Parsifal in Zürich, besuchte Vorstellung: 5.7.11

  • Um es vorwegzunehmen: der neue Zürcher PARSIFAL ist eine musikalische Spitzenleistung und in der Besetzung Hampson (Amfortas), Salminen (Gurnemanz), Silins (Klingsor), Stuart Skelton (Parsifal!), Naef (Kundry, sängerisch auf sehr hohem Niveau. Dank Gattis Unterstützung aus dem Graben hatten es die Sänger etwas leichter als anderswo, obwohl sich diese Sängercrew wohl auch sonst mühelos durchgesetzt hätte. Der erste und der dritte Aufzug gehörten ganz Matti Salminen, der für die Rolle des Gurnemanz noch einmal seine gesamte langjährige Erfahrung einbringt. Salminen, der diesjährige Träger des Zürcher Festspielpreises, fasziniert noch immer mit klar fokussierter Linie sowie unnachgiebiger Kraft und besitzt eine Abgeklärtheit, die seine Interpretation zurzeit unerreicht macht.
    Eine echte «Trouvaille» im ausgetrockneten Wagner-Sängerangebot ist Stuart Skelton in der Titelrolle. Seine Stimme hat Kraft, ist sonor in der Tiefe und strahlend in der Höhe. Thomas Hampson liefert eine glänzende Studie als leidender Amfortas, sein «Erbarmen» geht wirklich zu Herzen.
    Der Glaube versetzt Berge. Vor allem dort, wo die Jammertäler am tiefsten sind. Je größer die Not, desto dringender das Bedürfnis nach Erlösung. Wie die Erlösung oder der Erlöser aussehen mag, davon haben die Verzweifelten oft keine – oder nur wolkig-nebulöse Vorstellungen. Ob die tatsächliche oder vermeintliche Erlösung nun im persönlichen, religiösen oder politischen Bereich stattfindet, wird meist gar nicht mehr unterschieden. Ein Erlöser muss einfach her. Nicht umsonst spielen Verfolgungs- und Erlösungsfantasien sowie deren Behandlung in der Tiefenpsychologie eine wichtige Rolle. Und genau diesen Ansatz wählt Regisseur Claus Guth bei seiner Inszenierung von Richard Wagners Parsifal am Zürcher Opernhaus. Eigentlich ein unappetitlicher Ansatz: Entscheidend ist ihr gemeinsames Wissen darum, wohin diese Gralswelt steuert: Dort steht Parsifal – inzwischen in Stiefeln und schmucker Uniform – auf der Empore, neben sich den Minister Gurnemanz und unter sich die Menge der Gralsritter, die dem neuen Erlöser zujubeln. Eigentlich unappetitlich. Weshalb muss ich mir den Parsifal, den ich mittlerweile 40 Jahre kenne und in vielen Aufführungen verinnerlicht habe, immer wieder mit Nazi- und 3. Reich-Symbolik erklären lassen?

  • Zitat

    Eigentlich unappetitlich. Weshalb muss ich mir den Parsifal, den ich mittlerweile 40 Jahre kenne und in vielen Aufführungen verinnerlicht habe, immer wieder mit Nazi- und 3. Reich-Symbolik erklären lassen?

    Ja, lieber Arlecchino, das frage ich mich auch schon lange. Aber das werden uns schon einige Mitglieder des Forums - wenn auch für uns kaum zufriedenstellend - erklären wollen. Warten wir's ab.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Lieber Arlecchino,


    Tja, da hätten wir in der Pause ja geimeinsam ein Cüpli nehmen könne. Irgendwie lief da in den Pausen auch einer rum, dessen Gesicht mir bekannt vorkam.


    Ich kann Arlecchino im Grossen und Ganzen nur zustimmen. Musikalisch war der Abend hervorragend, auch wenn mir persönlich die Tempi von Gatti etwas grenzwertig waren. Ich mag es doch etwas zügiger.


    Die Inszenierung ist deutlich besser, durchdachter und konsistenter als der Tannhäuser im Februar. Leider war mein Eindruck das alles etwas rechtslastig auf der Bühne war. Da ich nur einen günstigen Platz in der Loge hatte, musste ich meinen Hals ganz schön verbiegen.


    Vielleicht sehen wir uns dann in der nächsten Saison bei den Meistersingern. :D

    Grüsse aus Rhosgobel


    Radagast