Das Rheingold, Gelsenkirchen 23.04.2011

  • Am Abend bevor ich in meinen Osterurlaub aufbrach, fuhr ich noch schnell nach Gelsenkirchen, um mir dort die Premiere des konzertanten "Rheingoldes" anzuschauen. Was soll ich sagen: Eine so höchst musikalische Aufführung, wundervoll differenziert, dierser Oper habe ich schon lange nicht mehr erlebt und auch fast eine Woche nach der Aufführung hat sich meine Begeisterung nicht gelegt: Schon die erste halbe Stunde demonstrierte eine musikalische Klasse, die das „Rheingold“ wirklich veredelte. Kaum zu glauben, dass Rasmus Baumann seinen ersten Wagner überhaupt dirigierte. Auch die etwa 100köpfig besetzte Neue Philharmonie Westfalen hatte sich seit etwa 8 Jahren nicht mehr mit Wagner auseinander gesetzt und begeisterte mit hoch romantischem Klang. Allein das Vorspiel schimmerte schon in all seiner mystischen Pracht, steigerte sich zu den wogenden Wellen des Rheins. Rasmus Baumann dirigierte den Abend wundervoll ausbalanciert: Viel Zeit ließ er sich für die lyrisch-mystischen Stellen (Tarnhelm-Motiv, Entsagungs-Motiv), wusste aber auch die dramatischen Zuspitzungen mit viel rhythmischen Gespür zu leiten, die er durch kleine Sprünge auf seinem Pult unterstrich.
    In der ersten Szene herrschte eine musikalische Geschlossenheit, die schon an Perfektion grenzte und intensive Momente mit Gänsehaut-Garantie erreichte. Da strahlte das Terzett der Rheintöchter, wie man es selten so gehört hat. Angeführt wurde es von Alfia Kamalova, die mit ihrem wundervoll schwebenden Sopran die leuchtenden Höhen im Terzett ausmachte. Dagegen hoben sich die dunkleren Stimmen von Dorin Rahardja und Almuth Herbst sehr gut ab und bildeten ein sicheres Fundament. Da es eine konzertante Aufführung am Notenständer war, blieb die szenische Verspottung Alberichs natürlich aus. In dieser musikalisch glücklichen Konstellation wusste auch Björn Waag als Alberich die gedemütigte Person zu mimen, ohne aber jemals eine wirklich gesungene Interpretation zu verlassen. Sein Alberich konnte auch zwergisch keifen, doch vor allem lieferte eine menschliche Charakterstudie ab, in der sein fast tenoraler Bariton mit enormer Durchschlagskraft und sehr guter Aussprache fesselte und begeisterte.
    Auch ohne die körperliche Aktion blieb der Kontakt zwischen den Personen den ganzen Abend über nicht aus und jeder Sänger wusste auf seine Art seiner Rolle ein Profil zu geben. Andreas Macco wirkte als Wotan sehr statuarisch, so dass er fast gelassen über den Dingen zu stehen schien und erst bei der Begegnung mit Erda seine göttliche Überheblichkeit verlor. Auch stimmlich war sein Wotan geprägt von einer bodenständigen Sicherheit. Im direkten Vergleich mit dem fulminanten Björn Waag zog er allerdings den Kürzeren. Deutlich profilieren konnten sich im zweiten Bild auch das kleinere Personal. Sichtbar getrennt standen sie auf der Bühne: Links die Götter-Familie, rechts die Riesen mit Freia und so flog zu den besten Momenten die Köpfe der Zuschauer zwischen den Parteien wie bei einem Tennisspiel hin und her. Dong-Won Seo verkörperte den sanfteren Riesen Fasolt mit lyrischem Bass, während Joachim G. Maaß den gierigen Tonfall des Fafner punktgenau traf. Paroli bekamen sie mit zupackenden Stimmen von Pjotr Prochera (Donner) und Lars Oliver Rühl (Froh), die in ihren eher undankbaren Rollen nie die Spannung verloren und auch in ihren langen Pausen große Präsenz zeigten. Zu Gefallen wusste auch Petra Schmidt als Freia.
    Mächtig durcheinander gewirbelt wurde die Aufführung durch William Saetre als Loge und leider nicht nur im positiven Sinne. Bei seinem Auftritt verscheuchte er kurzerhand Gudrun Pelker von ihrem Pult, um sich zwischen Wotan und dem Dirigenten zu positionieren und von dort aus listig zu agieren. Mag der Charaktertenor durchaus prädestiniert für den windigen Feuergott sein, lies er vor allem in Punkte Genauigkeit viele Wünsche offen. Viele falsche Einsätze brachten selbst das bis dahin so sichere Orchester arg ins Schwimmen, so dass für einige Minuten doch der chaotische Aspekt der Figur unfreiwillig im Vordergrund stand. Doch Rasmus Baumann suchte aufmerksam den Kontakt mit ihm, um diese Abendschwäche so gering wie möglich zu halten. So geriet besonders die dritte Szene zu einem wahren Feuerwerk des Konversationstons, der vom Orchester noch zusätzlich angefeuert wurde. Bei Mark Bowman-Hester fiel vor allem auf wie kurz die Rolle des Mime ist. Gerne hätte man mehr von diesem tollen, charakterstarken Tenor gehört.
    Dem vierten Bild setzte Gudrun Pelker die Krone auf: Nachdem Björn Waag mit einem packendem Fluch die Bühne verlassen hatte, wechselte sie von der Rolle der Fricka, der sie einen resolut-fordernden Ton gegeben hatte, zu der Göttin Erda. Deren Warnung klang nun in aller dunklen Pracht in berührender Natürlichkeit. Für diese Doppelrolle bekam sie am Ende zu Recht lautstarke Ovationen. Überhaupt war das Publikum in Gelsenkirchen sehr aufmerksam und begeistert, feierte die Musiker schon nach dem letzten Ton mit vielen Bravo-Rufen, wusste dabei aber auch von Sänger zu Sänger differenzieren. Ganz hoch in der Publikumsgunst stand natürlich auch Björn Waag als Alberich.
    Leider wird dies der vorerst einzige Ausflug in die Welt von Wagners „Ring“ am MiR bleiben. Schade, hätte doch gerade Rasmus Baumann mit seiner Interpretation auch die Auseinandersetzung mit den weiteren Teilen zu einem spannenden Ereignis werden lassen. Dieses „Rheingold“ wird mir mit seiner musikalischen Qualität, wo Wagner noch gesungen und nicht gebrüllt wurde, noch lange im Gedächtnis bleiben.

    War noch jemand von euch da und kann meine Eindrücke sogar bestätigen?

  • Hallo Wotan,


    iich war auch am Samstag in Gelsenkirchen und war vom Rheingold begeistert. Die Sänger waren hervorragend und auch der Dirigent Herr Baumann war Klasse. Ein Bühnenbild habe ich nicht vermisst. Und es waren alles Ensemblesänger aus dem MiR mit denen das Rheingold besetzt war. Ich finde sowieo was die Sänger angeht, das das MiR wesentlich besser ist als das Aalto Theater in Essen.

  • Ich habe zum Glück noch die allerletzte Vorstellung am 1.7. erwischt. Was soll ich sagen, ich kann euch in allem nur beipflichten. Ein sensationeller Abend, und alles mit eigenen Sängern, an der Spitze Björn Waag, den ich noch nie so gut gesehen habe. Der Besuch war nicht so gut, aber der Beifall am Schluss übertraf alles, was ich in Gelsenkirchen in den letzten Jahren gehört habe, und geizig mit Beifall sind wir nicht. Sehr störend war, dass der Mensch, der die Obertitel bedient hat, sehr schlampig gearbeitet hat und nicht nachkam. Aber vielleicht war das gut, denn so sehr mich die Musik auch begeistert hat, für den Text gilt: "Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist nur ein kleiner Schritt!" Und wem das nicht passt, dem rufe ich zu: "weiche, schäbiger Schuft und garstiger Gauch!"

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)