Medea in Corinto – Oper von G. S. Mayr - GP – Staatsoper München 4.6.2010 - Zuckerbäckerei und Kn

  • Medea in Corinto – Oper von G. S. Mayr - GP – Staatsoper München 4.6.2010 - Zuckerbäckerei und Knallchargen


    Musikalisch war es ein großes Vergnügen! Die mir bisher unbekannte Oper ist n. m . Empfinden ein Stück Musiktheater mit dem Anspruch auf Beachtung. Das hochtragische Drama Medea bietet eine geschlossene Apokalypse menschlicher Wirrungen – Politik – Macht – Intrigen – Sexus – Verletzlichkeit – Rache.
    Es klingt eigentlich alles vertraut – und doch originär, eigenschöpferisch – tatsächlich eine Synthese Mozart – Rossini – etwas Donizetti. Die musikalische Leitung des Ivor Bolton war wunderbar – einfach ideal – ausgewogen, erzählend- inhaltszeichnend – Tempi und musikalische Feinzeichnung, Ziselierung beispielhaft- das ist Musiktheater „par excellence“!


    Wenn da bloß nicht ein augenscheinlicher Regieneuling gewesen wäre, der den berüchtigt umstrittenen, aber profilierten Altmeister Herrn Regisseur Neuenfels nachahmen wollte. Der Kerngedanke war wohl der eines „szenischen Kontrapunktes“ zum hochtragischen Drama der Medea – Vorlage. Und so entschloss man sich im Kostüm, der teilweisen Personenführung usw. wohl Anleihen bei der Operette „Königin von Saba“ oder Hawai zu nehmen. Wiewohl Kontrapunkte Inhalte verdichten, synthetisieren können, wurde hier der emotionale Gehalt der Vorlage verulkt und einfach geplättet – wie mit einem guten Spülmittel wurde die gesamte Oberflächenspannung genommen. Der Abend wurde kastriert, seine emotionale Wirkung elemeniert. So blieb dem Zuschauer eine analytische Werkschau – unberührt vom eigentlich tiefen Entsetzen der Szene.


    Natürlich Mozart und Rossini – warum verirren sich aber in tieftragischem Inhalt Figuren aus Rossini – Spielopern, die albern- utrierend über die Bühne wackeln (szen. Zitate Basiliio, Bartolo, Amme etc.)? Wie kann Medea im Auftritt ein Baströckchen und Blumengirlanden a la Hula – Hula – Hawai tragen? Wie kann der gesamte Chor in Zuckerbäckermanier kostümiert werden und verquaste Operettenlaune assoziieren – wenn dem Publikum eine tieftragische Emotion vermittelt werden soll? Nur um das Klarzustellen – es wirkte keineswegs wie Provokation, gegen den Strich gebürstet etc. sondern lediglich unbedarft, unbeholfen – falsch und langweilig, halt nach Zuckerbäckerei und Knallchargen.


    Dann gibt es natürlich noch den verruchten Neuenfels – Stil. Da werden reihenweise Statisten durch Maschinengewehrsalven massakriert, einer schwangeren Frau wird in den Leib geschossen, in Reih und Glied kopulieren Statisten – aber in wohlanständiger Andeutung – es wirkt eher wie die Karikatur solcher Darstellung – für mich alles ohne musikdramatische Stringenz, einfach mal beliebig in dilettantischer Personenführung hingerotzt – als „stumme Jule“, es gibt weder musikalische noch dramatische Ansatzpunkte, es bleiben Hirngespinste einer Regieruine – gewollt – aufgesetzt – unverbindlich – wenn schon, dann macht es doch auch wirklich brutal, mordet, schneidet Leiber auf, schafft tatsächliches Entsetzen und keine ungewollte Komik. Das Statisten-Gewusel schafft nur: „Aha, hier will er also Brutalität zeigen!“ – erlebt wird nichts.


    Die 3-stöckige Bühne erinnert im Parterre an eine Bedürfnisanstalt mit ca. 15 weißen Klapptüren. Insgesamt ist die gesamte Inszenierung ein unbeholfener Boutiquen – Stil. Die Bühne bleibt peinlich sauber und aufgeräumt, wie auch alle Protagonisten. Also das bleibt wirklich ordentlich – noch ein Kontrapunkt zum chaotischen Dramenverlauf – toll.


    Schade – ein hochinteressantes Werk wird verulkt und banalisiert. Das ist keine Kunst sondern Kappes. Eigentlich ein ideales Sujet gem. der Reich-Ranitzky – Doktrin: unterweise/ belehre und unterhalte/erfreue (docere et delectare)!


    Das Ensemble wird von Nadja Michaels Medea angeführt. Im ersten Akt war ich noch durch ihre Stimmführung und -größe verunsichert – auch weil sie letztlich in der Stimmqualität nicht mit dem übrigen Ensemble harmoniert. Im 2. Akt war ich dann uneingeschränkt von ihrem vitalen, organisch-dröhnenden Spiel und ihrer besonderen Artikulation begeistert. Die beiden Tenöre Egeo und Giasone- A. Schrader, R. Vagas waren gut, wobei letzterer szenisch sehr flach blieb.


    Überhaupt besteht der Eindruck, dass die Personenregie von jedem Sänger allein nach seinem Gutdünken entwickelt wurde, die tatsächliche Handschrift einer führenden Regie ist nicht erkennbar. Gräßlich unbedarft, Femdschämen auslösend der Vater/König Creonte , der albern verkrümmt in schlechter Spielopern –Albernheit über die Bühne wackelt – peinliche Knallcharge.



    Besetzung


    Musikalische Leitung Ivor Bolton
    Inszenierung Hans Neuenfels
    Bühne Anna Viebrock
    Kostüme Elina Schnizler
    Licht Michael Bauer
    Produktionsdramaturgie Rainer Karlitschek
    Chöre Andrés Máspero


    Creonte Alastair Miles
    Egeo Alek Shrader
    Medea Nadja Michael
    Giasone Ramón Vargas
    Creusa Elena Tsallagova
    Evandro Kenneth Roberson
    Tideo Francesco Petrozzi
    Ismene Laura Nicorescu

  • Erfreulicherweise gibt es schon zwei CD-Einspielungen der Medea von Giovanni Simone Mayr. Bei Opera Rara hat Alastair Miles auch schon den Creonte gesungen.



    Es ist natürlich schade, dass - wie OPERNFREUND schreibt - die szenische
    Darstellung misslungen ist. Das Erscheinen der Münchener Aufführung auf DVD hätte ich sonst begrüßt, denn gegen die Besetzungsliste hätte ich keine Einwände gehabt. Gab es wenigstens an der gesanglichen Leistung von Ramon Vargas etwas zu loben, wenn er szenisch nicht so gut ankam?


    X(


    Eine Synthese würde ich eher zwischen der Musik von Mayr und Salieri aufdecken, als Rossini und Donizetti zum Vergleich heranzuziehen. Die Letztgenannten kamen erst später zum Zuge, so dass J. S. Mayr diese nicht
    als Inspirationsquelle herangezogen haben dürfte. Schließlich war Maestro Mayr der Lehrer Donizettis zu Beginn von dessen Karriere.


    :yes:


    Mayr hat auch etliche inhaltlich interessante Oratorien komponiert, in denen er seine Libretti am Alten Testament orientierte.


    Mit freundlichen Grüßen
    :angel:
    Engelbert

  • Giovanni Simone Mayr hat etwa 60 Opern komponiert. Nicht alles, was er in Angriff nahm, ist einmalig oder erstmalig. Der Bayer macht nach, was andere ihm vorgemacht haben und andere wiederum kopieren ihn. Dem Zug der Zeit folgend greift er zu dem Libretto, welches ihm in die Finger fällt.


    Zu den Stoffen, die andere auch schon verarbeiteten oder mit denen Komponisten-Kollegen im nachfolgten, gehören:


    Lodoiska (Cherubini)
    Telemaco (Sor)
    Saffo (Pacini)
    Adriano in Siria (Pergolesi)
    La Locandiera (Salieri)
    L'inconvenienze teatrali (Donizetti)
    L'amor conigiale (Paer oder Beethoven)
    Il ritorno di Ulisse (Monteverdi)
    Il sacrifizio d'Ifigenia (Gluck)
    Tamerlano (Händel)
    Medea in Corinto (Cherubini)
    Ginevra di Scozia (Händel - Ariodante?)
    Elena (Gluck?)
    Atar ossia Il Seraglio d'Ormus (Salieri)
    Le Danaide (Salieri)
    Fedra (Paisiello)
    L'equivoco ovvero Le bizzarie dell'amore (Rossini)


    :]


    Den Taminoranern lege ich heute 'Genevra di Scosa' ans Herz. Es handelt sich um einen Life-Mitschnitt des Teatro Lirico 'Giuseppe Verdi' Trieste unter dem Dirigenten Tiziano Severini. Der Tenor Antonino Siragusa gehört zu meinen Favoriten. Die gesamte Aufnahme ist Spitze. Wer hat sie schon in seiner Collection?



    Mayr gestaltet auch das Schicksal von Pärchen. Gern wüsste ich, was mit nachstehenden ist bzw. welche Umstände ihnen das Leben sauer machten. Es handelt sich um:


    Lauso e Lidia
    Labino e Carlotta
    Alonso e Cora
    Eraldo e Emma
    Adelasia e Aleramo
    Memmone e Zemiro


    Einen geschichtlichen Stoff vermute ich hinter den Opern 'I sciti' (Die Skythen) sowiei 'I cerusci' (Die Cherusker).


    Völlig unverständlich ist mir, weshalb die Oper 'Alfredo il grande. re degli Anglo Sassoni' bisher auf dem Tronträgermarkt noch nicht erschienen ist.
    ?(


    Bei' La rosa bianca e la rosa rossa' geht es möglicherweise um den Streit zwischen den Häusern Lancaster und York, welche diese beiden Symbole in ihrem Wappen tragen.


    Liebe und Tugend streiten sich in der Oper 'Palmira ossia il triofino della virtù e del'amore. 'Amore non soffre opposizione' ist klar: Amor duldet keine Opposition.


    Unterhaltsam ist bestimmt auch 'Il piccolo compositore di musica'.


    Es bleibt nun zu wünschen, dass einige Werke ausgegraben und einen italienischen Festspielsommer schmücken werden. Auch Bad Wildbad könnte sich ins Zeug legen. Abwarten und den Markt beoabachten!


    :angel:
    Engelbert

  • Johann Simon Mayr (1763-1845)


    L’amor coniugale


    Die eheliche Liebe


    Farsa sentimentale in einem Akt


    Libretto von Gaetano Rossi (1774-1855) nach der Vorlage von Jean Nicolas Bouilly


    Revidierte Ausgabe von Arrigo Gazzaniga


    Uraufgeführt im Jahre 1805 in Padua



    Personen:
    Zeliska, verkleidet als Malvino
    Amorveno, ein Gefangener, ihr Gatte
    Peters, Gefängniswärter
    Floreska, seine Tochter
    Moroski, Gouverneur
    Ardelao, Amorvenos Bruder


    Ort und Zeit: Polen im 17. Jahrhundert





    INHALTSANGABE



    SINFONIA


    Zeliskas Verkleidung zum jungen Mann muss wohl außerordentlich perfekt sein, denn weder der Gefängniswärter Peters, bei dem sie sich unter dem Namen Malvino vorstellte und eine Anstellung im Strafvollzug erwirkt, noch seine jugendfrische Tochter Floreska, die sich sofort in den neuen Gehilfen verliebt, ziehen ihre maskuline Vorgabe in Zweifel.


    Die mutige Dame hat einen Grund für ihre Travestie, denn sie sucht den Zugang zu einem Strafgefangenen, den sie befreien will. Der Opernbesucher soll nicht im Unklaren gelassen werden - es handelt sich bei dem Eingekerkerten um Amorveno, dem Angetrauten Zeliskas. Die eheliche Liebe kennt keine Grenzen und damit wären wir schon fast bei Beethoven angelangt, der das gleiche Textbuch auch vertonte. Zuvor hat sich Fernando Paër an den Stoff herangemacht. In Smetanas „Dalibor“ finden sich später ebenfalls Anklänge an Fidelio.


    Floreska möchte den hübschen jungen Mann mit Zustimmung des Vaters heiraten, doch der Umworbene versteht es, ihren Wünschen entgegenzuwirken, um Zeit zu gewinnen. Malvino will in Erfahrung bringen, in welchem Teil des Gefängnisses der geheimnisvolle Gefangene festsitzt, um anschließend einen Befreiungsversuch zu starten. Doch die spärlichen Mahlzeiten stellt der Gefängniswärter dem Einsitzenden selbst hin, weil der Gouverneur ihm eingeschärft hat, diesem Gefangenen besondere Obacht angedeihen zu lassen. Malvino verfolgt sein Ziel hartnäckig, doch den Todgeweihten soll er nicht zu Gesicht bekommen – ausdrückliche Weisung Moroskis.


    Die Anordnung hat einen stichhaltigen Hintergrund. Amorveno ist dem Gouverneur im Wege und soll durch kontinuierlichen Nahrungsentzug in seinem Verlies zu Tode kommen, damit der Intrigant freien Zugang zu Zeliska hat, in die er verliebt ist. Wie der Opernbesucher während der Ouvertüre beobachten konnte, wurde pantomimisch dargestellt, wie die Gattin Annäherungsversuche des Unholds scherzhaft zugelassen hat, was sie im Nachhinein bitter bereut. Für sein kriminelles Verhalten sind also nicht ehrgeiziges politische Ambitionen die Ursache, sondern Herzensnöte plagen den Finsterling. Doch Zeliska ist nicht die Einzige, welche sich Gedanken über die Befreiung des Gatten macht, ihr Schwager Ardelao – ein mächtiger Mann im Staate – hat Wind von Amorvenos Festsetzung bekommen und ist zu seiner Befreiung im Anmarsch.


    Moroski bleibt nichts anderes übrig, als den Gefangenen gewaltsam sterben zu lassen. Selbst hat er zur Tat nicht die erforderliche Courage und somit beauftragt er seinen Gefängniswärter, den Gefangenen gegen hohe Belohnung umzubringen. Gern möchte Peters die ausgesetzte Geldsumme kassieren und bittet seinen neuen Gehilfen, ihm bei der Ausführung der Tat zu assistieren. Zeliska kommen bei dem Gedanken die Tränen, den Gatten endlich wiederzusehen. Die tiefe eheliche Verbundenheit ist auch auf Amorvenos Seite vorhanden. Gern will er sterben, aber sein innigster Wunsch ist es, noch ein einziges Mal vor seinem Tod die Gattin zu Gesicht zu bekommen. Von soviel Tugend ist Johann Simon Mayr selbst tief gerührt und hat seiner Oper den Titel „L’amor coniugale“ gegeben.


    Moroski ist misstrauisch, will dabei sein und beobachten, ob Peters den Gefangenen tatsächlich unschädlich macht und die Belohnung auch wirklich verdient. Nun stellt sich heraus, dass Peters die Zloty erschwindeln, sich aber vor der Gegenleistung drücken wollte. Weder psychisch noch physisch sieht der Habgierige sich nicht in der Lage, die erwünschte Schandtat zu begehen. Deshalb sieht der Komponist sein Werk auch nicht als richtige Oper an und hat sein Bühnenwerk in die Kategorie „Sentimentale Farce“ einordnet. Zusätzlich wird das Volumen, welches für zwei Akte gereicht hätte, simpel auf einen Akt zusammengeschrumpft. Damit wurde der Konkurrenzfähigkeit zu Beethovens „Fidelio“ der Todesstoß versetzt.


    Nun sieht Moroski sich genötigt, den Mordanschlag gegen Amorveno selbst auszuführen, denn Eile tut not. Einfach ist das nicht, denn Zeliska hat Erfahrung im Nahkampfsport sammeln können und rückt dem gemächlichen Gouverneur nun in Person zu Leibe. Da dieser die Angreiferin, die sich als Gattin Amorvenos zu erkennen gibt, liebt, sind ihm zu effektiver Gegenwehr die Hände gebunden. Inzwischen ist auch Ardelao eingetroffen und verfügt, dass Moroski und Amorveno die Plätze tauschen werden.


    Anmerkung:


    Mit Umbenennung der Namen für die Protagonisten und der Verlegung des Schauplatzes nach Polen wollte Johann Simon Mayr vertuschen, dass er einen „Fidelio“ komponiert hat, denn Beethoven begann die Vertonung des Stoffes ebenfalls im Jahre 1804. Allerdings fand die Uraufführung in Wien erst zehn Jahre später statt.


    :angel:
    Engelbert

  • Soeben von der Medea in Corinto nach Hause gekommen, bin ich immernoch sprachlos vor Entsetzen über diese Aufführung :faint: :faint: . Selten hat man in der Münchner Staatsoper eine derartig blutrünstige Brutalo-Orgie gesehen, wie im 1. Akt dieser Produktion.
    Eigentlich wollte ich jetzt einen längeren Bericht über die heutige Aufführung schreiben, aber ich glaube, dass bringe ich im Moment echt nicht fertig.
    Sollten jemand weitere Details interessieren, soll sie/er es mich bitte wissen lassen, dann ringe ich mich vielleicht doch noch dazu durch ;).
    :hello:

  • Soeben von der Medea in Corinto nach Hause gekommen, bin ich immernoch sprachlos vor Entsetzen über diese Aufführung :faint: :faint: . Selten hat man in der Münchner Staatsoper eine derartig blutrünstige Brutalo-Orgie gesehen, wie im 1. Akt dieser Produktion.
    Eigentlich wollte ich jetzt einen längeren Bericht über die heutige Aufführung schreiben, aber ich glaube, das bringe ich im Moment echt nicht fertig.
    Sollten jemand weitere Details interessieren, soll sie/er es mich bitte wissen lassen, dann ringe ich mich vielleicht doch noch dazu durch ;).
    :hello: