Bachkantaten - die Gesamtaufnahmen

  • Hallo zusammen,


    der passionierte CD-Sammler wird irgendwann die Anschaffung einer Gesamteinspielung der Bach-Kantaten erwägen. Da erhebt sich zum einen die Frage, ob er sich dabei auf die geistlichen Werke beschränken soll oder ob er auch die weltlichen Kantaten in Betracht zieht. Zum anderen ist die Zahl der erhältlichen Gesamteinspielungen schon recht stattlich.


    Am Anfang waren Rilling und Harnoncourt/Leonhardt. Die Rillingschen Aufnahmen sind als Ganzes in der Edition Bachakademie erhältlich (aber auch einzeln oder in Kantaten-Boxen), die Harnoncourt/Leonhardt-Aufnahmen gibt es ebenfalls als Box oder einzeln:


    Erstere ist bekanntlich auch als „Bach-Pod“ erhältlich:



    Der nächste im Bunde war Ton Koopman, der zunächst gemeinsam mit Teldec ein Projekt zu einer Gesamtaufnahme startete. Teldec machte irgendwann aus finanziellen Gründen den Rückzieher. Daraufhin nahm Koopman eine Hypothek auf sein Haus, kaufte die Rechte an den bereits erstellten Aufnahmen und nahm die übrigen Kantaten auf eigene Rechnung für sein eigenes Label „Challenge“ auf. Dort sind sie erhältlich:



    Auch bei Brillant ist oder war im Rahmen einer Gesamtaufnahme der Werke J. S. Bachs eine Gesamtaufnahme der Bach-Kantaten unter Leusink erhältlich:



    Im fernen Japan hat Masaaki Suzuki eine Aufnahme der Bach-Kantaten erstellt, einige davon wurden im SACD-Format veröffentlicht:



    Der größere Teil dieser Aufnahmen (immerhin 40 CDs mit 142 Kantaten) ist im CD-Format in preiswerten Boxen zum Preis zum €5,- pro CD in limitierter Auflage erschienen. Es sind genau die Kantaten von Vol. 1 bis Vol. 40, d. h., man kann ggf. zur Gesamtaufnahme ergänzen. Dabei wurden die originalen Beihefte der CDs/SACDs beigegeben:



    Auch John Eliot Gardiner hat ein Bach-Kantaten-Projekt durchgeführt. Ursprünglich bei DG geplant, war Gardiner wie Koopman gezwungen, dieses Projekt auf eigene Rechnung zu beenden. Die CDs erschienen nun unter dem Label „SDG“, was offiziell für „Soli Deo Gloria“ stehen soll (Bach setzte diese doxologische Formal manchmal ans Ende seiner Werke). Es wird allerdings kolportiert, dass „SDG“ in Wahrheit für „Sod DG“ stehen soll, was nicht eindeutig zu übersetzen ist. Mögliche Alternativen wäre: „Sch… Deutsche Grammophon“, „du kannst mich mal, DG!“ (bzw. das bekannte Berchlingen-Zitat), „die Gesäße der DG“ usw. usw.


    Außerdem gibt es eine Menge interessanter Aufnahmen mehrerer Kantaten, zum Teil recht umfassend, etwa mit Karl Richter, Sigiswald Kujiken, Fritz Werner, Hans-Joachim Rotzsch usw. usw.
    Nun die Frage: Angenommen, Ihr würdet die Anschaffung einer Gesamteinspielung erwägen – welche wäre die Einspielung Eurer Wahl und warum?

  • Hallo Wolfram,


    zuerst einmal möchte ich Dir herzlich danken, dass Du die Bachkantaten hier mal wieder aus dem Foren- Koma erweckt hast!!! :jubel:


    Ich besitze ( fast) 3 Gesamtaufnahmen:


    Die erste war Leusink: Ich hab damals die Gesamte Bach- Edition gekauft, weil dieser musikalische Kosmos damals nur durch die Brilliant- Ausgabe erschwinglich schien. Und ich muß sagen, Leusink macht seine Sache für mich oft deutlich besser als man es nach mancher öffentlichen Schmähung erwarten konnte. eine ordentliche Einsteiger- Variante! Nur Sytse Buwalda als Altus geht so total an meinem Geschmack vorbei, dass ich noch eine Alternative brauchte.


    Ich war der Meinung, dies müsse warten, bis bei mir der Wohlstand ausbricht.


    Doch dann kam Nummer 2: Ich gestehe es - ich gehörte zu den schnellreagierenden Leichenfledderern, die die kurzfristige Chance nach der Hänssler- Insolvenz ergriffen und die Bach- Edition günstig erstanden.
    Rilling ist nun mal eine Institution, dessen Kantaten grundsolide und mit tollen Solisten eingespielt sind. Aber die Aufnahmen haben - nun-ein wenig Patina angesetzt. Immer noch gut hörbar, aber nicht die ganz vollständige Erfüllung


    Um schließlich mein kultur-ethisch bedenkliches Kaufverhalten unter 2 in Absolution zu bringen...
    Natürlich NICHT, sondern weil Volker hier im Forum so fundiert und Leidenschaft warb, habe ich mich ein wenig mit Gardiner befasst und bin zum Schluss gekommen, sein SDG- Projekt durch Subskription zu unterstützen.
    Mittlerweile sind wir auf der Zielgeraden mit einer tollen Edition, die hochspannende, lebendige Aufnahmen in meinen Plattenschrank brachte, die oft auch noch wunderschön musiziert und editiert waren.


    Ich glaub, diese Gesamteinspielungen reichen mir erstmal - für einzelne Kantaten greife ich aber gern nochmal zu Herreweghe und Suzuki und besitze auch ein paar in der Harnoncourt / Leonhardt- Einspielung.
    Für Koopman und Kujiken sah ichbisher keine Anschaffungsnotwendigkeit, obwohl sie deshalb sicher nicht schlechter sind.


    Gruß
    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

  • Ist es schade oder bemerkenswert, dass es (nur) rund ein halbes Dutzend dieser Mammutprojekte gibt, die das Schaffen Bachs auf diesem Wege würdigen?
    Ich kaufe brav alle paar Monate die neue SDG-Veröffentlichung und heule jetzt schon , wenn es die eines Tages zum mittlerweile üblichen Spottpreis als Paket geben wird. Aber andererseits hat mir das häppchenweise Kaufen Bachs Kantatenschaffen erst richtig eröffnet. Sonst hätte ich mich wohl nicht mit so großem Interesse mit diesen letztlich den Wertekanon der Musik mitbestimmenden Werken befasst.
    Neben Gardiners SDG habe ich mir vor einigen Monaten die 4 Suzuki-Boxen gekauft, deren einzigen Nachteil ich darin sehe, dass sie ein wenig unübersichtlich sortiert sind. Ansonsten sind die Aufnahmen ebenfalls großartig, mit Hingabe musiziert und mit guten Solisten. Einzig der Chor steht meiner Meinung nach in Bezug auf die Verständlichkeit dem Monteverdi etwas nach.
    Bei Koopman gefallen mir die Tempi indes nicht so gut. Ansonsten ebenfalls eine meisterliche Leistung und eine sehr gute und gut ausgestattete Ausgabe.
    Rilling: Auch hier finde ich die Tempi für meinen Geschmack etwas zu zaghaft. Ich mag die englische Herangehensweise an den Barock, auch wenn das vielleicht nicht immer dem Sinn des Komponisten entsprechen mag (wer weiß?). Ansonsten ist er ebenso wie Harnoncourt und Richter einer derer, die höchsten Respekt genießen, weil sie die Werke in ihrer gesamten Fülle einer großen Hörerzahl überhaupt zugänglich gemacht haben.
    Herreweghe finde ich gut, aber irgendwie ist da wohl die Gesamtausgabe ins Stocken geraten oder er hat sich zwischendurch zu vielen anderen Dingen gewidmet, jedenfalls habe ich ihn ein wenig aus den Augen verloren. Auch das übrigens eine Sache, die für Gardiner spricht: Alle Aufnahmen entstanden ja während eines Jahres, in denen er an verschiedenen Orten alle Kantaten des Kirchenjahres aufnahm. Sicher, ändert sich etwas in der Auffassung der Werke, ist die ganze Serie dahin. Andererseits: Es ist alles "im Kasten", muss nur noch veröffentlicht werden. Bei Suzuki dagegen wird noch weiter und weiter aufgenommen, was das Projekt etwas verschleppt. Immerhin ist BIS bereit, solche Großprojekte mizutragen (s. Sibelius-GA).
    Kuijken gefällt mir einerseits gut, durch den fehlenden Chor erscheinen diese Passagen zeitweise etwas blutleer und dünn. Aber auch hier: schöne Aufmachung.
    Vermutlich wird es nie eine GA, aber erwähnen möchte ich es trotzdem: Das Ricercar Consort mit Pierlot. Wunderschöne Aufnahmen, wunderschöne CDs (Mirare). Davon gern noch (viel) mehr.

  • Ich würde mir eine Gesamtaufnahme unter Karl Richter zulegen, wenn es denn eine solche gäbe. M. W. hat er nur etwa die Hälfte bis Dreiviertel der Bach-Kantaten einspielen können, der frühe Tod kam ihm zuvor. Im direkten Vergleich mit anderen, auch neueren Aufnahmen ausgewählter Kantaten erscheint mir sein Ansatz auch heute noch konkurrenzfähig. Manch einer wird es eigenwillige Manierismen nennen, ich nenne es wahre Durchdringung des Bach'schen Geistes.


    Sollte ich eine Alternative wählen, dann am ehesten Harnoncourt/Leonhardt, da am konsequentesten (mit Knabenchor), oder aber Suzuki (nicht so dünn und allzu "akademisch" wie Gardiner und Koopman).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Joseph II,


    also ein " akademisches" Musizieren kann ich bei Gardiner nun gar nicht feststellen. Vielmehr nähert er sich den einzelnen Werken durchaus risikobereit- das heißt da wird in Besetzung und Tempiwahl auch mal eine steile These aufgestellt, die natürlich auch mal daneben geht. Spannend ist solches musizieren aber allemal - und für mich eher unakademisch. Hellmuth Rillings Ansatz hingegen meidet solche Risiken eher - das macht seine Aufnahmen zu einer sicheren Bank - ohne das Risiko von Abstürzen, aber auch ohne große Aha-Effekte.


    Beides hat in meinem hören Platz - wenn mir auch im Moment Gardiner da nähersteht. Deine Wertschätzung für Karl Richter kann ich verstehen und teile sie partiell - doch nur mit seinem Ansatz möchte ich im Bachschen Kosmos nicht unterwegs sein.


    Gruß
    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

  • Ich muss gestehen, dass ich von Suzuki zwar nur die wohl erste CD, die mal als Promo recht günstig unters Volk gebracht wurde, kenne, mit u.a. BWV 4, diese aber in keiner Weise konkurrenzfähig fand. Daher wundern mich die hier und anderswo zu lesenden Kommentare sehr. M.E. bietet Suzuki nochmal eine Schwundstufe gegenüber den tendenziell schon sehr nüchternen, schlanken (um nicht schmalbrüstig und blutleer zu sagen) Interpretationen englischer oder niederländischer Provenienz. (Gardiner ist, besonders in den SDG-Aufnahmen etwas besser geworden). Das hat sich wohl gebessert, zumal später kaum mehr japanische Solisten verwendet wurden, aber mir schien das doch sehr schlank und kleindimensional.


    Zu Luis' rhetorischer? Frage: ich selbst finde es erstaunlich, wieviele, inzwischen (annähernd) komplette Einspielungen es gibt.


    Ich werde wohl nie eine Gesamtaufnahme haben. Ich besitze eine Reihe von Herreweghes (einige davon wurden unlängst in für mich ungünstiger Kombination in preiswerten Boxen wiederveröffentlicht), von Harnoncourt/Leonhardt knapp die Hälfte oder so, eine Handvoll Gardiners, eine Teilbox der Brilliant-Reihe und habe neulich auch mal eine 3er-CD-Box mit Koopman gekauft, die ich aber noch nicht gehört habe. Ich muss aber auch gestehen, hier bisher wenige ernsthafte Vergleiche angestellt zu haben. Herreweghe hat mir meist sehr gut gefallen, Gardiner/SDG besser als bei DGG; es kommt bei ihm meist darauf an, ob unpassende Solisten aus seinem Chor genommen wurden (dieses Vorgehen ruiniert fast alle Nichtchorstücke seines "Israel in Egypt", so grandios die Chorpassagen auch sein mögen), oder gute ;)
    Harnoncourt/Leonhardt finde ich oft, ungeachtet technischer Probleme, aufgrund des Pioniergeistes und des die meisten späteren Aufnahmen übertreffenden rhetorischen Ausdrucks sehr hörenswert, vermutlich werde ich, solange die einzeln erhältlich sind, noch einige Lücken füllen.


    Eine weitere Option, wenn auch nicht komplett, für moderne Instrumente zwischen Richter und Rilling sind die DDR-Aufnahmen, meist unter Leitung von Rotzsch aus den 1970er u. 1980er Jahren. Da habe ich noch ein paar LPs aus der "Bach Edition Leipzig".


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Da hier die DDR-Aufnahmen erwähnt wurden: In der Tat eine Option! Die ganz alten Ramin-Aufnahmen sind eher was für Hartgesottene (Mono), allerdings würde ich die Rotzsch-Aufnahmen jedem empfehlen (sofern man mit Knabenchor leben kann).


    Was Suzuki angeht, so kenne ich da natürlich nicht sehr viel. Meine bevorzugte Vergleichskantate BWV 137 legt er jedenfalls m. E. sehr temperamentvoll hin.



    Vgl. hier u. a. Track 1 und 5.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • @JR: Es war eine offene Frage, zu der jeder ruhig etwas beisteuern soll. Die Zahl der GA ist überschaubar und wächst langsam. Das kann man gut oder schlecht finden. Viele denken vielleicht, dass Plattenfirmen die sinkenden Erlöse für ein günstiges Kammermusikprojekt oder unbekannte Komponisten verwenden sollten. Und andere würden sich wünschen, dass andere Barock-Spezialisten auch mal mit einer Einspielung beginnen.


    Zu Suzuki: Man muss sich warm hören und BWV 4 ist nun nicht unbedingt geeignet, Spielfreude und Jubelchöre zu produzieren. Es wird hier ja noch der "alte Stil" verwendet.
    Suzuki ist - man möchte fast sagen: typisch japanisch - sehr exakt. Die Musik ist präsent, dabei aber weniger drängend. Es fehlt ihr vielleicht ein wenig "Natürlichkeit", ich meine damit den natürlichen Bezug zur deutschen Barockmusik, mit der wir Deutsche/Europäer aufwachsen. Dafür wird aber sehr schwebend und dynamisch musiziert. Hinzu kommt die Akustik der quasi extra gebauten Kirche, in der die Aufnahmen in aller Regel entstehen. Sie erzeugt einen nüchternen, man kann aber auch sagen sakral-erhebenden Klang. Wenn man sich in die ersten Folgen mal eingehört hat (also die ersten 8-9 CDs), dann spürt man, wie Suzuki den "Bach-Klang" entwickelt und umsetzt. Auch der Chor wird in der deutschen Aussprache besser (was man auch bei den Gardiner-Aufnahmen hört, nicht unbedingt SDG, aber die früheren Aufnahmen mit dem Monteverdi, da ist das R oft noch sehr weich). Die Solisten sind meistens sowieso gut und Suzuki verwendet nicht so viele verschiedene wie zB Gardiner.
    Ich verstehe aber, dass diese zT nüchtern anmutende Interpretation gewöhnungsbedürftig ist und auch mal an ihre Grenzen stoßen kann. Die Johannes-Passion von Suzuki ist Extraklasse, da brauche ich meiner Frau mit gar nichts anderem kommen. Das WO dagegen wirkt etwas winterlich-frostig und die h-moll-Messe fast nackt, so reduziert ist sie teilweise. Aber was man Suzuki eben zugute halten muss, ist die Konstanz der Einspielungen auf enorm hohem Niveau. Ich empfinde es so, dass ich eine ganze Box mit 10 CDs einfach durchhören kann und fasziniert bin. Bei Gardiner besteht etwas Schwankungsbreite, man kann vielleicht auch sagen: mehr Temperament. Da sind manche Aufnahmen dabei, die sind so schön, da will man das einfach nur wirken/sacken lassen und will nicht weiter hören und dann gibt es auch manche, die sagen einem wenig. Ich will das nicht verallgemeinern, aber was bei Gardiner ins fröhliche Dur läuft, das ist phantastisch, moll dagegen ein wenig unter ferner liefen. Suzuki betreibt alles mit dem gleichen Ehrgeiz.

  • Zitat

    Original von Luis.Keuco
    Bei Gardiner besteht etwas Schwankungsbreite, man kann vielleicht auch sagen: mehr Temperament. Da sind manche Aufnahmen dabei, die sind so schön, da will man das einfach nur wirken/sacken lassen und will nicht weiter hören und dann gibt es auch manche, die sagen einem wenig. Ich will das nicht verallgemeinern, aber was bei Gardiner ins fröhliche Dur läuft, das ist phantastisch, moll dagegen ein wenig unter ferner liefen.


    Hallo Luis,


    Du triffst meine mir bisher eher unbewußt präsente Wahrnehmung auf den Punkt! :jubel:


    Immer wenn es festlich- strahlend oder fröhlich tänzerisch wird, gefällt mir Gardiner ausnehmen gut, ist er meine Referenz. Die sehr getragenen, zerknirschten Kantaten in schlichtem musikalischen Gewand strengen mich bei ihm sehr an und hinterlassen mich manchmal trotzdem unberührt. Obwohl ich mich eigentlich gern von der herben Strenge und tiefen Traurigkeit mancher Kantate ansprechen lasse - aber Du hast recht- wenn dies geschieht, ist es meist nicht Gardiner...!

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

  • Ich will wie gesagt nicht den Stab über Suzuki aufgrund einer einzigen CD brechen (auch wenn mir das erst einmal so weit gereicht hat, dass ich keine weiteren seiner Aufnahmen kaufe). Aber ich finde gerade BWV 4 einen ziemlich guten Test, weil es ein so herbes und tendenziell "eintöniges" Werk durch die Dominanz des Chorals in allen Nummern ist. Wer hier dennoch die Kontraste gut herausarbeiten kann, umso besser. Das gelingt Suzuki m.E. gar nicht, dazu kommen dort noch einige inakzeptable Solisten. Glaube gern, dass das später besser wird.


    viele Grüße


    JR

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    (Bob Dylan)

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  • Ich besitze sehr viele Aufnahmen der japanischen Aufnahmen und sehr viele CDs der Gardiner-Aufnahmen, welche ich zu vervollständigen gedenke, jedoch spielt nicht immer der Geldbeutel mit. Ich habe nunmehr auch einige Aufnahmen Rillings kennengelernt, die mir nicht immer zusagen und, da kann ich Steffan nur beipflichten, auch mir nicht mehr auf der Höhe der Zeit erscheinen. Zudem haben die Aufnahmen Rillings wirklich das Manko, dass sie nicht komplett sind.


    Von Gardiner bin ich immer wieder sehr angetan. Jedoch merkt man diesen Aufnahmen mitunter an, dass es wirklich eine Pilgerreise war und nicht immer genug Zeit war, die Dinge bis ins letzte auszuarbeiten, was aber den außergewöhnlichen Charakter des Vorhabens auch unterstreicht. Allerdings bin ich nicht immer glücklich mit den Solisten, insbesondere den Countertenören. Gardiners Ansatz hingegen findet zumeist meine vollste Zustimmung.


    Ausgesprochen schade finde ich, dass es keine Gesamtaufnahme unter Herreweghe gibt. Eine solche war im Übrigen auch nie geplant! Bleibt nur zu hoffen, dass hier trotzdem weitere Einspielungen folgen und uns am Ende doch alle Kantaten (ungewollt) zur Verfügung stehen 8) Ich hatte mich einst an das Collegium Vocale gewandt und erfragt, ob geplant sei, alle Kantaten einzuspielen, was man zum damaligen Zeitpunkt verneinte. Ich schätze die Aufnahmen unter Herreweghe sehr. Die Solisten sind immer überdurchschnittlich gut, vom Chor braucht man gar nicht zu reden und Herreweghe selbst hat einen sehr einfühlsamen Zugang zu jeder Kantate, was natürlich Zeit kostet.

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Als Breitensammler habe ich nur eine einzige Gesamteinspielung und zwar die bei Brilliant erschienene mit Pieter Jan Leusink. Und ich stimme Oolong zu, dem es offensichtlich genauso ging wie mir: Die umfangreiche Sammlung war preiswert und kam meinen Hörgwohnheiten näher, als die mir bis dahin bekannten Aufnahmen anderer Dirigenten.


    Einzel-Kantaten besaß ich sowohl von Rilling als auch von Ramin, Thomas, Mauersberger und, neueren Datums, Harnoncourt/Leonhardt - die habe ich allerdings irgendwann mal verschenkt.


    Ein von Oolong konstatiertes Manko ist auch für mich die Besetzung der Alt-Partie mit Sytse Buwalda. Ansonsten bin ich durchaus zufrieden.


    Herzliche Grüße

    .


    MUSIKWANDERER


  • In diesem Monat erscheint eine Box mit sämtlichen Bachkantaten in der Einspielung von Rilling. Man muß also nicht die ganze Edition Bachakademie kaufen,wenn man nur das Kantatenwerk haben will. Auch ist man mit der Kantatenbox mit ca.80 - 90 Euro wesentlich preiswerter dabei.

    mfG
    Michael

  • Ich glaube, diese Box MUSS ich haben! Ich bin mit den Rillingschen Bachkantaten quasi aufgewachsen, nicht nur, weil meine Eltern die mit Rilling ständig gesungen haben. Nein, auch an die bunten Rücken der LP-GA meines Vaters kann ich mich erinnern. Wenn man nur die ganzen tollen Texte der LPs von einst dazubekommt...! Nicht mal 1,30 pro CD. Das ist ja schon Ramsch-Vorsatz! ;)

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

  • Hallo Accuphan,


    nun weiß ich ja nicht, wie es um Deinen privaten Kantatenbestand bestellt ist, aber als ALLEINIGE Grundlage des Hörens heute noch Rilling zu wählen, fände ich noch einmal überdenkenswert. Wohlgemerkt, ich gehöre nicht zu den Leuten, die Rilling eines langweiligen Musizierens zeihen, aber die Jahre sind nicht spurlos an diesen Einspielungen vorbeigegangen. Viele an sich tolle Solisten klingen halt mehr nach Opernhaus als nach Thomaskirche und die Durchhörbarkeit ist trotz der brillianten Gächinger Kantorei aufgrund der Chorgröße nicht immer optimal, ebenso der Klang. Wenn ich also unverbindlich raten darf: Aus den von mir voll akzeptierten nostalgischen Erwägungen Rilling kaufen und mit ein wenig Gardiner, Koopman, Suzuki, Rifkin, Coin, Herreweghe, Leusink oder manch anderem modernen Musikanten unterfüttern.


    :hello: Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

  • Guten Abend
    eigentlich war ich doch gesperrt. Wegen Inaktivität, ich glaube fast ein Jahr habe ich nichts geschrieben. Ein schlechtes Gewissen habe ich gehabt, einfach so ausgestiegen zu sein, auf Fragen und Antworten nichts gesagt zu haben.
    Dabei habe ich fast immerzu Bachkantaten gehört, und zwar die Gesamteinspielung von Ton Koopman. Immer morgens, rauf und runter, ohne Rücksicht, auch mal Weihnachten zu Pfingsten und umgekehrt.
    Die Kantaten sind chronologisch nach ihrem Entstehen auf den 66 CDs in 3CD-Boxen (die ich als mp3 auf dem iPod habe) angeordnet. Da konnte ich beobachten, dass sie mir streckenweise mehr, oder etwas weniger zusagen. Ein grosses Plus einer Gesamteinspielung ist die Fülle.
    Als deutschkundiger Hörer finde ich die Selbstanklagen und den darauf folgenden Trost so - nun ja, tröstend. Text und Melodie begleiten mich dann noch lange am Tag.
    Ich möchte sie nun nicht mehr missen, und dabei erinnere ich mich dass ich es für masslos übertrieben hielt, als meine Mutter begann sie zu kaufen.
    Mich hatte auch nicht wenig überzeugt, dass Koopman sein Haus verpfändete um die Einspielung fertigzustellen.
    Und nun hat der liebe Gott mich wieder entsperrt.
    Viele Grüsse
    Julius

    Julius

  • Ich finde mit den Rillingaufnahmen ist man gerade zu Beginn sehr gut bedient. Zwar ist es richtig, dass manche Stimmen zu sehr tremolieren und der Basso continuo teilweise zu laut tönt, aber die Ernshaftigkeit Rillings Musiszierens wird den Bachkantaten meiner meiner Meinung nach eher gerecht als der locker fröhliche Stil Koopmans oder der ausdrucksarme Stil Suzukis. Und vor allem: bei Rilling gibt es keine Kontratenöre und Knabensoprane!!! Es macht schon einen Unterschied ob Julia Hamari "Vergnügte Ruh! Beliebte Selenlust" singt oder ein Kontratenor - selbs wenn es ein hervorragender wie Scholl ist. Als Ergänzung empfehle ich Gardiner - manche seiner Aufnahmen sind atemberaubend. Sehr gut auch die alten Rotzschaufnahmen bei Berlin Classics.

  • ...Wenn ich also unverbindlich raten darf: Aus den von mir voll akzeptierten nostalgischen Erwägungen Rilling kaufen und mit ein wenig Gardiner, Koopman, Suzuki, Rifkin, Coin, Herreweghe, Leusink oder manch anderem modernen Musikanten unterfüttern.
    :hello: Stefan


    Hallo Stefan, zufällig bin ich wieder in diesem Thema gelandet und möchte eine noch ausstehende Antwort geben: natürlich darfst Du zu etwas raten, auch verbindlich! ;) In diesem Fall hattest Du Eulen nach Athen getragen, oder Bachkantaten in mein CD-Regal, denn die Aufnahmen mit Gardiner hatte ich längst alle schon gesammelt, bevor ich mit der günstigen Rilling-Box der Nostalgie Tribut gezollt habe. Für mich lohnen sich die Rilling-Aufnahmen schon wegen Arleen Auger mit ihrer himmlischen Stimme. "Wie zittern und wanken" ist mein ein-und-alles-Stück in dieser Hinsicht.
    So stimme ich Dir und Felix zu, empfehle Rilling quasi als Grundnahrungsmittel und Gardiner (o.a., je nach Geschmack und Vorlieben) als kulinarisch aktuelle Ergänzung.
    Viele Grüße, Accuphan

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

  • Also mir kommt Rilling meistens zu bieder vor. Handwerklich natürlich sehr gediegen, aber Begeisterung sieht doch meistens anders aus. Bei den historischen greife ich nach wie vor zu Karl Richter und Günther Ramin, bei den HIP eindeutig zu Koopman und Harnoncourt. Rilling steht irgendwo dazwischen, vermeidet die Extreme.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Also mir kommt Rilling meistens zu bieder vor. Handwerklich natürlich sehr gediegen, aber Begeisterung sieht doch meistens anders aus. Bei den historischen greife ich nach wie vor zu Karl Richter und Günther Ramin, bei den HIP eindeutig zu Koopman und Harnoncourt. Rilling steht irgendwo dazwischen, vermeidet die Extreme.

    Wirklich? Ich hatte nie den Eindruck, dass er die Extreme vermeidet und durchlaviert. Zum Beispiel ist Rillings Interpretation des Eingangschors von BWV78 die extremste die ich kenne. Die Kreuzstabkantate und "Ich habe genug" von Richter und Dieskau bleibt natürlich die Jahrhundertaufnahme schlechthin, aber im allgemeinen finde ich Richter zu langsam - ganz extrem z.B BWV140.



    Für mich lohnen sich die Rilling-Aufnahmen schon wegen Arleen Auger mit ihrer himmlischen Stimme. "Wie zittern und wanken" ist mein ein-und-alles-Stück in dieser Hinsicht.
    So stimme ich Dir und Felix zu, empfehle Rilling quasi als Grundnahrungsmittel und Gardiner (o.a., je nach Geschmack und Vorlieben) als kulinarisch aktuelle Ergänzung.
    Viele Grüße, Accuphan

    Ja, manche Solisten sind toll! Auger natürlich, aber auch Julia Hamari und Adalbert Kraus sind fantastisch. Kraus ist vor allem in opernartigen Arien, z.B in der Sturmarie aus BWV81 einfach der überzeugendste Tenor, den ich bisher gehört habe. Sehr empfehlenswert sind aber auch die Aufnahmen von Fritz Werner. Gerade die Sopranarie aus BWV105 habe ich noch nie schöner gehört als dort (ich glaube es singt Elly Ameling).

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  • Hallo zusammen,


    ich wollte mirdieser Tage die Ratswechsel-Kantate "Ihr Tore zu Zion", BWV 193, in einer akuellen Aufnahme anschaffen. Habe mich dann auf die Suche bei den "üblichen Verdächtigen" gemacht und musste feststellen, dass sowohl Gardiner als auch Suzuki, diese Kantate nicht aufgenommen haben. Koopman hat sie und so habe ich sie mir da besorgt.


    Etwas hellhörig geworden, habe ich dann noch etwas weitergesucht.


    Dabei stellte sich heraus, dass die Gesamt-Aufnahmen von Gardiner nicht vollständig ist. Es fehlen z.B. auch BWV 120a, 120, 196 und 197. Zumindest die drei letzten gehören sicher zum allgemeinen Kanon und ich hätte schon erwartet, dass sie enthalten sind.


    Ein ähnliches Bild bei Suzuki: Auch dort fehlen die beiden Hochzeitskantaten BVW 196 und 197 und die Trauerode BVW 198. Wobei hier BWV 120 und 120a enthalten sind. Mehr habe ich nicht überprüft.


    Woran liegt das ?


    Ciao


    Andreas

    Johann Sebastian Bach ist Anfang und Ende aller Musik (Max Reger)

  • Dabei stellte sich heraus, dass die Gesamt-Aufnahmen von Gardiner nicht vollständig ist.


    Diese limitierte Box (Auflage 3000 Stück weltweit) nennt sich "Cantatas" und nicht "Complete Cantatas".
    Gardiners Kantatensammlung erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.
    Im Jubiläumsjahr 2000 (250.Todesjahr Bachs) spielte Gardiner mit dem Monteverdi Chor,The English Baroque Soloists u.a. Solisten Bachs geistliche Kantaten in verschiedenen Kirchen Europas live ein.
    Innerhalb von 10 Jahren wurden diese Kantaten als Doppel-CDs herausgebracht.
    Das Ergebnis dieser einjährigen Cantata Pilgrimage 2000 findet sich nun komplett in obiger CD-Box mit 56 CDs wieder.
    .

    mfG
    Michael

  • Ein ähnliches Bild bei Suzuki: Auch dort fehlen die beiden Hochzeitskantaten BVW 196 und 197 und die Trauerode BVW 198. Wobei hier BWV 120 und 120a enthalten sind. Mehr habe ich nicht überprüft.




    Hier sind zumindest BWV 197 und 196 vertreten.

    Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück...

  • Ich hatte bei BIS Records in dieser Liste geschaut und war davon ausgegangen, dass sie vollständig sei:
    http://www.bis.se/bis_pages/bis_bachcantatas.php


    Diese Liste geht nur bis vol. 53 und damit ist vol. 54 mit BWV 197 nicht enthalten. BWV 196 habe ich übersehen. Dies bitte ich zu entschuldigen.

    Johann Sebastian Bach ist Anfang und Ende aller Musik (Max Reger)

  • Das lange nicht mehr erhältliche Gesamtwerk der Bach-Kantaten mit dem Amsterdam Baroque Orchestra & Choir und Ton Koopman ist neu aufgelegt worden.


    Kantaten BWV 1-14, 16-30, 30a, 31-69, 69a, 70-89, 89a, 90-120, 120a, 121-134, 134a, 135-140, 143-159, 161-173, 173a, 174-206, 207a, 208-215; Appendices zu BWV 4, 18, 21, 63, 80, 89, 162, 182; Quodlibet BWV 524; Sinfonia BWV 1045; Aria BWV 1127 "Alles mit Gott und nichts ohn ihn"; Messen BWV 233-236


    Das ist die Solistenschar, die in den zwischen 1995 und 2005 entstandenen Aufnahmen zu hören ist:


    Barbara Schlick, Kai Wessel, Guy de Mey, Klaus Mertens, Christoph Pregardien, Andreas Scholl, Elisabeth von Magnus, Lisa Larsson, Sibylla Rubens, Ruth Ziesak, Paul Agnew, Caroline Stam, Michael Chance, Sandrine Piau, Nathalie Stutzman, Gerd Türk, Jörg Dürmüller,


    Was mich stört und ärgerlich ist: Um die Kosten der Edition tief zu halten, wurde auf ein aufwändiges Booklet verzichtet. Da spart das Label Challenge am falschen Ort. Wenn wenigstens ein Link zu einem Download möglich wäre, könnte man sich vertieft mit diesen bedeutenden Werken auseinandersetzen.


    Lieber Ton Koopman, vielleicht änderst du dies nachträglich. Das Label Challenge hattest du gegründet.


    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928