Für alle, die noch nicht dort waren oder nicht mitkommen konnten:
Seit ich das erste Mal im Fernsehen eine Aufzeichnung aus dem Drottningholm Slottsteater unter Leitung des für mich legendären Arnold Östmann gesehen habe, war es um mich geschehen: Mich hat allein der Anblick der Bühnenbilder, die Produktion auf Originalinstrumenten und in Originalkostümen derart fasziniert, dass ich fest vor hatte, in meinem Leben ein Reiseziel zu erreichen: Das
DROTTNINGHOLM SLOTTSTEATER
bei Stockholm/Schweden. Am 28. Mai 2005 war es dann soweit: Nach langjähriger Suche nach einer passenden [lohnenden] Aufführung, packte uns das Reisefieber und wir flogen gen Norden nach Stockholm. Zunächst begann der Ausflug sich strikt an das Motto „Stocksauer in Stockholm“ zu halten: Beim Abflug waren es bei uns daheim noch schlappe 36° C, in Stockholm lediglich 11° C – es war bewölkt und ein schneidender Wind machte uns zu Schaffen. Dann fing es auch noch heftigst an zu Regnen. Nach einigen Anlaufversuchen erreichten wir das von uns gebuchte Hotel mit nur außerplanmäßigen zweieinhalb Stunden Verspätung, da alle angeblichen Vorteile der Stockholmkarte zur Nutzung von Verkehrsmitteln ausgerechnet auf unsere Belange nicht zutrafen. Im Hotel erfuhren wir dann „We are overbooked“- eine offensichtliche neue Marotte eines Reiseveranstalters, auf den man einen kurzen Zeitraum nach dessen Privatisierung große Stücke halten konnte. Nun denn; unsere Antwort war kühl, sachlich und fordernd und englisch: „And we are tired, wet an have no bock to change the hotel!“. Irgendwie musste dieser Spruch ziemlichen Eindruck hinterlassen haben, denn trotz der Vorgabe, „overbooked“ zu sein, erhielten wir das von uns reservierte Zimmer: Anständig, aber nicht komfortabel. Den verbleibenden Nachmittag nutzten wir für eine kurze Erkundung der Stockholmer Innenstadt. Dort besichtigten wir das Königliche Schloss – ein riesiger, unschöner Gesteinshaufen mit allerdings herrlicher Aussicht [wenn man sich die Wolken wegdachte]. Man berichtete uns, dass die Königsfamilie in diesem Koloss nicht residierte. Abends speisten wir in einem dem Hotel nahe gelegenen Restaurant im Zentrum Stockholms und unterhielten uns bis in die frühen Morgenstunden – was uns gar nicht auffiel, da es nicht wirklich dunkel wurde. Nach einer kurzen Phase des Ausruhens gingen wir jedoch den kommenden Tag optimistisch an und fuhren zunächst mit dem Dampfer „Drottningholm“ durch die Gewässer Stockholms. Unsere Stockholmkarte bot die Vergünstigung nur bei gleichzeitiger Buchung einer Reourekarte an. Das kam für uns nicht in Betracht, da der letzte Dampfer am Sonntag um 17.00 Uhr ablegte, die Oper aber erst um 16.00 Uhr begann. Auch der spezielle „Theaterdampfer“ fuhr ausgerechnet Sonntags nicht.
[Anreise mit dem Dampfer]
Nach rund 55 min. erreichten wir die „Königinneninsel“ Drottningholm und sie empfing uns anlegender Weise mit „Drottningsvätta“ [©2005 by mir: „Königswetter“]. Die Wokendecke riss auf und es erstrahlte ein sonnenüberfluteter Himmel in schwedischblau. Wir prominierten zielgerecht auf das wunderschöne Rokoko-Schloß zu, um es gleich zu besichtigen:
[Drottningholm Slott]
Dort brachten wir in Erfahrung, dass die Königliche Familie sich hier wohnhaft aufhielt – ich hätte es, ehrlich gesagt, auch nicht anders gewählt. Das Schloß bietet eine Umfangreiche Ausstellung auf zwei „Etagen“, alles etwas „nordisch“ dunkel gehalten; kein Vergleich zu zentraleuropäischen Barockschlösschen, dennoch bemerkenswert kreativ eingerichtet. Der Eintritt war Dank der Stockholmkarte frei. Unweit über einen kurzen Fussweg erreichbar beginnt der im französischen Stil angelegte Schlossgarten mit elend vielen Springbrunnen, Alleen, akkurat geschnittenen Heckchen und dem obligatorischen Schotterweg. Wir erreichten nach einigem Fußmarsch das seitlich gelegene Kina-Slott [China-Schloss]. Der Zugang war am Sonntag wegen dringender Staatgeschäfte jedoch leider verwehrt, so dass wir nur einen Außenanblick genießen konnten. Das nebenan gelegene Restaurant-Café bot Waffeln [Väffla] mit Erdbeermarmelade und Sahne… schweinelecker – dazu guten, starken Kaffee. Das Schloßtheater selbst befindet sich unweit dem Königlichen Schloß, deren Bewohner an diesem Tag ins China-Pendant ausgewichen waren. Der erste äußere Eindruck vom Gebäude des Drottningholm Slottsteater war sehr schlicht und fast deprimierend für einen so klangvollen Namen. Eine Führung durch die Räumlichkeiten war in der Stockholmkarte inklusive. Auch die Räumlichkeiten waren keineswegs üppig, eher zweckdienlich und dünn ausgestattet.
[Drottningholm Slottsteater]
Das ursprüngliche Haus war 1762 während einer Vorstellung den Flammen zum Opfer gefallen. Dank des Ideenreichtums des Architekten Carl Frederik Adelcrantz konnte das „neue“ Schloßtheater in der heutigen Form am 12. Juni 1766 wiedereröffnet werden. Es diente als Königliches Sommertheater und wurde auf Initiative Gustavs III., der selbst ein leidenschaftlicher Schriftsteller und Theatermann war, erbaut. Hier wurden u.a. die [schwedischen] Opern des Königlichen Lieblingskomponisten Joseph Martin Kraus [1756-1792] uraufgeführt. Nach der Ermordung König Gustavs III. in der Königlichen Oper zu Stockholm im März 1792 schlief das Theaterschlösschen ein und wurde erst Anfang der 1920er Jahre wiederentdeckt. Die gesamte Bühnenmaschinerie ist heute wie vor 200 Jahren ohne Restauration voll funktionstüchtig: So gibt es 15 verschiedene originale Bühnenbilder des italienischen Gestalters Donano Stopani.
[Drottningholm Slottsteater: Theaterbühne - Zuschauerraum]
Ferner sind existent eine Wind-, eine Donnermaschine, Meereswellen, ein Wolkenwagen und, und, und… in nur wenigen Sekunden lässt sich die Bühne von Stadt in Land, von Himmel in Hölle verwandeln – ein wahrer Zauberkasten. Obwohl ich bisher immer Pech hatte [besonders bei der Verteilung von Kohle, Intelligenz und Freizeit], hatte ich das besondere Glück, als Auserwählter die Bühnentechnik vorführen zu dürfen, soweit dies von einer Person allein durchführbar ist. In meinem Falle waren es die Wind- und Donnermaschine [**stolz**]. Üblicher Weise werden hinter der Bühne während einer Aufführung rund 30 Personen mit der „Verzauberung“ des Publikums tätig.
[Wind- und Donnererzeugung]
[Windmaschine]
Die Geräusche, verursacht durch Holz und Tauwerk sind mehr als beeindruckend. Das Haus ist je zur Hälfte dem Publikum und der Bühne gewidmet, von jedem Sitzplatz aus war eine hervorragende, uneingeschränkte Sicht und Akkustik gegeben. Das Haus fasst 454 Zuschauer, verteilt auf 32 Sitzreihen.
Um 16.00Uhr begann die Vorstellung der Oper La Capricciosa Corretta von Martin y Soler, einem spanischen Mozart-Zeitgenossen, über den ich hier bereits berichtete. Die Ausführenden dieser Oper sind hier einzusehen.
Der Empfang an der Theaterkasse [wir hatten in weiser Voraussicht vorbestellt] fand in Originalkostümen statt, auch die Bepolsterung der Sitzbänke inklusive deren bereits verblichener Beschriftung stammt noch au dem 18. Jahrhundert, wie auch der beeindruckende schwere Teppichvorhang. Wir saßen in Reihe 2 – in einer Linie mit den für die Königliche Familie bereitgehaltenen Sitzplätzen in der Mitte der Reihe, die aber leider an diesem Nachmittag leer blieb. Das „Orkester“ befand sich etwa zweieinhalb Meter unmittelbar vor uns, es war wenig Platz für die Musikanten vorgesehen. Trompeten und Pauken spielten von den seitlichen Balkonen aus, Bläser rechts, Streicher links. In der Mitte das Pult des Dirigenten, zugleich Cembalo oder Spinett. Selten, dafür aber ganz hervorragend dirigiert und zugleich am Spinett die Rezitative begleitet und – ebenfalls mit Perücke versehen, war der Dirigent.
Die Aufführung übertraf alle Erwartungen, die ich je gehabt habe – wie gelähmt verließ ich das Theater mit bleischweren Füßen…
Übrigens hat sich Mozart, beleidigt, dass ich nicht eine Oper von ihm dort sah und hörte, an mir gerächt: Nach meiner Rückkehr heute Nachmittag war mein gesamter Mozart-Rasen VERBRANNT [heul ;(]