G. PUCCINI: TURANDOT (Salzburg 2002)

  • Giacomo PUCCINI: TURANDOT (Salzburg 2002)
    Libretto:
    Guiseppe Adami & Renato Simoni



    Turandot - Gabriele SCHNAUT
    Altoum - Robert TEAR
    Timur - Paata BUCHULADZE
    Calaf - Johan BOTHA
    Liù - Cristina GALLARDO-DOMAS
    Ping - Boaz DANIEL
    Pang - Vicente OMBUENA
    Pong - Steve DAVISLIM
    Ein Mandarin - Robert BORK


    Inszenierung: David POUNTNEY


    Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
    Tölzer Knabenchor
    Chorleiter: Rupert A. Huber
    Wiener Philharmoniker
    Musikalische Leitung: Valery GERGIEV


    Spieldauer: 125 Min.


    Gesamturteil: Gut




    Diese DVD bietet eine Monumentalinszenierung dieser Oper als intelligentes Gedankenspiel: In einem bis in den Zuschauerraum gezogenen Bühnenbild stehen auf mehrere Etagen verteilt die Chorsänger in Kostümen, die aus mehreren Elementen zusammengesetzt sind: Traditionelle chinesische Kleidung, Masken oder Halbmasken und altmodische roboterhafte, mechanische Versatzstücke. Der Chor bewegt sich zumeist auch mit den typisch ruckenden Bewegungen eines Roboters. Im Hintergrund sind Versatzstücke einer Maschinerie mit großen Zahnrädern zu erahnen. Das alles erinnert an einen nach China verlegten Filmklassiker „Metropolis“, dessen Premiere in die Entstehungszeit der „Turandot“ fällt. Zusätzlich sind Kaiser Altoum und der Mandarin durch übergroße mechanische Puppen dargestellt, die von Puppenspielern bedient werden, während die Sänger maskiert halb verborgen „in“ den Puppen sitzen.Turandot erscheint im ersten und zweiten Akt in einem bodenlangen Goldkleid – auf einem ca. 5 Meter hohen Sockel (!) im Inneren eines aufklappbaren vergoldeten kahlen Kopfes.


    In diese Welt der Maschinenwesen kommen nun Liù, Timur und Calaf, die als Fremde in diesem Reich nicht mit technischen Versatzstücken versehen sind. Allerdings kommen sie recht schmucklos daher: Liu im weißen Kleidchen, Timur mit einem weiten Mantel und Calaf im grauen Anzug.


    In dem oben skizzierten technisierten China geschieht nun folgendes: Calaf wirbt um Turandot, die im ersten Akt kurz in ihrem riesigen Goldschädel zu sehen war. Nachdem Ping, Pang und Pong in einer hinreißenden Szene vor einem riesigen Lotusvorhang einerseits über Turandots Grausamkeit nachdenken und andererseits vom sorgenfreien Leben auf dem Lande träumen, treten die riesigen Figuren des Mandarin und Altoums auf und der Rätselwettkampf kann beginnen. Nach Beantwortung der Fragen zerbricht der riesige Goldschädel und Turandots Sockel sinkt in sich zusammen und die Prinzessin betritt – nun im einfachen weißen Unterkleid – die Bühne.


    Im dritten Akt liegt der zerbrochene Schädel auf der Bühne und Calaf singt sein „Nessun dorma“ auf diesen Trümmern. Später sieht Liù aus Angst vor der Folter keinen anderen Ausweg als sich den Tod zu geben. Sie drückt dafür Turandot ein Messer in die Hand und lässt sich von ihr erstechen. Liù wird auf einer Liege aufgebahrt und über der Toten beginnt die Annäherung Calafs und Turandots, in der zwar vom ersten Kuss gesungen wird, dieser aber noch nicht gegeben wird. Dies geschieht erst ganz am Ende, wenn auch der Chor in „normaler“ Straßenbekleidung auftritt und gleich Turandot sein roboterhaftes Gebaren abgelegt hat. Nun erst, nachdem Turandot Calaf als ihren Geliebten bekanntgibt - küssen sie sich – und alle auf der Bühne tun es ihnen nach.


    Die Symbolik und Botschaft dieser Inszenierung ist klar. Es geht um die Menschwerdung nicht nur des Individuums Turandot, sondern eines ganzen Volkes. Die starrsinnige Prinzessin muss hier erst einmal begreifen, dass sie sich aus ihrem „verkopften“ Denkschema befreien muss, um dann Begriffe wie Menschlichkeit und Liebe zu erfahren und zulassen zu können. Das wird im Breitwandformat mit starken klaren Bildern gezeigt, bei denen leider die Einzelschicksale von Liù und Timur leider fast untergehen. Somit liegt die Stärke dieser Inszenierung in ihren Massenszenen und großen Effekten. Aber Puccinis Werke bestehen eben nicht nur daraus. Die klare Struktur von Pountneys Regie ist zwar zu loben, bremst aber die emotionale Wirkung der Oper für mich manchmal aus, so dass man als Zuschauer hier oft eine merkwürdige Distanz zu dem Geschehen wahrt. (Unterstützt wird dieser Effekt übrigens auch noch durch manch seltsamen Kamerawinkel, aus dem das Bühnengeschehen mitunter gezeigt wird.)


    Musikalisch bewegt man sich bei dieser Produktion auf hohem Niveau, bei dem es aber leider ein paar Abstriche zu machen gibt. So ist Gabriele Schnaut für mich keine ideale Turandot, da ihre Stimme für mich nicht die rechte Färbung für diese Partie hat. Johan Botha ist ein guter Calaf, bei dem man sich allerdings mitunter ein bisschen mehr Leidenschaft in der Stimme wünscht. Hervorragend besetzt ist das Trio Ping, Pang und Pong, während Cristina Gallardo-Domas als Liù insgesamt etwas gegen die übrige Besetzung abfällt.


    Gergiev dirigiert Puccinis Werk zügig mit viel Gespür für die Modernität der Partitur, die so manche Dissonanz aufweist. Verstärkt wird der „moderne Klang“ noch durch den Schluß der Oper, der von Luciano Berio komponiert wurde. (Puccini konnte die Oper nicht mehr vollenden und hatte für die letzten beiden Szenen nach Liùs Tod nur Skizzen hinterlassen.) Berio lässt der Entwicklung Turandots zur liebenden Frau musikalisch etwas mehr Raum und nimmt dieser Wandlung etwas das Abrupte der alten Fassung von Franco Alfano. (Allerdings wird grundsätzlich übersehen, dass nicht nur diese Wandlung überraschend schnell vor sich geht, sondern auch Calafs plötzliche Liebe zu der Prinzessin kaum nachvollziehbar ist. Hier herrscht eben doch die Logik der Märchenvorlage.)



    Fazit: Opulentes Theater, dass über weite Strecken eher den Kopf als das Gefühl anspricht.

  • Ich habe diese DVD auch zu Hause , kann mich aber mit dem Berio Schluss nicht anfreunden. Für mich gehört zu Tourandot einfach das Alfano Finale. Ich habe auch eine Aufnahme, wo nach Liu`s Tod im 3. AKt die Oper einfach abgebrochen wird.