Aida in Wien, 23.03.2011

  • Da ich vorgestern auf Grund einer privaten Angelengenheit für eine Nacht in Wien war, habe ich mir natürlich auch für einen Besuch an der Wiener Staatsoper Zeit genommen.
    Im folgenden möchte von meinen Eindrücken von der Aida berichten, und bitte um Entschuldigung bei denjenigen, die hinreichend mit der Wiener Aida-Inszenierung vertraut sind....

    Es war nach vielen Jahren, mein Wiedersehen mit diesem wunderschönen Opernhaus, dass ich insgesamt zum dritten Mal besuchte. Da Aida eine meiner Liebslingsopern ist, freute ich mich auf einen schönen Abend, eine Hoffnung die aber gestern nur teilweise erfüllt wurde.
    Es ist sicher alles andere als ein Geheimnis, dass die Wiener Aida das ist, was man als "schlechte" klassische Inszenierung bezeichnen könnte. Dies ist mir allerdings wesentlich lieber, als irgendeine moderne Inszenierung egal welcher Art! Es tat nach dem Münchner Nel-Klotz einfach nur gut bei Aufgehen des Vorhangs die "Blickdiagnose" stellen zu können: Ich sitze in Verdis Aida und in keiner anderen Oper.
    Allerdings muss ich anmerken, dass ich die Bühnenbilder und Kostüme teilweise reichlich seltsam fand: So war der erste Akt im ersten Bild noch schön gestaltet, während die Tempelszene mit einer hässlichen Säulenreihe und einer gewöhnungsbedürfitigen Choreographie befremdlich wirkte.
    Amneris Gemach war zwar schön ausgeführt, aber unglaublich kitschig, mit einer Art Zierteich mit Entchen (?) am rechten Bühnenrand.
    Wirklich schlecht geraten war die Triumphszene: Pfeiler (?) stützen die Szenerie dahinter die Wüste(?), der Chor steigt völlig unkoordiniert von unten herauf, die grosse Bühne wirkt kahl und wird kaum genutzt.... Die Krönung ist aber das Ballet. Solche Kostüme habe ich wirklich noch nie gesehen: Waren das Marsmännchen in bunten Anzügen die da tanzten?
    Schön fand ich dagegen den Nilakt. Die Bühne war weitgehend leer, im Hintergrund der Nil zu erahnen und der Mond beobachtete die sich abzeichnende Tragödie. Verdi stand im Mittelpunkt. Welch tolles Gefühl......
    Leider war das erste Bild des 4. Akts wieder total verbaut. Eine Treppe über die die Priester in die Verliese hinabstiegen war ja noch irgendwie verständlich, aber was sollten die beiden Tierköpfe, die aussahen wie Micky Maus?
    Wenigstens wurden Aida und Radames am Ende wirklich eingemauert und nicht wie einst in München vom Stein erschlagen oder vom Chor erdrückt....
    Auch die Kostüme fand ich etwas erstaunlich. Sollte ihr Stil demjenigen entsprechen, wie das antike Ägypten zu Verdis Zeit wahrgenommen wurde? In Franco Zeffirellis Aida-Inszenierungen waren jedenfalls die Kostüme (vor allem die der Priester) völlig anders geschnitten....
    Auch musikalisch war der Abend zwiespältig. Das Dirigat von Dan Ettinger hat mir sehr gut gefallen. Präzise, Sängerfreundlich und Spannungsreich.
    Die wohl beste Sängerleistung des Abends erbrachte Anna Smirnova als Amneris. Mit üppigem, warmen Mezzo begeisterte sie mich rundum. Eine der besten Amneris-Sängerinnen die ich live gehört habe. Cecile Perrin als Aida gefiel mir auch sehr gut. Wenn sie auch nicht in jeder Hinsicht perfekt war, gelang ihr eine überweltigende Nil-Arie mit wunderbaren Piani. Als Fehlbesezung empfand ich leider Dongwon Shin als Radames. Seine Verkörperung der Rolle war mir auf Grund seines Dauerforte viel zu Eindemensional und undifferenziert, auch seinTimbre war nicht mein Fall. Hinzu kam offenbar die Tatsache, dass der koreanische Tenor grosse Schwierigkeiten mit der italienischen Sprache hatte. Das was er sang, klang wie eine italienisch-koreanisch Mischung und hatte wenig mit Ghislanzonis Libretto zu tun. Mark S. Doss sang einen schönstimmigen Amonasro, blieb mir aber in dieser undankbaren Rolle zu blass. Das gleiche kann man leider auch von Alexander Moisiuc und Janusz Monarcha als Ramphis und Re behaupten. Beiden gelang es nicht Ansatzweise so etwas wie Autorität zu verkörpern. Schade.


    Am Ende gab es kurzen Applaus, wobei vor allem die Sängerinnen von Amneris und Aida auch Bravo-Rufe erhielten.
    Danach strömte alles zur Garderobe, wobei die Katastrophe im eigenen Land der Laune der zahlreich vertretenen japanischen Touristen keinen Abbruch zu tun schien....
    Es war insgesamt schön, nach vielen Jahren wieder in Wien gewesen zu sein und so verliess ich trotz der Einschränkungen die Staatsoper mit einer gewissen Zufriendenheit.
    :hello:

  • Danke für deinen Bericht.


    Dazu sei anzumerken, dass die Wiener Oper bei der Besetzung des Radames einige Schwierigkeiten hatte. Die erste Vorstellung wurde noch von Salvatore Licitra gesungen, der Berichten zufolge sehr gut gewesen sein soll. Für die Folgevorstellungen wurde dann ein Tenor namens Francesco Hong angekündigt (keine Ahnung, warum Licitra nur die erste Vorstellung gesungen hat). Hong hat aber wegen Erkrankung dann keine Vorstellung gesungen und die Staatsoper präsentierte den von dir gesehenen Tenor.


    Da sieht man, dass es ein Opernhaus nicht leicht hat, wenn es gezwungen ist, kurzfristig einen Ersatz zu engagieren.


    Gregor

  • Wenn die renommierte Wiener Staatsoper schon nicht in der Lage ist, eine adäquate Zweitbesetzung aufzutreiben, was machen dann relativ kleine Häuser, Absagen oder was ?


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Wenn die renommierte Wiener Staatsoper schon nicht in der Lage ist, eine adäquate Zweitbesetzung aufzutreiben, was machen dann relativ kleine Häuser, Absagen oder was ?


    Nein, sie machen das gleiche: die Agentur anrufen und von irgendwo einen Ersatz engagieren. Es ändert sich nur das Preisniveau. Und leider sind Sänger des Radames fast eben so dünn gesät wie potente Wagner-Tenöre...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Das Problem der Wiener Staatsoper in dieser Saison ist gar nicht so sehr eine adäquate Zweitbesetzung aufzutreiben. Es mangelt ja leider derzeit schon an einer guten Erstbesetzung. :rolleyes:
    Sicher, wenn ein Star absagt bekommst du nur selten einen gleichwertigen Ersatz. Aber wenn ein no-name einen anderen ersetzt ist das letztendlich nicht erwähnenswert.
    Nicht mal die MET kann immer mit erstklassigen Zweitbesetzungen auftrumpfen, wenn ein Star ausfällt.


    Als vor kurzem M. Alvarez kurz vor Vorstellungsbeginn den Cavaradossi absagen mußte, sprang Alagna ein. Aber das ist auch in New York nicht alltäglich.
    Obwohl bei der Dichte an Sängerstars die da regelmäßig vorort sind, ist das eher in New York der Fall als andernorts.


    Was potente Wagner-Tenöre betrifft, hat man da wohl sogar noch mehr Auswahl als einen guten Radames zu finden. Mir fallen ad hoc jedenfalls mehr Wagner-Tenöre ein als Sänger für den Radames.
    Ob diese Wagner-Tenöre allerdings in den Augen so mancher die Zustimmung finden ist eine andere Sache, da ich mit Wagner generell nicht so vertraut bin. ;)


    Gregor

  • Mir fallen ad hoc jedenfalls mehr Wagner-Tenöre ein als Sänger für den Radames.


    Du hast Recht. Ich korrigiere meine Aussage zu: Und leider sind Sänger des Radames zumindest eben so dünn gesät wie potente Wagner-Tenöre...


    ;)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!