Hallo,
nachdem Levines Mahler Aufnahmen für RCA aus den 70igern nun gesammelt für "kleines Geld" zu haben sind, kann man in der Tat behaupten, es gäbe so etwas wie einen Mahler Zyklus von Levine.
OK, die 8., das LvdE und 2. fehlen, zu mindestens die 2. hat er häufiger nachgereicht; ich habe eine Liveaufnahme aus Wien mit Christa Ludwig, die aus den 80igern stammen sollte.
Im selben Zyklus brachte er ebenfalls in Wien die 6. zu Gehör, die sich ziemlich mit der RCA Aufnahme deckt.
Insofern und deshalb dieses Ausholen dürfte sich die Aufnahme der 2. aus Wien gut eignen, sich den RCA Aufnahmen anzuschließen.
Was zeichnet Levines Mahler aus, wo hier doch schon so viele vorgestellt wurden?
Wer Levine ist, liest man am Besten bei Wikipedia nach und dort auf englisch. Dort steht auch , dass er fast 2.500 Aufführungen in der Met geleitet hat. Wenn Swiatloslaw also einen schwarzen Tag erwischt hat, dann hat er wohl leider Pech gehabt.
Einen Kacker lässt man wohl schwerlich 2500 Aufführungen von ca. 80 Opern in ca. 30 Jahren dirigieren. Abgesehen davon gilt er als Dirigent für Sänger. Das merkt man auch in seinen Sinfonieeinspielungen. Selbst in Bayreuth trauert man anscheinend seinen Zeiten hinterher,... inzwischen.
Egal, ich bin kein Opernmann!
Fange ich also an und zwar der Reihe nach:
Als fleißiger HiFi Stereophonie Leser der 70iger und 80iger ist mir der Mahler Boom nicht verborgen geblieben. Man besprach 1, 4 und 3 mit Levine geradezu hymnisch; 7, 5, 6 und 9 weniger, aber beim Nachhören halte ich das für einen Irrtum. Obwohl die Genauigkeit scheinbar etwas nachlässt. Die Aufnahmen mit den Phillys sind nicht so auf den Punkt. Aber das ist Geschmackssache.
Allen Aufnahmen gemein ist eine unglaublich Detailfeinheit bei, - und das unterscheidet ihn drastisch von Gielen, den ich über alles schätze -, völlig entspannten und unangestrengten Tempi.
Ich habe gerade die 6. gehört. Was da an Details bei flottem Tempo aus den ersten beiden Sätzen, zum Dritten hat sich ja schon Norbert geäußert, heraus geholt wird, ist enorm.
Aber es ist zugleich kein Mahler für Seelenschmerzen. Wer mit Mahler seine Seelennot abtöten will oder sich im Selbstmitleid suhlen möchte, ist hier fehl am Platz.
Das, was an Tragik in der Partitur steht, passiert ohne Fingerzeig. Darin ähnelt er sich in der Auffassung der von mir als genial zu nennenden Gesamtaufnahme Neumanns.
Als Beispiel die hier schon häufiger genannte 3.
Der 1. Satz ist ein solcher Höhepunkt, der einfach mehrfach gehört werden muss, die ersten Male hört man nur auf die vielen aberwitzigen Details, wobei ich glaube, auch die weiteren Sätze der 3. sind genauso einzig, nur weil die Partitur nicht so komplex ist, fällt das nicht so auf.
Aber wie er die Temporelationen im 2. Satz der 3. setzt, da kommt nicht eine Sekunde Langeweile auf, das ist so etwas von leichtfüßig und zugleich den Charakter so treffend, dass man nicht anders kann, als diese Aufnahme großartig finden, auch wenn es andere Interpretationsansätze geben mag.
Vollends glücklich bin ich mit der 4. und auch der 9. Denn auch wenn die 9., wie schon geschrieben, nicht dieses Verklingen hat, wie es Bruno Walter so schön vormacht, oder auch nicht wie Horenstein im besten seiner Mahlersätze, dem letzten der 9., so etwas wie "Sinnlichkeit im Untergang (American Symphony Orchestra)" beschwört und auch nicht so lakonisch enden mag wie Klemp oder Ancerl, so beeindruckt diese extrem langsame Lesart ungemein!
Ich meine, dass sein klanglich abstrakter und doch fast versöhnlich zu nennender Ansatz jetzt von Alan Gilbert erneut umgesetzt wurde.
Ich stelle daher fest, das heute, nach all den Schwerstarbeiten, die man bei Mahler hatte, zuletzt Chailly, wieder ein gelassener Blick auf Mahler riskiert wird, der auch das sportive Element in seinen Sinfonien zum Tragen kommen läßt.
Wir dürfen bei allem nicht vergessen. Mahler starb mit knapp 51 Jahren. Einen Großteil seiner Werke hat er zwischen 30 und 45 geschaffen!
Warum sollten ausgerechnet "alte Säcke" zwischen 65 und "scheintot" die idealen Interpreten sein. OK: Walter und Klemp waren Zeitzeugen, aber eben ab Mitte der 50iger auch uralt!
Levine war zwischen 31 und 37 als er diese Aufnahmen machte, für die 9. wohl etwas zu jung, aber nur dem Gefühl nach!
Denn von der Ausbildung her (Lest nach bei Wikipedia (US)) war er glänzend vorbereitet auf Mahler, viel besser als es zum Beispiel Bernstein, Tennstedt oder Sinopoli je waren. Das soll keine Wertung sein, nur ein Hinweis.
Auf jeden Fall: Nach der Empfehlung, mir Neumanns Mahler zu kaufen, war dieser "Rumpfzyklus" mit Levine für mich die Mahler Entdeckung des Jubiläumsjahres 2010.
Also daher empfehle ich jedem Mahler Fan diesen "Notverkauf" von Sony.
Und ich hoffe, das Levine, nun da er anscheinend wieder genesen ist, mit dem Boston Symphony Orchestra einen neuen Mahler Zyklus einspielen kann, denn die paar Sachen aus München waren nicht so dolle. Auf die 8. kann ich weiter verzichten.
Gruß S.