… und am Ende hatten sich alle wieder ganz lieb und die Verwirrung der Gefühle war wieder vergessen.
So endet die Staatsoperninszenierung von Roberto de Simone in den
wunderbaren Bühnenbildern und Kostümen von Mauro Carosi und Odette
Nicoletti. Es ist wahrlich ein Genuss für’s Auge, der da geboten wird
und ich wage zu bezweifeln, dass die nächstjährige Neuinszenierung so
eine Opulenz aufweisen wird. Allerdings steckt doch in der
wahrscheinlich psychologisch tiefgründigsten Oper des Teams Mozart / Da
Ponte doch viel mehr, als rein im Libretto zu lesen ist. Im Vergleich
zu zwei anderen Cosi-Produktionen, die man in den letzten Jahren in
Österreich sah (Chéreau und Guth) wird hier auf der Bühne
ausschließlich der Text umgesetzt, allerdings nicht die den Text zu
Grunde liegende Musik (und dass der Klang der Musik in dieser Oper oft
dem Libretto widerspricht weiß man ja). Somit ist es eine wunderschön
anzuschauende, aber doch sehr oberflächliche Produktion.
Direktor Meyer sprach viel von Mozart-Pflege und dem Ziel, ein neues
Mozart-Ensemble aufzubauen. Nun, da ist ihm insofern zu gratulieren,
dass er bereits ein Mitglied davon gefunden zu haben scheint –
Ildebrando D’Arcangelo bringt alles mit, was man sich von einem
Mozartsänger wünscht. Eine Geschmeidigkeit der Stimme, Schmelz, wenn er
verlangt wird, aber auch Kraft und Pianokultur. In seinem Fach dürfte
er aktuell zur absoluten Weltspitze gehören. Dass er gut aussieht und
auch schauspielern kann zählt ebenfalls zu den Pluspunkten. Insofern
war er ein perfekter Gugliemo, doch leider stand er mit seiner Leistung
allein auf weiter Flur – es war so, als wenn man einen Lionel Messi in
einer Regionalligaauswahl gesteckt hätte, so groß war der
Leistungsunterschied zu seinen Mitstreitern.
Diese Wiederaufnahme, die sogar einer Generalprobe in Form einer
geschlossenen Aufführung erfuhr, wurde mit Preisen der Kategorie A
verkauft. Außer D’Arcangelo gab es aber leider niemanden, der diese
Preise gerechtfertigt hätte. Topi Lehtipuu ist bekannt durch die
Verkörperung des Ferrando in der Guth-Inszenierung der Salzburger
Festspiele. Möge seine Stimme im „Haus für Mozart“ oder im „Theater an
der Wien“ genügen, für die Staatsoper ist sie viel zu klein und dadurch
war der Finne gezwungen, fast dauernd zu forcieren. In Ensembleszenen
konnte man zum Großteil nur ahnen, dass er mitsang, da er schlicht und
ergreifend mit D’Arcangelo nicht mithalten konnte. Als Schauspieler ist
er ähnlich blutleer wie dereinst Ian Bostridge (dessen Stimme der von
Lehtipuu aber weitaus überlegen ist) – also insgesamt kann man von
einer Enttäuschung sprechen.
Dritter im Bunde war als Don Alfonso Alexandro Corbelli, der weniger
sang als sprach. Vielleicht litt er unter der unsäglichen Perücke, die
er tragen musste (das ist das einzige Requisit der Produktion, das
wahrlich scheußlich ist). Im Ernst – nachdem man sowieso sehr viele
Ensemblemitglieder eingesetzt hat bleibt zu fragen, warum man nicht
Alfred Sramek diese Rolle anvertraut hat, der witziger agieren kann und
auch gesanglich besser ist.
Ist es ungehörig, wenn man als regelmäßiger Besucher der Staatsoper
den Anspruch stellt, dass man ein Top-Schwesternpaar sehen und hören
möchte? Auf jeden Fall sind da die Erwartungshaltungen sehr hoch –
alleine in den letzten 5 Jahren waren viele hervorragende Kombinationen
zu sehen. Nun also zwei Mitglieder des Ensembles (was überhaupt keine
Kritik sein soll), die meiner Meinung noch nicht das Format haben, an
diesem Haus in diesen Rollen zu agieren.
Neuzugang Stephanie Houtzeel enttäuschte als Dorabella leider auf
ganzer Linie. Sie bewegte sich sehr hölzern (was ihre große und sehr
schlanke Gestalt noch unterstreicht) und sie hat so nichts Sinnliches
in ihrer Stimme, die sehr hell und etwas eindimensional klingt. Man
muss leider sagen, dass sich die Eindrücke , die man aus den
durchwachsenen Kritiken für ihre Leistungen als Octavian im Dezember
entnehmen konnte, leider bestätigt haben. Oder sind die Fußstapfen, die
ihre Vorgängerinnen als Mezzosoprane im Ensemble hinterlassen haben
(Kirchschlager, Garanca, Kulman), doch um etliche Schuhnummern zu groß?
In den Duetten mit Wenborne wusste man oft nicht, wer da der Mezzo und
wer der Sopran ist.
Caroline Wenborne, seit einigen Jahren ein verlässliches Mitglied
des Ensembles, das bis auf die Ausnahme als Gutrune eher in der zweiten
Reihe stand, erhielt nun schon zum zweiten Mal innerhalb eines Monats
die Chance, in einer großen Mozart-Rolle einzuspringen und sie zog sich
mit Anstand aus der Affäre, ohne wirklich zu glänzen. Die Felsenarie
gelang ohne Unfall, doch die oft so hohen Sprünge aus dem hohen
Register zu den tiefen Tönen zeigten ihre aktuellen Grenzen auf. Aber
es war eine Leistung, auf die man aufbauen kann.
Die Rolle der Despina ist eine dankbare und man kann daraus viel
machen, wenn frau dazu in der Lage ist. Anita Hartig gelang es nicht
ganz, das Potential dieser Buffo-Partie auszuschöpfen und hatte noch
dazu ein paar Schwierigkeiten bei ihrer zweiten Arie. Leider auch hier
eine verschenkte Chance.
Überraschenderweise ging das einzige „Buh“ an diesem Abend nicht an
das singende Personal, sondern galt dem Dirigenten Jérémie Rohrer. Was
hatte er denn angestellt, außer dass er besonders im ersten Akt ein
bisschen „gezogen“ hat? Das Dirigat hatte auch keine Ecken und Kanten –
aber da spielen wahrscheinlich die Hörgewohnheiten des Rezensenten eine
Rolle, der Interpretationen im Stile von Harnoncourt und mit
HIP-Ensembles bevorzugt.
Fazit – eine Aufführung mit einem Lichtblick, die Enttäuschung über
das Gehörte überwog. Es wird noch ein steiniger und langer Weg werden,
bis man in Wien wieder bei Mozart-Aufführungen das Niveau erreicht hat,
das man bei Wagneropern gewohnt ist.