TRISTAN UND ISOLDE
Handlung in drei Aufzügen von Richard Wagner. In deutscher Sprache.
Gesamtdauer 5 Stunden
Premiere am 17.05.1995
Musikalische Leitung: Asher Fisch
Inszenierung und Bühnenbild: Marco Arturo Marelli
Kostüme: Dagmar Niefind-Marelli
Chor: Christof Bauer
Besetzung am 30.01.2011
Tristan: Stephen Gould
Isolde: Katarina Dalayman
König Marke: Liang Li
Kurwenal: Matthias Henneberg
Brangäne: Christa Mayer
Melot: Christoph Pohl
Ein Hirt: Simeon Esper
Ein Steuermann: Ilhun Jung
Ein junger Seemann: Simeon Esper
Herren des Staatsopernchores
Sächsische Staatskapelle Dresden
Koproduktion mit der Opéra de Montpellier
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Ich möchte voranstellen, daß ich eine professionelle Opernkritik aufgrund meiner eher laienhaften Kenntnisse nur unter Vorbehalt verfassen kann, von daher werde ich einen eher groben Gesamteindruck schildern, ohne allzu sehr auf Feinheiten und Details einzugehen. Bitte um Verständnis.
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Zunächst muß ich betonen, daß ich in vielen Wagner-Opern bereits live gewesen bin, der "Tristan" aber meine erste Hautnah-Erfahrung ist. Bisher kannte ich insofern lediglich Studioaufnahmen und Mitschnitte, so etwa Furtwängler 1952 Studio, Böhm 1966 live, Karajan 1971 Studio, Goodall 1980 Studio, Barenboim 2006 live. Nichtsdestotrotz wage ich mich nun dennoch an eine kurze Zusammenfassung des heutigen Abends in der Semperoper:
Um es kurz zu machen: Der Gesamteindruck war ein fabelhafter, und das schien auch der Rest des Publikums so zu sehen. Es gab keinen einzigen Buhruf oder auch nur etwas laueren Applaus. Aufgrund des ziemlich hohen Altersdurchschnitt gehe ich zudem davon aus, daß sich etliche Kenner und "Wagner-Veteranen" im Publikum befanden (was freilich nicht meinen persönlichen Eindruck beeinflussen soll).
Stephen Gould, der hier in Dresden sein Europa-Debüt als Tristan gab, konnte beeindruckend unter Beweis stellen, daß es auch heute noch Sänger gibt, welche dieser fordernden Partei gewachsen sind. Ich will hier gar keine Vergleiche mit den größten Tristans der Geschichte anstellen, doch meine ich sagen zu können, daß Gould sehr gut bis überragend gewesen ist. Ob er jetzt Lorenz'sches oder Suthaus'sches Format hatte, stelle ich dahin. Vermutlich waren die noch ein wenig besser, etwa im Liebesduett im 2. Akt. Dennoch: Hut ab vor diesem Mann, der es schaffte, sich noch im 3. Akt abermals zu steigern und durchhielt (was ja an sich schon eine Leistung darstellt). Das Publikum goutierte dies mit Standing-Ovations und unzähligen Bravi.
Kaum weniger beeindruckend war seine Partnerin als Isolde, Katarina Dalayman. Freilich, die Stahlkraft einer Nilsson hatte sie nicht, und auch die Varnay und Meier würde ich noch höher ansiedeln. Aber mit Sängerinnen wie Dernesch, die eine sehr gute Leistung unter Karajan ablieferte, konnte sie es m. E. durchaus aufnehmen. Das Ganze war ja zudem live. Die Textverständlichkeit ließ zwar zuweilen zu wünschen übrig, doch bot sie auch noch den ekstatischen Liebestod in einer überaus respektablen Form dar. Sehr lasziv hier ihr schön betontes "höchste Lust!" zuletzt. Dafür gab es zurecht Bravo-Rufe.
Sehr textverständlich kam Liang Li, ein Name, den ich bis dato nie gehört habe, als Marke daher. Ob nun Frick, Greindl oder Moll besser waren, weiß ich nicht. Vermutlich. Aber dennoch war dies ein starker Auftritt eines mir unbekannten Sängers. Die Brangäne, Christa Mayer, wußte ebenfalls zu überzeugen, so auch der Kurwenal, Matthias Henneberg. Auch für sie starker Beifall und Bravo-Rufe am Ende.
Auch die Nebenrollen waren im wahrsten Sinne des Wortes rollendeckend besetzt.
Besonders erwähnenswert dann natürlich die Leistung der Staatskapelle Dresden unter Asher Fisch, einem hier sehr bekannten Dirigenten. Heute zeigte sich die "Wunderharfe" (Richard Wagner) mal wieder auf höchstem Niveau, was nicht alle Tage so ist, wie ich aus eigener Erfahrung zu berichten weiß. Dafür gab's auch hier viel Applaus und Bravi.
Ein Wort noch zur Inszenierung, die ich bewußt erst jetzt erwähne, ganz gegen den heutigen Trend, welcher diese immer (zu sehr) in den Vordergrund stellt: Marco Arturo Marellis Inszenierung von 1995 weiß durch klassische, ein wenig ans Frühmittelalter angelehnte Kostüme und ein ansprechendes, wenn auch aufs Nötigste reduziertes Bühnenbild zu glänzen. Wir sehen hier keine Mätzchen, wie oftmals üblich. Man könnte fast meinen, Marellis Vorbild wäre Wieland Wagner höchstselbst gewesen. Zuweilen erinnerte die Ästhetik des Bühnenbildes ganz deutlich an den Wagner-Enkel. Ergänzt wurde dies durch einige, zur jeweiligen Situation passende Lichteffekte und Verschiebungen der Wände sowie der Bühnenhöhe. Insofern kann man von einer gelungenen Symbiose von "konservativer", librettogetreuer Inszenierung und dem Regietheater sprechen.
Alles in allem ein überragender Abend und bleibender Live-Eindruck von einer der schönsten und größten Opern, die je geschrieben wurden.