"Ich war auf Menschen nicht vorbereitet, ich glaubte nur an Musik": Norbert Burgmüller (1810-1836)

  • Ich weß nicht, ob es zu diesem Komponisten schon einen Thread gibt, die Forensuche hat mir jedenfalls keinen enthüllt.


    Die Rede ist von Norbert Burgmüller (1810-1836). Ich gebe zu, dass ich auf diesen Namen nur zufällig stieß: auf einer Gedenktafel in der Düsseldorfer Altstadt, zwischen Kunsthalle und Burgplatz, die auf das Wirken dieses früh verstorbenen Komponisten hinweist.


    Schumann sagte über Burgmüller: "Nach Franz Schubert's frühzeitigem Tod konnte keiner schmerzlicher treffen, als der Burgmüller's. Anstatt daß das Schicksal einmal in jenen Mittelmäßigkeiten decimieren sollte, wie sie scharenweise herumlagern, nimmt es uns die besten Feldherrentalente selbst weg. Franz Schubert sah sich zwar noch bei seinen Lebzeiten gepriesen; Burgmüller aber genoß kaum der Anfänge einer öffentlichen Anerkennung und war nur einem kleinen Kreise bekannt, und diesem vielleicht noch mehr als ein 'curioser' Mensch, wie als Musiker. So ist es denn Pflicht, wenigstens dem Todten die Ehren zu erzeigen, die wir dem Lebenden, vielleicht nicht ohne sein Verschulden, nicht erzeigen konnten." [Zitiert nach K.M.Kopitz im Booklet der CARUS-CD unten].


    Burgmüllers Talent liegt wohl in der Familie: August Burgmüller (1760-1824) der Vater, ein Dirigent, der sich auch um die Düsseldorfer Musikszene verdient gemacht hat, die Mutter Sängerin und Pianistin (ehemalige Schülerin vom Vater) Therese von Zankt (1771-1858 ), und der Bruder Friedrich Burgmüller (1806–1874), der es in Paris zu einigem Erfolg und Ansehen gebracht hat (vor allem mit leichter spielbaren Klavierstücken und -etuden).


    Dank des Mäzens Graf Franz von Nesslrode-Ehreshoven (1783-1847) konnte er in Kassel studieren, unter anderem bei Louis Spohr und Moritz Hauptmann. In Kassel entstand auch sein Klavierkonzert.


    Die Zeit endet mit Depressionen und angeblich zeitweiligem Alkoholismus, durch private Tragödien begünstigt, die ihn auch die Unterstützung durch Spohr kostete (seine Verlobte löst die Verlobung und verstirbt kurz darauf). In dieser Zeit wurde er auch von epileptischen Anfällen heimgesucht.


    Nach Düsseldorf zurückgekehrt lebte er eher zurückgezogen mit seiner Mutter, ohne größere öffentliche Posten durch Unterricht und kleinere Engagements.


    Seit 1833 war er wohl mit Felix Mendelssohn-Bartholdy befreundet, der inzwischen Musikdirektor in Düsseldorf war. Irgendwo habe ich gelesen, dass Burgmüller gerne selbst die Stelle gehabt hätte, bei Wikipedia heißt es 'statt seiner' - aber beworben hat er sich wohl nicht um die Stelle. Vielleicht war er dazu zu in sich gekehrt?


    Die Uraufführung der ersten Symphonie 1834 war ein Erfolg; privat verlobte er sich mit der Französin Josephine Collin, einer Gouvernante seines Mäzens.


    Während einer Kur in Aachen ertrank er im Quirinusbad, vermutlich aufgrund eines epileptischen Anfalls.


    Nicht nur Robert Schumann betrauerte Burgmüllers Tod, auch zahlreiche Düsseldorfer Künstler aller Sparten (Rethel, Grabbe, Hildebrand und andere) trugen ihn zu Grabe.


    Aus einem Brief stammt die bezeichnende Zeile: "Ich war auf Menschen nicht vorbereitet, ich glaubte nur an Musik".


    Sein Werkverzeichnis ist leider recht kurz (siehe Wikipedia), hervorstechend sind eine vollendete und eine unvollendete Symphonie, ein Klavierkonzert vier Streichquartette, Lieder und kleinere Werke.


    Ich las, dass seine erste Symphonie an Beethoven, Weber und Spohr anknüpfe, empfand aber beim Hören auch eine deutliche Hinwendung zu Schumann; ich empfinde seine Symphonien als ein Bindeglied zwischen diesen Stilen mit einer deutlich eigenen Handschrift. Er instrumentiert großartig und komponiert mit größeren Melodiebögen als Beethoven. Die zweite Symphonie ist von größerer harmonischer Kühnheit, allerdings leider ein Fragment. Vom letzten Satz ist nur der Anfang im Particell erhalten. Schumann hat den dritten Satz zu Ende komponiert.


    Das Klavierkonzert kenne ich leider noch nicht, ich stolperte nur über die Carus-CD mit den beiden Symphonien und bin so begeistert, dass ich fand, diesem Komponisten gebühre ein eigener Thread!


  • Als MDG ungefähr vor einem Jahrzehnt die Burgmüller-CD herausbrachte, habe ich sie gekauft. Mein Klassikfreund sagte mir, daß dieser Komponist wert sei, entdeckt zu werden. Bis dahin hatte ich auch noch nichts von Norbert Burgmüller gehört:



    Deine Empfindung, lieber Travinius, Burgmüllers Musik erinnere an Schumann, kann ich ebenfalls so ausdrücken. Das fis-Moll-Klavierkonzert ist jedenfalls für mein Hörgefühl beste Romantik.


    Der folgende Satz in Deinem Beitrag brachte mir eine neue Erkenntnis:


    Zitat

    Die zweite Symphonie ist von größerer harmonischer Kühnheit, allerdings leider ein Fragment. Vom letzten Satz ist nur der Anfang im Particell erhalten. Schumann hat den dritten Satz zu Ende komponiert.


    Mein Unverständnis beruht auf der Tatsache, daß die CD kein Booklet enthielt, möglicherweise ein Fertigungsfehler. Als ich die Platte damals erwarb, war sie eben aus dem Grund preisreduziert. Sollte der Komponist eine viersätzige Sinfonie geplant haben, wäre sie ja deutlich länger geworden, als üblich. Die Interpreten meiner CD benötigen für die drei Sätze der 2. Sinfonie 31'36...

    .


    MUSIKWANDERER

  • Zitat

    Original von musikwanderer
    Deine Empfindung, lieber Travinius, Burgmüllers Musik erinnere an Schumann, kann ich ebenfalls so ausdrücken. Das fis-Moll-Klavierkonzert ist jedenfalls für mein Hörgefühl beste Romantik.


    Das habe ich eben, unabhängig von Deiner Antwort, auch entdeckt. Wenn ich im nächsten Monat wieder Budget habe, könnte das mal bestellt werden... :D



    Zitat

    Original von musikwanderer
    Der folgende Satz in Deinem Beitrag brachte mir eine neue Erkenntnis:
    [...]
    Die Interpreten meiner CD benötigen für die drei Sätze der 2. Sinfonie 31'36...


    Bei mir 31'29" - also etwa dasselbe Tempo. Das stimmt, das wäre eine immense Sinfonie für ihre Zeit geworden.


    Ich finde die Musik auch komplett anders als Ries zum Beispiel. Auch an Mendelssohn fühlte ich mich nicht erinnert. Nein, ich finde, das ist der direkte Weg zu Schumann.

  • Die Streichquartette op. 4, 7, 9, 14 von Norbert Burgmüller gibt es bei MDG (Detmold), gespielt vom Mannheimer Streichquartett (2003). Ein guter Freund hat mir vor einiger Zeit die Stimmen geschenkt: Verlag Dohr Bd. 23a E.D.21865 (Partitur: E.D.21860) (2002).


    Mir ist noch nicht klar, ob diese Werke - die jedesmal beim Hineinhören große Wirkung erzeugen - letztlich vielleicht doch nur historisch interessant sind, oder ob sie tatsächlich in das Repertoire der Großen gehören sollten?! Mir geht es so, daß die Begeisterung beim Hören eines der Streichquartette eine ganze Zeit anhält, aber nicht bis zum Ende... Bisher lautet mein (vorläufiges?) Fazit: Unbedingt lohnend, sowohl zu hören als zu spielen - aber man darf dabei eben doch keine Streichquartette von Schumann oder Brahms erwarten. Das wäre auch viel verlangt! - Woran das liegt, mag eventuell eine (offenbar noch ausstehende) Analyse der Werke zeigen. Vielleicht liegt's auch nur an mir.


    Gibt's eigentlich Forschungsarbeiten über Norbert Burgmüllers Kammermusikschaffen?


    Rein streicherisch gesehen, übt man auch bei Burgmüller so manchen


    Lagenwechsel


  • Naja, das hättest Du Dir eigentlich auch schon vorher denken können, oder?
    ;)

    Eigenartige Reaktion. Macht es Spaß, eine einzelne Äußerung aus dem Zusammenhang herauszupicken, um den Schreiber zu diskreditieren? - Das deutlich gespürte Faszinierende an Burgmüllers Streichquartetten harrt jedenfalls weiterhin einer Aufklärung.

  • Auch eine eigenartige Reaktion.
    ;)
    Was ich nicht verstehe, ist Deine merkwürdige Erwartungshaltung: "nur historisch interessant" oder "in das Repertoire der Großen gehörend". Das ist so schwarz-weiß, dass natürlich Burgmüller nicht zugeteilt werden kann, was schon im voraus klar sein sollte, ehe man einen Burgmüller-Ton vernommen hat.


    Aber es gibt das öfters, dass Leute weniger bekannte Komponisten sofort mit den Größten vergleichen, um dann enttäuscht zu sein.

  • Aber es gibt das öfters, dass Leute weniger bekannte Komponisten sofort mit den Größten vergleichen, um dann enttäuscht zu sein.

    Erneut geht dies völlig am Geist meiner kleinen Meldung vorbei. Ich muß sagen, daß ich im tamino-Forum schon nettere Atmosphäre vorgefunden habe; aber vielleicht sollte man nicht von der unsensiblen Indisposition eines Einzelnen auf das Ganze schließen.


    Wie sagte schon Burgmüller? "Ich war auf Menschen nicht vorbereitet, ich glaubte nur an Musik".

  • Wie sagte schon Burgmüller? "Ich war auf Menschen nicht vorbereitet, ich glaubte nur an Musik".


    Ja, im Forum gibt es eben Menschen ...


    Aber vielleicht doch zurück von den Befindlichkeiten zum Thema: Kennst Du denn das Schwanken zwischen Begeisterung und Enttäuschung sonst nicht, nur bei Burgmüller?

  • Ich habe Burgmüller durch diese CD kennengelernt:



    Der leider bereits im Alter von 45 Jahren verstorbene, großartige Pianist Nikolaus Lahusen spielt mit Brillianz und Verve das Klavierkonzert des ebenfalls sehr jung verstorbenen Komponisten.
    Wie Lahusen sich hier rasant in die Läufe stürzt, wuchtige Akzente setzt, dabei jedoch auch feine, zarte Schattierungen herausarbeitet, ist überaus gekonnt. Wunderschön der Beginn des langsamen Satzes, bei dem das Solo - Cello und das Klavier einander umspielen, getragen von sachter Orchesterbegleitung.
    Das Philharmonische Staatsorchester Halle spielt ebenso engagiert und klangschön.
    Alles in allem eine wundervolle Einspielung eines Werkes, das einen viel höheren Bekanntheitsgrad verdient hätte.

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  • Auch diese CD mit seinem ersten Klavierkonzert ist gut anzuhören:


    Gleichzeitig möchte ich daran erinnern, dass heute Norbert Burgmüllers


    205. Geburtstag ist.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Mit den Wiederentdeckungen beinahe vergessener Komponisten und ihrer Werke ist das so eine Sache: Sie werden meist schnell wieder vergessen.

    Warum das so ist, darüber kann man nur spekulieren. Es ist sich nicht nur eine Frage der musikalischen Substanz. Vielleicht liegt es auch daran, daß sie keine "Führsprecher" in Form berühmter Dirigenten und ebensolcher Orchester haben. Wie würde Burgmüller heute wahrgenommen, wenn diese vorzügliche Sinfonie dereinst Herbertvon Karajan oder Karl Böhm eingespielt hätte ? Berühmte Dirigenten gehen gar nicht erst das Risiko ein mit eher unbekannten Werken in Verbindung gebracht zu werden. Schlecht für die eigene Reputation.

    Auch bei Tamino Klassikforum ist dieser Burgmüller Thread bald eingeschlafen.

    Wie klingt aber nun die heute von mir in der gezeigten Aufnahme ?

    Oft traut man sich als Laie gar keine Vergleiche anzustellen oder Bewertungen abzugeben - Aber andrerseits wurde von Musikwissenschaftleren und Rezensenten schon so viel gegensätzliches geschrieben, daß man sich gar nicht blamieren kann...

    Burgmüller kann man grob gesehen dem Kreis Schumann-Mendelssohn zuordnen, die ihn schätzten. Aber auch eine Prise Beethoven und sogar Schubert ist zu vernehmen - wenn man es hören will. Kein Wunder, alles Zeitgenossen. Dazu kommen noch Spohr und Moritz Hauptmann (1792-1868) als Lehrer. Es ist übrigens eigenartig (ezogen auf Hauptmann), daß vor allem Personen als Kompositionslehere Berühmtheit erlangten, die selbst eigentlich keine "genialen" Kompositionen hervorgebracht hatten...

    Interessant bei Burgmüllers Sinfonie Nr 1 ist die optimale Balance zwischen extremer Attacke und Melancholisch-Lieblichen Stellen (Burgmüller selbst litt gelegentlich unter Depressionen) Persönlich erinnert mich die Sinfonie am ehesten an Mendelssohn. Und sie ist - Geniestreich hin-Geniestreich her - mehr als hörenswert. Schumann und Mendelssohn schätzen die Musik Burgmüllers sehr.

    Die Einschätzung Robert Schumanns ist gut aus diesem Satz herauszulesen:

    „Nach Franz Schuberts frühzeitigem Tod konnte keiner schmerzlicher treffen als Burgmüllers.“


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Angeregt durch diesen Thread habe ich neulich zum ersten Mal überhaupt Musik von Burgmüller gehört. (Ich spielte als junger Klavierschüler wie so viele lediglich kleine Stücke von seinem Bruder Friedrich).

    Obwohl ich eine Schwäche für unbekanntere romantische Musik habe, hat Burgmüller bei mir nicht so richtig gezündet. Jedenfalls nicht so sehr, wie die eher positive Tendenz hier im Thread.


    Insgesamt sind das natürlich Werke eines unter 26jährigen, die bei vielen anderen Komponisten dann als Frühwerk gelten würden. Ich höre Ähnlichkeiten zu Schumann und Mendelssohn. Die Musik packt mich aber nicht so richtig und ich finde, dass sie kein Ziel hat. Allzuviel bleibt auch nicht hängen - aber das stört mich bei anderen Komponisten auch nicht so und das ändert sich üblicherweise mit mehrfachen Hören. Dies trifft besonders auf die Sinfonien zu, die bei mir nur an vereinzelten Stellen gefallen. Da sind dann mal schöne melodische Bögen oder harmonische Raffinessen (2. Sinfonie) zu hören. Aber insgesamt fehlt mir vor allem in der 1. Sinfonie die bezwingende motivische Arbeit und das Packende; also irgendetwas, das besonders gut komponiert, dramatisch, schön, ergreifend, mitreißend, virtuos oder innovativ ist. Die Musik ist in meinen Ohren gut - mehr nicht. Die 2. Sinfonie gewinnt bei mehrfachen Hören allerdings deutlich an Kontur und könnte was für mich werden.


    Am meisten kann ich dem Klavierkonzert abgewinnen. Wie oben im Thread schon mehrfach erwähnt, weist es recht deutlich auf Schumann. Besonders gefällt mir der langsame Satz. Das KK gehört definitv zu den hörenswerten unbekannten romantischen Klavierkonzerten.

    Die Klaviersonate sagt mir indes nur im Kopfsatz zu und auch die wohlklingenden Streichquartette sind nur momentweise hervorragend.

    Letztlich ist das aber das erwartbare und übliche Urteil. Komponisten der zweiten und dritten Reihe stehen häufig berechtigt dort, weil sich eben größere vor sie gestellt haben. Das macht die Musik dann nicht per se schlecht - im Gegenteil - aber im Vergleich hat sie das Nachsehen. Es ist schlicht nicht möglich, dass Hörer bei jedem unbekannten Komponisten zu einem besonders günstigen Urteil kommen (so wie ich etwa bei Spohr, Jadassohn, Moscheles oder Raff). Interessant ist auch Musik wie die von Burgmüller allemal!

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Letztlich ist das aber das erwartbare und übliche Urteil. Komponisten der zweiten und dritten Reihe stehen häufig berechtigt dort, weil sich eben größere vor sie gestellt haben. Das macht die Musik dann nicht per se schlecht - im Gegenteil - aber im Vergleich hat sie das Nachsehen.

    Das ist eine Erkenntnis, die ich mittlerweile im wesentlichen teile. Es gibt immer Überraschungen wie Fanny Hensel (IMO mehr oder weniger von der Qualität - nicht vom Umfang - des Werkes ihrem Bruder gleichberechtigt an der Seite), Onslow würde ich hoch einschätzen und meine persönlichen Entdeckungen Montgeroult und Jaëll. Bei dem im Forum sehr gelobten Ferdinand Ries habe ich häufig das Gefühl eines nicht gelungenen Imitates. Natürlich ist das für seine Zeit ein herausragender Komponist, aber wenn man den nun mit einem historischen Blick neben Beethoven stellen würde, dann kann man meiner Meinung nach ein riesiges Gefälle wahrnehmen.


    Das alles ist natürlich von einem persönlichen Geschmack zu unterscheiden. Die Dinge gefallen einem ja nicht per se nach positiven Beurteilungen eines Musiklexikons. Das wäre allerdings wirklich merkwürdig ;)


    Ich finde mittlerweile die Komponisten der zweiten Reihe aus zwei Gründen interessant. Man erkennt erstens die Größe der Großen besser und versteht natürlich auch, wo sie dann groß waren, zweitens findet man hin und wieder ein Leckerli.


    Wirklich spannend finde ich allerdings (und das war bei mir aber schon irgendwie immer so) die Musik der Gegenwart, soweit ich sie mitbekomme. Natürlich hört man sich da durch einiges (wahrscheinlich das meiste), was sich am Ende historisch in die zweite und auch dritte Reihe stellen muss, aber für mich ist sie häufig verständlicher...


    Zu viel der länglichen Worte :P, zurück zu Burgmüller und dem Rezipieren im historischen Kontext. Sein viertes Streichquartett hat einen schönen ersten Satz, der mit für meine Ohren mysteriösen Klängen beginnt, der zweite Satz schwächelt für mich mit seiner Melodik, die technisch in süßlichem Gegniedel versteckt wird und wenig überzeugender (wohl aber beabsichtigter) Kontrapunktik .... usw. Insgesamt für seine Zeit sicher ein gelungenes Werk.



    Insgesamt sind das natürlich Werke eines unter 26jährigen, die bei vielen anderen Komponisten dann als Frühwerk gelten würden. I

    Ja sicher bedenkenswert, aber es gab Komponisten, die mit 11-14 ausgewachsen waren, also eigentlich beim Rezipieren wieder zu vernachlässigen. Wenn ich die ganze Zeit denken muss, dass der Komponist nur 26 war, ist es auch irgendwie langweilig, oder?

  • Zu viel der länglichen Worte :P, zurück zu Burgmüller und dem Rezipieren im historischen Kontext. Sein viertes Streichquartett hat einen schönen ersten Satz, der mit für meine Ohren mysteriösen Klängen beginnt, der zweite Satz schwächelt für mich mit seiner Melodik, die technisch in süßlichem Gegniedel versteckt wird und wenig überzeugender (wohl aber beabsichtigter) Kontrapunktik .... usw. Insgesamt für seine Zeit sicher ein gelungenes Werk.

    Exakt so geht es mir mit dem Streichquartett Op. 14 auch. Und ein ähnliches Urteil finde ich bei der Klaviersonate Op. 8. Dass die 2. Sinfonie ebenfalls im Scherzo IMO stark nachlässt, liegt allerdings eher daran, dass es eben Fragment ist.


    Ja sicher bedenkenswert, aber es gab Komponisten, die mit 11-14 ausgewachsen waren, also eigentlich beim Rezipieren wieder zu vernachlässigen. Wenn ich die ganze Zeit denken muss, dass der Komponist nur 26 war, ist es auch irgendwie langweilig, oder?

    Stimmt :P Man denke nur an Mozart oder Schubert...

    Ich finde es im Falle Burgmüller vor allem deshalb bedenkswert, weil 26 wirklich absurd jung ist. Und weil Schumann in seiner Würdigung hervorgehoben hat, dass nach Schuberts frühem Tod, der von Burgmüller der nächste tragische Fall ist. Deshalb fragte ich mich - natürlich völlig sinnlos, aber sag das mal meinem Hirn - was wäre, wenn die erhaltenen Werke wirklich "nur" das Frühwerk wären. Hätten wir dann 9 (;)) Burgmüller-Sinfonien, die in den großen Kanon gehören würden, oder wäre es zweite Reihe geblieben...? Wir werden es nie erfahren.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Man darf sich halt von den "Kleinmeistern" nicht erwarten, dass es "Großmeister" seien, und schon ist das Problem gelöst.

    Ich höre sie generell etwa genauso gern wie die "Großmeister".

    Das Schöne ist, dass die "Großmeister" dann etwas Besonderes werden.

    Wenn ich die jeden Tag hören würde, wären sie es ja nicht mehr.

  • Man darf sich halt von den "Kleinmeistern" nicht erwarten, dass es "Großmeister" seien, und schon ist das Problem gelöst.

    Ich höre sie generell etwa genauso gern wie die "Großmeister".

    Das ist natürlich richtig. Man sollte m.M.n. sowieso nicht grundsätzlich Musik hören, weil sie bedeutend ist. Das würde einen ungeheuer einschränken und am Ende auch nicht wirklich geschmacksbildend sein.


    Nur so ins Blaue gesprochen: Ich könnte mir vorstellen, dass aufgrund der Datenlage die Wahrscheinlichkeit, in der Frührenaissance einen versteckten Schatz zu finden, größer ist als in der Spätromantik.

  • Meine Tendenz die 2. Sinfonie Op. 11 als Meisterwerk einzuschätzen hat sich gesteigert. Wie das meistens so ist - und bei Komponisten der 'zweiten Reihe' mit Sicherheit noch mehr - erschließt mehrfaches Hören das Werk ungemein. Es ist so schade, dass die Sinfonie Fragment geblieben ist. Schumann hat das Scherzo vervollständigt, das Finale fehlt.


    Ich bin der Meinung dass diese Sinfonie absolut auf der qualitativen Höhe der Zeit steht. Kein Beethoven oder später Schubert, aber durchaus gleichwertig mit frühem Schubert und Spohr. Zur Entstehungszeit 1835 bildet sie zusammen mit Mendelssohns Sinfonik und Spohrs Meister-Sinfonien den Übergang zwischen Beethoven/Schubert und Schumann. Und in dieser Gemengelage spielt Burgmüllers Sinfonie oben mit. Auch die Anerkennung durch Mendelssohn und Schumann belegt dies. Für Schumann steht fest:

    Zitat

    "Nach Franz Schuberts frühzeitigem Tod konnte keiner schmerzlicher treffen als Burgmüllers." (Gesammelte Schriften über Musik und Musiker, 145)


    Das eher lyrische und trotz seiner Vorhalte fließende Hauptthema des Kopfsatzes (Allegro moderato) ist durchaus einprägsam und erfährt bereits auf Brahms weisende entwickelnde Variation. Ein überaus angenehmer Satz, der mit jedem Hören gewinnt.

    Beeindruckend ist überdies das marschartige Andante. Ein typischer zunächst leise vorwärtsdrängender Marsch mit markanter Melodik, hier durch das Enschlischhorn. Ein Satz in der Tradition des Allegretto aus Beethoven 7, wie sie auch in Spohr 4 und später Draeseke 2 recht ähnlich zu finden sind. Burgmüllers Variante gefällt mir fast am besten!

    Das Scherzo ist halb Burgmüller, halb Schumann. Ein unruhiger Satz, der letztlich natürlich darunter leidet, dass er einen Bruch bedeutet. Ob man ohne Vorwissen auch ein bisschen Schumann durchklingen hören würde, lasse ich mal dahingestellt.


    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Darf ich mir einen kleinen Einschub gestatten, der sehr wohl mit Burgmüller zu tun hat?

    Dieser Tage ging mir von Freundeshand ein CD des Labels Quertstand zu. Es handelt sich um die vierte Folge einer ganzen Edition:


    id-0832_seinezeit4_ma-v-30215fc8.jpg


    Darauf der Trauermarsch op. 103 von Felix Mendelssohn Bartholdy für Norbert Burgmüller in der Orchesterversion. Beide waren bekanntlich befreundet. Für mich ist diese erhabene und feierliche Musik die beste Würdigung des früh Verstorbenen. Mir geht sie sehr nahe. Hier die bekanntere Bläser-Fassung. Ob jene mit Orchester tatsächlich von Mendelssohn stammt, ist wohl umstritten:


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Die wenig geläufige zehnteilige Mendelssohn-Anthologie von Querstand erschien zum Jubiläumsjahr 2009 (200. Geburtstag). Vol. II bis V widmen sich der Thematik "Mendelssohn und seine Zeit", wobei man sich auf die Komponisten Julius Rietz, Niels Wilhelm Gade, Ferdinand David, Ignaz Moscheles, Robert Schumann und Moritz Hauptmann konzentrierte. Enthalten etwa zwei Ouvertüren von Rietz, aber auch das fragmentarische "O lasst mich einen Augenblick noch hier!" für Basssolo und Orchester nach Versen von Goethes "Rinaldo", das Mendelssohn nicht mehr vollenden konnte. Norbert Burgmüller ist, abgesehen vom genannten Mendelssohn'schen Trauermarsch, leider nicht weiter berücksichtigt worden.


    Es gibt übrigens noch eine dritte Einspielung der 2. Sinfonie von Burgmüller:


    51iP9axUwqL.jpg


    Das RSO Berlin unter Georg Schmöhe nahm sie 1987 in einer Koproduktion des SFB mit Koch Schwann erstmals auf (Barcode 9002723110104). Ihr zur Seite gestellt wurde die 1841er Erstfassung der 4. Sinfonie von Schumann (hier sogar mit Gitarre in der Romanze). Es ist erfreulich, dass Schumann zumindest das Scherzo der Zweiten von Burgmüller vervollständigt hat. Er dachte gar über den Finalsatz nach, nahm schließlich aber davon Abstand, "[d]a dessen Vollendung ein eigenes kompositorisches Unternehmen gewesen wäre" (Reinhard Kapp im Begleittext). So ist dieses Werk leider nur fragmentarisch erhalten und fehlt ein adäquater Abschluss.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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    Vorhin hörte ich mir zum ersten Mal bewusst Burgmüllers Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 2 (1831-33) an. Anders als die Zweite ist diese Erste glücklicherweise vollendet. Das viersätzige Werk kommt in der gezeigten Aufnahme (Sterling, 2001) - offenbar die Weltersteinspielung - auf beachtliche 33 Minuten Spielzeit. Es zeichnet verantwortlich das Orchester des Staatstheaters Kassel unter Marc Piollet. Via Streaming konnte ich vergleichsweise in die spätere Einspielung unter Frieder Bernius mit der Hofkapelle Stuttgart hören, die ebenfalls ihre Meriten hat (Carus, 2006/07). Man hat insofern die Auswahl zwischen Non-HIP und HIP. Beide Interpretationen liefern m. E. ein deutliches Plädoyer für diese Sinfonie. Die Beethoven/Weber-Nachfolge wird in der Literatur betont, doch kommt mir der Tonfall deutlich Schumann-artig vor, was angesichts der Entstehungszeit - acht Jahre vor Schumanns "Frühlingssinfonie" - erstaunt. Sollte gar umgekehrt Schumann hier sinfonische Anregungen aufgenommen haben? Unmöglich ist das nicht, er schätzte Burgmüller bekanntlich außerordentlich. Jedenfalls eine sehr hörenswerte Komposition, die ich deutlich in die Hochromantik verorten würde. Die Sterling-Aufnahme ist derzeit beim Werbepartner zum Sonderpreis um EUR 5,99 (statt 15,99) zu beziehen. Der "Beifang", Hugo Staehles einzige Sinfonie von 1844 (ebenfalls in c-Moll und gar 40-minütig), ist ebenfalls ein Werk mit Potential. Ein Rezensent vernahm Anklänge an frühen Verdi.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões