Da ich vorgestern auf Grund einer privaten Angelengenheit für eine Nacht in Wien war, habe ich mir natürlich auch für einen Besuch an der Wiener Staatsoper Zeit genommen.
Im folgenden möchte von meinen Eindrücken von der Aida berichten, und bitte um Entschuldigung bei denjenigen, die hinreichend mit der Wiener Aida-Inszenierung vertraut sind....
Es war nach vielen Jahren, mein Wiedersehen mit diesem wunderschönen Opernhaus, dass ich insgesamt zum dritten Mal besuchte. Da Aida eine meiner Liebslingsopern ist, freute ich mich auf einen schönen Abend, eine Hoffnung die aber gestern nur teilweise erfüllt wurde.
Es ist sicher alles andere als ein Geheimnis, dass die Wiener Aida das ist, was man als "schlechte" klassische Inszenierung bezeichnen könnte. Dies ist mir allerdings wesentlich lieber, als irgendeine moderne Inszenierung egal welcher Art! Es tat nach dem Münchner Nel-Klotz einfach nur gut bei Aufgehen des Vorhangs die "Blickdiagnose" stellen zu können: Ich sitze in Verdis Aida und in keiner anderen Oper.
Allerdings muss ich anmerken, dass ich die Bühnenbilder und Kostüme teilweise reichlich seltsam fand: So war der erste Akt im ersten Bild noch schön gestaltet, während die Tempelszene mit einer hässlichen Säulenreihe und einer gewöhnungsbedürfitigen Choreographie befremdlich wirkte.
Amneris Gemach war zwar schön ausgeführt, aber unglaublich kitschig, mit einer Art Zierteich mit Entchen (?) am rechten Bühnenrand.
Wirklich schlecht geraten war die Triumphszene: Pfeiler (?) stützen die Szenerie dahinter die Wüste(?), der Chor steigt völlig unkoordiniert von unten herauf, die grosse Bühne wirkt kahl und wird kaum genutzt.... Die Krönung ist aber das Ballet. Solche Kostüme habe ich wirklich noch nie gesehen: Waren das Marsmännchen in bunten Anzügen die da tanzten?
Schön fand ich dagegen den Nilakt. Die Bühne war weitgehend leer, im Hintergrund der Nil zu erahnen und der Mond beobachtete die sich abzeichnende Tragödie. Verdi stand im Mittelpunkt. Welch tolles Gefühl......
Leider war das erste Bild des 4. Akts wieder total verbaut. Eine Treppe über die die Priester in die Verliese hinabstiegen war ja noch irgendwie verständlich, aber was sollten die beiden Tierköpfe, die aussahen wie Micky Maus?
Wenigstens wurden Aida und Radames am Ende wirklich eingemauert und nicht wie einst in München vom Stein erschlagen oder vom Chor erdrückt....
Auch die Kostüme fand ich etwas erstaunlich. Sollte ihr Stil demjenigen entsprechen, wie das antike Ägypten zu Verdis Zeit wahrgenommen wurde? In Franco Zeffirellis Aida-Inszenierungen waren jedenfalls die Kostüme (vor allem die der Priester) völlig anders geschnitten....
Auch musikalisch war der Abend zwiespältig. Das Dirigat von Dan Ettinger hat mir sehr gut gefallen. Präzise, Sängerfreundlich und Spannungsreich.
Die wohl beste Sängerleistung des Abends erbrachte Anna Smirnova als Amneris. Mit üppigem, warmen Mezzo begeisterte sie mich rundum. Eine der besten Amneris-Sängerinnen die ich live gehört habe. Cecile Perrin als Aida gefiel mir auch sehr gut. Wenn sie auch nicht in jeder Hinsicht perfekt war, gelang ihr eine überweltigende Nil-Arie mit wunderbaren Piani. Als Fehlbesezung empfand ich leider Dongwon Shin als Radames. Seine Verkörperung der Rolle war mir auf Grund seines Dauerforte viel zu Eindemensional und undifferenziert, auch seinTimbre war nicht mein Fall. Hinzu kam offenbar die Tatsache, dass der koreanische Tenor grosse Schwierigkeiten mit der italienischen Sprache hatte. Das was er sang, klang wie eine italienisch-koreanisch Mischung und hatte wenig mit Ghislanzonis Libretto zu tun. Mark S. Doss sang einen schönstimmigen Amonasro, blieb mir aber in dieser undankbaren Rolle zu blass. Das gleiche kann man leider auch von Alexander Moisiuc und Janusz Monarcha als Ramphis und Re behaupten. Beiden gelang es nicht Ansatzweise so etwas wie Autorität zu verkörpern. Schade.
Am Ende gab es kurzen Applaus, wobei vor allem die Sängerinnen von Amneris und Aida auch Bravo-Rufe erhielten.
Danach strömte alles zur Garderobe, wobei die Katastrophe im eigenen Land der Laune der zahlreich vertretenen japanischen Touristen keinen Abbruch zu tun schien....
Es war insgesamt schön, nach vielen Jahren wieder in Wien gewesen zu sein und so verliess ich trotz der Einschränkungen die Staatsoper mit einer gewissen Zufriendenheit.