Ist Berlin die Hauptstadt der Oper?

  • Ich war gerade mal wieder ein paar Wochen in Berlin und habe mich amüsiert, dass an allen Litfaßsäulen Plakate hingen, auf denen typisch berlinisch behauptet wurde, Berlin sei "Die Hauptstadt der Oper".


    Und dann habe ich etliche Aufführungen gehört: in der Staatsoper, die jetzt ja im Schillertheater spielt, in der Komischen Oper, in der Neuköllner Oper und last but not least in der Deutschen Oper. Natürlich ist die Fülle und Breite des Angebots einfach imponierend. Und man hört zumindest in der Deutschen Oper und in der Staatsoper auch fantastische Orchester, zudem in der Deutschen Oper einen absolut konkurrenzlosen Chor. Auch begegnet man nicht wenigen Dirigenten, die einer Aufführung Profil geben.


    Aber wie viele wirklich große Leistungen von Sängern werden heute geboten? Um ehrlich zu sein: da sieht die Bilanz etwas ernüchternd aus. Wenn man höchste Maßstäbe anlegt, konnte man eigentlich nur mit der Leistung von Petra Lang zufrieden sein, die als Cassandre in "Les Troyens" hinreißend gesungen und sehr intensiv gestaltet hat. Andere Solisten waren immerhin befriedigend oder sogar gut. In der Komischen Oper bekam man in Glucks "Armida" eine eindrucksvolle Ensembleleistung - aber herausragend war keiner der Solisten. Nun geht es mir in Amsterdam oder London, Essen oder Zürich meist kaum besser. Insofern ist ja vielleicht die fröhlich großsprecherische Parole Berlin sei "Die Hauptstadt der Oper" vielleicht doch gar nicht so abwegig.


    Mich würde mal interessieren, wie Ihr das seht? Was hab ihr für Erfahrungen gemacht an der Spree. Und wo ist es eigentlich besser?

    ;) - ;) - ;)


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    Einmal editiert, zuletzt von Caruso41 ()

  • War lange nicht mehr da, erstmals 1969 in der Bismarckstraße. In den 80er und 90er Jahren dort hervorragende Aufnahmen gesehen. Dann in der Deutschen Staatsoper mit Barenboim fantastische Opernaufführungen, häufig. Mehrmals in der Komischen Oper, gewöhnungsbedürftig aber nicht schlecht. Da war die Welt in Berlin noch in Ordnung und alle drei Häuser haben später ihren Spielplan so abgestimmt, dass eine Aufführung nicht zeitgleich in mehreren Häusern lief. Ob es heute noch zutrifft, Berlin als Hauptstadt der Oper zu bezeichnen, wage ich zu bezweifeln. Die bayerische Metropole hat aufgeholt.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Solche Aufführungen, wie man sie in Berlin in den 60er und 70er Jahren hören konnte, wird man heute weder dort noch anderswo so leicht erwischen. Da dirigierten Maazel, Böhm und Jochum regelmäßig; Abbado und Karajan waren nicht so ganz seltene Gäste. Und es gab ein Ensemble, zu dem unter anderen Grümmer, Lorengar, Mathis, Ludwig, Lear, Janowitz, Ligendza, King, Jess Thomas, Aragall, Cioni, Tagliavini, Cossutta, Haefliger, Stewart, Montefusco, Wixell, Herlea, Fischer-Dieskau, Neidlinger, van Dam, Tom Krause, Greindl, Talvela gehörten - und zudem noch manch einer, von dem man heute ganz verkärt schwärmt! Die entscheidende Qualität schien mir immer, dass diese Topsänger ein gut abgestimmtes und aufeinander eingespieltes Ensemble bildeten.


    Schon in den 80er Jahren musste man sich an der Bismarckstraße darauf einstellen, dass man solch gute Sänger nur noch für bestimmte Aufführungen und begrenzte Zeit ans Haus binden konnte.
    Heute gibt man sich in allen drei großen Häusern in Berlin durchaus weiterhin Mühe, ein ordentliches Ensemble aufzubauen, aber die Sängerinnen und Sänger, die wirklich aussergewöhnliche Qualität bringen, muss man immer wieder viel zu schnell ziehen lassen. Einen Pape oder einen Breslik konnte man nicht dauernd fest an der Staatsoper halten, und eine Bell oder Bengtson gingen der Komischen Oper auch viel zu früh verloren.


    Wenn Du, lieber Bernward, sagst, die bayerische Metropole habe aufgeholt, mag das insoweit stimmen, als man dort aussergewöhnliche Aufführungen hören kann - zuletzt gefielen mir etwa die Jenufa unter Petrenko oder die Rusalka durchaus gut. Aber mich enttäuscht an der Bayerischen Staatsoper immer wieder die Qualität der Solisten in den mittleren und kleineren Partien. Da merkt man dann doch schmerzlich, dass die Basis eines eigenen Ensembles fehlt.


    Und das Theater am Gärtnerplatz tut nun wirklich nicht allzu viel, um München als Opernstandort zu profilieren.


    LG, Jörg

    ;) - ;) - ;)


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  • Als geborener Berliner mit Wohnsitz München fahre ich regelmäßig in die
    Hauptstadt, aber auch Hauptstadt der Oper wage ich zu bezweifeln, nur weil
    es 3 Opernhäuser gibt?
    Ich war heute vor einer Woche zu einem Besuch in der "Zauberflöte" im
    Schiller-Theater, dort ist die Staatsoper im Moment zu Hause bis der Umbau
    fertig ist UNTER DEN LINDEN!
    Ich wollte das Schillter-Theater wieder sehen nach der Renovierung und die finde ich
    echt sehr gelungen, obwohl die Akustik ihre Tücken hatte!
    (Ich war in meiner Studienzeit in Berlin am Schiller-Theater Statist.)
    Über die alte (sehr alte) Inszenierung von August Everding und das gesamte
    Sängerteam möchte ich lieber den Mantel des Schweigens legen!!!!!! ^^
    Nur soviel ich bin in der Pause geflüchtet!
    :angel:

    mucaxel

  • Hauptstadt der Oper ist und bleibt für mich Wien.
    Ich denke, mit Berlin nimmt es die Donaumetropole locker auf.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hi


    Es gab vor einigen Jahren hier einmal eine Diskussion über die Berliner Opernhäuser (und über Schließungspläne). Da habe ich aus Interesse die Spielpläne verglichen und festgestellt, dass in Wien Staatsoper und Volksoper monatlich im Schnitt mehr Opernaufführungen brachten als die drei Berliner Häuser zusammen! Was nicht gerade für deren Auslastung sprach. Und jetzt hat Wien mit dem Theater an der Wien ein drittes, großes, ständiges Opernhaus. Da denke ich schon, dass das Angebot in Wien besser ist. Aber auch New York ist mit seinen beiden Riesenhäusern (Fassungsraum fast 6.500 Besucher!) im Lincoln-Center nicht zu verachten...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Es hat doch auch niemand behauptet, dass Berlin die Hauptstadt der Oper von Europa wäre. Ich dachte, die Frage beziehe sich nur auf Deutschland West und Ost. Oder war damit die Hauptstadt der Oper in der ganzen Welt gemeint, dann sprechen wir aber über eine ganz andere Dimension. Wiener Staatsoper, Met, Zürich, Los Angeles, Brüssel usw.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Nein, über die Welthauptstadt der Oper kann ja nun wirklich niemand von uns reden. Da fehlt denn doch den meisten von uns die Möglichkeit zur kontinuierlichen Beobachtung der verschiedenen Opernhäusern aller in Frage kommenden Städte.


    Ich bin beruflich immer viel herumgekommen und habe meist die Gelegenheit genutzt, in die Oper zu gehen. Da macht man dann die erstaunliche Erfahrung, dass man mitunter in Münster eine bessere Walküre bekommen kann als in Bayreuth oder Wien (Ist schon eine Weile her - das war zu einer Zeit als Herlitzius, Frantz und Struckmann noch unbekannt und vor allem noch jung und richtig gut waren!!)
    Man hört aber auch eigentlich überall gute und schlechte Aufführungen - meist allerdings mittelmäßige! Nur: es gibt schon Häuser, an denen die Wahrscheinlichkeit für eine musikalisch starke Aufführung größer ist als an anderen. Die Frage wäre dann: lohnt es, eigens für eine Aufführung nach Zürich oder Kopenhagen, Stuttgart oder Essen zu fahren, oder doch eher nicht. Ich habe den Eindruck, dass die Hochzeiten, die einzelne Häuser haben, selten wirklich lange dauern. Brüssel etwa war mal richtig interessant als da Mortier und Cambreling gearbeitet haben, dann kam eher eine flaue Zeit, jetzt wird die Arbeit wieder attraktiver. Auch kleinere Bühnen haben oft erstaunliche Konjunkturen. Eine Zeit lang etwa Bielefeld, dann Bremen, dann Kassel. Da arbeiten dann oft Leute mit enormem Einsatz, viel unverbrauchter Kreativität und mitreißendem Elan. Und sie wagen etwas! Wann würde schon mal an der Met oder in Paris etwas gewagt?


    Ich habe den Eindruck - um nun aufs Thema zurückzukommen - dass in Berlin oft nicht so viel gewagt wird wie etwa in Frankfurt oder in Stuttgart. Aber die Professionalität ist an den drei berliner Opernhäusern schon beeindruckend hoch. Die Staatsoper und die Deutsche Oper haben ja alle ein wenig im Blick und wissen, welche tollen Orchester, was für gute Chöre, welche interessanten Dirigenten dort arbeiten und was man von den Sängern erwarten kann. Aber sonderbarerweise wird die Komische Oper oft übersehen. Immerhin haben dort in den letzten 15 Jahren Dirigenten wie Kreizberg, Vladimir Jurowski, Petrenko und Markus Poschner ein Niveau garantiert, wie es - der Himmel sei's geklagt - an den renommierteren Häusern oft nicht selbstverständlich ist. Und bei den Inszenierungen wird meist wirklich etwas gewagt (wenn auch nicht durchweg etwas gewonnen!)


    Natürlich ist die Parole, Berlin sei die "Hauptstadt der Oper" großsprecherisch - aber eine Reise ist es alle Male wert! Zumal wenn man nicht nur in Staatsoper und Deutsche Oper geht, sondern sich auch mal in die Komische Oper, die Neuköllner Oper und in die Zeitgenössische Oper traut.


    Mit Wien kann ich leider gar nicht vergleichen. Da war ich seit 5 Jahren nicht mehr. Und vorher habe ich oft gute Sänger aber selten spannende oder rundum überzeugende Aufführungen gehört.
    München? Habe ich oben ja schon was zu gesagt. Es geht da nicht mehr so träge zu wie in der Sawallisch-Zeit und nicht mehr so glamourös oberflächlich wie in der Mehta-Zeit. Aber irgendwie habe ich immer den Eindruck, dass man dort irgendwie reichlich selbstzufrieden ist. Und das Publikum bejubelt Vieles, was eigentlich eher nicht so aufregend ist. Vielleicht, weil man so viel für die Karten gezahlt hat?


    Nichts für Ungut!

    ;) - ;) - ;)


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  • Es hat doch auch niemand behauptet, dass Berlin die Hauptstadt der Oper von Europa wäre. Ich dachte, die Frage beziehe sich nur auf Deutschland West und Ost. ...


    Das ist richtig. Wenn nur die BRD gemeint ist, könnte sich Berlin diesen Ausspruch wohl erlauben.


    Da könnte höchstens das Ruhrgebiet Einspruch erheben. Da gibt es ja ein paar Opernhäuser auf ziemlich kleinem Raum...


    :D

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • die Parole, Berlin sei die "Hauptstadt der Oper"


    Wenn man von der Anzahl der Opernhäuser ausgeht, mag diese Aussage stimmen. Ich selbst mag solche " Superlativen " nicht. Für mich schwingt da immer eine gehörige Portion Subjektivität mit. Wenn also nicht von der Anzahl, womit will man da eine solche Behauptung begründen und stützen? Von der Quantität und Qualität der Aufführungen, von spektakulären Stars, ob Sänger oder Dirigenten? Ich glaube, Letzteres dürfte aus Sparsamkeitsgründen auch in Berlin nicht mehr so häufig sein. Außerdem gastieren solche Künstler auch in anderen Städten wie München, Stuttgart, Hamburg usw.. Nach der Wende war ich ein paar mal in der Westberliner Oper. Ich war natürlich neugierig als ehemaliger DDR- Bürger und hatte somit auch einen Nachholebedarf. Es gastierten damals keine Stars, sondern es agierte das normale Hausensemble. Da hat mich nichts vom Sitz gerissen. Die waren alle normal gut, wie man das von so einem Haus erwarten kann, mehr aber nicht! Ich war zwar 1993 das letzte mal in der Berliner Staatsoper, verfolge aber weiterhin die Spielpläne und Besetzungen. Viel außergewöhnlich Interessantes konnte ich da für mich nicht entdecken. Deshalb kann ich mich mit solchen Superlativen nicht anfreunden. Ich finde aber das Thema von Caruso richtig gut und ausführlich beschrieben. Auch die bisherigen Antworten.


    Gruß an alle
    CHRISSY


    PS.: Als Nachtrag möchte ich sagen, solange die DDR bestand, war es tatsächlich so. Da haben sich alle Spitzenkräfte in Berlin konzentriert und etabliert. Das bestätige ich aus eigenem Erleben.

    Jegliches hat seine Zeit...

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  • Opernhauptstadt ist und bleibt das Ruhrgebiet. Unter Opernhauptstadt verstehe ich jetzt mal das, was den Opernfreund am meisten interessiert und wo er die meisten Aufführungen sehen kann, und das zu bezahlbaren Preisen, denn nicht alle Opernfreunde sind reich genug, sich teure Karten und eine weite Anreise samt Hotel leisten zu können. Ich will die Meriten und den Standard von Wien, München, Berlin und Hamburg natürlich nicht negieren. Aber ich zähle jetzt mal die Opernhäuser auf, die für mich mit Wohnsitz in Mülheim an der Ruhr im Bereich einer Autostunde oder Zugstunde liegen (das sind ja Entfernungen, die man in München, Berlin oder Wien auch schon mal hat): die Spitzenhäuser sind natürlich Essen und die Deutsche Oper am Rhein mit Düsseldorf und Duisburg, neuerdings auch Köln wieder. Dann ein paar tolle Provinzhäuser wie Dortmund, Gelsenkirchen, Krefeld, Mönchengladbach, Aachen, Bonn, Münster, Hagen, Wuppertal. Diese Häuser bieten neben manchmal mittelmäßigen Vorstellungen (gilt für die großen Häuser auch) regelmäßig tolle Aufführungen, auch von selten gespielten Opern (hier im forum wird ja viel darüber berichtet - und nicht nur von mir). Die günstigsten Preise liegen häufig unter 10€, für 20-30 sitzt man fürstlich. Und, das ist für mich ganz wichtig: es gibt fast immer noch Karten, sogar, wenn man erst abends zur Kasse kommt. Mit Essen (Aalto-Bau) und Gelsenkirchen (Architekt Ruhnau) haben wir zudem zwei der schönsten Theaterbauten der Republik.


    Daher würde ich behaupten: für richtige Musiktheaterbesucher (das sage ich jetzt mal statt "Oper") ist das Ruhrbiet plus Rheinland mit 13 Häusern die absolute Opernhauptstadt, für Stimmbandfetischisten natürlich nicht. Und: viele der späteren großen Sänger verdienten sich hier ihre ersten Meriten und tun es immer noch.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Opernhauptstadt ist und bleibt das Ruhrgebiet. Unter Opernhauptstadt verstehe ich jetzt mal das, was den Opernfreund am meisten interessiert und wo er die meisten Aufführungen sehen kann, und das zu bezahlbaren Preisen, denn nicht alle Opernfreunde sind reich genug, sich teure Karten und eine weite Anreise samt Hotel leisten zu können. Ich will die Meriten und den Standard von Wien, München, Berlin und Hamburg natürlich nicht negieren. Aber ich zähle jetzt mal die Opernhäuser auf, die für mich mit Wohnsitz in Mülheim an der Ruhr im Bereich einer Autostunde oder Zugstunde liegen (das sind ja Entfernungen, die man in München, Berlin oder Wien auch schon mal hat): die Spitzenhäuser sind natürlich Essen und die Deutsche Oper am Rhein mit Düsseldorf und Duisburg, neuerdings auch Köln wieder. Dann ein paar tolle Provinzhäuser wie Dortmund, Gelsenkirchen, Krefeld, Mönchengladbach, Aachen, Bonn, Münster, Hagen, Wuppertal. Diese Häuser bieten neben manchmal mittelmäßigen Vorstellungen (gilt für die großen Häuser auch) regelmäßig tolle Aufführungen, auch von selten gespielten Opern (hier im forum wird ja viel darüber berichtet - und nicht nur von mir). Die günstigsten Preise liegen häufig unter 10€, für 20-30 sitzt man fürstlich. Und, das ist für mich ganz wichtig: es gibt fast immer noch Karten, sogar, wenn man erst abends zur Kasse kommt. Mit Essen (Aalto-Bau) und Gelsenkirchen (Architekt Ruhnau) haben wir zudem zwei der schönsten Theaterbauten der Republik.


    Das ist ein richtig gutes Argument. Für viele Opernfreunde kommt es entscheidend darauf an, möglichst interessantes Repertoire angeboten zu bekommen. Und da ist das Ruhrgebiet mit seinen vielen Opernhäusern, von denen ja einige ziemlich wagemutig sind, wirklich Spitze!


    Ich habe immer wieder die Reise zu der einen oder anderern Aufführung in Essen oder Dortmund, Aachen oder Hagen auf mich genommen (für mich ist das mehr als eine Stunde!) und war immer wieder davon angetan, dass man hier Werke hören konnte, an die sich die großen Bühnen mitunter gar nicht heranwagen. Und in der Tat waren die Aufführungen auch oft wirklich gut. Natürlich spielt in Hagen nicht die Staatskapelle Berlin und man hört in Krefeld nicht den Chor der Deutschen Oper Berlin. Oft begegnet man aber Sängern, die stimmlich und gesanglich ihren Partien voll gewachsen sind und absolut überzeugende Portraits ihrer Figuren anbieten. Da die Häuser kleiner sind, können oft auch Sänger in Partien eingesetzt werden, für die sie an größeren Bühnen nicht in Frage kämen. So hört man dann mit Staumen immer wieder Leistungen, die glatt die hoch gehandelten Stars in München, Hamburg oder Wien ausstechen. Ein frappierendes Beispiel war für mich etwa in Gelsenkirchen Christopher Lincoln als Arnold in Guillaume Tell und Enee in Les Troyens. Da könnte ich noch viele weitere Beispiele anführen.
    Ich selber bin in Berlin aufgewachen und habe dann lange in München gelebt. Damals habe ich mir nicht vorstellen können, dass man "in der Provinz" (und das war eigentlich für mich alles ausser Berlin, Wien, München und - allenfalls noch - Hamburg) große und eindrucksvolle Opernaufführungen hören könnte. Das sehe ich heute ganz anders nachdem ich viele nach wie vor unvergessene Abende in kleinen Häusern erlebt habe. Wer zum Beispiel in den 80er und frühen 90er Jahren in Bielefeld die Wiederentdeckungen zuvor nirgends gespielter Opern von Schreker, Zemlinski, Stephan, Korngold, Delius, Meyerbeer, Halevy, Boito, Leoncavallo und vielen anderen Komponisten erlebt hat, wird zugeben müssen, dass es dort Leistungen zu bewundern gab wie man sie in den Metropolen leider allzu selten bekommt. Ein besonders schlagendes Beispiel: Dew hat LA JUIVE zunächst in Bielefeld, später auch in Wien und London gemacht. Aber so unmittelbar beeindruckend wie die Bielefelder Aufführung waren die viel opulenter ausgestatteten und prominenter besetzen Produktionen an der Donau und an der Themse nicht. In Bielefeld sangen damals Christine Weidinger (Rachel), der so tragisch früh verstorbene James O'Neill (Elesazar) und der noch ganz junge Gideon Sacks (Kardinal). Tut mir leid: damit konnten selbst so renommierte Stars, wie sie in Wien aufgeboten wurden, nicht mithalten. Aber das glaubt vermutlich niemand, für den Bielefeld in the middle of nowhere liegt.

    ;) - ;) - ;)


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  • Ich habe schon einige Abende in Berlin, München oder Wien erlebt wo ich gedacht habe, die sängerischen Leistungen wären in den Opernhäusern in NRW aber besser. Nur weil ein paar bekannte Sänger auf den Besetzungslisten auftauchen, heißt das noch lange nicht das diese auch besser sind als die Sänger, die im Ensemble singen. Viele von den bekannten Sängern sind überbewertet. Immer einen Besuch wert sind die Wagner Aufführungen an der Deutschen Oper Berlin. Die ziehe ich sogar noch der Staatsoper vor. Die Komische Oper ist für mich nichts, da ich kein Freund von Oper bin, die ins deutsche übersetzt wird, wobei viele Sänger dann eh mit einem fürchterlichen Akzzent singen und die Übersetzungen katastrophal sind. Ich ziehe Oper in Originialsprache vor. Die Bayerische Staatsoper in München hat sehr stark nachgelassen und die Repertoire Vorstellungen sind nicht besser als in den Opernhäusern in NRW.

  • Danke, Caruso, du sprichst mir aus der Seele. Was du von Bielefeld berichtest, könnte ich hier von Gelsenkirchen, meinem Lieblingshaus, erzählen: tolle Sänger ohne Ende, die manchmal leider nicht bleiben. Seitenlang könnte ich hier berichten, ein Beispiel soll genügen: wo, bitteschön, kann man "Gloriana" von Britten sehen? Eine tolle Oper, eine richtige Entdeckung, dazu noch eine großartige Aufführung mit moderner Regie, aber kein Regisseurstheater. Leider nur eine Spielzeit in Gelsenkirchen!


    Eines möchte ich deinem und meinem vorigen Beitrag noch hinzufügen: die Leistungen der Provinzhäuser steigert sich noch, wenn man bedenkt, mit welch schmalem und gefährdetem Etat sie auskommen müssen. Ich finde, der Titel "Opernhaus des Jahres" müsste auch mal an solche Häuser vergeben werden.


    Zuim Schluss, Caruso: ich werde wohl meinen 13 Opernhäusern Bielefeld als Nr. 14 hinzufügen müssen, obwohl das etwas weiter ist.

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  • Ich bin früher ja auch sehr viel rumgereist und habe immer versucht, Opernaufführungen zu besuchen. München und Berlin waren früher meine Favoriten, aber auch Hamburg, Köln und Stuttgart haben mir große Aufführungen beschert. Ich denke, das lag natürlich immer sehr an den großen "Kollektiven" wie Orchester und Chor unter den jeweils besten Dirigenten, da konnten die kleineren Häuser nicht mitthalten. Aber auch an den damals noch vorhandenen Ensembles aus denen die kleineren Rollen großartig besetzt werden konnten. Für die Hauptpartien holte man ja dort die Stars, die nicht immer in ihrer besten Verfassung sein konnten, aber natürlich auch gelegentlich Sternstunden bescherten.


    Neben den Besuchen der großen Häuser war ich aber auch häufig in meinen "Stammhäusern" wie Münster und Bielefeld oder auch in den Ruhrgebietshäusern Essen, Dortmund, Gelsenkirchen. In Bielefeld hat mich die Dew-Zeit natürlich besonders begeistert, wie auch Caruso hier anschaulich beschrieben hat. Damals reisten die deutschen Kritiker nach Ostwestfalen, da Dew die "vergessenen" Werke der Nazizeit reaktivierte oder seine manchmal umstrittenen, aber immer spannenden Neudeutungen der Klassiker aufführte. in Münster war für mich wohl die beste Zeit die Ära Humburg, mit "Ring" , Don Carlos, Meistersinger ect.


    Ob man Berlin heute als deutsche Opernhauptstadt titulieren kann, weiss ich nicht, so oft bin ich nicht mehr dort. Aber das, was man in den Feuilletons lesen kann, spricht eigentlich nicht dafür. Sicherlich sind Orchester und Chöre immer noch sehr gut und auch die Dirigenten gehören zur ersten Garde, aber ansonsten ? Ich wüsste aber auch nicht, wem ich die "Krone" aufsetzten sollte. München (gefiel mir entgegen der Meinung von Caruso während Sawallisch am besten) hat immer noch große Aufführungen , aber das sind Einzelfälle. Hamburg ist weder von den Inszenierungen, noch von der GMDirektorin , noch von den Sängern Spitze, sondern höchstens Mittelmass. Ich glaube, es wechselt heute, mal ist Stuttgart sehr gut, mal Essen, mal Frankfurt, vielleicht bald mal wieder Köln ? Aber vielleicht spricht das ja auch für die Vielfalt und die Qualität der deutschen Häuser, so dass wir eine "Opernhauptstadt nicht benötigen !

  • Woran kann die Auszeichnung Opern-Hauptstadt im deutschsprachigen Raum festgemacht werden? An der Zahl der Aufführungen? Am jährlichen Ranking der Opernwelt "Opernhaus des Jahres"? An den Besucherzahlen? An den Einspielergebnissen? und, und und...
    Geht man vom Ruf und vom Image aus, das ja bekanntlich nicht absout den Tatsachen entsprechen muss, dann werden sich sicherlich
    Wien, Berlin, die Bayerische Staatsoper und Zürich um die Krone streiten können. Was natürlich nichts darüber aussagt, dass z. B. in Düsseldorf-Duisburg, in Stuttgart, in Köln, oder in Bern oder anders wo maßstabsetzende Aufführungen stattfinden.
    Nun aber mein eigenes Empfinden: Nimmt man die Bedeutung des Opernlebens für eine Stadt oder gar ein ganzes Land, die Zahll der Opernfreunde und die grenzenlose Identifikation der Fans für ihre Stars, die Zahl der Aufführungen, die Auslastungsquote, und die allgemeine Begeisterung für die Oper dann darf Wien den Titel Opern-Hauptstadt verdient für sich in Anspruch nehmen.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Nun aber mein eigenes Empfinden: Nimmt man die Bedeutung des Opernlebens für eine Stadt oder gar ein ganzes Land, die Zahll der Opernfreunde und die grenzenlose Identifikation der Fans für ihre Stars, die Zahl der Aufführungen, die Auslastungsquote, und die allgemeine Begeisterung für die Oper dann darf Wien den Titel Opern-Hauptstadt verdient für sich in Anspruch nehmen.

    Ja, Operus, da triffst Du einen wichtigen Punkt. Weder in Berlin oder Hamburg und schon gar nicht in Düsseldorf, Essen oder Hannover ist Oper eine Angelegenheit, die die ganze Stadt - womöglich noch ihr Umland - interessieren würde.
    Das ist in Wien definitiv der Fall.
    Und auch in München gibt es ein weit verbreitetes Interesse für die Bayerische Staatsoper (allerdings kaum für das Staatstheater am Gärtnerplatz). Das führt dort nicht selten zu einer unkritschen Überidentifikation. So werden denn höchst mediokre Leistungen nicht selten geradezu hysterisch bejubelt.
    In Berlin gibt es natürlich eine Opern-Gemeinde. Genauer gesagt: es gibt drei Operngemeinden (Das ist noch mal ein anderes Thema). Aber die Berliner Presse entwickelt so gar keinen Ehrgeiz, die Berliner Opern besonders herauszustreichen. Und die breitere Öffentlichkeit nimmt nur sehr am Rande wahr, was in den Opernhäusern geplant und geleistet wird. Hätte man in Berlin so ein "Mir san mir"-Attitüde wie in München, wäre die allgemeine Einschätzung der Leistungen der drei großen Berliner Opernhäuser (worum werden die beiden kleinen meistens gar nicht mehr erwähnt?) sicher viel positiver.

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  • Was die jeweilige Opernhauptstadt ist, das hat mich dieser thread gelehrt, hängt einfach davon ab, in welchem Sinne dieser Titel verstanden wird. Wenn man den Titel von der Bedeutung in der Gesellschaft und von der Akzeptanz her versteht, ist es sicher Wien. Ich habe 1964-1965 ein Semester in Wien studiert (na ja, ich war vor allem in der Staatsoper und im Josefstädter Theater) und konnte mich davon überzeugen. Dabei war die Qualität des Orchesters und der Sänger, besonders aber der Inszenierungen nicht immer über jeden Tadel erhaben. Außerdem gab es öfter Claqueure, eine Einrichtung, die wir in Deutschland zum Glück nicht kennen.


    Wenn man als Kriterium hat "Klotzen, nicht kleckern" und "mir san mir", muss es München sein oder Berlin (wie drücken die Berliner eigentlich dieses "mir san mir" aus? Dass es dort stark vertreten ist, ist sonnenklar).


    Aber wenn ich ganz egoistisch als Merkmal wähle, wo ich die meisten Opern in guter Qualität zu bezahlbaren Preisen sehen kann, und dies, ohne stundenlang herumzufahren, führt am Standort Ruhrgebiet mit Abstechern ins Rheinland und nach Westfalen einfach kein Weg vorbei. 14 Opernhäuser (dank Caruso ist Bielefeld dazugekommen, wir sind ja nicht egoistisch hier), liebe Berliner, Wiener, Münchner und Hamburger, könnt ihr nicht toppen. Was ich hier in einem Jahr sehen kann, dafür braucht ihr jeweils mindestens 5!


    Zudem hat ja das Ruhrgebiet als Kulturhauptstadt 2010 gezeigt, was eine Harke ist, wir haben hier ja nicht nur die Opern, sondern auch tolle Museen und Theater ohne Ende.

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  • Aus aktuellem Anlass greife ich diesen thread wieder auf. Gestern, Samstag, den 12. März, um 16 Uhr, bekam ich Lust, abends in die Oper zu gehen. Nehmen wir jetzt mal die sattsam angeblichen Opernhauptstadtopernhäuser: in Berlin wäre es Rossini gewesen (Barbier und "Il turco in Italia", in der Komischen Oper gab es keine Aufführung): wie teuer? Hätte es noch Karten gegeben?München: Gärtnerplatz "Carmen", ausverkauft, nur Stehplätze, Bayerische Staatsoper: hier gab es keine Angaben, da der Spielplan jeden Tag aktualisisiert wird; aber die Liste der dort im Repertoire befindlichen Opern ist lang und beeindruckend, ohne Frage. Aber auch hier: Karten? Wie teuer? Hamburg: Cavalleria und Bajazzo. Wien: La Bohème in der Zeffirelli-Inszenierung, die ich schon 1963 gesehen habe, in der Staatsoper und die Czardasfürstin in der Volksoper. Fazit: Lust hätte ich nur auf "Il Turco" gehabt.


    Jetzt die Auswahl von meiner Heimatstadt Mülheim an der Ruhr aus (Radius: eine Stunde Bahn oder Auto). Duisburg: Lucia di Lammermoor; Münster: Dialogue des Carmélites; Essen: Aida; Mönchengladbach: Zar und Zimmermann; Bonn: Tamerlano (Händel); Dortmund: Rusalka; Hagen: Maskenball.


    Entschieden habe ich mich für Dortmund, eine musikalisch gute Aufführung mit verunglücktem Bühnenbild, lachhaften Kostümen und einer nicht vorhandenen Regie. Aber dennoch eine lohnende Sache.

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  • Quantitativ gesprochen ist eher Paris bestimmt die Hauptstadt der Oper. Da gibt es das Paar Bastille/Palais Garnier, die Opéra Comique, das Théâtre des Champs-Elysées und teilweise auch das Théâtre du Châtelet. Das Programm in Paris ist vielfältiger und auch die Konzentration an "Stars" (leider meistens aufgeblasene Namen ohne viel Gehalt) ist größer als anderswo. Es werden oft deutschsprachige oder italienische Opern geboten, die man im italienischen oder deutschsprachigen Raum selber nur allzu selten zu hören bekommt (z.B. Francesca da Rimini von Zandonai in dieser Saison). Außer der schon bekannten und stets gleichen Stars der Opernagenturen tauchen hier und da auch echt interessante Sänger auf, wie z.B. die hervorragende Krassimira Stoyanova in der Luisa Miller oder eine junge Jane Archibald in der Ariadne und dem Giulio Cesare (nur einige Beispiele zu nennen). Es gbt Alles - Barock, Wagner, italienische Oper, Oratorien, Liederabende. Und das Alles auf dem "hohen" Niveau, das mit den heutigen Standards geliefert werden kann.
    In Berlin entspricht einem stabilen internationalen Niveau eigentlich nur noch die Deutsche Oper. In der Staatsoper habe ich selber einen insgesamt wunderbaren Tristan mit Seiffert, Meier, Pape und Barenboim gesehen, sonst ist aber die Qualität dort ziemlich abfällig. Barenboim selber dirgiert ja auch nur noch den Tristan anständig, sonst ist es entweder zum Einschlafen oder zum Empören. Das "stabile" Ensemble der Staatsoper finde ich von äußerst niedrigem Interesse. Die Deutsche Oper hingegen ist vielfältiger sowohl in der Auswahl des Repertoires als auch der Besetzungen. Die Komische Oper wiederum ist bestimmt nicht ein Opernhaus, das Berlin zur Hauptstadt der Oper macht. Zwischen den auf Deutsch gesungenen Opern und skandalösem Regietheater bleibt, m.E. nicht viel Wertvolles übrig.
    Also, rein quantitativ und auch ein bisschen qualitativ gesprochen, finde ich, dass Paris insgesamt ein interessanterer Ort für die Oper, ja eine richtige Opernmetropole ist. Mailand und Oper in Italien im Allgemeinen ist nun heutzutage auch wegen der schrecklichen finanziellen Krise im italienischen Kulturwesen in einem Verfallszustand. Barcelona, London, Wien, die schweizer Opernhäuser oder auch ein so interessantes Opernhaus wie das von Budapest können meiner Meinung nach wenigstens in quantitativer Hinsicht nicht dem Status einer Opernhauptstadt in absoluto entsprechen. Die amerikanischen Opernhäuser verlangen noch etwas anders besprochen zu werden. Ich persönlich habe immer viel mehr Sympathie für Chicago oder San Francisco gehabt, als für den Met, der durch seinen Mega-Ultra-Super-Metro-Charakter schon zu einer eigenen Art Provinz degradiert. Der Met ist heute auch bestimmt der Ort, an dem, viel mehr als an anderen großen Opernhäusern, man nichts (aber wirklich nichts) mehr als reine Agenturen- und Marketing-Produktion hört. Man lässt die selben "Stars" so lange singen, bis sie auf der Szene vor Stimmlosigkeit nicht zusammenbrechen. Siehe die mitleidserregende, erstickende Armida der Fleming, die schreckliche Fanciulla del West mit der nun mehr ganz zerfallenen Voigt und dem Marcello Giordani, eine Elektra mit Susan Bullock, die Irene Theorin bedauern lässt usw. usf.

    Ecouter, c'est écouter la différence.

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  • Es gibt zur Zeit keine "Hauptstädte" für Opern, falls es diese je gegeben hat.


    Die Mozartwiedergaben die in letzter Zeit aus Wien übertragen wurden, boten orchestral bloßes, um nicht zu sagen ärmliches Mittelmaß.
    Mittelmaß orchestral waren auch: z.B. die letzte Pelleas + Melisande aus NYC, der Hamburger + Bayreuther Ring, der Münchner Fidelio... etc.. etc..


    Kleinere Bühnen stemmen musikaliisch hoch bedeutende Wiedergaben, die den vorgeblichen "Rang" von bekannnten Opernhäuser mühelos erreichen + zum Teil übersteigen vermögen:
    z.B. Chemnitz: Pfitzners Rose vom Liebesgarten, Hannover: Luigi Nonos Intolleranza + Al gran sole und Bergs Wozzeck, Kassel: Ring des Nibelungen unter Paternostro, Bochum: Schönbergs Moses + Aron unter Boder (musikalisch sehr viel gelungener als München unter Mehta und Wien unter Gatti) und B.A. Zimmermanns Soldaten unter Slone ..etc...etc..etc....

    Zitat

    Barenboim selber dirgiert ja auch nur noch den Tristan anständig, sonst ist es entweder zum Einschlafen oder zum Empören.

    nicht alle Werke unter Barenboim gelingen. Dennoch sei diese Aussage noch aufgefächert:
    In den letzten Jahren wurden durch die Berliner Staatskapelle und dem Divan-Orchester unter Barenboim Werke von Pierre Boulez, Schönberg und Elliott Carter in höchster Qualität (auch als Gastspiele in London und NYC) gespielt. Die Schönbergschen Orchestervariationen sind durchaus anders, aber kaum besser spielbar (z.B. momentan leider nicht durch die Berliner oder Wiener Philharmoniker).
    Der konzertente 1. Akt der Walküre aus Ravello mit den Divan unter Barenboim vom 11.08.08 braucht keinen Vergleich mit anderen Wiedergaben zu scheuen... es sei auch an die großartige Aufführung von Busonis Dr. Faust vom 02.12.06 erinnert...
    Ich denke, Barenboim werden auch in Zukunft musikalisch großartige Aufführungen gelingen.
    :hello:

  • Ich möchte Amfortas in seinen beiden wichtigsten Punkten zustimmen: einmal in seinem Lob der Provinzbühnen mit oft herausragenden Produktionen. Hier möchte ich seine Liste wie folgt ergänzen: "Gloriana" von Britten in Gelsenkirchen und "Katja Kabanowa" in Münster. Sicher hat er auch Recht, dass es vielleicht doch müßig ist, die Hauptstadt der Oper zu suchen; zu unterschiedlich sind die Kriterien. Genießen wir also das, was wir bekommen können, und in meiner Provinz ist das sehr viel.


    Was ich immer ein bisschen vermisse in der Diskussion, sind die Fragen der Nebenkosten und der psychischen Kosten. Außer mir schreibt hier kaum einer was über die Fragen, was das denn alles kostet in New York, Paris, in Wien, in München, in Hamburg, was man an Hotelkosten bezahlen muss, wie mühsam die Anreise ist, ob man überhaupt Karten bekommt. Für das Ruhrgebiet und das Rheinland gilt, dass man vor allem für die moderneren Opern immer Karten, sogar noch an der Abendkasse, bekommt, und dass es immer auch ganz billige gibt. Und zu den meisten Häusern reise ich preiswert mit der Bahn an und komme sogar hinterher noch zurück.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Dass mittlerweilen die Provinz oft Vorstellungen höherer Qualität und insgesamt interessantere Stimmen bietet, als die großen und bekannten Opernhäuser, gilt nicht nur für Deutschland, sondern im Großen und Ganzen auch für Länder wie Frankreich, Spanien oder Italien. Eine wunderbare Belcanto-Spezialistin wie Jessica Pratt z.B. hört man nicht in Paris oder in Mailand, sondern in Toulon oder den kleinen Städten der Lombardei wie Pavia, Brescia und Como. Genauso ist es mit Bilbao oder Oviedo, wo anstatt teurer Marketing-Subjekte, Sänger hingehen, die tatsächlich auch singen können und die das Publikum einzig und allein deswegen schätzt und applaudiert. Die europäische Provinz hat den absoluten Vorrang auf jeden Fall hinsichtlich des Belcanto-Fachs. Aber auch eine Stimme wie der völlig unbekannten Claudia Mahnke hört man nicht in Berlin oder anderen Hauptstädten, sondern in Frankfurt und Köln. Ich durfte sie als Octavian in Köln erleben und blieb erstaunt. So eine gesunde, abgerundete, homogene, fließende Stimme mit so viel Eleganz und Phantasie... und niemand kennt sie. So ist eben die heutige Opernindustrie. Die Stimme ist nicht mal zweitrangig. Sie ist fünftrangig.

    Ecouter, c'est écouter la différence.

  • Lieber Luca,


    willkommen im Club. Ich bin sehr angetan von deinen Beiträgen, wobei du dich ja auch in den großen Metropolen auszukennen scheinst, was mir ganz abgeht. Das liegt aber auch daran, dass ich mit meiner Provinz derart zufrieden bin, dass ich weite und teure Reisen mit teuren Karten auch gar nicht machen muss (allerdings auch nicht kann). Ich möchte dich sehr bitten, von deinen Efahrungen hier regelmäßig zu berichten. Dafür bietet sich der thread "Gestern in der Oper" an. Dort schreibe ich auch regelmäßig über die Aufführungen unserer Provinz. Zudem werde ich deinem Beispiel folgen und nicht mehr nur relativ pauschal über die Opern berichten, sondern auch deutlich die Namen der dort agierenden Könner nennen. Bei meiner letzten Besprechung von "Viva la mamma" in Krefeld habe ich das auch schon getan.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • und es sei noch auf eine ganz hervorragende Wiedergaben von Debussy Pelleas + Melisande hingewiesen, die von kleineren unbekannteren Bühnen erfolgten z.B.


    am 17.04.02 in Ferrara unter Marc Minkowski
    und 2010 in Duisburg unter Mühlbach (in Hannover beeindruckte sein Dirigat der Mozartschen Nozze)


    beide Pelleas-Auffführungen erreichten die gleiche "Qualität" wie z.B. die Pelleas unter Haitink von 2007 aus Paris (wird von Arte TV öfters wiederholt gesendet) oder die aus NYC von 1978, 05.02.05, 08.04.95 unter James Levine (der für dieses Meisterwerk von Debussy ein ganz besonders gutes "Händchen" besitzt) => will damit ergänzend noch sagen: auch "große " Bühnen stemmen Wiedergaben höchsten Ranges...
    :hello:

  • Lieber Luca,


    willkommen im Club. Ich bin sehr angetan von deinen Beiträgen, wobei du dich ja auch in den großen Metropolen auszukennen scheinst, was mir ganz abgeht. Das liegt aber auch daran, dass ich mit meiner Provinz derart zufrieden bin, dass ich weite und teure Reisen mit teuren Karten auch gar nicht machen muss (allerdings auch nicht kann). Ich möchte dich sehr bitten, von deinen Efahrungen hier regelmäßig zu berichten. Dafür bietet sich der thread "Gestern in der Oper" an. Dort schreibe ich auch regelmäßig über die Aufführungen unserer Provinz. Zudem werde ich deinem Beispiel folgen und nicht mehr nur relativ pauschal über die Opern berichten, sondern auch deutlich die Namen der dort agierenden Könner nennen. Bei meiner letzten Besprechung von "Viva la mamma" in Krefeld habe ich das auch schon getan.


    Danke, Dr. Pingel. Es ist eine Freude für mich, im Forum mitmachen zu können. Ich diskutiere über nichts so gerne, wie über Musik und besonders Oper. :)
    Ich reise tatsächlich viel herum, teure Opernkarten erspare ich mir aber. In erster Linie aus Prinzip: ein Meloman, der dazu auch noch Vocioman ist, sitzt nie im Parkett sondern immer in der Galerie, im notorischen loggione. ;) Ich halte es nicht aus, nahe an der Szene zu sitzen. Da sind auch die Sänger zu nahe und Alle klingen indifferent hervorragend. Ich bevorzuge, mich ganz hinten zu verstecken. Die Stimme muss mich dort aufsuchen. Das tun leider heutzutage so wenige Stimmen... Außerdem hat man dort hinten oder dort oben auch mehr Freiheit, seine eigene Stimme hören zu lassen, wenn nötig. ;)

    Ecouter, c'est écouter la différence.

  • Berlin kann nicht nur keinen Flughafen bauen.


    Der Termin für die Wiedereröffnung der sanierten Berliner Staatsoper Unter den Linden steht immer noch nicht fest.
    Berlins Regierender Bürgermeister und "Kultursenator" Klaus Wowereit erklärte, der Zeitpunkt könne erst im Frühjahr 2014 genannt werden.
    Eine Rückkehr der Staatsoper aus ihrem Übergangsquartier im Schiller Theater in die Berliner Mitte war immer wieder verschoben worden.
    Auch der zuletzt angestrebte Zeitpunkt im Oktober 2013 wurde nicht eingehalten.
    Die Staatsoper spielt zur Zeit im Schiller Theater.
    Ihr Stammhaus wird für lächerlich knappe 300 Millionen Euro von Grund auf saniert.

    (Quelle: WDR)


    :baeh01:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Berlin kann nicht nur keinen Flughafen bauen.


    Macht nix. Wien kann seit mehreren Jahren das große Schwimmbecken des renovierten Stadthallenbades (der größten Schwimmhalle Österreichs) nicht abdichten. Das Datum der Wiedereröffnung (bereits seit drei Jahren überfällig) steht noch in den Sternen.