Zauberflöte - Wiener Staatsoper, 6.11.2010

  • Die Inszenierung von Marco Arturo Marelli hat nun auch schon mehr als 100 Aufführungen auf dem Buckel und man hat sich so langsam daran gewöhnt, ohne über die Tatsache hinwegzusehen, dass es sich da sicherlich um eine der schwächeren Arbeiten des Künstlers handelt. Den Ringelreih zum Schluss finde ich allerdings wirklich dumm – doch der Großteil des Publikums scheint ihn zu goutieren.


    Zauberflöte in Wien am Samstagabend. Das bedeutet, dass auch der Stehplatz voll ist und viele Leute noch auf der Suche nach Karten waren. Während in den letzten Jahren die Aufführungen doch manchmal mühsam waren, so konnte man dieses Mal sagen, dass ein neuer Schwung bemerkbar ist, viele kleine Details, die man vermisste, im Laufe von Proben (wieder) erarbeitet worden sind – und dass die gesanglichen Leistungen durchaus ansprechbar waren – mit je einem „Ausrutscher“ nach oben und nach unten.


    Beginnen wir mit Genia Kühmeier. Ich lehne mich wahrscheinlich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass die junge Salzburgerin zu den weltweit allerbesten Paminas zählt. Technisch makellos bringt sie so viel Empfindung und Wärme rüber (was sie ja auch als Micaela tut), dass man mit ihr automatisch mithofft und mit leidet. Ihr Duett mit Papageno und ihre Arie im 2.Akt waren die musikalischen Höhepunkte der Vorstellung.


    In die sehr dankbare Rolle der Papagena schlüpfte Ileana Tonca, die das „Pa Pa Pa..“-Duett mit ihrem Papageno entzückend sang und dafür vom Publikum mit viel Applaus bedacht wurde.


    Während diese beiden Sängerinnen absolut zur Habenseite der Vorstellung gehörten muss man bemerken, dass man in Wien die Drei Damen schon ausgewogener gehört hat (Caroline Wenborne, Juliette Mars, Aura Twarowska). Ob man Jeanette Vecchione Gutes getan hat, sie im derzeitigen Stadium ihrer Karriere an der Staatsoper als „Königin der Nacht“ anzusetzen, darf ernsthaft bezweifelt werden. Besonders bei ihrer ersten Arie stieß sie öfters and ihre Grenzen. Die Stimme ist nicht flexibe. und voluminös genug, auch intonierte sie nicht ganz richtig. Eine Steigerung war zwar im 2.Akt bemerkbar, doch auch da saßen die Töne nicht immer korrekt. Mein Sitznachbar meinte, dass er nicht verstehe, dass die Sängerin engagiert wurde – sie hätte doch nur Provinzniveau. Es ist sehr schwierig, dieser Bemerkung zu widersprechen.


    Norbert Ernst, der als Einspringer in 2008 in Wien debütierte, ist nun ein Ensemblemitglied. Ihm vertraute man die Rolle des Tamino an, die ja weiß Gott nicht leicht ist. Schon der Beginn mit „Zu Hilfe, zu Hilfe sonst bin ich verloren…“ ist ja schon eine Nagelprobe für jeden Sänger. Nun, der Beginn war nicht überzeugend, doch Ernst steigerte sich wirklich sehr während der Aufführung. Seine schon ins Heldische zeigende Stimme ist durchschlagskräftig – ich kann ihn mir eher in Wagner- als in Mozart-Partien vorstellen. Bei aller Klarheit – und hervorragender Diktion – fehlte mir da ein wenig Schmelz (allerdings es kann nicht jeder Sänger ein Wunderlich sein..).


    Seit dieser Saison gibt es in Wien einen neuen Papageno – Markus Werba ist ein weiterer Neuzugang, der viel Freude bereitet. Da wächst wieder in typisch wienerischer Papageno heran. Spielfreudig, immer wieder typisch wienerische Ausdrücke einstreuend, konnte er sich zum Publikumsliebling an diesem Abend mausern. Und dass mich sein Timbre manchmal an Jonas Kaufmann erinnert, ist ja auch nicht unbedingt ein Nachteil für den jungen Österreicher.


    An diesem Abend waren verhältnismäßig viele österreichische SängerInnen aufgeboten, was doch dazu beitrug, dass man schönes „Wiener Feeling“ hatte – das war schon lange nicht mehr der Fall.


    Eine positive Überraschung war Benedikt Kobel. Der oft kritisierte reüssierte als Monostatos. Er hat nicht die schneidende Charaktertenor-Stimme etlicher Vorgänge, doch gab er seinen Part souverän und trug mit ein paar Slapstick-Einlagen auch zur guten Stimmung im Publikum bei. Als Sprecher/2.Priester konnte wieder einmal Sorin Coliban sein Talent beweisen. Die weitere Priesterschaft war mit Michael Roider, Dan Paul Dumitrescu und Peter Jelosits zufrieden stellend aus dem Ensemble heraus besetzt.


    Kwangchul Youn war ein beeindruckender Sarastro. Er ist nicht unbedingt das, was man sich unter einem schwarzen Bass vorstellt – die ganz Tiefen Töne waren nicht zu hundert Prozent überzeugend, doch es schien mir, dass er an Volumen und Durchschlagskraft in den letzten Jahren dazu gewonnen hat. Seine internationale Karriere läuft ja gut und er ist auch in vielen Wagner-Partien äußerst erfolgreich.


    Die 3 Knaben waren in der Szene, als sie von der Brücke sangen, für die Galerie fast unhörbar, ansonsten zogen sich die Sängerknaben ehrenvoll aus der Affäre.


    Der Chor der Wiener Staatsoper unter der Leitung von Martin Schebesta war hervorragend disponiert, auch das mit vielen Substituten besetzte Staatsopernorchester tat das seine zum Erfolg des Abends bei. Ein paar Unsauberkeiten bei den Blechbläsern sollten nichtsdestotrotz erwähnt bleiben. Mit Ivor Bolton hat die Direktion einen kompetenten Mozart-Dirigenten verpflichtet – das Orchester und er wurden mit Recht bejubelt.


    Diese Aufführung scheint zu beweisen, dass es mit der Ankündigung der Direktion, sich wieder mehr mit der Mozart-Pflege befassen zu wollen, ernst gemeint ist – und ich sehe schon mit viel Vorfreude der Premiere
    des Don Giovanni entgegen.

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  • Vielen Dank für den ausführlichen Bericht. Super, dass du uns so auf dem laufendem hälst. Ich habe Marinellis Inszenierung (unter Norrington) damals im TV gesehen und fand seine Arbeit zwar nicht schlecht, aber auch nicht überragend. Das Ringelrei hat mich am Ende nicht wirklich gestört, da dieser Abschluss zu seiner eher spielerischen Inszenierung passt.
    Wann ist die Premiere vom Don Giovanni in Wien? Bist du dabei? Ich hoffe, sie wird im Radio übertragen.

  • Hi


    Ich denke, beim angesprochenen Herrn Marinelli handelt es sich in Wirklichkeit um Marco Arturo Marelli!


    :hello:



    Ich ersuche nochmals, die Unsitte einzustellen, dass Beiträge schon während des Schreibens formatiert werden. Das kann der Browser viel besser! Die manuelle Zeilenformatierung schaut nur im Entwurfsmodus brauchbar aus. Schon der fertige Artikel leidet darunter und die Autoren vergessen, dass es viele unterschiedlich große Bildschirmformate gibt. Und bei jeder anderen Größe schaut das Ergebnis dann nur mehr - hmm, unpassend aus!

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Kurt,


    jetzt haben sich die Wiener "ihren" Norbert Ernst zurückgeholt.
    Der gebürtige Wiener ist seit 2002 Jahren Ensemblemitglied hier an der Rheinoper, mit reger Gastspieltätigkeit bis nach Bayreuth, Barcelona oder zur Wiener Volksoper. Ich erinnere mich, als vor etwas mehr als 2 Jahren - die Düsseldorfer probten gerade die Wiederaufnahme der "Meistersinger" - der Herr Holender anrief und über eine Grippewelle in Wien klagte und sich "unseren David", den Herrn Ernst als David für seine "Meistersinger"-Premiere ausgeliehen hat. Es wurde ein voller Erfolg.



    Neben dem Wiener Tamino singt er in diesem Herbst noch den Pedrillo in München, zu den Feiertagen muß er aber wieder zurück nach Düsseldorf, denn hier gibt es Weihnachten/Silvester/Neujahr die "Lustige Witwe", da singt er den Rossillion.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Sorry - klar war Marelli gemeint - ich sollte keine Kritiken vor dem Frühstück schreiben :)


    Die Don Giovanni-Premiere in Wien ist am 11.Dezember. Ich selbst werde erst bei der 2.Aufführung drinnen sein und berichten (am 11. bin ich in England).

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