Richard WAGNER: DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG (Bayreuth 1999)

  • Wagner: DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG (Bayreuth 1999)





    Hans Sachs - Robert HOLL


    Veit Pogner - Matthias HÖLLE


    Eva - Emily MAGEE


    Sixtus Beckmesser - Andreas SCHMIDT :yes:


    Walther von Stolzing - Peter SEIFFERT :jubel:


    David - Endrik WOTTRICH :yes:


    Magdalene - Birgitta SVENDÉN


    Nachtwächter: Kwangchul YOUN



    Chor & Orchester der Bayreuther Festspiele


    Musikalische Leitung: Daniel BARENBOIM


    Chorleitung: Norbert BALATSCH


    Inszenierung: Wolfgang WAGNER



    Spielzeit: 274 Min.


    Gesamturteil: Befriedigend




    Wolfgang Wagners letzter Inszenierung gelingt es erfolgreich die „Meistersinger“ in einen zeitlosen Rahmen zu stellen und somit einer anrüchigen Deutschtümelei aus dem Wege zu gehen. Die Kostüme der Akteure könnte man als „Mittelalter light“ in freundlichen und überwiegend hellen Farben bezeichnen. Auffälligerweise tragen Pogner und Magdalene im ersten Aufzug Schwarz. Das lässt Magdalene wie eine Witwe wirken und macht sie wirklich alt – ein unangenehmer Kontrast zu David, der in Weiß auftritt. Dieses Paar will hier nicht recht zusammenpassen.


    Die Bühne zeigt im ersten Aufzug den abstrakten in Weiß gehaltenen Ausläufer eines Kirchenschiffs. Im Hintergrund sind dezent Kirchenfenster projiziert. Im zweiten Aufzug zeigt die Projektion verschachtelte Häuserdächer, während Sachsens kleines Haus (links) dem mehrgeschossigen Bau Pogners (rechts) gegenübersteht. Ein gemeinsamer kleiner Platz, von dem zwei schmale Treppen zu Pogners Haus hinaufführen, verbindet die Gebäude. Oberhalb dieser freien Fläche führt eine Gasse hinter den Häusern vorbei. Hieraus ergibt sich ein stimmungsvolles und gut zu bespielendes Bühnenbild. Am Ende des Aufzugs, wenn der verprügelte Beckmesser noch einen sehnsüchtigen Blick zu Evas leerem Balkon wirft, wird ein poetischer heller Vollmond im Hintergrund eingeblendet.


    War das Bild im zweiten Aufzug wirklich gelungen, so finde ich die Schusterstube des dritten Aufzugs absolut langweilig gestaltet: Ein schmuck- und fensterloser weißer Raum, der sich etwas nach hinten verjüngt, steht vor einer großen Rückprojektion, die ein gezeichnetes, verschachteltes mittelalterliches Nürnberg zeigt. Die karge Stube ist mit weißem Mobiliar ausgestattet und erweckt eher Eindruck einer unterirdisch gelegenen Klosterzelle (siehe Titelbild der DVD). Die Festwiese mit den groß über den ganzen Hintergrund eingeblendeten grünen Bäumen schließlich versöhnte mich wieder etwas mit dem zuvor Gesehenen.


    Die Inszenierung selbst läuft recht überraschungsarm ab, wirkt in den ersten zwei Aufzügen recht lebendig, erfährt jedoch in der Schusterstube eine Vollbremsung, um im Schlußbild wieder etwas Schwung zu bekommen. Zwei schöne Einfälle auf der Festwiese verdienen hier besondere Erwähnung: Bei dem Tanz mit den „Mädeln aus Fürth“ lässt Wolfgang Wagner die ganze Festwiese mittanzen und am Schluß macht er ganz deutlich klar, dass hier ausschließlich der Kunst gehuldigt wird: Der Lorbeerkranz, der Walther verliehen wurde, wird von Eva Sachs aufgesetzt. Dieser krönt damit spontan die Fahne der Meistersingerzunft, die von David geschwenkt wird. Wie in seiner letzten Bayreuther Meistersinger-Inszenierung ist Beckmesser bei dieser Aktion ebenfalls mit auf der Bühne.


    Insgesamt ist Wolfgang Wagner diese Inszenierung besser gelungen als ihre Vorgängerin (auf einem DVD-Mitschnitt von 1984 erhalten), aber so richtig befriedigend finde ich sie auch nicht, da auch sie zu „undramatisch“ ausfällt. Vieles zieht sich in die Länge und man steht und sitzt viel herum – vor allem Sachs erweist sich als „Meistersitzer“ (siehe nochmals Titelbild der DVD). Allerdings sind die Massenszenen hier sehr gut gelungen, auch wenn die Produktion insgesamt nicht sonderlich inspiriert wirkt.


    Sängerisch wird diese Produktion eindeutig von Peter Seifferts einmaligen Stolzing dominiert. David und Beckmesser sind mit Endrik Wottrich und Andreas Schmidt, die mit ihren Rollen regelrecht verwachsen sind, ebenfalls ausgezeichnet besetzt. Eva (Emily Magee) und Magdalene (Brigitta Svendén) sind gut, wenn auch nicht überragend. In den kleineren Partien gibt es Roman Trekel (Konrad Nachtigall) und Kwangchul Youn (Nachtwächter) zu hören und sehen – beide Sänger haben ja dann später nicht nur in Bayreuth erfolgreich auch größere Rollen übernommen.


    Problematisch ist in dieser Produktion jedoch die Besetzung der Partien des Sachs und des Pogner. Robert Holl zählt für mich zu den uninteressantesten Interpreten des Sachs, die ich kenne. Irgendwie gelingt es ihm nicht der Rolle irgendein Profil zu verleihen – diesen Eindruck hatte ich schon, als ich diese Bayreuther „Meistersinger“ am Radio verfolgt habe. Er ist zwar anwesend und gibt Töne von sich, aber eigentlich ist mir das als Zuschauer egal – leider. Seine eher weiche Stimme ohne große Dynamik klingt ohne nennenswerte Momente vor sich hin. Hellhörig wird man nur, wenn er irgendwelche gewollten Betonungen setzen möchte oder sich (vor allem im dritten Aufzug) manch Eigenheiten in der Auslegung des Notentextes leistet. Matthias Hölle als Pogner schließlich ist anzumerken, dass er seine beste Zeit schon hinter sich hat…


    Daniel Barenboim zeigt hier trotz eines grundsätzlich ansprechenden Dirigats schon ansatzweise eine Unart, die vor allem bei seinem Studio-Tannhäuser (2002) voll durchschlägt: er neigt mitunter zu abrupten und nicht immer nachvollziehbaren Tempowechseln, die den Sängern das Leben schwer machen können und den Fluß der Musik hemmen oder plötzlich unsinnig beschleunigen. Ich weiß in diesem Zusammenhang übrigens von einem Beteiligten der Produktion, dass es bei einer Aufführung beinahe zu einer Katastrophe gekommen wäre, da es Barenboim lange nicht gelang bei der Festwiese das Orchester und die Sänger zu koordinieren. (Dazu kommt natürlich noch die Tatsache, dass diese Koordination in Bayreuth grundsätzlich schwierig ist.)


    Fazit: Undramatische, streckenweise spannungsarme Inszenierung mit ein paar netten Einfällen garniert. Großer Pluspunkt: Peter Seiffert.