1. Aufgabe einer Opernaufführung ist es, beim Publikum die von Librettist und Komponist beabsichtigte Wirkung in bestmöglicher Weise zu erzielen.
2. Die bloße Umsetzung der in der Partitur enthaltenen textlichen, musikalischen und szenischen Anweisungen gewährleistet noch nicht in jedem Falle, dass die von Librettist und Komponist beabsichtigte Wirkung beim heutigen Publikum erzielt wird.
Denn die Partitur sowie das darin enthaltene Libretto und die szenischen Anweisungen waren lediglich ein Mittel, um beim Publikum der Zeit der Uraufführung die beabsichtigte Wirkung zu erzielen. Sie waren auf diese Zeit und den soziokulturellen Kontext abgestimmt und sind kein Selbstzweck.
3. Aus den ersten beiden Thesen ergibt sich, dass es notwendig erscheinen kann, bei einer Aufführung für ein heutiges Publikum andere Mittel zu wählen, als Librettist und Komponist dies in ihrer Zeit für ihr Publikum taten.
Die Beweislast für die künstlerische Notwendigkeit bzw. die Aufgabe der Rechtfertigung liegt dabei stets bei demjenigen, der den Eingriff in das Werk vornimmt. Maßstab für die Legitimität ist die tatsächlich erzielte Wirkung.
Kündigt das Publikum in großer Zahl seine Abonnements, so kann dies in den meisten Fällen nicht als Absicht von Komponist und Librettist gelten.