Giacomo PUCCINI: MADAMA BUTTERFLY (Mailand 1986)

  • Giacomo Puccini: MADAMA BUTTERFLY (Mailand 1986)


    Libretto: Guiseppe Giacosa & Luigi Illica


    Besetzung:


    Cio-Cio-San: Yasuko HAYASHI
    Suzuki: Hak-Nak KIM
    Pinkerton: Peter DVORSKY
    Sharpless: Giorgio ZANCANARO
    Goro: Ernesto GAVAZZI :yes:




    Regie: Keita ASARI
    Bühne: Ichiro TAKADA
    Kostüme: Hanae MORI


    Chor & Orchester des Teatro alla Scala Milan
    Musikalische Leitung: Lorin MAAZEL


    Gesamturteil: GUT



    Um es gleich vorwegzuschicken: MADAMA BUTTERFLY gehört nicht
    zu meinen Puccini-Favoriten, aber ich habe mir diese DVD zugelegt, um mich mit
    dem Werk näher auseinandersetzen zu können.


    Die Tatsache, daß in der vorliegenden Produktion der Scala mit starker
    japanischer Beteiligung gearbeitet wurde, hat ihren Reiz, verstärkt aber
    mitunter auch die/meine Distanz zu dem Geschehen. Während Kostümen, vielen ritualisierten Gesten und
    der Lichtregie der japanische Touch sicher guttun, so ist die
    Bühnen für meinen Geschmack zu spartanisch, um sich mit ihr anzufreunden. Der karge
    Steingarten mit seinen Sandfeldern und das nur skizzenhaft ausgeführte Haus
    Pinkertons und Cio-Cio-Sans bieten einen sehr strengen Rahmen für das tragische
    Geschehen. Durch die abgezirkelten Wege in diesem Garten sind Bewegungen/Gänge
    auf der Bühne auch nur sehr eingeschränkt möglich.


    Allerdings gibt es einen bezeichnenden Moment, in dem gerade
    diese Symmetrie bedeutsam durchbrochen wird: Als Pinkertons amerikanische Frau
    mit Cio-Cio-San reden will läuft sie über einen der Sandflächen. Sharpless
    macht sie auf diesen Fauxpas aufmerksam. Ein sehr gelungener Regieeinfall, um
    das unbewusst destruktive Eindringen der Fremden in die japanische Kultur und
    Mentalität zu verdeutlichen. Als Zuschauer zuckt man regelrecht zusammen und
    möchte Kate Pinkerton am liebsten warnen.


    Die Handlung läuft dem Libretto konform ohne Überraschungen ab.
    Es gibt einige schöne poetische Bilder und Arrangements zu sehen, so z.B., wenn
    Cio-Cio-San durch bunte Schirme verdeckt ihrem Bräutigam zugeführt wird oder in
    dem langen Zwischenspiel zu Beginn des zweiten Teils des zweiten Aktes eine
    Tänzerin (nur als Schattenriss erkennbar) vor der blau erleuchteten Front des
    Hauses einen stilisierten/ritualisierten Tanz aufführt. Überhaupt wird durch
    häufig wechselnde Beleuchtung, die sich nicht um Realität bemüht, manch schöner
    Effekt erzielt.


    Bei den einzelnen Charakteren habe ich jedoch das Problem,
    daß sie mir nicht klar genug umrissen sind. Irgendwie gibt es hier keine
    eindeutigen Sympathieträger oder unangenehmen Zeitgenossen (Goro ausgenommen). Pinkerton
    zeigt mimisch zu wenig, um ihn einordnen zu können. Sharpless scheint recht
    vernünftig zu sein, verhält sich aber überwiegend passiv. Cio-Cio-San
    schließlich ist zwar ein bedauernswertes Geschöpf, kann aber auch sehr
    unbeherrscht und hart sein. Letztendlich definiert sich hier jeder über sein
    Handeln und das, was er sagt/singt. Das vermeidet zwar Klischees, macht es aber
    auch schwer, sich in die Handlung hineinzuversetzen. Zumindest geht mir das so –
    was aber auch an dem Sujet der Oper liegen mag und in dieser Inszenierung eben
    noch verstärkt wird. Der ergreifenden Momente sind hier eben (für Puccini)
    erstaunlich wenig.


    Musikalisch bewegt sich diese BUTTERFLY allerdings auf hohem
    Niveau. Die Sänger sind durch die Bank weg hervorragend. (Lediglich Hak-Nak Kim
    als Suzuki beginnt ihre Partie zu verhalten, kann aber dann noch zulegen.) Die
    eigene Stimmfärbung, die den japanischen Sängerinnen anzuhören ist, gibt dem
    Ganzen einen zusätzlichen Reiz. Leider fällt es jedoch – bei aller gesanglichen
    Qualität - schwer, sich bei Yasuko Hayashi eine fünfzehnjährige Liebende vorzustellen.
    Ihre Darstellung passt bei der erwachseneren, tragischen Butterfly im zweiten
    Akt besser. (Allerdings wird es nirgendwo eine fünfzehnjährige geben, die diese
    Partie wird meistern können. Da hat Puccini eine nahezu unmöglich zu
    realisierende Angabe im Libretto.) Ein Sonderlob bei den Sängern gebührt
    Ernesto Gavazzi, der einen herrlich unterwürfig-schleimigen Goro gibt. Lorin
    Maazels klares, strenges Dirigat passt ausgezeichnet zu dem Bühnengeschehen.


    Fazit: Eine BUTTERFLY mit exotischem Bonus, die man interessiert, jedoch auch distanziert verfolgt.