im August in Baden-Baden macht...


    sans, souci
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Hallo!
    Mir hat sich diese Fragestellung erstmals aufgedrängt, als ich "Trockene Blumen" von Schubert mit einer Frauenstimme gehört habe. Ich fand das intuitiv sofort "unpassend". Das gilt auch für andere Lieder aus "Die schöne Müllerin".
    Hm, "Gretchen am Spinnrad" mit einem männlichen Interpreten ist für mich auch etwas komisch.
    Liegt aber jeweils am (Kon)Text, weniger an der Musik (bei mir jedenfalls).
    Viele Grüße,
    Pius.

  • ich sehe nur diejenigen als "echte Männerlieder", in denen eine (meist geliebte) Frau besungen wird.
    Da man den Sinn der Texte doch halbwegs beachten sollte, und eine Identifikation der Interpreten mit dem Text selbstverständlich sein sollte, ist das Besingen lesbischer Liebe noch nicht so alltäglich für mich...


    Wenn die Geliebte gegen den Geliebten getauscht werden kann, ist es für mich akzeptabel. Nicht jedoch die Machotexte bei R.Strauß von einer Frau gesungen - wo es ja wesentlich konkreter wird...


    Frauenliebe und -leben von einem Mann ist IMO schlichtweg unnötig.
    gibt es irgendein Beispiel, wer sowas macht?

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Die Dichterliebe von Schumann ist für mein Empfinden ein Zyklus für die hohe oder mittlere Männerstimme,Tenor oder Bariton also.
    Ich weiß nicht,ob es von Frauen gesungene Gesamtaufnahmen gibt,einzelne Lieder wie "Ich hab im Traum geweinet" sind schon frauentauglich,von einer schönen Altstimme zum Beispiel hört sich das Lied sehr schön an.Doch der komplette Zyklus ist für einen Mann.



    Beethovens "Adelaide" oder auch der 6-Lieder-Zyklus "An die ferne Geliebte" sind auch reine Männerlieder.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Es gibt sicher einige hier sogenannte "Männerlieder" die auch von Frauen sehr schön klingen aber ich muss ganz ehrlich sagen das es mir gefühlsmässig nichts gibt!
    Die Winterreise von einer Frau ergrefit mich einfach nicht und macht auch keinen Sinn, denken wir allein an die "Gute Nacht" (z.b."Das Mädchen sprach von Liebe,die Mutter gar von Eh" oder "fein Liebchen gute Nacht"), diese Texte sind doch ganz klar für einen Mann geschrieben.


    MStauch
    Also wo du mal reinhören solltest, ob sie dann gefallen ist ja Geschmackssache, sind die fahrenden Gesellen Aufnahmen von Fischer-Dieskau (meine liebste,da steckt so viel Gefühl drin),ebenso die beiden von Thomas Hampson (eine mit Klavier, die andere mit Orchester) und letzte Woche habe ich mir die Einspielung von Roman Trekel geleistet(ebenfalls mit Klavier)...Alles drei Gefallen mir sehr gut, wobei Trekels etwas abfällt aber es ist auch die Klavierversion, die zwar sehr interessant ist ,wie ich finde aber,natürlich klanglich was ganz anderes ist.


    Mit musikalischen Grüßen, Richard

  • Auch im Musikverein mit CHRISTA LUDWIG live erlebt war toll.
    Auch die CD mit LEVINE am Klavier gefällt mir sehr!!!
    Gebe allerdings zu bekennender Christa Ludwig Fan zu sein.
    =)

    mucaxel

  • Zitat

    Original von richard logiewa
    Es gibt sicher einige hier sogenannte "Männerlieder" die auch von Frauen sehr schön klingen aber ich muss ganz ehrlich sagen das es mir gefühlsmässig nichts gibt!
    Die Winterreise von einer Frau ergrefit mich einfach nicht und macht auch keinen Sinn, denken wir allein an die "Gute Nacht" (z.b."Das Mädchen sprach von Liebe,die Mutter gar von Eh" oder "fein Liebchen gute Nacht"), diese Texte sind doch ganz klar für einen Mann geschrieben.


    Das sind aber bei allen 24 Liedern insgesamt nur ein paar Zeilen (es gibt noch ein paar mehr als die genannten, aber nicht sehr viele, wobei "fein Liebchen" sogar fast neutral ist...) Ich war zuerst auch etwas skeptisch, aber die Winterreise mit Brigitte Fassbaender z.B. ist außerordentlich gut, sehr dramatisch und ausdrucksstark.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ja natürlich da muss ich zu stimmen!!!Aber trotz diesen verhältnismässig wenigen Zeilen die ich zitiert habe zeigt sich das das Werk original für einen Mann geschrieben ist bzw.aus der sicht eines Mannes erzählt wird.


    Ja auch mir gefällt wie Brigitte Fassbaender die Winterreise singt, hab die Aufnahme letztens noch bei meinem Opa gehört. Aber sie berührt mich einfach nicht so, als wenn sie von einem Mann gesungen wird.Das meint ich mit meinem Beitrag...


    Mfg Richard

  • Zitat

    Original von richard logiewa
    Ja natürlich da muss ich zu stimmen!!!Aber trotz diesen verhältnismässig wenigen Zeilen die ich zitiert habe zeigt sich das das Werk original für einen Mann geschrieben ist bzw.aus der sicht eines Mannes erzählt wird.


    Ja auch mir gefällt wie Brigitte Fassbaender die Winterreise singt, hab die Aufnahme letztens noch bei meinem Opa gehört. Aber sie berührt mich einfach nicht so, als wenn sie von einem Mann gesungen wird.Das meint ich mit meinem Beitrag...


    mit freundlichen Grüßen Richard



    Eigentlich ziemlich ungerecht, daß Schubert bis auf wenige Ausnahmen so wenig für die Frauenkehle geschrieben hat.


    Was allerdings Ludwig/Levine und Fassbaender/Reimann anbetrifft, kommen beide Aufnahmen für mich einer Neuentdeckung gleich.

  • Ich finde die Frage vergleichsweise müßig. Ich habe die weiblichen Winterreise-Versionen mit Ludwig und Fassbaender erst recht spät kennen (und lieben) gelernt - zu diesem Zeitpunkt war ich mit den Schubert-Zyklen schon durch zahlreiche männliche Interpretationen vertraut. Ich habe es in erster Linie als aufregend neues Klangerlebnis empfunden, die Lieder gegen meine eingefahrenen Gewohnheiten zur Abwechslung von einer Frau zu hören - wirklich eine erquickende Erfahrung.
    Der Gedanke, ob eine weibliche Interpretation dieses "männlichen" Zyklus' überhaupt "legitim" sein kann, kommt mir beim Schubert-Konsum überhaupt nicht in den Sinn, selbst wenn ausnahmsweise eine Frauenstimme ein Frau besingt - so "naturalistisch" sehe ich das nicht. Viel legitimer, als die Lieder auf ein bestimmtes Geschlecht festzulegen, wäre es doch, die Botschaften der Texte auf ihren allgemeinmenschlichen (also "übergeschlechtlichen") Gehalt hin abzuklopfen. Christa Ludwig hat nach eigenem Bekunden beim Singen der Winterreise nie das Gefühl gehabt, eine Frau vor sich zu haben, sondern eine "geliebte Seele" - Diese Vorstellung hat mir gut gefallen.


    Liebe Grüße :hello:
    Daniel

  • ich muß mich etwas heftig gegen deine Müßigkeit aussprechen...


    es geht hier um mehr als nur eine Abwechslung gegenüber den Hörgewohnheiten.
    Der Thread betrifft ja nicht nur die "großen zyklen", die ohnehin einen wesentlich geringeren Stellenwert haben, als es hier im Forum so scheint. Es geht um alle Lieder


    die Frage ist eigentlich zu jeder zeit aktuell, da fast alle jungen SängerInnen in der Ausbildung nach "neuen" Liedern suchen und um Rat fragen, was sie denn singen sollen.


    die Tatsache, daß wirklich ein Großteil der Lieder für Männerstimme geschrieben sind hängt ja mit der Poesie zusammen, die in erster Linie für Frauen geschrieben wurde...


    eine Ausnahme bildet Johannes Brahms, der viele Lieder für Altstimme komponiert hat. (für eine Bekannte, eine Freundin? ich weiß nichts näheres..)


    Heutzutage sind vorwiegend Frauen am Liedgesang interessiert. (würde ich mal grob statistisch behaupten...), da ist die Klassifizierung, welche Gedichte sinnvoll darstellbar sind, IMO sehr wichtig.

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

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  • Zitat

    Die Winterreise von einer Frau ergrefit mich einfach nicht und macht auch keinen Sinn, denken wir allein an die "Gute Nacht" (z.b."Das Mädchen sprach von Liebe,die Mutter gar von Eh" oder "fein Liebchen gute Nacht"), diese Texte sind doch ganz klar für einen Mann geschrieben.


    8)
    vielleicht könnte frau ja singen: das männchen sprach von Liebe...

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Das sind ja ganz schön viele Paar Schuhe, die hier diskutiert werden. Ich lese hier mehrere Argumente heraus:


    1) Die Lieder wurden für Männer geschrieben, also sollten Männer sie auch singen.
    Na, lassen wir das mal so stehen. Darüber zu diskutieren, was Frauen tun dürfen und was nicht, habe ich mir abgewöhnt. Es geht dabei einfach zu viel Zeit drauf, die mir dann zum Fußballgucken, Erwerbstätigsein und Du-schönes-Fischermädchen-singen fehlt. :D


    2) Da wird eine Frau angesungen.
    Wenn man sich durchliest, was die meisten Sängerinnen darüber sagen, wird man feststellen, dass sie abstrahieren. Es geht weniger darum, wen man da besingt, sondern darum, was man empfindet (siehe das Zitat von Christa Ludwig weiter oben). Und da sind Winterreise und Schwanengesang allemal treffsicherer als Frauenliebe und -leben.


    Aber selbst wenn da nicht abstrahiert würde - ist das ein Problem? Haltet ihr euch die Ohren zu, wenn Brangäne ihre Chefin "süße Holde" nennt? Kommt ihr beim Rosenkavalier grundsätzlich zu spät, um euch die erste Szene zu ersparen? Und ist die Geschwitz ein Grund, der Lulu fernzubleiben?


    3) Die Winterreise ergreift mich nicht, wenn sie von einer Frau gesungen wird.
    Das ist für mich das interessanteste Argument, und ehrlich gesagt das einzige, das ich nachvollziehen kann. Mich ergreift die Winterreise nämlich umso mehr, wenn sie von einer Frau gesungen wird. Offenbar kann man sich in eine(n) Vertreter(in) des gleichen Geschlechts sehr viel leichter hereinversetzen.


    All dessen ungeachtet finde ich es aber natürlich völlig legitim, die Winterreise seinen Präferenzen entsprechend zu hören und andere Versionen zu meiden. Mach' ich ja auch so.

  • Hallo Grimgerdes Schwester,


    Ad 1. Man kann eine Diskussion ausweichen, aber trotzdem zählen Fakten.
    Ist ein Werk tatsächlich für eine Frau bzw einen Mann geschrieben, oder ist der Inhalt solche, daß eine Frau bzw ein Mann da redet/handelt? Wenn ja, dann ist die Antwort klar und soll nur eine Frau bzw ein Mann jene Lieder singen.


    Ad 2. Abstrahieren kann der Künstler. Vielleicht. Aber kann das Publikum es auch? Denn es geht ja um die Interaktion zwischen Sänger(in) und Publikum.
    Es ist schon öfter in dieses Forum gesagt. Hier gibt es nicht den Durchschnitthörer. Was man Taminomitglieder zumuten kann, darf man nicht Otto Normalverbraucher zumuten.


    Ad 3. Da kann ich nur eine Bemerkung wiederholen, die auch schon öfter hier im Forum gesagt wurde: das ist eine Geschmackssache.
    Wenn eine Person seine Meinung hat, dann ist sie fast nicht für "objektive" Argumenten ansprechbar. Und das finde ich gut. Denn sonst müßte ich vielleicht viele meiner Standpunkte ändern. :D
    Insoweit folge ich Deine Meinung. Nicht daß ich die Winterreise lieber von einer Frau gesungen höre, aber daß Du beharrst bei Deiner Meinung.


    LG, Paul

  • Man sollte auch einmal festhalten, dass es in der Praxis gar nicht so viel strittige Fälle gibt. So weit ich weiß, stehen die Männer nicht Schlange, um "Gretchen am Spinnrade" oder "Der Hirt auf dem Felsen" (mit obligatem Fagott?) zu singen. Es dürfte abgesehen von den vielen Fällen, die seit jeher als "neutral" bzw. für beide Stimmarten geeignet akzeptiert werden, praktisch hauptsächlich darum gehen, ob Frauen einige der sehr berühmten Zyklen wie Dichterliebe und Winterreise singen sollten.
    (Da ich es neulich gehört und anderswo erwähnt habe, Brahms "Wir wandelten" op.96,2 scheint perfekt sowohl für Frauen als auch Männerstimme zu passen, auhc der Text ist neutral)


    Zweitens werden sehr häufig Tenorlieder von Bariton oder Bass gesungen, die Stimmlage ist also kein schlagendes Argument (Jedenfalls habe ich wenig Argumente gegen zB Fi-Di in der Dichterliebe gehört, die meines Wissen eigtl. für Tenorlage ist).


    Drittens scheint mir ein "naiver Naturalismus" im Lied ebensowenig angebracht wie in der Oper. Das 19. Jhd. dachte zwar teilweise so, aber frühere Zeiten waren da schon weiter. In Madrigalen kann die Klage einer verlassenen Nymphe oder eines liebeskranken Hirten von einem gemischten Ensemble vorgetragen werden. Es geht ja noch weniger als in der Oper um die simple Identifikation des Sängers mit dem lyrischen Ich.
    Oder am Bsp. oben: Es ist doch wohl ein männlicher Hirte und keine Schäferin, der sollte doch konsequent bitte von einem Knaben gesungen werden :D


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo
    ich denke,es gibt genügend männliche Sänger,um "Männerlieder"
    zu interpretieren,und es gibt genug Sängerinnen ,um die
    "Frauenlieder" ,oder "Mädchenlieder"zu singen.Die"Winterreise"
    und "Die schöne Müllerin",sind im Sinne Schuberts eindeutig
    Männerlieder,und "Gretchen am Spinnrad,oder "Frauenliebe
    und Leben"sind wie die Titel schon sagen,eindeutig für
    weibliche Interpreten geschaffen.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Zitat

    (Da ich es neulich gehört und anderswo erwähnt habe, Brahms "Wir wandelten" op.96,2 scheint perfekt sowohl für Frauen als auch Männerstimme zu passen, auhc der Text ist neutral)


    Das ist wunderschönes Stück! Die Neutralität fiel mir beim Hören übrigens auch auf. Eigentlich schade, dass so wenig in der zweiten Person Singular gedichtet wurde...


    Zitat

    Was man Taminomitglieder zumuten kann, darf man nicht Otto Normalverbraucher zumuten.


    Das kann gut sein. Mit der Zumutung ist es nur so eine Sache - nehme ich Rücksicht oder versuche ich, die Grenzen der Zumutbarkeit auszutesten und vielleicht nach und nach zu verschieben (wie in den Dreißigern, als Frauen - gesegnet seien ihre Bügelfalten! - zum ersten Mal Hosen trugen)?


    Dann ist da auch noch die Frage, was für wen eine Zumutung ist. Schumanns Zyklus über die negativen Auswirkungen der Ausschüttung von Phenylethylamin auf die Sehkraft der Frau hat mich beim ersten Hören ganz schön erschreckt und forderte mir alles an Toleranz und Offenheit ab, was ich aufzubringen imstande war. :D

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl"Der Hirt auf dem Felsen" (mit obligatem Fagott?)


    Es ist doch wohl ein männlicher Hirte und keine Schäferin, der sollte doch konsequent bitte von einem Knaben gesungen werden :D


    Hallo JR, das obligate Instrument ist die Klarinette. Erstaunlicherweise, denn die Oboe käme dem Klang der Hirtenschalmei näher. Das Lied wurde für die Sängerin Anna Milder-Hauptmann geschrieben, wird daher richtigerweise normalerweise von Frauen intoniert - eine Art Hosenrolle, dem Hirten in Wagners "Tannhäuser" vergleichbar. Es gab mal von der Autorin Miriam Buse einen sehr interessanten WDR3-Radiobeitrag in der Reihe "Ariadne" zu dem Lied, in dem die komplexe Struktur von Klang, Lauschen und Widerhall und ihre Widerspiegelung im Zusammenspiel zwischen Gesang und Klarinette besprochen wurde. Eine sehr schöne Einspielung gibt es mit Margaret Price (Ges.), Wolfgang Sawallisch (Kl.) und Hans Baumberger(?) an der Klarinette.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Zitat

    Original von Draugur


    Hallo JR, das obligate Instrument ist die Klarinette. Erstaunlicherweise, denn die Oboe käme dem Klang der Hirtenschalmei näher. Das Lied wurde für die Sängerin Anna Milder-Hauptmann geschrieben, wird daher richtigerweise normalerweise von Frauen intoniert - eine Art Hosenrolle, dem Hirten in Wagners "Tannhäuser" vergleichbar. Es gab mal von der Autorin Miriam Buse einen sehr interessanten WDR3-Radiobeitrag in der Reihe "Ariadne" zu dem Lied, in dem die komplexe Struktur von Klang, Lauschen und Widerhall und ihre Widerspiegelung im Zusammenspiel zwischen Gesang und Klarinette besprochen wurde. Eine sehr schöne Einspielung gibt es mit Margaret Price (Ges.), Wolfgang Sawallisch (Kl.) und Hans Baumberger(?) an der Klarinette.


    Ich kenne das Lied und weiß natürlich, dass es mit Klarinette ist. Der Vorschlag, ein Fagott zu nehmen war ein Witz, weil das dann besser zur transponierten Fassung für Bariton von Fi-Di passen würde. ;)
    Ich sehe solch eine "Hosenrolle" als Hinweis, dass man das Geschlecht Vortragenden leicht zu ernst nimmt. Ein Lied ist doch keine realistische Schilderung, genausowenig wie Oper realistisch-naturalistisches Theater ist!


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl


    Ich kenne das Lied und weiß natürlich, dass es mit Klarinette ist.


    Ach so, das hätte ich mir eigentlich auch denken können. Nun weiß immerhin jeder hier, was Sache ist :D

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Zitat

    Original von Grimgerdes Schwester


    Das ist wunderschönes Stück! Die Neutralität fiel mir beim Hören übrigens auch auf. Eigentlich schade, dass so wenig in der zweiten Person Singular gedichtet wurde...


    Als weiteren Sonderfall kann man die Vertonung von Gedichten nennen, die als Dialog zwischen Mann und Frau gestaltet sind. Ein Sänger übernimmt in "Waldesgespräch" aus Schumanns op. 39 immer auch die Partie der "Hexe Loreley" und umgekehrt eine Sängerin immer die Rolle des Mannes. Ebenso in Mahlers "Wo die schönen Trompeten blasen" aus den Wunderhornliedern (obwohl ich mich erinnere, dieses Lied schon irgendwo einmal mit verteilten Rollen gehört zu haben). Es gibt sicherlich weitere Beispiele.


    Im größeren Maßstab eines Zyklus: die Romanzen aus Tiecks Magelone op. 33 von Brahms. Hier übernimmt zumeist ein einziger Sänger/eine einzige Sängerin die Rollen von Peter, Magelone und Sulima. Die männlichen Interpreten singen also z.B. selbstverständlich auch das Lied der Sulima "Geliebter, wo zaudert dein irrender Fuß"...


    Viele Grüße


    Bernd

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