WAGNER: DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG (Bayreuth 1984)

  • Richard WAGNER: DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG


    Hans Sachs - Bernd Weikl :no:
    Veit Pogner - Manfred Schenk
    Kunz Vogelgesang - Andras Molnar
    Konrad Nachtigall - Martin Egel
    Sixtus Beckmesser - Hermann Prey
    Fritz Kothner - Jef Vermeersch
    Walther von Stolzing - Siegfried Jerusalem :thumbdown:
    David - Graham Clark
    Eva - Mari Anne Häggander
    Magdalene - Marga Schiml


    Laufzeit: 267 Min.


    Inszenierung: Wolfgang Wagner :no:
    Chor der Bayreuther Festspiele
    Chorus Master: Norbert Balatsch
    Orchester der Bayreuther Festspiele
    Leitung: Horst Stein


    Wertung: Mangelhaft





    Hier handelt es sich wohl um eine der belanglosesten „Meistersinger“, die je produziert wurden. In einem Bilderbuchnürnberg spielt sich ein mehr oder weniger heiteres Stück ohne jegliche ernsthaften Konflikte ab. Es wird (überwiegend) schön gesungen und endet in einem ungebrochenen Happy End auf der Festwiese.


    Das klingt nicht unbedingt interessant, oder?


    Ist es auch nicht. Wolfgang Wagner hat den „Meistersingern“ in seiner Inszenierung die Zähne gezogen; und zwar gründlich! Die Bühne ist zwar auf den ersten Blick sehr schön gestaltet, langweilt aber bei längerer Betrachtung vor allem im ersten Aufzug und der Festwiese, da sie von einer Symmetrie geprägt ist, die das Auge regelrecht einschläfert: Sorgt im ersten Bild der Aufbau der Kirchenempore mit ihren Stützpfeilern für eine gleichmäßige Raumaufteilung, so ist es im Schlußbild der Baum (eine Linde?) in der Mitte der Festwiese. Die Kostüme der Sänger sind eine Mischung von mittelalterlichem Stil a la Moritz von Schwind (z.B. bei Sachs, Stolzing und Eva) und biedermeierlich-romantischer Machart (z.B. bei Beckmesser). Al das lässt sich recht hübsch anschauen, sieht man einmal von Mari Anne Hägganders verunglückter Perücke ab.

    Erster Aufzug: Das Kircheninnere mit direktem Blick auf die Chorempore, unter der sich Kirchenbänke befinden. An der rechten Seite die Kanzel; links der Kirchenausgang. Der Aufzug läuft äußerst konventionell inszeniert ab. Erstaunt bemerkt man allerdings, dass Sachs hier nicht als älterer Meister sondern durchaus ansehnliches Mannsbild daherkommt. Beckmesser, der in seinem schwarzen Gehrock ebenfalls keine schlechte Figur macht, ist mehr in die Schar der Meister integriert als gewöhnlich. Seine leicht cholerischen Ausbrüche scheint man gewohnt zu sein und geht eher beschwichtigend darauf ein. Sehenswert ist jedoch sein zorniges Gehabe nach seinem unwirschen „Seid ihr nun fertig?“, mit welchem er Stolzings Lied unterbricht. Hier kann Hermann Prey endlich zeigen, was er auch darstellerisch zu leisten vermag. Zu den letzten Takten der Musik bleibt Beckmesser alleine auf der Bühne und wirft einen trotzigen Blick auf die Tabulatur und geht dann rasch ab.

    Zweiter Aufzug: Links Sachsens Haus mit einem Mäuerchen davor und ihm gegenüber, den Großteil des Hintergrunds einnehmend, Pogners Patrizierhaus. Im Vordergrund ein begrünter Straßengraben, in dem sich später Eva und Stolzing verbergen werden, was den Vorteil hat, dass man sie auch während Beckmessers Ständchen und des ansteigenden Tumults gut hören kann. Beckmesser tritt in langen hellen Gewändern und mit einer Art Barrett auf dem Kopf auf. Die Schlägerei ist eher ein harmloses Gerangel, bei dem niemand ernsthaft zu Schaden kommt. Selbst bei dem missglückten Ständchen sind die Kontrahenten Sachs und Beckmesser recht zurückhaltend und geraten sich nicht ernsthaft in die Haare.

    Dritter Aufzug:


    Erstes Bild: Die malerische Schusterstube, wie ein Gewölbe in die Bühnentiefe hineingebaut, lässt sich nicht recht zu dem äußeren Bild von Sachs´ Haus aus dem zweiten Aufzug zuordnen. Trotzdem ein schönes Bühnenbild mit hellen Wänden und freundlichem, durch das linke Fenster einfallendem Morgenlicht, in dem Sachs mit einem Folianten an seinem Tisch im Hintergrund sitzt. Nach Davids Auftritt mit seinem „Fresskorb“ folgt die Unterweisung Stolzings durch Hans Sachs. (Da Stolzing hier natürlich ohne seinen langen Kreuzrittermantel auftritt, wirkt er zuerst überraschend nackt.) Inszenatorisch wurde leider gerade diese Szene ziemlich vergeigt, da Stolzing den Lehren Sachsens zumeist mit hinter dem Rücken gefalteten Händen zuhört. Das lässt ihn recht desinteressiert wirken und nimmt dem ganzen Geschehen seine Bedeutung. Der Rest des Bildes verläuft ohne Überraschungen.


    Zweites Bild: Die Festwiese mit einem großen Baum im Zentrum, um den ein Holzgerüst mit einer Empore aufgebaut wurde. Die Wiese ist voll bunt herausgeputzter Bürger und unter den Mädchen, die sich gleich am Beginn Brezeln an einem Stand besorgen meine ich Katharina Wagner erkannt zu haben. Der unspektakuläre Aufmarsch der Zünfte erfolgt vor der dichtgedrängten Menge auf engem Raum vor dem Gerüst, unter dem dann Pogner und Eva thronen werden. Beckmesser, der hier wirklich zur bemitleidenswerten Figur wird und wieder in Schwarz gekleidet ist, stürmt nach seinem Vortrag wütend ab – nur um kurz darauf oben auf der Empore aufzutauchen, von wo er Walthers Preislied zuhört. Nachdem Sachs Walther mit seiner Schlussansprache zurechtgestutzt hat, geht er ab, nicht ohne vorher Beckmesser, der wieder von der Empore herabgestiegen ist, die Hand zu schütteln! (Wolfgang Wagner persönlich veranlasst als Statist die Kontrahenten zu diesem Handschlag.)


    Gerade dieser Schluß war seinerzeit sehr umstritten. Konnte, ja durfte es zu dieser Aussöhnung mit Beckmesser kommen? Von der Seite des Schlitzohrs Sachs sehe ich da kein Problem, aber Wolfgang Wagner unterstellt damit dem Charakter des Stadtschreibers, dass er nach Anhören des Preisliedes zu einer spontanen 180-Grad-Wende fähig ist. Sachsens Ansprache würde er vermutlich zustimmen, aber dass er Stolzings Lied akzeptiert passt absolut nicht zu ihm. Hier zeigt sich meinem Empfinden nach der Versuch, nach einer altfränkischen Aufführung, die inszenatorisch jeglicher Darstellung ernsthafter Konflikte (und derer gibt es hier mehrere) ausweicht und ein grundsätzlich harmonisches Geschehen ohne ernsthafte Misstöne zeigt, auch noch die letzten drohenden Wogen zu glätten. Und damit wird dieses Werk weit unter Wert verkauft. Alles wir verniedlicht und verharmlost. Es geht um nichts – und das ist der Tod jedes Stückes.


    Leider können hier auch die Sänger nicht viel herausreißen. Die bemerkenswertesten Einzelleistungen liefern Graham Clark (David) und Hermann Prey (Beckmesser), dem darstellerisch jedoch nicht viel mehr abverlangt wird, als mürrisch dreinzuschauen. Aus der Tatsache, daß er, Weikl (Sachs) und Jerusalem (Stolzing) allesamt ansehnliche Werber um Evchens Hand sind, weiß diese Inszenierung keinen Nutzen zu ziehen. Gesanglich liegt Prey hier jedenfalls vorne, was das Ganze jedoch völlig absurd macht, da hier ja quasi der musikalisch bewusst sperrige Widerpart zu den anderen Sängern entfällt. Ein wohltönender Beckmesser, der nichts mehr von einer Karikatur oder kaum etwas von einem Außenseiter und Sonderling an sich hat, der kann nicht im Sinne Richard Wagners sein. Und doch klingt Prey angenehmer und besser als Bernd Weikl mit seinem permanenten enervierendem Tremolo/Wabern in der Stimme oder Siegfried Jerusalem, der doch mitunter sehr mit der Partie des Stolzing zu kämpfen hat. Der Rest des Ensembles schlägt sich wacker, ohne den Charakteren jedoch ein besonderes Profil verleihen zu können – ausgenommen jedoch Häggander als Eva und Schenk als Pogner. Horst Stein liefert eine wohltuend solide musikalische Begleitung ohne irgendwelche Extravaganzen.

    Fazit: Eine wohlklingende Einschlafhilfe – Wagner soft…