Richard Wagner: Götterdämmerung (Stuttgart 2002/2003)


  • Aufnahme Staatsoper Stuttgart, 3. Oktober 2002 und 12. Januar 2003
    Musikalische Leitung: Lothar Zagrosek
    Staatsorchester Stuttgart
    Staatsopernchor Stuttgart (Chorleitung: Ulrich Eistert)
    Inszenierung: Peter Konwitschny
    Bühnenbild und Kostüme: Bert Neumann
    Dramaturgie: Juliane Votteler
    Aufnahmeleitung: Hans Hulscher
    Produzent: Dieter Schickling


    Siegfried: Albert Bonnema
    Gunther: Hernan Iturralde
    Alberich: Franz-Josef Kapellmann
    Hagen: Roland Bracht
    Brünnhilde: Luana DeVol
    Gutrune: Eva-Maria Westbroek
    Waltraute: Tichina Vaughn
    Nornen: Janet Collins, Lani Poulson, Sue Patchell
    Rheintöchter: Helga Rós Indridadóttir, Sarah Castle, Janet Collins


    Bekanntlich wurde der Stuttgarter Ring nicht einem einzigen Regisseur, sondern vieren anvertraut. Nach Joachim Schlömer (Rheingold), Christoph Nel (Walküre) und Jossi Wieler/Sergio Morabito (Siegfried) inszenierte Peter Konwitschny die Götterdämmerung.


    Prolog, 1. Szene („Nornenszene“)


    Schon beim Warmspielen des Orchesters – das Parkett ist bestenfalls zu einem Viertel gefüllt - huscht eine Frau über die Bühne, Typ Putzfrau mit Kopftuch, die so etwas wie einen zusammengefalteten Umzugskarton und eine große gestreifte Stofftasche trägt. Erschöpft und frierend lässt sie sich auf dem Karton nieder und blickt um sich herum, lehnt sich an eine Rückwand, wartet, liest. Eine zweite Frau erscheint, ganz in schwarz, ebenfalls mit Kopftuch und setzt sich zur ersten. Beide streiten um die Tasche der zweiten. Beide machen jetzt eher den Eindruck von Obdachlosen. Die zweite bietet der ersten etwas an, was diese zuerst verschmäht. Doch als sie erkennt, dass es etwas Essbares ist – offenbar ein bereits angebissenes Stück Brot -, greift sie erfreut zu. Eine dritte Frau erscheint, sehr bunt – ballonseidener Jogginganzug billigster Art und Sweatshirt. Stimmen des Orchesters. Parkett und Ränge haben sich mittlerweile gefüllt. Zagrosek erscheint, das Vorspiel zum Prolog beginnt.


    Die drei Frauen auf der Bühne sind die Nornen. Aha. Die dritte Frau reicht der zweiten ein sehr gebrauchtes, wollenes Kleidungsstück. Die zweite (beim Singen merkt man: es ist die erste Norn, und die erste Frau auf der Bühne ist die zweite Norn) zieht an einem Faden, das Kleidungsstück löst sich auf. „So gut und schlimm es geh, schling ich das Seil und singe“ singt die erste Norn, und schlingt sich dabei den Wollfaden um den Hals, als wolle sie sich erhängen. Der Wollfaden ist das „Seil“ der Nornen.


    Die Aussage ist klar: Die Nornen sind völlig heruntergekommen. Die Zeiten, zu denen sie an der Weltesche webten und nächtlich der urweisesten Frau sagten, was sie sieht, sind lange vorbei. Konwitschny bringt es auf den Punkt: Die Nornen beschwören ihre große Vergangenheit als Drahtzieherinnen aller Weltenläufe. Von der Rolle als Macherinnen der Welt sind sie an den Rand der Gesellschaft gestürzt – abgerissen, hungrig, frierend. Ihre Solidarität miteinander ist ein Klischee - Solidarität von Obdachlosen.


    Die dritte Norn malt einen Tannenbaum auf den Umzugskarton – die zweite singt dazu vom Zerhauen des Speeres, vom Fällen der Weltesche und vom Versiegen des Quells. Sie durchlebt noch einmal ganz beklemmend das Schauen der traumatischen Bilder und wickelt den mittlerweile einige Meter langen Wollfaden zu einem Knäuel.


    Die dritte Norn singt von den Scheiten der Weltesche, die um Wotans Saal herum geschichtet sind und entfaltet die Vision vom Weltenbrand und vom Ende der Götter. Dabei wickelt sie weiter den Wollfaden auf.


    Die Nornen amüsieren sich über Loges Geschichte, wie Putzfrauen über die Privatleben ihrer Geschäftsführer klatschen. Hastig packen sie ihre Siebensachen ein, die dritte Norn wickelt den Wollfaden um den Umzugskarton mit dem Bild vom Tannenbaum, d. h., der Weltesche. Die Angst der Nornen kehrt zurück beim Singen vom Fluch. Die Bühne spiegelt die Musik trefflich wieder. Von zwei Seiten zerren die Nornen am Seil – es reißt. Das Bild der Weltesche fällt. Die drei Nornen singen ihr „zu End ewiges Wissen“, als wäre es Bayreuth der 1950er Jahre – links, in der Mitte, rechts auf der Bühne stehend. Ein Inszenierungszitat? Es wird wiederholt werden …


    Die Nornenszene ist schwierig und wird schnell langweilig bei schlechtem Dirigat und allzu mythischer Inszenierung. Beides ist hier nicht der Fall – Konwitschny beleuchtet die Nornenszene nicht vom Weltenschicksal her, sondern aus der Perspektive der Nornen, mit ihrer Verklärung der Vergangenheit, ihrem Abstieg, ihren Ängsten, ihren Traumata, ihrem Spott – sehr schlüssig weist er auf viele Sinnschichten dieser Szene simultan hin, ohne dadurch die Bühne zu überfrachten. All das wird mit szenischer Leichtigkeit durch das Bild der obdachlosen Frauen transportiert. Meisterliche Dichte und Einfachheit.


    Prolog, 2. Szene


    Brünnhilde und Siegfried sitzen einander an einem einfachen Tisch gegenüber. Flammen umgeben das Zimmer. Im Hintergrund ein romantisches wandfüllendes Gemälde mit Fluss, Felsen, Bäumen und Bergen. Brünne und Helm stehen in der Ecke. Siegfried trägt nur ein Fell, Brünnhilde (wohlfrisiert) ein Kleid, das fast als Hochzeitskleid durchgehen könnte. Zwei, die nicht zusammen passen – so der erste Eindruck - und doch als frisch Verliebte nicht voneinander lassen können. Sie scheinen ihr Liebesspiel auf dem Tisch fortsetzen zu wollen. – Dann spielt das Orchester sein Motiv, und Siegfried ärgert sich offenbar darüber, dass er nun fort muss. (Konwitschny kann sehr wohl Partitur lesen und setzt Musik in Bühnenaktion um … soviel zu einem Dauervorwurf der Regietheatergegner.) Siegfried bindet sich Wolfsfelle um die Unterschenkel. Ein Hinweis auf den Sohn des Wölfings?


    Der Austausch von Ring und Pferd wirkt ganz verspielt – Grane ist ein hölzernes Steckenpferd. Siegfried zieht noch Brünnhildes Helm und Brünne an.


    Ein Tendenz Konwitschnys beim Zugriff auf Wagners Bühnenwerke zeigt sich am Steckenpferd sozusagen in Reinform: Er zeigt die Dinge spielerisch, verkleinert, an der Grenze zur Lächerlichkeit und darüber hinaus. Er nimmt den Stücken das Pathos von Festwiesenpomp (Meistersinger), Völkerrettung (Lohengrin) und Schicksalsgöttinnen, indem er dies in ungewohnten Kontexten zeigt. Er beweist: Wagners Texte und Musik bedürfen nicht des hohlen Pathos – sie sind in „kleinerer“ Umgebung nicht weniger wirkmächtig. Und er legt offen, an welchen Bildern unser Herz nur allzu gerne hängt, obwohl sie nebensächlich sind. Manchmal zitiert er alte Bühnengesten – das „Heil“ am Ende der Szene singen Siegfried und Brünnhilde Hand in Hand auf Tisch und Stuhl stehend, dem Publikum in „bester schlechter“ Opernmanier zugewandt. Ganz typisch Konwitschny – es erinnert an die links/Mitte/rechts-Position der Nornen am Ende derer Szene.


    Dunkel wird es wieder in Brünnhildes Raum – wie zu Anfang der Szene. Per Drehbühne verschwindet diese. Eine Front mit vier Fenster dreht sich über die Bühne, dahinter sieht man die spielenden Rheintöchter, dazwischen das Steckenpferd. Siegfried scheint sich mit den Rheintöchtern zu amüsieren – sind die Abenteuer, die er auf dem Weg vom Walkürenfelsen zum Gibichungenhof erlebt, etwa nicht nur ritterlich-heldischer Art? Blitze beim Rheingold-Motiv im Orchester (Ja, Konwitschny kann Partitur … usw.). Dann wird es dunkel.

  • 1. Aufzug


    Zwei Männer – einer hell, einer dunkel gekleidet – erscheinen und heben den Vorhang in der Bühne. - Ein großer, fast leerer Raum. Man sieht einen offenen Dachstuhl mit fachwerkartigen Holzverstrebungen. Es gibt einen Schrank, einen modernen Ledersessel, einen uralten Herd, darauf einen Aschenbecher. Eine Diskokugel an der Decke verweist auf frühere Feiern. Hagen und Gunther tragen schwarzen Einreiher mit Krawatte und Krawattenklammer und goldenen Brillengestellen. Hagen ist etwas legerer mit (im Gegensatz zu Gunther) offenem obersten Hemdenknopf, blauem statt weißem Hemd, gelockerter Krawatte und offener Jacke. Der im Text angedeutete „Halbbruderzwist“ wird ausgelebt. Gutrune, züchtig in hochgeschlossener weißer Bluse und langem schwarzem Rock, beschwichtigt.


    Hagen lümmelt bei der Verlockung Gunters zur listigen Eroberung Brünnhildes im Sessel und zündet sich eine Zigarette an. Nach dem Ertönen von Siegfrieds Horn dreht sich wieder die Bühne. Hagen scheint eine Vision von Siegfrieds Ankunft zu empfangen. Die Bühne dreht sich wieder und zeigt dieselbe Fensterfront wie bei Siegfrieds Rheinfahrt, die nun Fensterfront der Gibichungenhalle ist. Gunther, Gutrune und Hagen schauen aus dem Fenster nach Siegfried. Dieser hat ein Ruderblatt an seinem Steckenpferd angebracht und paddelt gehend im Vordergrund über die Bühne. Scheue, befangene Blicke anfangs, die sich aber mit den ersten Worten in Freundlichkeit auflösen. Gunther öffnet die Türe und lässt eine Treppe hinab – gut geschützt war der Gibichungenhof. Die Bühne dreht zurück zum Innenraum. Man sieht, wie sich Gutrune eifrig umzieht („aufbrezelt“). Im goldenen Abendkleid trägt sie ein Tablett mit Sektgläsern heran. Hagen „vergiftet“ Siegfrieds Sekt. Siegfried scheint völlig ungehobelt, ergreift sein Glas nicht am Stiel, sondern mit ganzer Hand am Kelch – im Gegensatz zu den drei anderen. Mit dieser Polarisierung der äußerlich feinen Gesellschaft der Gibichungen einerseits und dem naturwüchsigen Siegfried andererseits ist Konwitschny in völliger Übereinstimmung mit der ursprünglichen Absicht der Oper „Siegfrieds Tod“ – ein unschuldiger Held fällt den Intrigen der Mächtigen zum Opfer.


    Kaum hat er getrunken, fällt Siegfried in kopulierender Absicht über Gutrune her (in Übereinstimmung mit dem geschriebenem Text), die sich nicht wirklich sträubt – dies noch vor der Frage, wie sie hieße. Gunther und Hagen gefällt’s. – Hagen befreit seine Halbschwester, welche glücklich in den Sessel niedersinkt, von der stürmischen Liebesbezeugung noch ganz außer Atem ist und sich von Hagen nachschenken lässt. Hagen souffliert Gunther beim Bericht vom Walkürenfelsen und schenkt auch Siegfried nach, dabei auf den offenbar hohen Rang des Getränks hinweisend. Siegfried tut so, als ob er den Wert der Flasche erkenne und sozusagen zu den Kennern solcherlei Getränke gehöre. Ein nettes Spiel mit den Attitüden des Publikums.


    Siegfried zerschlägt sein Glas an der Sektflasche und ritzt Gunther und sich selbst, um die Wunden übereinander zu legen. Das folgende Duett singen Gunther und Siegfried dem Publikum zugewandt (wie Siegfried und Brünnhilde ihr „Heil“). Siegfried lässt sein neues Glas – inzwischen von Hagen zugereicht – auf den Boden fallen. Als äußeres Zeichen des Bruderbundes wird Siegfried neu eingekleidet – weißes Hemd, Krawatte, schwarzer Einreiher. Doch so richtig passt es nicht – der Hemdkragen wird nicht umgelegt, der oberste Knopf nicht geschlossen, der Krawattenknoten nicht zugezogen – die Zugehörigkeit zu den Gibichungen bleibt Verkleidung. - Gutrune trägt die Felle Siegfrieds erst am langen Arm – als ob sie Angst hätte, sich daran zu infizieren, doch bei der Abreise Siegfrieds und Gunthers erscheint sie an der Fensterfront in die Felle gehüllt. Die Fenster schließen sich. Hagen singt seinen kurzen Monolog in der Tür anfangs stehend, dann sitzend, am Ende wieder hineingehend, die Tür schließend.


    Während des Zwischenspiels ist die Bühne leer, die Fensterfront wird mit geschlossenen Fenstern gezeigt. Brünnhildes Kammer wird hereingedreht, sie sitzt wie bei Siegfrieds Abschied am Tisch und sinnt und betrachtet den Ring. Sie scheint ein Essen vorbereitet zu haben – für zwei ist gedeckt. – Beim Walkürenmotiv blitzt es.


    Waltraute wird an Seilen von oben herabgelassen – als Dea ex machina in langem schwarzem Rock und in Rüstung. Brünnhilde nimmt ihr Schild und Speer, löst ihre Seile und schwärmt von ihrem Schicksal. Waltraute muss sich mit Macht das Wort erkämpfen, indem sie mit der Faust auf den Tisch schlägt, und berichtet von den Vorgängen in Walhall. Brünnhilde hört nur halb zu, unwillig, aber höflich. Der Bericht von der gefällten Weltesche scheint sie zu erschrecken, doch dann schält sie sich in aller Ruhe eine Frucht, zerschneidet sie und bietet Waltraute ein Stück an, was diese indigniert ablehnt. Brünnhilde greift zu.


    Konwitschny zeigt, dass Brünnhilde ihre Vergangenheit abgelegt hat und „nur-Ehefrau“ geworden ist – das Abendessen ist wichtiger als die große Weltpolitik. Auch das steht ja im Text: „Der Götter heiligem Himmelsnebel bin ich Törin enttaucht“.


    Gelangweilt faltet sie an ihrer Serviette. Als Waltraute auf den Ring zu sprechen kommt, lässt sie den Kopf auf die Tischplatte sinken und bedeckt ihn mit ihren Händen – sie will davon nichts wissen.


    Waltraute will Brünnhilde den Ring mit Gewalt nehmen, doch schafft es nicht. Sie verlegt sich aufs Bitten und sinkt auf Knien in Brünnhildes Schoß, nur um abgewiesen zu werden. Brünnhilde vertreibt Waltraute mit deren eigenen Speer aus ihrem Raum – durchs Feuer – und wirft deren Waffen und ein Stück der Frucht hinterher.


    Siegfried erscheint auf der Bühne durch Verschwinden der Rückwand von Brünnhildes Kammer – die direkt an die Gibichungenhalle grenzte. (Dies wirkte wohl der Tarnhelm … ) Siegfried fühlt sich offenbar unsicher in der ungewohnten Gewandung und frisiert sich erst einmal nach. Kurz sitzen die beiden gegenüber wie im Prolog. Siegfried bringt sich ein letztes Mal optisch in Form und ringt mit Brünnhilde um den Ring. Nach dem kurzen Ringkampf ist er so zerzaust wie in der Gibichungenhalle – das muss live auf der Bühne erst mal so funktionieren! Der Schluss des Aufzugs („Nun, Nothung, zeuge du“) hat ganz konventionelle Personenführung – Siegfried betrachtet dabei sein Schwert und folgt Brünnhilde.

  • 2. Aufzug


    Wieder heben zwei Männer den Vorhang in der Bühne. Hagen sitzt alleine in der Gibichungenhalle, zunächst mit geschlossenen Augen. Von hinten nähert sich etwas, er wendet sich ab, sucht Schutz hinter seinem Kragen. Alberich ist es, der in weißem Gewand naht, als Greis mit riesigen Fingern, wie ein Gespenst. Hagen sinkt nach seinen ersten beiden Dialogbeiträgen rückwärts zu Boden. Bei „Ich und Du“ (Antwort auf Hagens Frage: „Der Ewigen Macht, wer erbte sie?“) interessant: Alberich singt das „Ich“, als ob es dabei bliebe, erst auf Hagens Erschrecken schließt er das „und Du“ an. – Am Ende sinkt Alberich hin – „Sei treu! Treu!“ – Hagen deckt ihn mit dessen Gewand zu – Alberich ist gestorben und kam schon eingangs im Leichengewand daher. Er entschwindet in den Boden, während das Licht des anbrechenden Tages in die Gibichungenhalle fällt. Übrig bleibt ein leeres Tuch. Ein Zitat der Ostergeschichte?


    Siegfried erscheint wieder. Gutrune zeigt sich mit Schürze über dem goldfarbenen Abendkleid, eine Rührschüssel in der Hand. – Hagen zieht sich beim Mannenruf die Jacke und die Krawatte aus und öffnet sein Hemd. Er versteckt sich, wenn die Männer kommen, doch dann fasst er wieder Mut. Einige der Männer waren wohl auch gerade erst dabei, sich ihren schicken Anzug anzuziehen. Mit Fackeln betreten sie die wieder dunkel gewordene Halle. Hagen bricht beim Chor „Groß Glück und Heil“ wieder zusammen, wird von den Männern aufgerichtet und wieder angekleidet. Er scheint betrunken und völlig außer sich. Ansonsten ist diese Szene völlig konventionell.


    Brünnhilde sind die Hände gefesselt. Gunther zieht sie am Strick wie ein Stück Vieh auf die Bühne. Sie fällt mit dem Gesicht nach unten auf den Boden – totale Erniedrigung. – Siegfried, nun auch mit Schürze, mit Gutrune am Arm und dem mittlerweile fertigen Kuchen auf der freien Hand, erscheinen. Gutrune trägt Siegfrieds Schwert, sie wirken wie ein seltsames Hochzeitspaar. Als Gunther den Namen „Siegfried“ erwähnt, schreckt Brünnhilde auf. Sie schwingt ihre Fessel umher bei ihren Anklagen an Siegfried und Gunther. Alle haben Angst vor ihr. Siegfried, von Gunther gedrängt, richtet seine Worte an sie, wirft die Schürze ab und ergreift sein Schwert. Er zerschneidet Brünnhildes Fesseln – oder nutzt sie nur sein Herumgefuchtel mit der Waffe, um sich zu befreien? – Der Hofstaat bedroht Siegfried, als Gunters Ehre in Frage gestellt scheint. Hagen erscheint, wieder korrekt gekleidet. Die Eidesszene spielt sich wiederum völlig konventionell ab. Brünnhilde ergreift am Schluss den Speer und bedroht alle – die Umstehenden weichen kreischend zurück. Siegfried stellt sich zum Schutz hinter Gunther und steht zum Schluss seiner Rede neben Gutrune, die nun gar nicht mehr so glücklich aussieht.


    Alles strömt in die Halle. Brünnhilde bleibt alleine draußen sitzen. Gutrune kommt und bietet ihr vom Kuchen an, was sie verschmäht. Der Rest des Aufzugs bleibt wieder völlig konventionell – jedoch mit großartiger Personenführung. Das Zögern Brünnhildes beim Verrat „träfst du im Rücken ihn“, ihr Erkennen dieses Treuebruchs, Gunthers Nachsinnen im Hintergrund, mit Brünnhildes Fesseln spielend, das alles ist sehr stimmig und kurzweilig inszeniert. Wenn Brünnhilde von Gutrune singt, „die den Gatten ihr entrückt“, wirft sie den Kuchenteller zu Boden. Hagen hält am Schluss Siegfrieds weiße Schürze in der Hand, als wäre als Alberichs Leichentuch. Wiederum konventionell das Singen im Terzett – links/Mitte/rechts. An Schluss erscheint Gutrune im Hochzeitskleid. Sie bringt auch einen Schleier für Brünnhilde mit, die sich diesen sogar aufsetzen lässt. Mit rotierender Diskokugel als Symbol des äußeren Scheins der schönen Feier geht der Aufzug zu Ende.

  • 3. Aufzug


    Beim Vorspiel keine Bühnenaktion, nur das Orchester wird gezeigt. Die drei Rheintöchter könnten auch als Loreleyen auftreten – vollblond. Im Hintergrund strömt ein Fluss, man sieht das Ufergras einer Rheinauenlandschaft. Total konventionell. Interessanterweise sind die Rheintöchter grün gekleidet (in verschiedenen Tönen), nicht blau. Sie scheinen sich eher zu langweilen und liegen herum. – Bei Siegfrieds Hornruf springen sie auf und jauchzen. – Ein Bär tapst vorbei, ängstigt sich und findet Schutz bei den Rheintöchtern. – Jetzt erst sieht man die ganze Bühne: Die Rheinszene ist eine Bühne auf der Bühne, das Ganze macht den Eindruck eines Schaufensters mit Rheintöchtern darin … Siegfried tritt auf, mit Anzug und Schwert. Bei weiterer Annäherung entledigt er sich seiner Jacke und seiner Schuhe. Die Rheintöchter ziehen Siegfried zu sich hinab, der Bär wendet sich mit Grausen. Siegfried führt seine Selbstgespräche mit dem Bären – nicht ohne Komik. Wieder ist die Tendenz Konwitschnys zur Entdramatisierung, zur Entmythologisierung der Szene erkennbar.


    Die Rheintöchter tauchen wieder auf und tragen die Kleider der Nornen aus dem Prolog: Jetzt prophezeihen sie Siegfrieds Tod, der Bär hält den Schicksals(woll)faden nebst dem Kleidungsstück, dem dieser entstammt. Siegfried nimmt den Frauen ihre Kopfbedeckungen weg und lehnt die Herausgabe des Ringes ab. Bei den Worten „Nothung zerhaut es den Nornen“ schlägt er mit seinem Schwert nach dem Bären und behält das wollene Kleidungsstück samt Schicksalsfaden. Bei den Worten „Denn Leben und Leib – so werf ich sie von mir“ wirft er es weg. Die Rheintöchtern schlagen mit ihren Jacken nach Siegfried, der sich zunächst lachend mit seinem Schwert verteidigt. Schließlich geht er doch vor ihrem Ansturm in die Knie und will die neue Position nutzen, um unter die Röcke zu blicken, was ihm nicht gelingt. Schließlich verschwinden die Rheintöchtern unter Holzklappen im Bühnenboden.


    Die anderen treten zuerst als überlebensgroße Schatten auf dem Hintergrund der Rheinaue auf. Gerastet wird mit Bier. Gunther steht unfroh in der Ecke, er ahnt wohl, was passieren wird. Beim Erzählen seiner Geschichte nutzt Siegfried die vorhandene Rheintöchter-Bühne. Hagen tötet Siegfried trotz Gunthers Schutzversuchen mit dessen eigenem Schwert von hinten. Gunther hält den sterbenden Siegfried und bedeckt ihn nach Eintritt des Todes.


    Beim Trauermarsch dreht die Rheintöchterbühne ab, es erscheint die Gibichungenhalle, nun jedoch ohne Wände mit Ausnahme der Großprojektion der Rheinaue. Die Mannen blicken starr ins Publikum (vielleicht ein Zitat vom Ende des Chéreau-Ringes?). Die Bühne dreht sich immer weiter – Sinnbild der durch Siegfrieds Tod nun endgültigen vollzogenen Wandlungen: Wotans Wälsungen-Kinder und -Enkel tot, der Speer zerhauen, die Weltesche gefällt, Erda in ewigem Schlaf mit ihren Töchtern, … die Zeitläufte drehen sich weiter, die Weltordnung dreht sich. Schief bleibt die Halle schließlich stehen, alles ist aus dem Lot.


    Gutrune betritt die Halle im Abendkleid mit Schleier und Steckenpferd. Hagen singt seinen „Wacht auf“-Ruf, Gutrune fragt die Mannen nach Siegfried, diese blicken betreten weg. Als die Leiche herbeigeschafft wird, drapiert sie diese mit ihrem Schleier. – Als Hagen den Ring an sich nehmen will, geht das Licht im Zuschauerraum schlagartig an. Die Mannen blicken fragend herum.


    Brünnhilde erscheint wohlfrisiert im roten Kostüm, ein starker Kontrast zum schwarz-grau-weißem Rest, von dem sich nur das goldene Kleid Gutrunes abhebt. Das Beiheft spricht von „Konzertrobe“ und Brechtschem Heraustreten aus der Handlung. Doch noch ist Brünnhilde in das Bühnengeschehen integriert. Die Bühne leert sich aber schnell, und es bleibt der Schlussgesang als Konzertstück bei hellem Raum mit dunkler Bühne.


    Nach ihren letzten Töne fällt der Vorhang. Das Licht geht wieder aus. Die letzten Partituranweisungen (ab „Sie hat sich stürmisch auf das Ross geschwungen …“) werden auf den Vorhang projiziert, es erinnert an „Stars Wars“. Hagens letzte Worte „Zurück vom Ring!“ erklingen via Lautsprecher. - Das Beiheft schreibt: „Am Ende bleiben nur der Text und die Musik. Der Regisseur verweist auf die Partitur: Lies und höre genau!“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

  • Dieser Schwachsinn mit den an den Haaren herbeigezogenen Deutungen bedarf wohl keines weiteren Kommentars. Daran mögen sich andere erfreuen!


    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Dieser Schwachsinn mit den an den Haaren herbeigezogenen Deutungen bedarf wohl keines weiteren Kommentars.Daran mögen sich andere erfreuen!
    Im Gegentum: Diese unflätige Beschimpfung erfüllt nicht allergeringsten Anspruch ernst genommen zu werden und bedarf daher überhaupt keines weiteren Kommentars.


    Ganz im Gegensatz dazu Wolfgangs kenntnisreichen und engagierten Beitrag. Vielen Dank und vor allem: Chapeau !


    Ein paar Anmerkungen:


    Konwitschnys Nornen sind dem Werk gemäß. Sie erzählen ja kaum Neues für die Besucher (außer die 3. Norn) und das fällt ihnen auch zunehmend schwerer, die 2. Norn ermahnt Spinne, Schwester, und singe! oder sie erkennen möglicherweise auch die Sinnleere ihres Tuns ? Dem Besucher werden durchaus eigene Deutungsmöglichkeiten offen gelassen.
    Passt zu den retardierenden Momenten im Orchestersatz.


    ..der Weihnachtsbaum auf den Karton. . die Weltesche hat ihre Bedeutung völlig eingebüßt. Ich denke, in diesem speziellen Fall wird von Konwitschny nichts verkleinert, sondern sehr genau erfasst ...ob es ausgerechnet ein Weihnachtsbaum sein muss, um zusätzlich eine ironische Komponente mit einzuflechten, sei dahin gestellt..


    Zur Siegfried-Brünnhilde Szene bin ich etwas distanzierter, weil mir die vor dir beschriebene Lesart mich zu sehr auf eine bestimmte
    Rezeptionshaltung – die durchaus nachvollziehbar ist – festlegt ... das Steckenpferd ist dagegen offener, weil es ebenso kindliche Charakterzüge Siegfrieds ausdrückt


    Mit dieser Polarisierung der äußerlich feinen Gesellschaft der Gibichungen einerseits und dem naturwüchsigen Siegfried andererseits ist Konwitschny in völliger Übereinstimmung mit der ursprünglichen Absicht der Oper „Siegfrieds Tod“ – ein unschuldiger Held fällt den Intrigen der Mächtigen zum Opfer.
    Das wird bühnentechnisch gut unterstützt, indem die Gibichungen auf erhöhtem Podest weilen, während Siegfried noch vom unterem Level quasi nach „oben“ zu reüssieren versucht, um z.B. mit Gutrune zu schlafen..


    Der Schluss des Aufzugs („Nun, Nothung, zeuge du“) hat ganz konventionelle Personenführung – Siegfried betrachtet dabei sein Schwert und folgt Brünnhilde.
    Ich dachte in dieser Szene weder an sog. „Regietheater“ noch an „konventionell“; folgenden Eindruck:


    Jetzt bist du mein,
    Brünnhilde, Gunthers Braut. -
    Gönne mir nun dein Gemach!


    BRÜNNHILDE
    (starrt ohnmächtig vor sich hin, matt)
    Was könntest du wehren,
    elendes Weib!


    Brünnhilde entledigt sich ihres Schlüpfers, weil sie damit rechnet, zum Beischlaf durch „Gunther“ gezwungen zu werden.
    Aber:
    SIEGFRIED
    Nun, Nothung, zeuge du,
    dass ich in Züchten warb.
    Die Treue wahrend dem Bruder,
    trenne mich von seiner Braut!
    (Er folgt Brünnhilde)


    Siegfried betrachtet eingehend das Schwert.
    Ja, weil er in dieser Nacht nicht mit Brünnhilde schlafen wird. Er ist nämlich stolz darauf, es geschafft zu haben, die Normen, die Regeln, die Konformität der Gibichungenwelt (Treueeid) erfolgreich internalisiert zu haben, was durch den Vergessens-Trank symbolisiert wird.. .. genial von Konwitschny in Szene gesetzt...
    :hello:

  • Kritik


    Durch die Entscheidung der Stuttgarter Intendanz, die Inszenierungen der vier Teile an ebenso viele verschiedene Regisseure bzw. Teams zu vergeben, eröffnete sich für Konwitschny die Chance, die „Götterdämmerung“ frei vom Kontext der anderen Teile zu inszenieren. Diese nutzte er – und wie!


    Es sei bedacht, dass in Wagners ursprünglichem Entwurf das Musikdrama „Siegfrieds Tod“ (die Vorform der „Götterdämmerung“) eine allein stehende Oper war – die drei vorausgehenden Teile waren in der ersten Konzeption nicht vorgesehen. Ferner war es sein Plan, das Stück auf einer Bretterbühne dreimal aufzuführen und dann die Bühne niederzureißen und die Partitur zu verbrennen. Konwitschny hat davon die Bretterbühne übernommen, auf der diese „Götterdämmerung“ zu großen Teilen spielt. Theater im Theater.


    Konsequenterweise interessiert sich Konwitschny nicht für den Göttermythos, der in den ersten drei Teilen des Rings entfaltet wird. Auch die Weltenkatastrophe mit dem Brand von Walhall und dem Untergang des Göttergeschlechts zeigt er nicht – die Partituranweisungen nach Brünnhildes letzten Töne werden quasi als Abspann eingeblendet. Im „Rheingold“ und in der „Walküre“ war die Göttergeschichte zwar handlungstragend, und im „Siegfried“ kam der Mythos immer noch ins Spiel, wenn der Wanderer die Bühne betrat, doch mit dem zerhauenen Speer Wotans ist der Endpunkt der Lichtalbensaga erreicht. In der „Götterdämmerung“ betreten lebendige Menschen die Bühne (was mit Ausnahme des Hunding vorher nicht stattfand), und etwas Neues beginnt. Konwitschny zeigt die „Götterdämmerung“ als Theaterstück – und nichts anderes ist dieses Werk: ein Bühnenfestspiel, aber eben kein Bühnenweihfestspiel. Mit dem Einschweben der Waltraute als „Dea ex machina“ führt er vor Augen, wie fremd die Götter der eigentlichen Handlung geworden sind.


    Wie oft, so vermeidet Konwitschny nicht nur das Überlebensgroße, das Göttliche, das Nicht-von-dieser-Welt-kommende, sondern er verkleinert die Erscheinungsformen von allem, dem ein Hauch von falschem Pathos anhaftet: Die Nornen werden zu Obdachlosen, das Schicksalsseil zum Wollfaden eines sehr gebrauchten Kleidungsstücks, Grane zum hölzernen Steckenpferd, Alberich erscheint als sterbendes Relikt einer längst vergangenen Zeit, die Rheintöchter sind ein lebenslustiges und kontaktfreudiges Damengrüppchen, der Schlussgesang mit seinen textlichen und musikalischen Referenzen auf den Göttermythos wird zur Konzertarie bei dunkler Bühne und hellem Zuschauerraum. Noch einmal: Konwitschny begreift das Werk als Theaterstück – und nicht als Schöpfungsgeschichte oder als heiliges weihevolles Großwerk oder gar als die reinste Emanation einer Kunst-, wenn nicht Weltphilosophie. Das tut dem Stück gut und erlaubt befreite Blicke auf das treffliche Schauspiel, welches da geboten wird.


    Die handwerkliche Beherrschung des Regiefachs zeigt sich nicht nur in der sehr gelungenen und kurzweiligen Personenführung. Sie offenbart sich in kleinsten Details, wie etwa darin, dass die Gibichungen ihr Sektglas korrekt am Stiel halten, Siegfried jedoch den Kelch nach Art des Ungehobelten mit der ganzen Hand umfasst. Diese handwerkliche Arbeit wird da zur Kunst, wo Konwitschny zum Beispiel in der Nornenszene mit ganz wenigen Requisiten – Obdachlosenkleidung, ein Pappdeckel, ein alter Wollpullover - eine mehrschichtige Verdichtung seiner Aussagen erreicht und größte Wirkung mit minimalem Aufwand erzielt. Wie selbstverständlich finden auch die musikalischen Ereignisse im Orchester ihren szenischen Niederschlag auf der Bühne – Konwitschny ist mit der Partitur bestens vertraut.


    Konwitschny bietet eine höchst kurzweilige Götterdämmerung – das alleine macht schon Staunen. Wer hat nicht schon in einer schleppenden Nornenszene die Rheinfahrt herbeigesehnt? Wem wurde nicht schon die Waltrautenszene mangels gestalterischer Intelligenz zu lang? Besonders hervorhebenswert finde ich die Leichtigkeit der Inszenierung, die das Stück dennoch nicht zur buffa macht. Sie ist frei von Pathos, von Übernatürlichem, von mythischem Raunen und kosmischer Bedeutung. Konwitschny zeigt, dass dies alles nicht nötig ist. Darüber hinaus verzichtet er darauf, den Zuschauer zu belehren oder moralisch zu indoktrinieren. Was bleibt, sind viereinhalb Stunden kurzweiliger Wagner. Wunderbar einfach – einfach wunderbar.

    Lothar Zagrosek am Pult vermeidet Extreme jeder Art. Ich halte die Tempi für sehr gelungen. Das Orchester kann mit seinen berühmten Kollegen in Wien, Berlin und New York nicht ganz mithalten, entsprechende Vergleiche sind allerdings immer ungerecht. Albert Bonnema als Siegfried fehlt die letzte Freiheit in der Höhe, dafür erfreut er mit guter Textverständlichkeit. Wünsche bleiben bezüglich einer größeren Vielfalt an Stimmfarben offen. Luana DeVol als Brünnhilde konnte ich weniger genießen. Das liegt vor allem an ihrem Vibrato, das mir ziemlich gegen den Strich ging. Ansonsten bewältigt sie die Partie bis auf einige Vokalverfärbungen sehr achtbar und mit großer Intensität. Roland Bracht als Hagen zeichnet sich durch eine sehr finstere Stimme und reiche Differenzierung aus. Extreme Höhe und Tiefe sind nicht seine Domäne, doch etwa der Mannenruf klingt durchaus gewaltig. Hernan Itturalde singt ausgezeichnet ohne irgendwelche offensichtlichen Schwächen – es ist erfreulich, mal keinen genuinen Wotan in der Rolle des als Figur doch eher schwachen Gunther zu erleben. Eva-Maria Westbroek bietet als Gutrune eine der besten vokalen Leistungen der Aufführung, vielleicht nur überboten durch den herausragenden Alberich von Franz-Josef Kapellmann. Die Ensembles (Rheintöchter, Nornen) sind sehr gut, ausgezeichnet der Chor.


    Fazit: Musik gut, Szene sehr gut.

  • Sorry Wolfram,


    aber ist mir zu mühsam auf Deine Begeisterung im Detail einzugehen.


    Rein gesanglich ist diese Götterdämmerung für mich etwas zum schlechtesten, was ich je gehört habe und dies trotz Zagrosek.


    Und bitte, wie kann man es positiv finden, dass der letzte Teil der Tettralogie mit den vorhergehenden Teilen nichts zu tun hat? Dass Siegfried zur lächerlichen Figur wird, dass wie Du es audrückst "das Überlebensgroße, das Göttliche, das Nicht-von-dieser-Welt-kommende" überhaupt nicht nicht berücksichtigt wird, kurz, dass alles was (für mich!) die "Götterdämmerung" packend macht, ausgespart wird, dass alles "verkleinert" wird?


    Ein Kollege von mir hat diese DVD im Schrank, um unliebsame Besucher abzuschrecken...


    Ein Kompromiss nebenbei gegenüber dem von Amfortas immer wieder (zum Teil zu Recht) negativ apostrohierten Schenk-Ring und dieser "ironisierten" am Gedanken des Werks vorbeizielenden Auffassung wäre übrigens der Lehnhoff-Ring von München unter Sawalllisch, der zusätzlich auch noch mit akzeptablen Sänger aufwarten könnte (Hale, Schunk, Varaday...).

  • Lieber m.joho!


    Rein gesanglich ist diese Götterdämmerung für mich etwas zum schlechtesten, was ich je gehört habe und dies trotz Zagrosek.


    Ich meine, live schon Schlechteres erlebt zu haben, wobei das trügen mag. Stuttgart - obwohl mehrfach Opernhaus des Jahres - ist weder Berlin noch München noch Hamburg. Ich meine, für Stuttgart wäre das sängerisch sehr ordentlich gewesen. Die Zeiten, in denen Windgassen Vater und Sohn in der Württembergischen Staatsoper sangen, sind halt vorbei. - Unter meinen GD-Aufnahmen war das die sängerisch schlechteste, insoweit stimme ich Dir zu.


    Und bitte, wie kann man es positiv finden, dass der letzte Teil der Tettralogie mit den vorhergehenden Teilen nichts zu tun hat?


    Oh - ich habe es lediglich eine Chance genannt und gesagt, dass Konwitschny diese Chance genutzt hat. Es ist eine Chance, Aspekte der GD herauszuarbeiten, die ansonsten im Gesamtkontext unter dem gigantischen Beziehungsgeflecht von Göttersaga und Siegfrieddrama vielleicht eine deutlich geringere Rolle spielen. Etwa der soziale Unterschied von Siegfried und den Gibichungen. Die Traumata der Nornen und ihre Träume von der großen Vergangenheit. Dass nicht nur Wotans, sondern auch Alberichs Zeit vorbei ist.


    Dass Siegfried zur lächerlichen Figur wird, dass wie Du es audrückst "das Überlebensgroße, das Göttliche, das Nicht-von-dieser-Welt-kommende" überhaupt nicht nicht berücksichtigt wird, kurz, dass alles was (für mich!) die "Götterdämmerung" packend macht, ausgespart wird, dass alles "verkleinert" wird?


    Lieber m.joho, wenn das Überlebensgroße und Kosmische für Dich das ist, was dieses Werk packend macht, dann wird Dir diese Inszenierung nicht gefallen. Das ist klar. Mir hat diese Inszenierung gezeigt, dass die GD auch ohne diese Ingredienzien funktionieren kann.


    Ein Kollege von mir hat diese DVD im Schrank, um unliebsame Besucher abzuschrecken...


    Na ja, jeder was er meint ... ich habe einen Bekannten, der unliebsamen Gästen beim ersten Besuch erst einmal einen Knoblauchschnaps anbietet, um "zweite Besuche" zu vermeiden. Ich kam allerdings noch nicht auf die Idee, Besuchern meine DVDs vorzuspielen. Erinnert mich irgendwie an das endlose Zeigen von Urlaubsfotos in den 1960ern und 1970ern ... :D

  • Mir gefällt, wie engagiert und genau Wolfram die GÖTTERDÄMMERUNG aus Stuttgart beschrieben hat. Auch wenn sein Text für meinen Geschmack etwas zu apodiktisch ist, ich finde ihn interessanter als die Auffühung selbst, die ich aber auch nur von der DVD kenne, nicht aus eigener Anschauung. Ich möchte sie nie wieder sehen. Warum sollte Wolfram nicht Gefallen daran finden? Es ist ungerecht, ihn deshalb anzugehen. Ich weiß nicht, ob ich mich jetzt hier in die Nesseln setze, ob überhaupt erlaubt ist, was ich hinzufügen will: Wenn jemand die DVD-Ausgabe haben möchte, der soll sich bei mir melden. Die Moderatoren können bestimmt einen Mailkontakt herstellen. Mein Exemplar gebe ich gern ab - kostenlos natürlich. Als Geschenk für jemand, der mehr damit anfangen kann als ich.


    Rüdiger

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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