Cosi Fan Tutte - STOP 22.1.2011

  • … und am Ende hatten sich alle wieder ganz lieb und die Verwirrung der Gefühle war wieder vergessen.


    So endet die Staatsoperninszenierung von Roberto de Simone in den
    wunderbaren Bühnenbildern und Kostümen von Mauro Carosi und Odette
    Nicoletti. Es ist wahrlich ein Genuss für’s Auge, der da geboten wird
    und ich wage zu bezweifeln, dass die nächstjährige Neuinszenierung so
    eine Opulenz aufweisen wird. Allerdings steckt doch in der
    wahrscheinlich psychologisch tiefgründigsten Oper des Teams Mozart / Da
    Ponte doch viel mehr, als rein im Libretto zu lesen ist. Im Vergleich
    zu zwei anderen Cosi-Produktionen, die man in den letzten Jahren in
    Österreich sah (Chéreau und Guth) wird hier auf der Bühne
    ausschließlich der Text umgesetzt, allerdings nicht die den Text zu
    Grunde liegende Musik (und dass der Klang der Musik in dieser Oper oft
    dem Libretto widerspricht weiß man ja). Somit ist es eine wunderschön
    anzuschauende, aber doch sehr oberflächliche Produktion.


    Direktor Meyer sprach viel von Mozart-Pflege und dem Ziel, ein neues
    Mozart-Ensemble aufzubauen. Nun, da ist ihm insofern zu gratulieren,
    dass er bereits ein Mitglied davon gefunden zu haben scheint –
    Ildebrando D’Arcangelo bringt alles mit, was man sich von einem
    Mozartsänger wünscht. Eine Geschmeidigkeit der Stimme, Schmelz, wenn er
    verlangt wird, aber auch Kraft und Pianokultur. In seinem Fach dürfte
    er aktuell zur absoluten Weltspitze gehören. Dass er gut aussieht und
    auch schauspielern kann zählt ebenfalls zu den Pluspunkten. Insofern
    war er ein perfekter Gugliemo, doch leider stand er mit seiner Leistung
    allein auf weiter Flur – es war so, als wenn man einen Lionel Messi in
    einer Regionalligaauswahl gesteckt hätte, so groß war der
    Leistungsunterschied zu seinen Mitstreitern.


    Diese Wiederaufnahme, die sogar einer Generalprobe in Form einer
    geschlossenen Aufführung erfuhr, wurde mit Preisen der Kategorie A
    verkauft. Außer D’Arcangelo gab es aber leider niemanden, der diese
    Preise gerechtfertigt hätte. Topi Lehtipuu ist bekannt durch die
    Verkörperung des Ferrando in der Guth-Inszenierung der Salzburger
    Festspiele. Möge seine Stimme im „Haus für Mozart“ oder im „Theater an
    der Wien“ genügen, für die Staatsoper ist sie viel zu klein und dadurch
    war der Finne gezwungen, fast dauernd zu forcieren. In Ensembleszenen
    konnte man zum Großteil nur ahnen, dass er mitsang, da er schlicht und
    ergreifend mit D’Arcangelo nicht mithalten konnte. Als Schauspieler ist
    er ähnlich blutleer wie dereinst Ian Bostridge (dessen Stimme der von
    Lehtipuu aber weitaus überlegen ist) – also insgesamt kann man von
    einer Enttäuschung sprechen.


    Dritter im Bunde war als Don Alfonso Alexandro Corbelli, der weniger
    sang als sprach. Vielleicht litt er unter der unsäglichen Perücke, die
    er tragen musste (das ist das einzige Requisit der Produktion, das
    wahrlich scheußlich ist). Im Ernst – nachdem man sowieso sehr viele
    Ensemblemitglieder eingesetzt hat bleibt zu fragen, warum man nicht
    Alfred Sramek diese Rolle anvertraut hat, der witziger agieren kann und
    auch gesanglich besser ist.


    Ist es ungehörig, wenn man als regelmäßiger Besucher der Staatsoper
    den Anspruch stellt, dass man ein Top-Schwesternpaar sehen und hören
    möchte? Auf jeden Fall sind da die Erwartungshaltungen sehr hoch –
    alleine in den letzten 5 Jahren waren viele hervorragende Kombinationen
    zu sehen. Nun also zwei Mitglieder des Ensembles (was überhaupt keine
    Kritik sein soll), die meiner Meinung noch nicht das Format haben, an
    diesem Haus in diesen Rollen zu agieren.


    Neuzugang Stephanie Houtzeel enttäuschte als Dorabella leider auf
    ganzer Linie. Sie bewegte sich sehr hölzern (was ihre große und sehr
    schlanke Gestalt noch unterstreicht) und sie hat so nichts Sinnliches
    in ihrer Stimme, die sehr hell und etwas eindimensional klingt. Man
    muss leider sagen, dass sich die Eindrücke , die man aus den
    durchwachsenen Kritiken für ihre Leistungen als Octavian im Dezember
    entnehmen konnte, leider bestätigt haben. Oder sind die Fußstapfen, die
    ihre Vorgängerinnen als Mezzosoprane im Ensemble hinterlassen haben
    (Kirchschlager, Garanca, Kulman), doch um etliche Schuhnummern zu groß?
    In den Duetten mit Wenborne wusste man oft nicht, wer da der Mezzo und
    wer der Sopran ist.


    Caroline Wenborne, seit einigen Jahren ein verlässliches Mitglied
    des Ensembles, das bis auf die Ausnahme als Gutrune eher in der zweiten
    Reihe stand, erhielt nun schon zum zweiten Mal innerhalb eines Monats
    die Chance, in einer großen Mozart-Rolle einzuspringen und sie zog sich
    mit Anstand aus der Affäre, ohne wirklich zu glänzen. Die Felsenarie
    gelang ohne Unfall, doch die oft so hohen Sprünge aus dem hohen
    Register zu den tiefen Tönen zeigten ihre aktuellen Grenzen auf. Aber
    es war eine Leistung, auf die man aufbauen kann.


    Die Rolle der Despina ist eine dankbare und man kann daraus viel
    machen, wenn frau dazu in der Lage ist. Anita Hartig gelang es nicht
    ganz, das Potential dieser Buffo-Partie auszuschöpfen und hatte noch
    dazu ein paar Schwierigkeiten bei ihrer zweiten Arie. Leider auch hier
    eine verschenkte Chance.


    Überraschenderweise ging das einzige „Buh“ an diesem Abend nicht an
    das singende Personal, sondern galt dem Dirigenten Jérémie Rohrer. Was
    hatte er denn angestellt, außer dass er besonders im ersten Akt ein
    bisschen „gezogen“ hat? Das Dirigat hatte auch keine Ecken und Kanten –
    aber da spielen wahrscheinlich die Hörgewohnheiten des Rezensenten eine
    Rolle, der Interpretationen im Stile von Harnoncourt und mit
    HIP-Ensembles bevorzugt.


    Fazit – eine Aufführung mit einem Lichtblick, die Enttäuschung über
    das Gehörte überwog. Es wird noch ein steiniger und langer Weg werden,
    bis man in Wien wieder bei Mozart-Aufführungen das Niveau erreicht hat,
    das man bei Wagneropern gewohnt ist.

    Hear Me Roar!

  • Danke wieder einmal für den Bericht aus Wien. Ich muss ja sagen, dass ich mir D'Arcangelo besser als Alfonso vorstellen kann als Guglielmo, habe ihn auch einmal in der Rolle im radio gehört, und war nicht so begeistert. Corbelli kann ich mir als Alfonso gar nicht so schlecht vorstellen wie du ihn beurteilt hast, ich mag diesen Bass Buffo sehr gerne und seine vis comica hat mich immer wieder zu lachen gebracht (z.B. Don Magnifico). Allerdings hat auch er schon ein paar Jahre auf dem Buckel und vielleicht ist er der Rolle mittlerweile stimmlich entwachsen.

  • Oder sind die Fußstapfen, die
    ihre Vorgängerinnen als Mezzosoprane im Ensemble hinterlassen haben (Kirchschlager, Garanca, Kulman), doch um etliche Schuhnummern zu groß?


    Na ja, sind ja immerhin drei Weltklasse-Mezzos, die du da zitierst...


    Etwas überrascht mich aber die Beschreibung der Stimme von Stephanie Houtzeel. Ihr Klang ist nicht weniger Mezzo als jener von Angelika Kirchschlager (eher dunkler). Entweder hat sie es noch nicht geschafft, sich auf die Akustik der WSO-Bühne einzustellen, oder dein Eindruck wurde durch eine eher dunkle Sopranisten bestärkt.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • @ Wotan - ich habe D'Arcangelo im Jänner 2007 an der STOP schon als Don Alfonso gehört und war auch überrascht, dass er wieder zum Gugliemo mutierte (die Paare wurden da übrigens von Garanca, Merbeth, Eröd und Pirgu gesungen....). Er kann aber in beiden Rollen reüssieren.


    @ Theophilus - ja, das sind drei Weltklasse-Mezzos (und von denen mag ich eigentlich die Stimme von Angelika Kirchschlager am wenigsten, die ist mir auch schon fast zu hell ), aber - und das ist vielleicht mein ganz persönliches Problem - ich will einfach bei Mozart die besten Sänger hören, das hat sich seine himmlische Musik einfach verdient...
    Houtzeel wurde zwar im zweiten Akt etwas besser, aber auch bei nochmaligem Nachdenken stehe ich zu meiner Meinung, dass die Sängerin an der STOP den von ihr verkörperten Rollen noch nicht gewachsen ist. Und von den aktuellen Ensemblemitgliedern mag ich die Stimmen von Nadia Krasteva und Zoryana Kushpler auch mehr - beide sehr dunkel timbriert mit dem Schuss Erotik, den ich bei Mezzos so liebe...

    Hear Me Roar!