Zitat von Michael Schlechtriem aus dem Evgeny Svetlanov Thread
" ... Dies hat natürlich auch ein wenig mit der isolierten Situation des sowjetischen Musiklebens in der damaligen Zeit zu tun. Die sowjetrussischen Orchester waren allesamt dem russischen Klangideal verschrieben, d.h. zum Beispiel die Hörner mit Vibrato (finde ich als Cellist toll-ist aber heutzutage total verpönt), die Trompeten mit dem sogenannten "Sandstrahlgebläse-Sound" (konnte man wohl bis zu 10 km bei Gegenwind noch hören - auch verpönt heutzutage), die Streicher mit einem abgrundtief "schwarzen" Sound. Es wäre mal einen eigenen Thread wert, zu ergründen, was uns da in den letzten Jahrzehnten alles verloren ging an Orchesterkultur. Heute ist alles nivelliert und muß einem international anerkanntem Klangindeal entsprechen. Wenn man sich einmal Aufnahmen von z.Bspl. französischen, britischen, spanischen, italienischen, deutschen und - ode r- wie in diesem Falle russischen Orchestern von vor 30 bis - was weiß ich nicht - wieviel Jahren anhört, wird man bemerken, daß es in jedem Land eine andere Streicher oder Bläserkultur (Holz wie auch Blech) gegeben hat. Gutes Beispiel ist der Unterschied zwischen einer Boehm (französisch) oder einer deutschen Klarinette, oder den amerikanischen Trompeten (die der russischen Tradition nahestehen) und Oboen, welche einen wesentlich härteren Sound als europäische haben usw.usf.
Die heutigen Orchester aus dem damaligem Einzugsgebiet der UDSSR haben sich mittlerweile sehr dem hier herrschendem Klangideal angepaßt, (heutzutage ist es mittlerweile recht schwierig,Orchester einem bestimmten Land zuzuorden, daß einzige französische Orchester zum Beispiel, welches meines Wissens einen traditionell französischen Sound, z. Bspl. in den Fagotten, zu retten versuchte war das von Toulouse unter Michelle Plasson) ich denke, auch, um international wettbewerbsfähig zu sein. Ich finde dies schade, denn wir werden nie wieder diesen einzigartigen Sound hören, der auch zu den mitbestimmenden Faktoren der Aufnahmen von Dirigenten wie Kondraschin, Mrawinsky oder halt auch Swetlanow gehörte. Natürlich war jeder dieser Dirigenten in der Lage, und da gibt es ja auch genügend Aufnahmen als Beweis, ein "westliches" Orchester zu absolut irrsinnigen Höhepunkten der Spielkultur und der Emotionen zu bringen, aber für mich fehlt trotzdem immer dieser extreme Sound der damaligen sowjetischen Orchester."
Zitat Ende
Dieses posting von Michael Schlechtriem las ich kürzlich im Thread um E Svetlanov und er lässt mich seither nicht in Ruhe. Die angesprochene Thematik ist hochspannend, da ich diese bislang so noch nicht "auf dem Schirm" hatte und ich trotzdem seit Kurzem einen Faible für den tschechischen Orchesterklang der Zeit vor der Wende habe. Auch die spezielle Klangfarbe der russischen Orchester ist mir durch verschiedene Einspielungen
wie Svetlanovs Sheherazade oder Kondrashins Shostakovic geläufig.
Wie haben die Klangfarben in Orchester anderer musikalischen Kulturen, sprich anderer „Länder“ geklungen? War der „Effekt“ so prägnant und augenfällig? Ich bin sehr daran interessiert, Aufnahmen kennenzulernen, die die angesprochenen Unterschiede möglichst deutlich aufzeigen.
Gibt/ gab es solche typsichen Unterschiede im Orchesterklang in zB Deutschland, Frankreich, Italien,
England, Russland, Skandinavien … tatsächlich? Freu mich auf reichliche Tips.