Norma im Opernhaus Zürich, 13. März 2011

  • Guten Abend,
    soeben bin ich aus einer Norma-Nachmittagsvorstellung am Zürcher Opernhaus zurückgekehrt. Die Neu-Inszenierung, die vor 2 Wochen dort Premiere hatte, wurde von dem amerikanischen Bühnenkünstler Robert Wilson inszeniert, der für seinen eher seltsamen Inszenierungsstil bekannt geworden ist.
    Es war meine erste Begegnung mit einer Inszenierung dieses Regisseurs, auch wenn ich ausschnittweise bereits Teile seiner Inszenierungen auf DVD und im Fernsehn gesehn habe.
    Wer Wilsons Inszenierungen kennt, weiss dass diese wohl immer fast gleich aussehen, egal um welche Oper es sich handelt: Die Bühne ist komplett leergefegt, Veränderungen geschehen alleine durch Lichteffekte, die Sänger tragen strenge hochgeschlossene Kostüme und bewegen sich marionettenhaft teilweise im Zeitlupentempo mit weissgeschminkten, entindividualisierten Gesichtern, wobei sie kaum in Beziehung zu einander auftreten.
    Norma entsprach ebenfalls genau diesem Schema. Und ich frage mich ernsthaft, wie es sein kann, dass ein solches über Jahre immer wieder nwiederholtes Konzept noch immer an grossen Opernhäusern toleriert wird. Natürlich ist mir Wilsons Weg, der mit dem mir verhassten Regietheater nicht im geringsten etwas zu tun hat, mir wesentlich lieber als Letzteres, da Wilson sich interpretatorisch vollständig zurückhält und (nach eigener Aussage) genug Raum lassen will, damit sich das Publikum sich seine eigene Meinung über das Werk bilden kann. Insgesamt finde ich jedoch diese Art der Inszenierung äusserst ungeeignet, sowohl für Norma als jede andere Oper.
    Mit der leeren Bühne, die sich nur durch Licht verändert und dem sonst rein optisch gebotenen könnte ich ja noch leben, dass allerdings keinerlei Interaktion zwischen den Sängern stattfindet, erwies sich als Killer für jeglichen dramatischen Fortgang. Die Sänger traten auf, hielten ihre Hände mühsam in irgendwelchen verkrampften Stellungen nach oben, standen wie angenagelt da und blickten grundsätzlich in entgegengesetzte Richtungen, aber fast niemals einander in die Augen. Den traurigen Höhepunkt stellte in diesem Zusammenhang die Szene dar, in der Norma Adalgisa von ihrem Keuschheitsgelübte entbunden hatte und Pollione auftritt, wobei Norma erfährt wer Adalgisas Geliebter ist. Während die Musik in diesem Moment in aufwühlender Weise Normas Schreck und Entsetzen über Polliones Untreue in so grossartiger Weise schildert, steht hier Norma seelenruhig auf der Bühne, ohne auch nur eine Miene zu verziehen. Einfälle wie dieser nahmen Bellinis Meisterwerk jegliche Spannung.
    Sicherlich gab es auch den ein oder anderen gelungenen Moment. Etwa die schwarze Pyramide, in der Norma wohnt, und die am Ende des 1. Akts aufbricht und die mit verspiegelten Felsen im inneren verkleidet ist. Oder die Schlussszene mit dem Scheiterhaufen, welche ebenfalls sehr gut gelöst war. Norma geht langsam in den Bühnenhintergrund und bleibt als Schattenriss vor einem rot ausgeleuchteten Kreis stehen. Auch die Choreographie bei Si fno all`ore estreme mit der lila gewandeten Norma und der rotgekleideten Adalgisa gefiel mir gut ung gab diesem Moment eine gewisse Leichtigkeit. Sonst gab es aber kaum Abwechslung. Ab und zu hingen Symbole von der Decke oder wurden im Hintergrund über die Bühne geschoben. So beglückte ein Löwe Polliones erstem Auftritt, während Adalgisa durch die Unschuld eines Einhorns und eines Widders (Opfer?) charakterisiert wurde. Trotz allem gelang es aber den Kostümen von Moidele Bickel in ihrer schlichten Schönheit ihre Eigenständigkeit gegenüber dem austauschbaren Bühnengeschehen zu bewahren.
    Wie oft hoffte ich im Verlauf des Nachmittags einer der Sänger würde den Mut finden, und das "Korsett" der Regie spontan durchbrechen und einfach beginnen die Rolle einfach zu spielen....
    Auch musikalisch wurde ich heute Nachmittag nicht recht glücklich. Elena Mosuc habe ich als grossartige Lucia, Königin der nacht und Konstanze in Erinnerung. Eine Norma war sie leider für meinen Geschmack nicht. Zwar gelangen ihr Spitzentöne und Kolaraturen mühelos, insgesamt war ihre Norma jedoch blass und farblos. Die zierliche Frau Mosuc hatte in dieser Inszenierung aber auch gar nicht die Möglichkeit irgendeiner darstllerischen oder auch musikalischen Interpretation. Von der Regie gezwungen blieb sie der Rolle jegliche Zerissenheit, Raserei und Verzweiflung schuldig.
    Auch für meinen Geschmack fehlbesetzt war Michelle Breedt als Adalgisa, deren wagnererpobter Mezzo für die junge Adalgisa viel zu schwer klang. Auch in der Höhe und in den Koloraturen klang die Stimme teilweise schrill, sodass die Duette Norma/Adalgisa, sonst Highlight jeder Norma völlig verpufften.
    Roberto Aronicas Tenor brüllte sich undifferenziert im Dauerforte durch den Pollione, wobei er bemüht war wenigstens ein Wenig Leidenschaft in die unterkühlte Aufführung zu bringen. Auch er hatte von einem Brustpanzer eingeengt kaum Möglichkeiten, sich gesanglich oder darstellerisch zu entfalten. Giorgio Giuseppini sang nach verhaltenem Beginn einen tadellosen Oroveso mit markantem Bass. Wirklich katastrophal besetzt waren die beiden Nebenrollen: Michael Laurenz als eine Karrikatur eines Römers (Flavio) und Liuba Chuchrova, welche bei ihren kurzen Auftritten als Clothilde nicht sang, sondern kreischte.... Wer um Himmels Willen hat diese Sänger auf die Bühne gelassen??
    Sehr gut hingegen war der Chor von Ernst Raffelsberger einstudiert worden. Dirigent Paolo Carignani tat alles in seiner Macht stehende um der Aufführung Leben einzuhauchen. So trieb er das präzise spielende Orchester bereits in der Ouverture zu äusserst zügigen Tempi an, was mir sehr gut gefiel. Carignani, der sich wohl als Gegenspieler zu Wilson empfand nahm sich aber im entscheidenden Moment zurück, und kostete so auch die zentralen, lyrischen Momente von Bellinis Meisterwerk voll aus.
    Insgesamt also ein eher enttäuschender Opernnachmittag, wobei es aber noch viel Luft nach unten gibt. Ich werde die Norma im April wohl noch einmal in München besuchen, diesmal mit Edita Gruberova, wobei sich ein Vergleich zwischen Frau Gruberova und Frau Mosuc sich grundsätzlich verbietet. In München ist die Inszenierung von Jürgen Rose zwar auch alles Andere als toll, aber wenigstens hat sie den Vorteil einer grossen Sängerin Freiheit für ihre Interpretation zu schaffen; eine Tatsache, die gerade bei einer Oper wie Norma eine Selbstverständlichkeit sein sollte, da sonst wie in Zürich die Aufführung fast in sich zusammenfällt.....
    Beste Grüsse und einen weiterhin schönen Sonntagabend
    :hello: