Verwendung von "krummen Taktarten" (Metrum) in den klassischen Gattungen

  • Liebe Mitglieder,
    oft frage ich mich, warum die Verwendung seltenerer Taktarten in den klassischen Gattungen der Musik nicht wirklich verwendet und warum es meist bei den herkömmlichen 4/4 und 3/4 Takten und deren Variation bleibt. Wieso gibt es keine Verwendung vom 5/4, 7/4, 9/8, weitere Arten und deren Kombination? Heutzutage im Jazz und in manchen Rock und Pop Spielarten durchaus gang und gebe, sowie natürlich in extremer Form in der Neuen Musik.
    Ich meine natürlich nicht als eintaktiges Anhängsel, sondern als durchgehende Form eines Satzes oder eines Themas etc. Der 9/8 ist durchaus nicht unüblich (Debussy), aber die Verwendung als "erweiteter 6/8" und nicht als 4/4 mit 1/8 Überhang. Es stellt sich die Frage - Wird es nicht gemacht? - Wird es gemacht, aber nicht bewusst offensichtlich dargestellt? - Oder wird es gemacht und es sticht nicht deutlich heraus? - Kenne ich die Werke nur nicht? Natürlich sitzt man meistens nicht mit der Partitur beim Hören neben der Anlage, aber trotzdem müsste es direkt auffallen und es wäre durchaus ein interessantes Stilmittel.
    Was ist eure Meinung dazu?

  • Hallo Sebastian!


    Gute Frage! Die wenigen bekannten Ausnahmen sind eigentlich genau die, die die Regel bestätigen.


    Am prominentesten ist sicher der 5/4-Takt im zweiten Satz von Tschaikowskys 6. Sinfonie ("Pathétique"), aber auch der "Mars, the bringer of war", der erste Satz der "Planets" von Gustav Holst steht in dieser Taktart. Nach "Take Five" in David Brubeck war nicht gefragt?


    Im 9/8-Takt, den ich gar nicht so exotisch empfinde, gibt es ein berühmtes Präludium für Orgel in C-Dur von J. S. Bach (Präludium und Fuge C-Dur BW 547). Im 9/8-Takt steht auch der "Ritt der Walküren" von Richard Wagner.


    Im 7/8-Takt gibt es eine Toccata für Orgel in D-Dur ("Toccata in seven") von John Rutter und eine in G-Dur von Wolfram ... hüstel ... Strawinskys Feuervogel endet im 7/4-Takt.


    In Bartoks Mikrokosmos müsste man alle denkbaren Taktarten finden. Dort findet man auch irreguläre Akzentuierungen eines 4/4 ( = 8/8 ) Taktes wie 3+3+2 oder 3+2+3. Erinnert an Rhumba, Mambo und Bossa Nova.


    Stravinsky, Copland, Milhaud und andere waren Meister des häufigen Taktwechsels. Auch im Orgelwerk "Litanies" von Jéhan Allain - wie ich Deinen Musikgeschmack kennenlernen durfte, wird es Dir gefallen - gibt es etliche Taktwechsel mit irregulären Metren.


    Sonst fällt mir erst mal nichts ein ...

  • In der "Mass of the Children" von John Rutter, die wir zur Zeit einstudieren, kommen auch solche Stellen vor, ich müsste nur bis zur nächsten Chorprobe warten, um sie zu verifizieren, da ich sie nicht auswendig parat habe. Aber du, lieber Wolfram, hast rutter ja auch schon als Beispiel genannt.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Hallo,


    rechnet ihr dazu auch Stücke in Polyrhythmus? Ich denke da z. B. an Steve Reich "Vermont Counterpoint"; für mich sehr faszinierend.
    Copland muss ich mal sehen, auf welche CDs ich Zugriff habe.
    Bei entspr. Zeit werde ich meine CDs durchsehen, was in Frage kommen könnte.
    Sofort fällt mir aber noch Orff ein, mit seinen "Zwiefachen".

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Danke für eure Antworten! "Leider" fühle ich mich bestätigt. Die Verwendung krummer Takte ist wirklich nicht so häufig. Da könnte vielleicht der ein oder andere Komponist noch einen unentdeckten Zweig der klassischen Musik öffnen.


    Wolfram:
    Der 9/8 Takt ist in seiner Verwendung als Dreier-Takt ("zum Schunkeln") auch gar nicht so abwegig. Interessant und eher jazzig wird dieser Takt, wenn man ihn wie einen 4/4 Viertel behandelt und 1 Achtelnote hinten dranhängt. Das gibt dem Ganzen ein total anderes Grundmuster.
    Aber krass ist, dass die Pathetique von Tschaikowsky ja im zweiten Satz den 5/4 aufweißt. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mich bisher "nur" mit dem Hauptsatz beschäftigt habe. Einen Fehler, den ich unbedingt korrigieren muss.


    William B.A.:
    Und hast du mittlerweile die Taktarten rausgefunden?


    zweiterbass:
    Für Polyrhythmen braucht man ja nicht unbedingt krumme Takte, ich finde es passt aber wunderbar dazu!


    Weiteres Beispiel zu krummen Takten von mir:
    Die Klavierstücke von Stockhausen: 21/4, 34/8, 42/8, 87/8-Takte.
    Wirkt auch komplizierter alles es ist. 21/4 = 20/4 + 1/4 = 5 x 4/4 + 1/4 Takt. Und schon sieht es wieder wesentlich geläufiger aus. Wer es kennt - Frank Zappa "Keep It Greasy" im 21/16 Takt. Möglicherweise hatte Zappa, der ja großer Bewunderer zeitgenössischer Komponisten war, seine Ideen daher... ?(
    Beachtet mal diesen Artikel: http://en.wikipedia.org/wiki/L…n_unusual_time_signatures
    Was es nicht alles gibt..... :D

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  • 5/4 kommt meines Wissen auch vor Tschaikowsky schon ab und an vor, in "exotischen" Stücken. Warum die abendländische Tradition bis Ende des 19. Jhds. kein oder kaum Interesse an krummen Taktarten hatte, weiß ich auch nicht. Es gab ja durchaus Volkstänze, in denen z.B. Zweier- und Dreiertakt kombiniert werden (Zwiefacher) und vereinzelt kommen solche Sachen auch sicher schon im 18. Jhd. vor. Aber eher als "Gag". Auch manche Couranten? wechseln de facto zwischen 3er und 2er.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Warum zum. in der modernen Klassik nicht mehr davon Gebrauch gemacht wird kann ich nicht sagen. Was Klassik und Romantik anbelangt liegt die seltene Verwendung wohl in der Tradition der Periode die aus Vor- und Nachsatz besteht und diese jeweils 4 Takte besitzen um eine gewisse Symmetrie/Struktur zu schaffen bzw. gewährleisten. Jedes andere Experiment hätte wohl vor Allem für damalige Ohren nicht sonderlich Anklang gefunden und wer wollte sichs schon mit dem Publikum verscherzen. ;) Nicht destotrotz wurden ja trotzdem so enige rythmische Rafinessen innerhalb der gängigen Taktformen angestellt so erklärt zB Stefan Schaub bei der Naxos-Reihe sehr gut wie Beethoven im 1.Satz der Eroica ein jeweils zweitaktiges und dreitaktiges Motiv gleichzeitig gegeneinander kontrastieren läßt. (genaueres dazu müßte ich auch erst wieder nachhören)
    lg
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Hallo zusammen,


    was habe ich denn von der Verwendung "seltener Taktarten"?
    Ist es vielleicht ein Ausweis der Qualität der sog. klassischen Musik, dass sie sowas nicht braucht/ nutzen muss?
    Ist es gleichzeitig wichtig für die moderne/ zeitgenössische Musik, weil es Teil ihrer eigenen Kreativität ist?
    Kann es sein, dass die moderne Musik solche Mätzchen braucht, weil sie sonst weniger zu bieten hätte?


    Weil Rutter mehrfach genannt wurde, habe ich gerade den Klav.-Auszug seines Requiems durchgeblättert: es überwiegen die konventionellen, "normalen" Taktarten, meist geradzahlige Viertel; gelegentlich streut er mal einen 5/8-Takt ein, oder 5/8-3/8, um dann wieder bei 2/4 zu landen.
    Mein Eindruck: es ist eine einfache und praktische Lösung, etwas unterzubringen, fertig zu bekommen, noch passend zu machen, weil es im regulären Taktmaß textlich nicht passen würde oder er für den musikalischen Übergang diese "Abkürzung" wählt.


    | | FERMATE | |


    Was mich immer wieder fasziniert ist das musikalische, rhythmische Glatteis, auf das man von klassischen Komponisten in ganz und gar konventionellen Taktarten geführt wird und wo man "rausfliegt", wenn man nicht mitzählt und streng im Metrum bleibt. Beim Hören nicht schlimm, ist es doch auch Teil des Genusses, sich mitreißen zu lassen; beim Spielen eine böse Falle, wenn man nicht aufpasst wie ein Schießhund.
    Wer macht sowas mit uns? Beethoven zum Beispiel, in seinen Sinfonien, und auch Brahms sehr gerne. Hier kann man sich mit Beispielsuche gerne anschließen. Ggf. wäre das dann aber ein separater Thread...


    B-e-ste Gr-üß-e
    A-cc-up-han

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

  • was habe ich denn von der Verwendung "seltener Taktarten"?


    Ich weiß nicht, ob die Frage weiterhilft. Ich glaube auch nicht, dass sich Tschaikowsky gefragt hätte, was er im zweiten Satz seiner 6. Sinfonie davon hatte. Es war offenbar das richtige Werkzeug, um das gewünschte künstlerische Ergebnis zu erzielen - nicht mehr und nicht weniger.


    Ist es vielleicht ein Ausweis der Qualität der sog. klassischen Musik, dass sie sowas nicht braucht/ nutzen muss?


    Es ist sicher eine Frage von Tradition ("Was haben meine Lehrer benutzt?") und dem, was die Komponisten interessiert. Wenn nach dem Barock zunächst eine äußere Vereinfachung der kompositorischen Mittel einsetzte (ganz grob: Zurückdrängen der polyphonen Ambitionen, Verringerung des harmonischen Tempos, Primat der Melodie, Suche nach "Einfachheit"), dann gab es wohl wenig Veranlassung, ausrechnet im rhythmischen Bereich innovativ aufzutreten. Die Innovationen geschahen eher im Formalen (Sonatenform) und Spielerisch-Virtuosen (Sinfonia concertante).


    Ist es gleichzeitig wichtig für die moderne/ zeitgenössische Musik, weil es Teil ihrer eigenen Kreativität ist?


    Im 19. Jhd. und danach trachtete man durchaus danach, auf allen Ebenen weitere Ausdrucksmittel heranzuziehen: Einführen von Ventilen für Trompeten und Hörner zwecks Vergrößerung des Tonvorrats, chorischer Ausbau der Holzbläserfamilien (Altflöte, Alt/Tenor-Oboe=Englisch Horn, Hoch-Es- und Bassklarinette, Kontrafagott, Saxophone) und der Blechbläser (Wagnertuben, Basstrompeten, Kontrabassposaunen), Integration neuer Schlaginstrumente, Einbeziehung der Orgel. In der Harmonik möge die Tristan-Harmonik als ein Beispiel für neue Ausdrucksmittel stehen. In der Melodik z. B. Wagners unendliche Melodie gegen die vier- und achttaktigen Modelle der Klassik. - Tschaikowkys 6. ist sicher eine Ausnahme, aber Bartok und Stravinsky und andere sind auf diesem Gebiet systematischer vorgegangen - zum Teil durch Sammlung von Volkstänzen und -liedern, die anregend wirkten. Plötzlich lernte man, dass 3/4 und 4/4 eben nicht gottgegeben sind, sondern dass in manchen Volksmusiken 5er- und 7er-Takte völlig selbstverständlich sind. Mal von indischen Rhythmusmustern ganz zu schweigen ( -> Messiaen).


    Ja, es mag verwandt damit sein, wie es ist, wenn ein Koch ein neues Gewürz entdeckt - natürlich fragt er sich zuerst, was er damit Aufregendes kochen kann. Das ist doch normal! Soll er das Gewürz etwa nicht verwenden, bloß um sich nicht dem Verdacht "alles anders machen zu müssen" zu unterziehen?


    Kann es sein, dass die moderne Musik solche Mätzchen braucht, weil sie sonst weniger zu bieten hätte?


    Ach ja, diese Vermutung hört man auf allen Ebenen, und sie wird durch Variation und Wiederholung nicht besser. Gould spielte angeblich nur anders, weil er anders sein wollte, nicht etwa, weil er sich mit den Stücken auseinander gesetzt hätte. Beethoven musste in seiner 9. Sinfonie endlich etwas anders machen und nahm den Chor. Wagner musste etwas anders machen und verteilte deswegen eine Oper über vier Abende usw. usw. Ich glaube, auf diesem Niveau müssen wir nicht wirklich diskutieren.


    Aber: Das Problem "Wie schreibe ich nach Beethovens 9. noch eine Sinfonie?" das existiert ja nach wie vor und hat nicht nur Brahms belastet. Ich würde das mit dem "etwas anders machen" aber so herum angehen: Wenn ein Komponist eine authentische, ihm eigene künstlerische Leistung erbringt, und um 1870 herum lebt, dann hat er andere Voraussetzungen durch Lebenserfahrungen usw. als Beethoven. Darum wird sein künstlerisches Ergebnis auch in einigen Punkten von Beethovens Ergebnissen abweichen - eventuell sogar in der Wahl der Mittel, wenn sie künstlerisch notwendig sind. (Wäre der Hammer in Mahlers 6. nur ein äußerlicher Effekt, wäre er minderwertig. Aber er hat programmatischen Bezug - darum war er einfach künsterisch notwendig. M. a. W.: Mahler hat den Hammer nicht um der Sensation willen eingeführt, sondern um seiner Idee des Kunstwerks eine Gestalt zu geben .) Wenn er zurück geht auf das, was in seinem Innersten angelegt ist. - Natürlich gibt es immer Fälle der Nachahmung und der negativen Nachahmung (durch "anders machen").


    Der platte Vorwurf "der will ja nur etwas anders machen" ist leicht formuliert, die künstlerische Notwendigkeit (siehe Mahlers 6. und der Hammer) fordert den Kunstrezipienten immer etwas mehr.


  • Ich weiß nicht, ob die Frage weiterhilft. Ich glaube auch nicht, dass sich Tschaikowsky gefragt hätte, was er im zweiten Satz seiner 6. Sinfonie davon hatte. Es war offenbar das richtige Werkzeug, um das gewünschte künstlerische Ergebnis zu erzielen - nicht mehr und nicht weniger.


    Genau darum ging es mir auch, nur bezogen auf die ursprüngliche Frage von SebastianM: hilft die Frage weiter? Warum interessiert sowas?
    (wobei ich diese Fragen offen und nicht kritisch meine!)


    Der platte Vorwurf "der will ja nur etwas anders machen" ist leicht formuliert, die künstlerische Notwendigkeit (siehe Mahlers 6. und der Hammer) fordert den Kunstrezipienten immer etwas mehr.


    Das ist richtig und war mit meiner Frage so gar nicht gemeint. Andererseits brauchen neue Künstler, wenn sie nix anders machen, ggf. gar nichts zu machen...?
    Es ergibt sich aus künstlerischer Notwendigkeit, weil es das richtige Werkzeug ist, sollte aber m.E. nicht Mittel zum Zweck sein - und in diese Richtung hatte ich den Thread anfangs verstanden.


    17/8-Grüße
    Accuphan

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

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  • kurzstueckmeister: Hm denn kennt wohl wieder mal keiner. :D Ok ich gebs zu, es ist wohl etwas naiv von meinem Unwissen auf andere zu schließen. :D


    Aber abgesehen von der Diskussion, ob krumme Taktarten jetzt kompositorisch sinnvoll sind, stellt sich auch die Frage warum es eingesetzt wird. Manchmal ergibt sich ein Thema/Motiv etc. ungerade oder wird sowas manchmal "absichtlich" eingesetzt um Werke bewusst komplex zu gestalten. Ich meine, dass sich die Frage für den klassischen Bereich schon erübrigt, da in diesem Thread ja bereits festgestellt wurde, dass wirklich komplexe Taktvarianten in der Regel nicht auftauchen. Anders als im Jazz/Prog Rock/Math Rock etc. wo diese teilweise mathematischen Taktgebilde ja zum guten Ton gehören, möchte man ein anspruchsvoller Künstler sein.

  • Aber abgesehen von der Diskussion, ob krumme Taktarten jetzt kompositorisch sinnvoll sind,


    Ist das nicht eine Scheindiskussion?


    Meint Ihr, Bartok hätte dem ungarischen oder rumänischen Bauern, der ihm ein Volkslied im 5/8 oder 7/8 Takt vorgesungen hat, diese Frage gestellt?


    Hat sich Dave Brubeck diese Frage gestellt? Nein, er hat sie beantwortet - und wie!


  • Ist das nicht eine Scheindiskussion?


    Meint Ihr, Bartok hätte dem ungarischen oder rumänischen Bauern, der ihm ein Volkslied im 5/8 oder 7/8 Takt vorgesungen hat, diese Frage gestellt?


    Hat sich Dave Brubeck diese Frage gestellt? Nein, er hat sie beantwortet - und wie!


    Wieso Scheindiskussion? Ich versuche damit beide Lager gegenüberzustellen. Wie immer gibt es Befürworter und Gegner solcher Mittel. Ich persönlich Stimme dir zu und finde solche Mittel, wenn man sie denn geschickt einsetzt, auch hervorragend. Leider wird halt dazu geneigt krumme Takte zu verwenden um es absichtlich kompliziert zu machen. Wenn es homogen wird, wie eben das Paradebeispiel von Brubeck, find ich es hervorragend. :thumbsup:

  • Vielleicht hängt es ja von der Sozialisation ab. Der o. g. ungarische oder rumänische Bauer hat die Lieder vermutlich schon in frühester Kindheit gehört und die Taktart nicht als außergewöhnlich wahrgenommen.


    Genauso nimmt ein Inder die (für uns) komplizierten Tala-Rhythmen vermutlich nicht als außergewöhnlch wahr.


    Interessanter ist schon, dass es mitteleuropäische Hörer geben könnte, die den 5/4-Takt in Tschaikowskys 6. Sinfonie nicht als außergewöhnlich erkennen. Es ist allerdings vortreffllich komponiert!


    Ich stimme Dir zu: Wenn ein "krummer" Takt nur eingesetzt wird, um Komplexität zu erzeugen, ist das fragwürdig. - Brubecks Take Five entstand wohl aus einer Improvisation seines Schlagzeugers mit seinem Saxophonisten. - Es kann etwas Spielerisches haben, einfach mal zu probieren, was in diesen Taktarten ausgedrückt werden kann, und genau so wirkt auch "Take Five" auf mich. Gerade auch das Schlagzeugsolo in der Mitte. "Blue Rondo a la Turk" ( 9/8 = (2+2+2+3)/8 ) finde ich schematischer.

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  • Ist das nicht eine Scheindiskussion?


    Meint Ihr, Bartok hätte dem ungarischen oder rumänischen Bauern, der ihm ein Volkslied im 5/8 oder 7/8 Takt vorgesungen hat, diese Frage gestellt?


    Nein, aber er hat sich gewiß überlegt, ob und wie er die entsprechenden Rhythmen in seiner Musik fruchtbar einsetzen kann. Da ist es eben kein bloßer "Gimmick". Und seither werden "krumme Taktarten" ja auch regelmäßig verwendet.


    Warum das vorher kaum der Fall war, kann man nur spekulieren. Wie oben angedeutet, gab es Tänze, die durchaus ähnliche Unregelmäßigkeiten enthielten (wenn auch nicht so extrem wie bei der Balkanmusik). Vielleicht wussten die Musiker seinerzeit darüber Bescheid und haben entsprechend betont und phrasiert, auch wenn die Notation sich an die üblichen Schemata hielt. Wichtiger scheint mir aber, dass rhythmische Spielchen um ihrer selbst willen im 18. und 19. Jhd. hauptsächlich in Scherzo, Scherzando-Sätzen und vielleicht einigen Finali angemessen gewesen wären. Und da hielt man sich eben lieber an die bekannteren Tanzformen. (Spannungsvolle Verschiebungen wie etwa in der Eroica-Durchführung, wo plötzlich 2/2 statt 3/4 zu herrschen scheint, verlangen in dem klassisch-romantischen Stil m.E., dass die einfache Grundtaktart zunächst klar erkennbar ist.)


    Überdies muss man immer sehen, dass die Notation nicht alles darstellt. Es gibt eine Anekdote, nach der ein anderer Musiker behauptet haben soll, Chopin habe eine seiner eigenen Mazurken gespielt als ob sie in 4/4, nicht 3/4 stünde. Das konnte dieser aber überhaupt nicht nachvollziehen. Anscheinend hat ein von Chopin als völlig natürlich empfundenes Rubato oder was auch immer den anderen Musiker so verwirrt, dass der den Takt nicht erkennen konnte.
    Ein 5/4 klingt beim flüchtigen Hören oft wie ein Walzer, bei dem irgendwas nicht ganz stimmt. Und so wirkt der Tschaikowsky-Satz ja im wesentlichen auch
    Der entscheidende Punkt ist m.E., dass rhythmische Subtilitäten sich nicht nur in ungewöhnlichen Taktarten niederschlagen müssen.


    viele Grüße


    JR

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  • zweiterbass:
    Für Polyrhythmen braucht man ja nicht unbedingt krumme Takte, ich finde es passt aber wunderbar dazu!


    Hallo,
    das ist zwar ein Extrembeispiel, macht aber deutlich, was ich meine:



    Man höre sich dort "Iambic 9 Poetry" an.


    Viele Grüße
    zweiterbass

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  • Hallo,


    als Beitrag außerhalb polyphoner Rhythmen dies:



    Aus dieser CD (oder einer anderen) bitte Nr. 5, "A Jazz Symphony", anhören.


    Antheil schießt nicht nur ein Feuerwerk krummer Taktarten ab, er wechselt dazu auch noch z. T. sehr häufig!


    Der Schluß des Werkes im 3/4-Walzertakt - "ein Super-Gag".


    Takte mitzählen - da streiken meine Fähigkeiten.


    Viele Grüße
    zweiterebass

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  • Im Streichquartett von Debussy ist die Wiederholung des Scherzos (also nach dem Trio) im 15/8-Takt komponiert. Dabei sind je drei Achtel zu einer "großen Zählzeit" zusammen gefasst, de facto ist also ein 5er-Takt zu hören, der - durch gestrichelte Taktstriche erkennbar - stets 3+2 zu teilen ist.

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