Interpretationen für die Zeitgenossen - oder für die Nachwelt ?

  • So dumm wie die Frage klingt ist sie gar nicht.
    Denn es ist eine Entscheidung die jeder Interpret, der Tonaufnahmen macht entscheiden muß.
    Früher - in Zeiten das die Schallaufzeichnung noch nicht erfunden war, war das ganz einfach: Ein berühmter Interpret wurde vom zeitgenössischen Publikum bejubelt, irgendwann wurde sein Ruf legendär - und dieser Ruf lebte in der Nachwelt fort - bzw erreichte er bald übernatürliche Ausmaße.
    Seit Einführung der Schallaufzeichnung wird die Interpetation erbarmungslos aut Tonträger festgehalten. Legenden werden in späterern Generationen geboren oder demontiert, je nach Zeitgeist.
    Dirigenten, die man zu Lebzeiten kaum wahrgenommen hatte, erringen oft Jahrzehnte nach ihrem Tod eine ungehörte Aufmerksamkeit, wogegen andere, eins hochberühmte, von der Nachwelt als "altmodisch" oder "überholt" bezeichnet werden...
    Selten - aber doch - gelangen Aufnahmen in den Handel, welche sowohl vom Publikum der Entstehungszeit, als auch von der Nachwelt geschätzt wurden. - Aber das sind Ausnahmen....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Denn es ist eine Entscheidung die jeder Interpret, der Tonaufnahmen macht entscheiden muß.


    Als ob ein Interpret entscheiden könnte, ob seine Mitwelt oder die Nachwelt die Aufnahmen schätzt. Lächerlich. - Es gab schon einige reißerische Threads mit platten Aussagen, aber so langsam wird es peinlich.


    Dirigenten, die man zu Lebzeiten kaum wahrgenommen hatte, erringen oft Jahrzehnte nach ihrem Tod eine ungehörte Aufmerksamkeit, wogegen andere, eins hochberühmte, von der Nachwelt als "altmodisch" oder "überholt" bezeichnet werden...


    Welcher Dirigent, den man zu Lebzeiten kaum wahrnimmt (wie kann er dann ein Orchester leiten - gegen riesige Konkurrenz von Mitbewerbern?), kommt in den Genuss, CD-Aufnahmen machen zu dürfen?


    Selten - aber doch - gelangen Aufnahmen in den Handel, welche sowohl vom Publikum der Entstehungszeit, als auch von der Nachwelt geschätzt wurden. - Aber das sind Ausnahmen....


    Ja, total selten, mir fallen auch wirklich nur ganz wenige ein ... Furtwängler, Klemperer, Szell, Mitropoulos, Bernstein, Karajan, Toscanini, Beecham, Boult, Monteux, Cluytens, Solti, E. Kleiber, C. Kleiber, Serafin, Reiner, Knappertsbusch, Caruso, Callas, Galli-Curci, Melba, Tetrazzini, Schumann-Heinck, Gigli, Björling, Gedda, Domingo (halt - der lebt noch), Ruffo, Battistini, Bastianini, Amato, Tibbett, Warren, Merrill, Pavarotti, Schorr, Hotter, Frick, Pinza, Schaljapin, Christoff, Ghiaurov, Horowitz, Gilels, Swjatoslav Richter, Solomon, Cziffra, Kreisler, Menuhin, Heifetz, Casals, du Pré, Piatigorsky, Feuermann, ...


    ... also wirklich, alles absolute Exoten, ... :hello:

  • Die Interpreten werden grundsätzlich immer ihr Bestes geben. Für mich ist es schlicht nicht vorstellbar, dass sich ein Künstler für die Gegenwart oder Nachwelt entscheidet; ob er sein Bestes zum fraglichen Zeitpunkt parat hat, das ist allerdings eine ganz andere Frage ...


    Die beste Methode ist immer noch - früh sterben, das mehrt den Nachruhm, denn die Nachgebliebenen haben dann die Möglichkeit hochzurechnen, was da noch alles zu erwarten gewesen wäre ...

  • Interpretationen für die Zeitgenossen - oder für die Nachwelt?


    Denn es ist eine Entscheidung die jeder Interpret, der Tonaufnahmen macht entscheiden muß.


    Ist das so? - Das würde ja voraussetzen, dass der Interpret seine Interpretation sehr bewusst auf den rezipierenden Kreis ausrichtet; also nach dem Motto "Möge es dem Publikum gefallen!". Überspitzt formuliert könnte man auch von einer Art der Gefälligkeitsinterpretation sprechen. Abgesehen nun davon, dass der rezipierende Kreis weitestgehend inhomogen ist, d.h. z.B. nicht alle Besucher eines Konzertes "ticken" gleich, denke ich, dass eines der wesentlichen Eigenschaften einer tragfähigen Interpretation es ist, dass sich der interpretierende Künstler in einem Höchstmaß selber einbringt. Dies kann er glaubwürdig doch nur auf Grundlage seines ihm ganz eigenen Werkverständnisses tun. Und dieses wiederum wird letztlich (ich überspringe jetzt einige weitere Faktoren) durch seine eigene Biographie bestimmt. Unsere eigene Biographie jedoch können wir selten glaubwürdig verleugnen.


    Somit kann jede Interpretation, welche Zeitgenossen oder Nachwelt beeindruckt per se nicht für Zeitgenossen oder Nachwelt gemacht sein! q.e.d. :jubel:


    Abgesehen davon hat der Interpret bzgl. der oben angeführten "Nachwelt" das fundementale Problem, diese nur schwer vorausahnen zu können - dies ist m.W. höchtens in Kenntnis und Ausnutzung relativistischer Zeiteffekte möglich und bislang ein zumindest physikalisch eher unsicheres Terrain ;)


    Erste Bonusfrage: Befindet sich eine über die Zeit tragfähige Interpretation eher in der nähe der Rezipienten? Oder her in der Nähe des interpretierten Werkes?


    Zweite Bonusfrage: Ist obige Argumentation auch auf Interpretationen außerhalb des klassischen Musikbetriebes anwendbar?

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Diesen Threads sollten wir schnell zu den Akten legen!


    Warum? Weil er Humbug ist, Schwachsinn würde es noch besser treffen!


    Kein Interpret kann für die Nachwelt schaffen, er weiß ja nicht, was diese Nachwelt gerne hören würde.
    Kein Interpret, den man ernst nehmen kann, musiziert für eine bestimmte Hörerwartung des Publikums


    Ein Interpret ist zunächst einmal dem Werk verpflichtet. Er erarbeitet eine Interpretation, also seine Sichtweise des Werkes vor dem Hintergrund seines Wissens und vor dem Hintergrund seiner musikalischen Erfahrungen. Alles andere ist Scharlatanerie!

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Ich bin nicht der Meinung, daß dieser Thread Humbug ist, denn im Prinzip spricht er einige unbequeme Wahrheiten an.
    Ich werde versuchen einiges hier plausibel zu machen, glaube aber kaum, daß ich hier auf Gegenliebe stoßen werde - Unsere Ansichten über diverse Gepflogenheiten des Musikbusiness (denn um nichts anderes handelt es sich hier) sind zu divergierend.


    Zitat

    Als ob ein Interpret entscheiden könnte, ob seine Mitwelt oder die Nachwelt die Aufnahmen schätzt. Lächerlich. - Es gab schon einige reißerische Threads mit platten Aussagen, aber so langsam wird es peinlich.


    a) Natürlich kann ein Interpret nicht entscheiden , ob seine Nachwelt die Aufnahmen schätzt, die Frage war als ironische Provokation gedacht - dennoch mit einigem Wahrheitsgehalt.
    Denn - mehr als heute - hat man sich in der Vergangenheit der Tonaufzeichnung Gedanken über das Verhältnis zur Nachwelt gemacht.
    So hat man beispielsweise 1900 einige Schallplatten in einer Mauer eines berühmten Baus (Invalidendom ?) für 100 Jahre eingemauert - mit der Absicht sie hundert Jahre später wieder hervorzuholen - unversehrt durch allfällige äussere Einflüsse - und sie so der Nachwelt zugängig zu machen
    (Meines Wissens nach ist das jedoch nie geschehen)
    Karajan - und jegliche Menge Kritiker - sowie sein Publikum war fest davon überzeugt die "ultimative" Lesart für Beethovens Sinfonien gefunden zu haben - eine Aufnahme die für Jahrhunderte künstlerische Maßsstäbe setzte. Karajan zweifelte nicht am künstlerischen EWIGKEITSWERT seine Aufnahmen - sehr wohl jedoch hatte er Angst, die Aufnahmen könnten dereinst aus technischer Sicht veraltet sein, deshalb nahm er sie (und auch anderes) mehrfach auf - immer dem technischen Stand der Zeit entsprechend...
    Culshaw nahm den "Solti-Ring"eindeutig "für die Zukunft" auf (und hat hier ausnahmsweise das angestrebte Ziel erreicht) Dieser Denkweise verdanken wir die für damligie Zeiten superbe Aufnahmetechnik - nichts war zu aufwändig, nichts zu teuer.
    Zuletzt noch der englische Pianist, Clifford Curzon, der seine Aufnahmesitungen dezidiert als "Rendezvous mit der Nachwelt" bezeichnete - und den das deprimierte.
    Man war auch bemüht, Aufnahmen, die ja "Ewigkeitswert" haben sollten möglichst perfekt abzuliefern. Deshalb fanden - als es technisch möglich war - regelrechte Proben- und Schnittorgien statt. Das Ergebnis war weniger ein "künstlerisches" als ein "künstliches" - und führte dazu, daß sich Interpreten vor ihren eigenen Aufnahmen fürchteten, weil sie wussten, daß die auf Platte gebannte Perfektion niemals in der Realität erzielbar war.
    NZumindest noch nicht - denn die nächst Generation versuchte bereits ihr Klavierspiel, etc so zu optimieren, daß es in technischscher Hinsicht nochts zu bemängeln gab.
    Heute weiss man - was man einst bestritten hätte, daß auch die einst für "underveränderbar" gehaltene klassische Musik geschmacklichen Veränderungen unterworfen ist.


    Wenn man mir damit kommt, daß der Künstler nur "dem Werk verpflichtet ist - bzw sich verpflichtet fühlt - dann frage ich mich, woher die geradezu exzessiv verschiedenen Interpretationen der letzten Jahre (die in meinen Augen geradezu ein Zerrbild von allem Bisherigen darstellen) denn kommen ? Entweder hat die heutige Künstlergeneration - oder jene der letzten 70 Jahre - die Werke falsch wiedergegeben.

    Zitat


    Welcher Dirigent, den man zu Lebzeiten kaum wahrnimmt (wie kann er dann ein Orchester leiten - gegen riesige Konkurrenz von Mitbewerbern?), kommt in den Genuss, CD-Aufnahmen machen zu dürfen?


    Er hat natürlich keine CDs aufgenommen - sondern alte Bänder wurden überspielt.
    Soll ich Namen nennen ? Einer für viele: Rene Leibowitz, die Aufnahme wurde für "Readers Digest gemacht - und konnte sich im Schallpalttenhandel und beim Publikum kaum durchsetzen. Dennoch wird sie von einem kleinen Kreis favorisiert....
    Scherchen - Hand aufs Herz - Welcher Klassikladen hat ihn noch in seinem Regal ?
    Die Liste liesse sich fortsetzen



    Zitat

    Warum? Weiler Humbug ist, Schwachsinn würde es noch besser treffen

    !
    Ich bitte nachdrücklich um angemessenere Wortwahl - Ansonsten werde ich scharf und ungemütlich !! X(


    Zitat

    Das würde ja voraussetzen, dass der Interpret seine Interpretation sehr bewusst auf den rezipierenden Kreis ausrichtet; also nach dem Motto "Möge es dem Publikum gefallen!"


    Nun - ich würde sagen - Wer vor vollen Konzertsälen sielen und CDs aufnahmern und verkaufen möchte, der hat wohl keine andere Wahl. Die meisten Interpreten die das Publikum "verändern" oder "belehren" wollten sind nach kurzer Zeit vom Markt verschwunden.


    Man komme mir nun bitte nicht mit den Extrembeispielen, wo Künstler NUR den Publikumsgeschmack bedienen und "populär" sind, bzw vom Plattenlabel als populär erklärt wurden. Nein - eine gewisse künstlerische Grundhaltung ist durchaus schätzenswert - aber natürlich nicht gegen das Publikum.


    Wobei man sich die Frage stellen könnte: Was erwartet die Mehrheit des Klassikpublikums eigentlich ?


    Zitat

    Kein Interpret, den man ernst nehmen kann, musiziert für eine bestimmte Hörerwartung des Publikums


    Das halte ich für eine dem Wunschgedanken folgende - aber realitätsferne Aussage.
    Nur als Beispiel sei hier Herbert von Karajan genannt - der - ob es einigen pass oder nicht - neben Furtwängler prägendste Dirigent des 20. Jahrhunderts. Er traf den zeitgenössischen Publikumsgeschmack genau - und heute - knapp 25 Jahre nach seinem Tode hat er kaum an Strahlkraft eingebüsst.



    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Karajan zweifelte nicht am künstlerischen EWIGKEITSWERT seine Aufnahmen


    Jeder ernst zu nehmende Künstler versucht in jedem Konzert oder mit jeder Aufnahme eine Interpretation vorzulegen, die Bestand hat, die seine momentane interpretatorische Sichtweise des Werkes dokumentiert. Ob nun jeder Künstler gleich so verwegen ist einen Ewigkeitswert seiner Aufnahmen zu unterstellen, nun ich glaube das läßt bestenfalls Rückschlüsse auf das Ego des Künstlers zu und weniger auf die Intention der Aufnahme oder deren künstlerische Qualität.


    Zitat

    Wenn man mir damit kommt, daß der Künstler nur "dem Werk verpflichtet ist - bzw sich verpflichtet fühlt - dann frage ich mich, woher die geradezu exzessiv verschiedenen Interpretationen der letzten Jahre (die in meinen Augen geradezu ein Zerrbild von allem Bisherigen darstellen) denn kommen ? Entweder hat die heutige Künstlergeneration - oder jene der letzten 70 Jahre - die Werke falsch wiedergegeben.


    Hinter dieser Denkweise meine ich erkennen zu können, daß es von einem Werk nur die eine "richtige" Interpretartion geben können. Dies zu widerlegen, sprengt den Rahmen dieses Threads und ist mit Sicherheit in diesem Forum schon häufiger geschehen. Wenn man schon mit "falsch" kommen möchte und provozieren möchte, dann nur zu, denn dann behaupte ich, daß eine der ersten Sichtweisen der Beethoven-Sinfonien, die als "einigermaßen richtig" gelten können, die von Leibowitz und Scherchen sind, weil sie z.B. Beethovens Tempovorgaben ernst genommen haben. Aber hier soll kein Raum für Interpretationsfragen sein, sondern vielmehr über Intentionen von Aufnahmen diskutiert werden! Was ich aber sagen möchte, sowohl ein Furtwängler als auch ein Harnoncourt, ein Böhm als auch ein Brüggen haben z.B. Beethovens Sinfonien dem Werk verpflichtet interpretiert. Dem einen mag das objektiv aber auch subjektiv beurteilt besser oder schlechter gelungen sein, aber sie fühlten sich dem Werk verpflichtet, meine ich in zumindest im Falle der Beethoven-Sinfonien konstatieren zu dürfen.


    Zitat

    Nun - ich würde sagen - Wer vor vollen Konzertsälen sielen und CDs aufnahmern und verkaufen möchte, der hat wohl keine andere Wahl. Die meisten Interpreten die das Publikum "verändern" oder "belehren" wollten sind nach kurzer Zeit vom Markt verschwunden.


    Hm, dann Frage ich mich, warum es einige sehr erfolgreiche Labels gibt, die ausschließlich Neue Musik oder Alte Musik produzieren. Die meisten Komponisten sagen dabei oft auch Kennerpublikum nicht viel, den unbedarften Hörer erwarten im wahrsten Sinne des Wortes unerhörte Klänge, es findet also zwangsläufig eine "Veränderung" und "Belehrung" statt.
    Auch würde ich vermuten, daß Namen wie Harnoncourt, Gardiner, Hogwood, Pinnock, Leonhardt, etc., also eine Musikergeneration, die maßgeblich die historisch informierte Herangehensweise an eine Interpretation aufbrachte und auch "predigte" sehr wohl erfolgreich am Markt positioniert ist. Und dies, obwohl sie zunächst auf große Ablehnung stießen und das "Karajan-Publikum" garantiert nicht auf deren Interpretationen gewartet hat!


    Zitat

    Man komme mir nun bitte nicht mit den Extrembeispielen, wo Künstler NUR den Publikumsgeschmack bedienen und "populär" sind, bzw vom Plattenlabel als populär erklärt wurden. Nein - eine gewisse künstlerische Grundhaltung ist durchaus schätzenswert - aber natürlich nicht gegen das Publikum.


    Nun ich möchte hier auch nicht über Herr Rieu sprechen, aber mir fallen einige Opernarien-Recitals groß er Namen ein, die auch unter diese Kategorie fallen! Und ein Karajan hat vieles seiner Popularität gerade auch in Klassik fernen Kreisen einer geschickten Marketing-Politik zu verdanken, eben indem er zu einer Marke wurde.
    Was mich aber am meisten stört: Wieso darf ein Künstler nur eine bestimmte Grundhaltung haben, wenn sie dem Publikumsgeschmack nicht widerspricht? Wo wären wir denn dann in der Musikgeschichte? Es hätte kein Beethoven gegeben, es hätte kein Strawinsky gegeben, um mal zwei Extrembeispiele zu nennen. Und dennoch hat sich ihre Musik allen anfänglichen Widerständen zum Trotz bereits zu Lebzeiten durchgesetzt!
    Und überhaupt, wer legt fest,welcher Publikumsgeschmack denn zählen soll: der Wiener, der Berliner, der Donaueschinger? Der des Klassik affigen Publikums oder der des Klassik fernen Publikums?


    Zitat

    Das halte ich für eine dem Wunschgedanken folgende - aber realitätsferne Aussage.


    Dann bin ich froh, eine große Anzahl relatitätsferner Musiker zu kennen!


    Und zum Schluß noch folgendes:

    Zitat

    Zitat
    Warum? Weiler Humbug ist, Schwachsinn würde es noch besser treffen
    !
    Ich bitte nachdrücklich um angemessenere Wortwahl - Ansonsten werde ich scharf und ungemütlich !!


    Es handelt sich um eine aus meiner Sicht angemessene Wortwahl, was die aus meiner Sicht obsolete Thematik des Threads betrifft. Ich habe nicht ohne Grund diese drastischen Worte gewählt!
    Daß ich damit niemand persönlich angreife, versteht sich von selbst! Ich hätte nicht für möglich gehalten, dies ausdrücklich erwähnen zu müssen!

  • andernorts:

    Wenn Böhm "glättete. was zu glättem ist" - das gleiche wurde ja Karajan nachgesagt - dann hatte das vermutlich einen Grund.
    Ich vermute hier das Wiener und das Salzburger Publikum. Denn es ist schon eigenartige warum gerade Böhm und Karajan vom Publikum bejubelt wurden (und teilweise noch werden)


    hier:

    Karajan - und jegliche Menge Kritiker - sowie sein Publikum war fest davon überzeugt die "ultimative" Lesart für Beethovens Sinfonien gefunden zu haben - eine Aufnahme die für Jahrhunderte künstlerische Maßsstäbe setzte.


    Also was jetzt - Interpretation für sein Wiener und Salzburger Publikum oder für die Nachwelt?
    :D

  • Karajan - und jegliche Menge Kritiker - sowie sein Publikum war fest davon überzeugt die "ultimative" Lesart für Beethovens Sinfonien gefunden zu haben - eine Aufnahme die für Jahrhunderte künstlerische Maßsstäbe setzte. Karajan zweifelte nicht am künstlerischen EWIGKEITSWERT seine Aufnahmen - sehr wohl jedoch hatte er Angst, die Aufnahmen könnten dereinst aus technischer Sicht veraltet sein, deshalb nahm er sie (und auch anderes) mehrfach auf - immer dem technischen Stand der Zeit entsprechend...


    Das alles ist unbestritten. Es bedeutet aber nicht, dass Karajan sich vor die imaginäre Alternative „Für heute oder für spätere Generationen?“ gestellt gesehen hätte und dann entschieden hätte. Er war wohl eher überzeugt, die definitive Interpretation für alle Zeiten in der Gegenwart abliefern zu können. O-Ton Karajan zu seinem 1977er Beethoven-Zyklus: „Schöner geht es nicht!“ … und darin offenbart sich auch gleich das Missverständnis Karajans, dass Beethoven optimal wiedergegeben sei, wenn alles so schön wie möglich klingt. (Die differenziertere Lesart, dass auch Hässliches seine Schönheit haben kann, kann ich Karajan nicht unterstellen, wenn ich die Aufnahmen höre.)


    Culshaw nahm den "Solti-Ring"eindeutig "für die Zukunft" auf (und hat hier ausnahmsweise das angestrebte Ziel erreicht) Dieser Denkweise verdanken wir die für damligie Zeiten superbe Aufnahmetechnik - nichts war zu aufwändig, nichts zu teuer.


    Mir ist nur bekannt, dass Solti/Culshaw eine bestmögliche Realisierung von Wagners Anweisungen mit allen Mitteln der Technik der Gegenwart anstrebten – mit der Begründung, dass Wagner sich seinerzeit niemals neuen technischen Möglichkeiten verschlossen hätte. Zum Beispiel wurde am Schluss des ersten Aufzugs der Götterdämmerung, wenn Siegfried via Tarnhelm als Gunther auf dem Walkürenfelsen erscheint, dessen Stimme elektronisch abgedunkelt (Equalizer), um sie der Stimme Gunthers ähnlicher zu machen. – Das hat aber nichts mit einer imaginären Alternative „für heute oder für spätere Generationen?“ zu tun. – Dass Solti/Culshaw nur für die Zukunft und nicht für die Gegenwart aufnahmen, möchte ich aus der Erinnerung an die Booklet-Texte bestreiten, lasse mich aber gerne belehren. (Culshaws Buch „Ring Resounding“ sollte die richtige Quelle sein.)



    Das halte ich für eine dem Wunschgedanken folgende - aber realitätsferne Aussage.


    Alfred hat in diesem Forum meines Wissens bisher nur eine oberflächliche Liebe und Beziehung zur Musik gezeigt. Ich will nicht unterstellen, dass er nicht eventuell doch über einen tieferen Zugang verfügen könnte. Aber die Kunstfigur „Alfred Schmidt“, die zeichnet er m. E. als oberflächlichen Musikliebhaber, dem ein paar hübsche Musikstücke genügen, um die Welt als nicht ganz so furchterregend und unangenehm zu empfinden, wie sie ist. – Für diese Kunstfigur ist es plausibel, dass sie dieselbe Haltung auch den berühmtesten Interpreten unterstellt. Von dieser Hypothese ausgehend, müsste man zu folgendem Schluss kommen: Weil Musik für die Kunstfigur Alfred keine Herzenssache, kein Existenzial ist (sondern eine nette Verhübschung des Alltags), unterstellt sie, dies wäre bei allen so – und sie unterstellt, dass diejenigen, die Musik nicht zur Beruhigung und oberflächlichen Erbauung spielen, dies nur um des Skandals willen tun. (Mahler hingegen sagte: „Kunst kommt nicht von Können, sondern von Müssen“.)


    Seine berechnende Art hat die Kunstfigur Alfred ebenfalls mehrmals unter Beweis gestellt. Wenn sie auch diesen Charakterzug anderen unterstellt, so sind ihre Thesen aus ihrer Sicht sehr wohl nachvollziehbar:


    - Musik muss angenehm und beruhigend gespielt werden. Tiefe Emotionen oder gar Verstörung sind völlig fehl am Platze.
    - Wer anders komponiert oder spielt, tut dies nur aus reiner Berechnung um des Aufsehens willen.


    Dieses psychologische Phänomen nennt sich „Projektion“. Wenn der Alfred Schmidt dieses Forums mit seinem hier gezeigten Gebaren tatsächlich eine Kunstfigur ist – wovon ich überzeugt bin, wo sollte ein reiner „Weltverhübscher durch Musik“ die Energie zum Forenbetrieb nehmen? -, dann hat er hier sein psychologisches Meisterstück geliefert. Es ist fast zu befürchten, dass es zu Beimischungen vom künstlichen Alfred Schmidt im Leben und Verhalten des real existierenden kommen könnte.


    Da die gedanklichen Voraussetzungen, nämlich die Annahmen über Komponisten und Interpreten, falsch sind, kann über die Schlüsse, die er zieht, nichts logisch einwandfrei gefolgert werden. Jeder Musiker weiß, wie fehlgeleitet die Annahmen Alfreds sind.


    Bei Alfred kommt erschwerend hinzu, dass er in Wien wohnt und einige der legendären Intrigen gegen Direktoren der Wiener Staatsoper aus nächster Nähe mitbekommen hat. Dass solche Erfahrungen ein merkantil geprägtes Musikerbild bestätigen, erschließt sich mir sofort.


    Natürlich hat es Fälle gegeben, wo Musiker sich dem Publikumsgeschmack anzupassen versuchten – oder dem, was sie dafür hielten. Beniamino Gigli hat ab einer bestimmten Zeit seine Schluchzer vor allem als äußeres Mittel eingesetzt, weil er wusste, dass Teile des Publikums gerade diese besonders liebten. André Rieu liefert eine wunderschöne Pseudo-Klassik-Show für alle ab, die bereit sind, dafür Geld auszugeben - und das sind viele. Über David Garrett wurde in den letzten Wochen genug geschrieben. Was an Nigel Kennedy Masche war und was authentisch, wage ich nicht zu beurteilen. Geige konnte er jedenfalls verdammt gut spielen, obgleich ich noch kein Bach-Solowerk oder Mozart-Konzert von ihm hörte. Das wäre sozusagen die Nagelprobe … in diesen Fällen wäre ich durchaus geneigt, Alfred Recht zu geben: Es ging um den schnellen finanziellen Erfolg und nicht um ein Schaffen für die Ewigkeit. In diesen Spezialfällen liegt die von ihm als allgemein behauptete Alternative vor, und die Schaffenden haben sich für den schnellen Erfolg entschieden.


    Dass ein Musiker, wenn er im Rampenlicht steht, auch in Versuchung ist, dies finanziell ausnutzen – wer wollte ihm das verübeln? Allen voran Herbert von Karajan, aber auch ein Celi hat richtig abkassiert pro Konzert, wenngleich er Aufnahmen bekanntlich ablehnte. Dass eine Netrebko Geld macht, solange dies geht – ok. Das gilt in unserer Welt nicht als verwerflich. Ob ihre künstlerischen Ergebnisse überzeugen, steht auf einem anderen Blatt.


    Ich will auch nicht bestreiten, dass es einen selbstverstärkenden Effekt geben kann, wenn ein Musiker einen bestimmten Zugang zu Musik ausprobiert und darin auf einmal in einer Weise von Publikum und Kritikeria bestätigt wird, wie dies vorher nie der Fall war.

  • Wenngleich ich angesichts des gegebenen Themas nicht gleich von "Schwachsinn" sprechen möchte, so finde ich doch "Humbug" nicht unbedingt das falsche, jedenfalls aber keineswegs zu harte Wort. Vielleicht könnte man auch von Spiegelfechterei sprechen ... Klar ist Alfreds immerwährender und durchaus ehrenhafter Versuch, durch provokante Themen und manchmal gar reisserische Überschriften die Diskussion im Forum anzustoßen; jedoch wo steckt in diesem Thema eigentlich die Provokation? Wo sind die, wie Alfred schreibt, unbequemen Wahrheiten?


    Es ist wohl keine fundamental neue Erkenntnis, dass ein Künstler sich stets im Spannungsfeld zwischen dem eigenen künstlerischen Wollen auf der einen Seite und dem Publikumsgeschmack, dem in einem anderen Thread apostrophierten Mainstream oder schlicht dem notwendigen "Kunst für Brot" auf der anderen Seite bewegt. Interessanterweise wird hierdurch die Frage nach der Interpretation oder allgemeiner der künstlerischen Bedeutung für die Zeitgenossen - oder für die Nachwelt? ersteinmal zumindest nicht direkt berührt; eine differenzierte Betrachtungsweise ist also notwendig, wobei die Gleichungen


    Zeitgenossen = allgemeiner Publikumsgeschmack = Mainstream vs. künstlerische Tiefe = ultimative Lesart = Bedeutsamkeit für die Nachwelt


    zwar naheliegend sein mögen, aber deshalb nicht notwendig richtig sind.


    Ein anderer Punkt, der es mir sehr schwer macht, das Thema an sich zu fassen, ist der Unterschied zwischen dem bildenden Künstler (zu welchen ich neben z.B. Malern und Bildhauern auch Komponisten zähle) und dem wiedergebenden, also interpretierenden Künstler (neben den in diesem Forum im Zentrum stehenden Musikern, Sängern und Dirigenten auch Tänzer, Chreographen und nicht zuletzt Regiesseure, Bühnenbildner u.ä.). Ein wesentlicher Antrieb der bildenden Kunst, d.h. des bildenden Künstlers ist m.E. der Wunsch, bleibendes zu schaffen; die Nachwelt liegt hier durchaus im Fokus. Der interpretierende Künstler scheint mir hingegen oftmals die Zeitgenossen, das Publikum im Blick zu haben. Dies ist nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass gerade der interpretierende Künstler eben nicht nur vom Brot allein, sondern auch vom Applaus "lebt". - Bedauernswert dann im übrigen derjenige, dessen Persönlichkeit an dieser lebensnotwendigen Öffentlichkeit aufgrund innerer Ängste schier zerbricht: etwa ein Carlos Kleiber, der unter schier erdrückendem Lampenfieber gelitten haben soll.


    Das Dilemma des interpretierenden Künstlers liegt vielleicht in der Vergänglichkeit seiner Interpretation unvergänglicher Werke. Was den Bereich der (klassischen) Musik, aber auch z.B. die Filmkunst angeht, konnte dieses Dilemma in den letzten einhundert Jahren mit Hilfe der Technik aufgelöst werden. Früheren Interpreten hat sich, wie Alfred in seinem Ausgangsposting richtig bemerkt, die Frage der Nachwirkung wahrscheinlich garnicht gestellt?!
    Mit der Möglichkeit der Aufzeichnung jedoch steht der interpretierende Künstler gleich vor dem nächsten Problem: Egal, ob gewollt oder nicht gewollt, wird die Interpretation, die (ureigene) künstlerische Sichtweise einem Publikum zugänglich, welches sich ab einem bestimmten Zeitpunkt der eigenen Einflußmöglichkeit entzieht - der Künstler ist Tod, es lebe das Publikum! Oder konkreter: Welchen psychologischen Hintergrund hatte die Weigerung eines Celibidache, Schallplattenaufnahmen zu produzieren?


    All das scheinen mir durchaus interessante Frage, die am einzelnen Fallbeispiel oder in Bezug auf den interpretierenden Künstler im allgemein zu beleuchten sind. - Aber trotzdem, lieber Alfred, weit und breit: Keine Provokation und keine unbequemen Wahrheiten!

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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  • So kurz wie möglich - das Trommelfeuer ist zu dicht um jede einzelen "Kugel" zu entschärfen:


    Zitat

    … und darin offenbart sich auch gleich das Missverständnis Karajans, dass Beethoven optimal wiedergegeben sei, wenn alles so schön wie möglich klingt.


    Diesem Missverständnis folge ich gerne (ebenso wie zigtausende Platten- und CD Käufer der Vergangenheit und der Gegenwart) - vor allem deshalb, weil Karajan zwar "schön" interpretiert, aber die Dynamik immer vorhanden ist. Das "Gewitter" in der Pastorale beispielsweise (ich beziehe mich auf die 1962er Aufnahme) ist wuchtig, bedrohlich, dynamisch hervorragend. Dennoch - es ist hier noch MUSIK die schön ist - erhaben und übermächtig. Nur als Beispiel: Rattle gestaltet diese Stelle als einer der wenigen ebenfalls sehr dynamisch. Der Unterschied liegt meiner Meinung nach darin, dass das Gewitter hier bereits als Imitation der Natur gesehen werden kann - unter Aufgabe der Klangschönheit (selber anhören - mit Worten lässt sich so etwas schwer beschreiben). Ähnlich wie beispielsweise Mozarts Ouvertüre zur "Entführung" von einigen Dirigenten als "türkische Musik" interpretiert wirde, andere jedoch europäische Musik mit türkischem Kolorit anbieten - die Stilisierung wird hier betont, ein "als ob - Effekt"


    Zitat

    Dass Solti/Culshaw nur für die Zukunft und nicht für die Gegenwart aufnahmen, möchte ich aus der Erinnerung an die Booklet-Texte bestreiten, lasse mich aber gerne belehren.


    Naturlich nahm er auch für die Gegenwart auf - aber die Aufnahme sollte zudem als Meilenstein der Tonaufzeichnung in Sachen Ring werden - was ja letztlich auch der Fall war.


    Zitat

    Mahler hingegen sagte: „Kunst kommt nicht von Können, sondern von Müssen“


    Man zitiert heute Mahle gerne wie die "oberste Instanz" - aber in Wien war er unbeliebt und man hat ihn 1907 - ohne große Trauer ziehen lassen.
    hier noch ein Stelle aus Wikipedia:

    Zitat

    Und so war es täglich zu hören, dass er seine Musikanten mißhandelt, sie zu unmenschlicher Arbeit peitscht, schier zu Tode hetzt, und daß ihn alle, wären sie’s nur imstande, am liebsten in einem Löffel Wasser ertränken möchten. Er kuranzt seine Sänger, hieß es, drillt sie wie Rekruten, schaltet mit ihnen wie der Großtürke mit seinen Sklaven


    Zitat

    Natürlich hat es Fälle gegeben, wo Musiker sich dem Publikumsgeschmack anzupassen versuchten


    Danke - aber - von Gigli mal abgesehen - waren alle genannte Beispiele tendenziös.
    Ich nehme hier gerne einmal mehr Karajan her, der bei einer Probe zum Orchester sagte: (ich sah eine Fernsehaufzeichnung - Zitat aus dem Gedächtnis)" Geben Sie ihr Bestes - die Leute haben eine Unmenge Geld dafür ausgegeben......"


    Zitat

    Hinter dieser Denkweise meine ich erkennen zu können, daß es von einem Werk nur die eine "richtige" Interpretation geben können.

    Das ist eine falsche Erkenntnis - allerdings gibt es einen "roten Faden" an den sich Interpreten der Vergangenheit zumeist hielten. Wer das nicht tat, tat das auf eigene Gefahr - und zumeist verschwanden solche Künstler nach kurzer Zeit in der Versenkung.


    Zitat

    Jeder Musiker weiß, wie fehlgeleitet die Annahmen Alfreds sind.


    Zitat

    Bei Alfred kommt erschwerend hinzu, dass er in Wien wohnt


    Zitat


    Musik muss angenehm und beruhigend gespielt werden. Tiefe Emotionen oder gar Verstörung sind völlig fehl am Platze.


    Das ist eine Fehlinterpretation !
    Ich berufe mich einmal mehr auf Karajans Beethovenzyklus.
    Er ist dynamisch hervorragend ausbalanciert, und von "beruhigend" kann keine Rede sein.
    Nehmen wir ein Anders Beispiel her: Ferenc Fricsay dirigiert Mozarts Jupitersinfonie.
    Die Aufnahme hat etwas mehr Attacke als jene von Karl Böhm - wirkt aber nie verstörend.
    Und hier pflichte ich bei - es ist mein Credo:
    Musik sollte unter keinen Umständen "verstörend" sein.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • So kurz wie möglich - das Trommelfeuer ist zu dicht um jede einzelen "Kugel" zu entschärfen:

    Wer sich in Gefahr begibt ;)

    Das "Gewitter" in der Pastorale beispielsweise (ich beziehe mich auf die 1962er Aufnahme) ist wuchtig, bedrohlich, dynamisch hervorragend. Dennoch - es ist hier noch MUSIK die schön ist - erhaben und übermächtig.

    Dem möchte ich widersprechen: Gerade die Dynamik empfinde ich als Karajans größtes Problem. Wuchtig und bedrohlich ja, aber auch schon in dieser frühen Aufnahme für mein Gefühl ausgesprochen "fett". Ich habe gerade einmal vergleichend Norrington mit den London Classical Players und Furtwängler mit den Berlinern aus 1944 dagegen gelegt:
    Bereits der erste Dynamikwechsel bei ca. 0'12'' (bei Norrington einige Sekunden später) wird in beiden Aufnahmen deutlicher, als bei Karajan, wo ich eigentlich keinen Abfall der Lautheit festzustellen vermag (ebensowenig übrigens in der Einspielung aus den 80ern). Vielmehr herrscht bei Karajan für mein Gefühl immer ein gewisses Maß an "Grundlautstärke" vor, was dynamische Ausbrüche naturgemäß erschwert - es sei denn, man wird noch lauter ...

    Nur als Beispiel: Rattle gestaltet diese Stelle als einer der wenigen ebenfalls sehr dynamisch. Der Unterschied liegt meiner Meinung nach darin, daß das Gewitter hier bereits als Imitation der Natur gesehen werden kann - unter Aufgabe der Klangschönheit

    Leider kenn ich die Aufnahme von Rattle nicht, möchte aber quasi zu seiner Ehrenrettung anmerken, dass Beethoven selber in seiner Musik auch nur imitiert, denn anders, als bei seiner - unbenommen großartigen - Darstellung eines Gewitters kommt in der Natur der Blitz vor dem Donner :whistling:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Zitat

    Diesem Mißverständnis folge ich gerne (ebenso wie zigtausende Platten- und CD Käufer der Vergangenheit und der Gegenwart) - vor allem deshalb, weil Karajan zwar "schön" interpretiert, aber die Dynamik immer vorhanden ist


    So,so, die Dynamik ist bei Beethovens Karajan immer vorhanden! Dann empfehle ich mal die Partituren zur Hand zu nehmen und in Karajans Beethoven die Piani zu suchen, ja ich meine Piano und keine Mezzoforte! Und dann gebe es da noch die Sforzati! Die sind zugegebener Maßen auch scwer, wenn die Grunddynamik schon so hoch ist!


    Dann noch die zig tausendsende Platten- und CD-Käufer der Vergangenheit und der Gegenwart: nun auch ein Herr Rieu oder weniger tendenziös die 3 Tenöre mit diversen Areinabenden hatten und haben die. Können soviele Menschen irren?


    Zitat

    Das ist eine falsche Erkenntnis - allerdings gibt es einen "roten Faden" an den sich Interpreten der Vergangenheit zumeist hielten. Wer das nicht tat, tat das auf eigene Gefahr - und zumeist verschwanden solche Künstler nach kurzer Zeit in der Versenkung.


    Auch wenn man es wiederholt, wird es nicht richtiger, siehe meine obige Aufzählung, die sich beliebig erweitern ließe, übrigens auch auf Komponisten!


    Zitat

    Und hier pflichte ich bei - es ist mein Credo:
    Musik sollte unter keinen Umständen "verstörend" sein.


    Musik sollte das sein, was in der Partitur steht! Und da stehen nicht nur schöne Stellen! Und beruht nicht gerade der immens hohe Erfolg des Sacre von Strawinsky auf seiner verstörender, die Zuhörer aufschreckender und aufwühlender manchmal geradezu beängstigender Emotionalität? Übrigens beruht darauf nicht nur der Erfolg des Werkes sondern auch die rüde Ablehnung etwa bei der Premiere!
    Nun wenn wir darüber diskutieren wollen, das erachte ich als nicht obsolet, allerdings hätte es dafür auch nicht dieses Threads bedurft, der in meinen Augen Humbug ist!


    Zitat

    Man zitiert heute Mahle gerne wie die "oberste Instanz" - aber in Wien war er unbeliebt und man hat ihn 1907 - ohne große Trauer ziehen lassen.


    Bei allem Respekt, die Wiener sind auch nicht die "oberste Instanz", auch wenn man das, nicht nur in Bezug auf Musik, dort gerne so sieht. Ich schreibe das bei aller Wertschätzung für die Stadt!


    So und zum Schluß noch das Zitat zu Mahler als Dirigent:

    Zitat

    Und so war es täglich zu hören, daß er seine Musikanten mißhandelt, sie zu unmenschlicher Arbeit peitscht, schier zu Tode hetzt, und daß ihn alle, wären sie’s nur imstande, am liebsten in einem Löffel Wasser ertränken möchten. Er kuranzt seine Sänger, hieß es, drillt sie wie Rekruten, schaltet mit ihnen wie der Großtürke mit seinen Sklaven


    Gut, daß der Adressat Mahler gleich zu erkennen war, sonst hätte ich vermutet, daß wir es hier mit dem Misanthropen Karl BÖHM zu tun haben! Aber vermutlich fallen dessen, euphemistisch formuliert, unkonventiellen Arbeitsmethoden nicht so sehr ins Gewicht, weil sie dem musikalisch Schönen, der musikalischen "heilen Welt" dienen!

  • Zitat

    So,so, die Dynamik ist bei Beethovens Karajan immer vorhanden! Dann empfehle ich mal die Partituren zur Hand zu nehmen und in Karajans Beethoven die Piani zu suchen, ja ich meine Piano und keine Mezzoforte! Und dann gebe es da noch die Sforzati! Die sind zugegebener Maßen auch scwer, wenn die Grunddynamik schon so hoch ist!


    Immer mein Reden und Denken, danke flutedevoix.


    Kann es sein, das wir einen gewissen Grund-Konsenz hier stören?


    Früher waren die unerrreichten Musikgötter, ihr eigenes unabdingbares Ego im Hintergrund, dazu Verkaufserfolg, das Maß aller Dinge, mit dem Anspruch, auch der Nachwelt ein immer gültiges Musikbild zu hinterlassen, angebetet von einer Fan-Schar, mit der Gewissheit, diese Meisterschaft wird keiner mehr erreichen.


    Und wir erdreisten uns, zu kritisieren, mit Interpretationen, die Fragen stellen, die nicht in den geselligen Weinabend passen," so und jetzt nach Mahler der Höhepunkt, am besten nur das Gewitter von Karajan, alles andere könnte ja nur verstören, obwohl er arbeitet ja so wunderbar darauf hin, alles strebt auf diesen Ausbruch hin, jaaaa das ist Beethoven,( auch nach der dritten Flasche Wein)".


    Wenn sich jemand in diesen Anführungszeichen erkennt, wird schlicht nichts von Beethoven begreifen.


    Heute gibt es Interpretationen, die unbequem sind, die Wahrheiten zeigen, die eine Auseinandersetzung fordern und kein "über sich ergehn lassen", z.B. diese gewaltigen Gefühlsausbrüche bei Furtwängler, die eine eigene Meisterschaft bilden, unerreichbar sind, aber im Grunde auch verloren, weil sie nur noch in historsch zu nennden Tondokumenten erhalten sind. Da hilft auch die beste Restauration nichts, Furtwänglers Klang ist für immer verloren, er würde sich vor diesen Kariakaturen der Stimmen seiner Streicher wohl selber grausen, wenn er sie heute hören könnte.


    Ich bin Järvi und den Bremern dankbar, oder Grossmann und dem Ensemble 28, die gezeigt haben, das auch anders geht, die Musik Beethoven`s auch ohne großartige "Gefühlstransformationen" funktioniert, man sehr wohl schnell spielen kann, ohne zu verhudeln. Und mit kleiner Besetzung, die oft die Mängel in der Darstellung durch ein großes Orchester beseitigt, aber auf der anderen Seite natürlich wieder andere Probleme mit sich bringt.


    Diese Probleme im Bezug auf das Werk aufzudecken, erkennen, wo es hakt, auch bei den großen Alten, heißt für mich, Beethoven entdecken. Dieser Umgang mit den Werken Beethoven`s fesselt mich seit vier Jahren und ein Ende ist nicht abzusehen.


    Viele Grüße Thomas

  • Hier wurde davon gesprochen, dass Böhm und Karajan etwas "geglättet" hätten, um damit dem Geschmack eines gewissen Publikums nachzukommen.


    Ich sehe da zwei Ungerechtigkeiten, die ich gerne zurechtrücken möchte:


    1.
    Zunächst finde ich es in diesem Zusammenhang als ungerecht, wenn man sie beide in einen Topf wirft. Ein wesentliches Merkmal des karajanschen Stils war es, einen möglichst perfekten Legatostrom zu erzeugen. Er liebt es, und er verlangte es auch, wenn die Töne übergangslos, also ohne das geringste "Loch ineinander übergingen. Bei der auf DVD erhältlichen Probe mit den Wiener Symphonikern (Schumann, 4. Symphonie) kann man das schön nachvollziehen (die nach dem langen Tutti-Unisono-Ton folgenden Töne)
    Zudem wollte er, dass möglichst jeder Ton bis zum Schluss des Notenwertes und darüberhinaus ausgehalten und durchgezogen wird, was ja den Legatostrom ermöglicht.
    Mit solchen Mitteln ( und natürlich noch viel mehr) gelang es ihm oft, grosse Spannungsbögen zu ziehen.
    Es gibt Musik, bei der diese Mittel sehr gut wirken, aber es gibt auch Stücke, die durch eine solche Musizierweise "zugekleistert" werden. Problematisch bei Karajan ist, dass er seinen Stil als nahezu immer angemessen, als universal einsetzbar ansah, ganz unabhängig von der Musikepoche. Vereinfachend gesagt passte er sich weniger stilistisch den Musikepochen an, als das er epochenunabhängig die Musik stilistisch an dieses Ideal annäherte.
    Bei den Wagner-Vorspielen zu "Tristan und Isolde" sowie "Isoldes Liebestod" kann ich mir dann auch keinen besseren Interpreten als Karajan vorstellen, beim angesprochenen Schumann kann ich diesen Ansatz geniessen, wissend, dass man es auch auf eine mehr detailiert phrasierende Art schön machen kann, bei Mozart indes wirkt es auf mich dann bisweilen als zu wenig transparent und verklebt.
    Beethovens 1. Symphonie, stilistisch noch etwas mit Mozarts Konventionen verwandt, erscheint z.B. vom grossen Klang beschwert und die Zurücknahme der Detaildynamik tut dem Stück m.E. auch nicht gut.
    Dahingegen konnte er mit der 3. 5. und 9. Interpretationen abliefern, die manche für immer noch unerreicht halten, und ich bin einer von denen.
    Hier kommen seine Fähigkeiten, dramatische Spannungsabläufe und Ereignisse in einem strahlenden Klangbild eindrücklich darzustellen, sehr positiv zum Tragen.


    Böhm nun auch als "Glätter" und "Kleber" mit Karajan in einen Topf zu werfen, ist angesichts der vorhandenen Aufnahmen m.E. in den meisten Fällen so nicht haltbar.
    Bei Mozarts Musik werden die Unterschiede deutlich: Böhms Orchesterklang war hier transparenter. seine Artikulationen nicht so verklebt und rhythmisch wurde oft mit einer enorm federnden Präzision musiziert. Seine Kunst bestand auch darin, dass er bei aller Transparenz gleichzeitig einen in sich ausbalancierten Orchesterklang durch seine perfektionistische Probenarbeit erzielen konnte, d.h. einzelne Instrumente oder Instrumentgruppen (wie z.B. der Blechbläser) waren zwar klar hörbar, aber sie stachen nicht markant aus dem Gesamtklang heraus. In vielen Dingen könnte man sagen, dass er die Wiener Klassik und vor allem Mozart und Schubert im goldenen Schnitt, in einer perfektionistischen Balance der verschiedenen Parameter haltend musizierte.
    Extreme Tempi hatten in dieser musikalischen "klassischen" Weltanschauung natürlich keinen Platz, was ich für einen guten Zug halte.
    Wenn Böhm also ein Art Schönklang erzeugte, dann doch mit völlig anderen Mitteln (wie beschrieben) und gegenüber Karajan auch eindeutig unterschiedlich klingenden Resultaten.


    2.
    Ich denke man sollte den beiden grossen Künstlern ( und das waren sie !) nicht indirekt ihr wahres Künstlertum absprechen.
    Ein Interpret klassischer Musik sollte sich mit grossem Ernst der Musik und der Kunst verpflichtet sehen. Das, was aus seiner Erkenntnis und seinem Empfinden heraus in einem Kunstwerk ausgesagt wird, möchte er dem Publikum so eindrücklich und verständlich wie möglich vermitteln. Ein Zuhörer soll bewegt ("gerührt") werden. Dies ist ein alter Grundsatz und Ausdruck aus barocken Schulwerken, der noch nicht an Gültigkeit verloren hat.
    Niemals wird ein wirklicher Künstler so spielen, wie er glaubt, dass es dem Publikum in den (Esels)ohren juckt. Er will nicht die Massen bedienen und im Gegenzug zu dieser Anbiederung wie ein Popstar Geld scheffeln ( dass für Spitzenleistungen auch Spitzengagen verlangt werden, hat damit nichts zu tun)


    Solche Art des zweifelhaften "Künstlertums" gibt es heutzutage ja im Bereich "Musik auf klassischen Instrumenten", Stichwort Wiener Walzer - und hier meine ich nicht das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, nicht wahr!
    Es mag sein, dass so eine Show perfekt und fehlerfrei abläuft, was ja auch eine Leistung ist. Aber wahres Künstlertum ist diese Anbiederung nicht, eher Kunsthandwerk oder Schmierenkünstlertum.
    "Achtung Klassik" ging auch in diese Richtung, wenn auch längst nicht in dieser Tragweite.


    Wahren Künstlern wie Karajan oder Böhm sollte man solche Motivationen besser nicht unterstellen, denn sie hatten ein idealistische, künstlerische Vorstellung.
    Bei dem Einen war es ein warmer und strahlender Klangstrom mit grossen Bögen, beim Anderen eine perfekte Balance und Deutlichkeit in der Vermittlung der Partitur. Das sind sehr noble künstlerische Ziele, die es zu respektieren gilt.
    Gerade wenn man sich Filmportraits ansieht, gewinnt man nicht den Eindruck, dass der Böhm vom Typ her jemand gewesen wäre, der seine Interpretationen am Publikumsgeschmack auch nur im Geringsten versuchte auszurichten. Der hatte schon seine eigenen, sehr genauen Interpretationsvorstellungen und hat wohl keine Umfragezettel auf den Sitzen zu Publikumswünschen verteilen lassen. Wenn man ein und dasselbe Werk in seinen Einspielungen mit den Wiener oder den Berliner Philharmonikern vergleicht, dann stellt man fest, dass es da höchstens im Orchesterklang und in Nuancen naturgemässe Unterschiede gibt. Die Grundzüge sind aber meistens sehr ähnlich, was ja auch für die sehr klare Vorstellung und innere Überzeugung des Interpreten spricht.


    Und natürlich werden solche Interpretationen von einem wirklichen Künstler immer zunächst für den Komponisten und sein Publikum gemacht. Der Interpret setzt sich für einen Komponisten ein und will dessen Musik dem Publikum so eindrücklich und verständlich wie möglich nahebringen. Als Künstler stellt er sich nicht hin und sagt: "Hört her, jetzt zeige ich Euch `mal, was ich Tolles aus dem Schubert machen kann", sondern er sagt (natürlich ohne das er spricht): "Bitte Ruhe! Jetzt hören wir Schubert".
    Wenn er diese Interpretationen dann auf CD oder früher auf Band aufnimmt/aufnahem, dann ist/war zunächst einmal der Wunsch vorherrschend, dem flüchtigen Wesen der Musik ein Schnippchen zu schlagen und eine nur zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhandene, vielleicht unwiederholbare Klänge zu erhalten.
    Hören sollen es dann immer alle, die sich dafür interessieren und diese Musik lieben, egal ob zeitnah oder in 20 Jahren.
    Die Musiker und der Dirigent jedenfalls denken nach der Aufnahme kaum noch an diese, weil sie schon wieder tief in der Arbeit für das nächste Projekt stecken...


    :hello:


    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

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  • Zitat

    Zunächst finde ich es in diesem Zusammenhang als ungerecht, wenn man sie beide in einen Topf wirft.


    Nun, das habe ich nie getan, auch wenn sie beide Glätten. Zwar auf eine andere Weise, aber sie Glätten!
    Auch höre ich bei Karajans Beethoven keine Dramatik, in Ansätzen vielleicht noch beim Zyklus aus den 60ern. Gerade seine Eroica fand ich immer hart an der Grenze zum Einschlafen. Das sollte jetzt aber nicht Thema dieser Diskussion hier sein.


    Zitat

    Ich denke man sollte den beiden grossen Künstlern ( und das waren sie !) nicht indirekt ihr wahres Künstlertum absprechen.


    Das habe ich auch nicht getan. Ich habe nur daraufhingewiesen, daß Karajans Beethoven in meinen Uagen und mit der Partitur vor Augen nicht der "wahre" Beethoven ist.
    Und im Falle Karl Böhms habe ich nur eine Replik Alfreds aufgegriffen, der ja meinte, daß Böhm für sein Publikum aufgenommen habe, den Publikumsgeschmack als Kriterium angesetzt hat. Und da bleibe ich ausdrücklich dabei, wenn dem so war, dann kann ich diesen Dirigenten nicht Mehr Ernst nehmen, dann hat das zumindest in diesen Fällen, in denen das Geschehen ist, nichts mit Kunst zu tun und unterscheidet sich in nichts von Herrn Rieu!
    Zudem stehe ich auch zu meinem Wort, daß man die Finger von einer Aufführung oder Aufnahme eines Werkes lassen soll, wenn man nicht willens oder in der Lage ist, sich dem Werk mit aller zur Verfügung stehenden Kunst zu widmen. Auch da in diesem Falle lasse ich mit mir nicht diskutieren!


    Zitat

    Bei Mozarts Musik werden die Unterschiede deutlich: Böhms Orchesterklang war hier transparenter. seine Artikulationen nicht so verklebt und rhythmisch wurde oft mit einer enorm federnden Präzision musiziert. Seine Kunst bestand auch darin, dass er bei aller Transparenz gleichzeitig einen in sich ausbalancierten Orchesterklang durch seine perfektionistische Probenarbeit erzielen konnte, d.h. einzelne Instrumente oder Instrumentgruppen (wie z.B. der Blechbläser) waren zwar klar hörbar, aber sie stachen nicht markant aus dem Gesamtklang heraus.


    Auch wenn es off topic ist, das kann ich so einfach nicht stehen lassen! Wenn man Böhm nur mit Karajan vergleicht, dann ja, ansonsten nein. Auch bei Böhm höre ich meistens ein non-legato mit diversen Schattierungen, andere Artikulationen? differenzierter Einsatz von Legato? Einen ausbalancierten Orchesterklang kann ich auch nicht ausmachen, im Gegenteil ich höre sehr kompakte Streicher, selten aber wirklich die Bratschen und mit Abstrichen gilt diese Aussage auch für die zweiten Geigen! Die Holzbläser und Hörner dürfen auch ihre Funktion als Farbe, die sie oft habe nicht wahrnehmen, weil sie eben nicht ins Orchester eingebunden werden, sondern einfach nur drüber liegen.
    Ausgewogen sind die Interpretationen, aber Mozarts Musik ohne die Extreme, die in den Partituren stecken, ist einfach nur Mittelmaß. Genau da würde ich Böhms Mozart auch einordnen: mittelmäßig und unauffällig. Daß Aufnahmen anderer Werke anderer Komponisten gibt, wo ich Böhm goutiere, habe ich übrigens auch schon erwähnt.

  • Wenn ich mich richtig erinnere gelesen zu haben, dass sowohl Solti als auch C. Kleiber auf die Frage, was bleibt, wenn sie mal nicht mehr sind, geantwortet haben "Nichts". Aufnahmen für die Nachwelt, da komme ich aber ins Grübeln.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Zitat

    Bei allem Respekt, die Wiener sind auch nicht die "oberste Instanz", auch wenn man das, nicht nur in Bezug auf Musik, dort gerne so sieht. Ich schreibe das bei aller Wertschätzung für die Stadt!


    Das sieht man nicht nur in Wien so - Das sieht die halbe musikalische Welt so.
    Schon Giuseppe Verdi hat dazu ein Statement abgeben (in Bezug auf die Oper) und etliche andere auch.


    Deutschland sieht das natürlich nicht so - und ich verstehe das auch.
    Die Berliner Philharmonker sind - ungeachtet ob ihre musikalischen Leistungen nun gleich gut - schlechter - oder besser sind - was die "Aura" betrifft - im Hintertreffen. Nach Furtwängler waren die wichtigsten Dirigenten des Orchseters die Österreicher Karajan und -vor allem für die Schallplatte - Karl Böhm. Auch unter ihnen waren die Berliner ein den Wiener ebenbürtiges Orchester mit deutschem Eigencharakter. Seit Abbado - und noch mehr unter Rattel ist daraus ein seher guter - aber IMO austauschbarer internationaler Klangkörper geworden. Die Wiener indes haben sich ihr Eigenprofil, ihren Starrsinn und ihren wunderbvaren Klang bewahrt und sind so etwas wie eine Legende. Wer das anders sieht - dem sei das unbenommen. Ich habe erst gestern ein Interview von Karl Böhm gesehen, wo er in etwa meint, die Wiener seien ein schwieriges Orchester, das aber , wenn alles passe weit über sich hinauswachsen können. Sie seien ein homogener Klangkörper, hauptsächlich aus Wienern bestehend, Leute mit gleicher Herkunft, gleichem Blut und gleicher Mentalität. - Ich gehe davon aus, daß sich das zwar ein wenig in Richtung Internationalität verschoben hat - aber nur marginal.


    Zitat

    in denen das Geschehen ist, nichts mit Kunst zu tun und unterscheidet sich in nichts von Herrn Rieu!


    DOCH -hier wird verschwiegen, daß es sich um eine ANDERES Publikum handelt - eine andere Zielgruppe.


    Vielleich ist hier etwas von mir nicht ganz transparent vermittelt worden:
    Wenn ich meinte, der Künsteler habe sich dem Publikumsgeschmack unterzuordnen, so war das in der Hinsicht gemein, daß die Toleranzgrenze des Publikums nicht überschritten werden soll.
    Zwei Beispiele - ein Reales und ein konstruiertes.
    Strawinsky hat bei der Uraufführung seines "Sacre" abrupt gegen den Publikumsgeschmack verstossen - welches darüber so erbost war, daß es die Inneneinrichtung des Saales demolierte.
    Das fiktive - und spekulative - Beispiel: Hätte Järvi seine Interpretation der Beethoven Sinfonien 1970 präsentiert - er wäre vermutlich ausgepfiffen oder ausgelacht worden....


    Interpretationen haben in der Regel immer etwas mit Zeitgeist zu tun


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Das sieht man nicht nur in Wien so - Das sieht die halbe musikalische Welt so.


    Ich rege mal eine Abstimmung im Forum an.
    :D
    (Das gibt's doch in der Forensoftware?)


    Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass "das Wiener Publikum" für irgendetwas eine Instanz sein könnte.
    :S

  • Gerade seine Eroica fand ich immer hart an der Grenze zum Einschlafen. Das sollte jetzt aber nicht Thema dieser Diskussion hier sein.

    Stimmt, aber ich dachte mir, ich setze diesen Link zu einem kleinen Hörbericht von mir vom Mai 2009. Nach dem Hören der CD war ich völlig fertig und aufgewühlt - jedoch keineswegs anesthäsiert. So unterschiedlich kann man Musik hören...



    Zitat
    Ich denke man sollte den beiden grossen Künstlern ( und das waren sie !) nicht indirekt ihr wahres Künstlertum absprechen.


    Das habe ich auch nicht getan.

    Wenn Du im Thread ( nicht nur meinen Beitrag) genau nachliest, dann stellst Du hoffentlich fest, dass ich nicht sage, das DU in der Gefahr stündest, so etwas zu tun..... :pfeif:

    Auch wenn es off topic ist, das kann ich so einfach nicht stehen lassen! Wenn man Böhm nur mit Karajan vergleicht, dann ja, ansonsten nein. Auch bei Böhm höre ich meistens ein non-legato mit diversen Schattierungen, andere Artikulationen? differenzierter Einsatz von Legato? Einen ausbalancierten Orchesterklang kann ich auch nicht ausmachen, im Gegenteil ich höre sehr kompakte Streicher, selten aber wirklich die Bratschen und mit Abstrichen gilt diese Aussage auch für die zweiten Geigen!

    ...mein Vergleich war in erster Linie Karajan/Böhm.
    Dass man von Böhms Aufnahmen nicht die artikulatorischen Feinheiten im Sinne einer sprechenden Vortrags wie bei Harnoncourt aus seinem zeitlichen Kontext heraus erwarten kann, ist klar. Je nach Stück fällt das meiner Ansicht nach aber unterschiedlich schwer ins Gewicht. Bei den Opern z.B. fällt es wohl nicht so sehr ins Gewicht, wie bei der Konzertmusik.
    Die kleine Nachtmusik oder das A-Dur-Klarinettenkonzert finde ich in Böhms Aufnahmen einfach nur herrlich, zum Dahinschmelzen. Dass da irgendetwas unterginge, kann ich nicht finden, aber Transparenz alleine ist nicht das Wichtigste. Auch die gemessenen Tempi finde ich für diese Stücke gerade gut.



    Da es ja in vielen Threads mehr oder weniger direkt angesprochen um die Auseinandersetzung über die wahre Art der Mozartinterpretation geht, mache ich jetzt einmal einen kleinen, immer noch zu pauschalen Versuch eines Vergleichs zwischen dem Wiener Papst des Mozart-Schönklangs und dem (angeblichen) Mozart-Misshandler (auch aus Graz/Wien...), mit dem das ganze Elend der klassischen Musik (angeblich) begonnen haben soll:


    Bei der Zauberflöte ziehe ich den Orchesterpart bei Böhm bei weitem dem vor, was z.B. bei Harnoncourt zu hören ist, das Sängerische ohnehin.
    Damit es nicht ausufert, führe ich das jetzt nicht weiter aus.


    Bei der Jupiter-Symphonie finde ich, dass Harnoncourt die Dualität des männlichen und weiblichen Themenmaterials durch seine affektbezogene Klangrede eindrücklicher erfahrbar macht, während Böhm darüber eher vergleichsweise harmlos und schön hinwegspielt, dabei aber durchaus lebendig, spritzig und perfekt musizieren lässt - kein Vergleich etwa zu Karajans Mozart.


    Böhms Fassung des Minuetts beim 3. Satz der g-moll Symphonie (40) ist mir zu schwerfällig, grob artikuliert und gar nicht elegant, während Harnoncourt (Concertgebouw-Aufnahme) hier etwas ganz wunderbar tänzerisch Bewegtes und Sprechendes macht, und dabei auch den männlich-weiblich-Kontrast zwischen Minuet I und II schön herausarbeitet.
    Harnoncourts letzter Satz dieser Symphonie wirkt mir dahingegen zu kraftlos und langsam, Böhm gefällt mir hier wiederum besser.


    Böhms erster Satz (immer noch 40 g-moll) hat in dem gemessenen Tempo seinen (schubertschen) Reiz, den ich nicht missen möchte.
    Trotzdem finde ich gerade diesen ersten Satz beim viel schnelleren Harnoncourt auch grandios unter die Haut gehend.
    Alfreds Kritik an Harnoncourts "Türkenmusik" (Entführung) kann ich mich anschliessen. Hier wurde einfach in bester Absicht übertrieben, damit auch der Letzte kapiert, dass die gefährlich bösen Türken gemeint sind. Bei Böhm klingt das so, dass man es sich gerne mehr als nur einmal anhören möchte. (Andererseits wurde das Stück ja auch nicht für den wiederholten Genuss auf CDs geschrieben...)


    Deswegen aktzeptiere ich aber nicht den Schluss, dass bei Harnoncourt immer alles so geräuschhaft grausig wie bei dieser Ouvertüre klänge. Das ist dann eben so eine unzutreffende Verallgemeinerung, die zum Widerspruch auffordert, auch wenn es natürlich stimmt, dass Harnoncourts Mozart insgesamt romantisch dramatischer ist, und die Pauken und Trompeten deutlicher hörbar werden, wie auch die weichen Töne weicher als woanders kommen.
    Harnoncourt arbeitete auch intensiv an den schwerer zu erzielenden Zwischentönen, an den Schattierungen, auf die dann wegen der Pauken etc. nicht mehr so viele Leute hören - leider.


    Böhm lässt einem als Hörer mehr die persönliche Freiheit, die Musik auf Abstand oder intensiver zu hören, bei Harnoncourt kannst Du nur mit Haut und Haar mitengagiert sein, oder Du lässt die CD im Regal.
    Beides hat seine Vor- und Nachteile, je nach Gemütslage, und ich möchte weder den einen noch den anderen missen.
    In letzter Zeit greife ich immer häufiger zu Böhms-Aufnahmen.....vielleicht werde ich einfach reifer, gesetzter.....ach wie furchtbar. :D


    So sehe ich das. Mit diesen Pauschalurteilen ( also entweder DER Mozart-Papst, verhässlichender Gegenpapst, oder mittelmässiger Langeweiler, oder....) kann ich nicht viel anfangen, weil sie sich mit meinen Höreindrücken, die mir ein differenzierteres Bild liefern, nicht vereinbaren lassen.
    Die Bezeichnung "Papst" schliesst ja einen Unfehlbarkeitsanspruch mit ein. Ich habe aber noch keinen Musiker getroffen oder auf CD gehört, bei dem man sagen kann: "Nimm beim Komponisten x immer den y, der macht den immer am besten". Noch nicht einmal auf Furtwängler träfe das zu, weil auch der nur ein Mensch war.


    :hello:


    Glockenton

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  • Seit Abbado - und noch mehr unter Rattel ist daraus ein seher guter - aber IMO austauschbarer internationaler Klangkörper geworden. Die Wiener indes haben sich ihr Eigenprofil, ihren Starrsinn und ihren wunderbvaren Klang bewahrt und sind so etwas wie eine Legende. Wer das anders sieht - dem sei das unbenommen.

    Hallo Alfred,


    zu den Wiener kann ich gar nicht informiert genug Stellung nehmen, obwohl ich sie von vielen Tonträgern kenne.


    Zum Klang des BPO hatten wir gestern hier (klick) eine interessante Diskussion, in der ich die Meinung vertrat, dass das BPO bis heute ihren Klang mehr als deutlich zu hören bewahrt haben, was u.a. an ihren neuen Brahms-Symphonien unter Rattle (aber auch Abbado) sehr klar zu hören sei.


    Ich hoffe, Du hast das schon gesehen?



    Zwar bekam ich nicht unbedingt nur Zustimmung, dass dies nun der adäquate Brahms-Klang sei, aber dass es diesen aus Furtwänglers und Karajans Zeiten herrührenden,unverwechselbar vollen und romantischen "deutschen" Klang noch gibt, wurde nicht in Abrede gestellt.
    Am besten man hört in den dort zu findenden JPC-Link hinein, dann dürfte es eigentlich deutlich werden.


    Andere Rezensionen bescheinigen Rattles Brahms-Interpretationen ebenfalls, dass er bei ihnen den typischen Klang des BPOs bewahrt und zum Leuchten gebracht habe.


    :hello:


    Glockenton

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    Dass man von Böhms Aufnahmen nicht die artikulatorischen Feinheiten im Sinne einer sprechenden Vortrags wie bei Harnoncourt aus seinem zeitlichen Kontext heraus erwarten kann, ist klar.


    Richtig ist sicher, daß man das nicht von Böhm erwarten kann. Wenn ich aber Szells Aufnahme mit der 40. von Mozart anhöre, die etwa zeitgleich Ende der 60er (ich meine 68) entstanden ist, dann war das auch damals schon wesentlich differenzierter möglich! Ähnliches gilt übrigens auch für Szells Beethoven-Sinfonien.
    Was mich generell immer wundert, ist, daß man sich damals nur in den seltensten Fällen für die vom Komponisten hinterlassenen Noten interessierte, stattdessen wurde meist aus mehr oder minder dubiosen Ausgaben musiziert. Damit meine ich jetzt nicht nur veränderte Artikulation oder Dynami, z.T. wurde fleißig uminstrumentiert, Oktavversetzungen waren üblich, ja z.T. Wurde einfach ein Bläsersatz hinzukomponiert, wo er fehlte (z.B. Mozart-Requiem, ich meine bei Breitkopf & Härtel). Ich meine, das kann man alles machen (es wurde auch in allen Jahrhunderten gemacht), aber dann sollte man es auch als Bearbeitung und nicht als Mozart verkaufen, nachdem dann viele aufführen!


    Zitat

    Bei der Zauberflöte ziehe ich den Orchesterpart bei Böhm bei weitem dem vor, was z.B. bei Harnoncourt zu hören ist, das Sängerische ohnehin.


    Bleiben wir gerne noch bei Mozart und den Herren Böhm und Harnoncourt. Sängerisch hat die Böhmsche Zauberflöte vor allem einen herausragenden Fritz Wunderlich zu bieten, für mich immer noch der Prototyp eines Tamino, der stimmlich und auch interpretatorisch aber erst neulich durch den Tamino in Jacobs Zauberflöte so etwas wie Konkurenz bekommen hat. Fischer-Dieskau als Papageno bleibt mit seiner professoralen, peußischen Singweise der Figur so ziemlich alles schuldig, Die Sängerin der Pamina findet sich stimmlich und emotional in ihrer Rolle auch nur sehr bedingt wieder, die Königin der Nacht ist solider Durchschnitt, sie schafft die Koloraturen, aber leider mit so viel Mühe, daß die Rachsucht und Drammatik der Arien in Ansätzen stecken bleibt. Harnoncourts Ensemble hat zwar keinen Fritz Wunderlich (leider) aber auch keinen Fischer-Dieskau (zum Glück). Insgesamt halt durchschnittlich, was jetzt nicht abwertend gemeint sein soll.
    Mich stört an der Böhmschen Zauberflöte aber in der Tat auch der Dirigent. Das Orchester läßt jedenfalls in meinen Ohren jede Charakterisierung, jede Affektgestaltung vermissen. Es klingt eigentlich immer gleich wenig konturiert, routiniert.
    Jedenfalls sind schon die einleitenden Akkorde der Ouvertüre nicht bedrohlich, die folgende Fuge ist ein einziger Brei (wenn das die Gelehrsamkeit der Eingeweihten sein soll, dann wundert man sich, warum sie das gute Ende auf ihrer Seite haben). Ich kann auch keinen substantiellen Unterschied zwischen Taminos schwärmerisch-lyrischem"Dies Bildnis ist bezaubernd schön", Papagenos spieloperhaftem leichtem "Der Vogelfänger bin ich ja", den dramatisch-existentiellen Ausbrüchen der Königin der Nacht in "Der Hölle Rachen" oder dem weihevollen "In diesen heiligen Hallen". Das ist einfach nur ein uninspiertes, kapellmeisterliche Dirigat aus dem Operngraben. Ich meine jedenfalls, zu hören, wie oft Böhm zu diesem Zeitpunkt schon die Oper dirigiert hatte. Wenn man diese Ausgeglichenheit und Gemütlichkeit natürlich als typisch Wienerisch ansehen will, dann hat die Aufnahme wenigstens viel Lokalkolorit ;-)
    Nicht, daß bei Harnoncourt alles Gold wäre was glänzt. Er versucht aber den verschiedenen Ebenen der Oper, die sich natürlich musikalisch widerspiegeln, auch klanglich und interpretatorisch Gesicht zu geben, bei seinem Dirigat kann ich in jedenfalls eine deutlicherer Affektgestaltung wahrnehmen.


    Zitat

    Bei der Jupiter-Symphonie finde ich, dass Harnoncourt die Dualität des männlichen und weiblichen Themenmaterials durch seine affektbezogene Klangrede eindrücklicher erfahrbar macht, während Böhm darüber eher vergleichsweise harmlos und schön hinwegspielt, dabei aber durchaus lebendig, spritzig und perfekt musizieren lässt - kein Vergleich etwa zu Karajans Mozart.


    Zitat

    Böhms Fassung des Minuetts beim 3. Satz der g-moll Symphonie (40) ist mir zu schwerfällig, grob artikuliert und gar nicht elegant, während Harnoncourt (Concertgebouw-Aufnahme) hier etwas ganz wunderbar tänzerisch Bewegtes und Sprechendes macht, und dabei auch den männlich-weiblich-Kontrast zwischen Minuet I und II schön herausarbeitet.
    Harnoncourts letzter Satz dieser Symphonie wirkt mir dahingegen zu kraftlos und langsam, Böhm gefällt mir hier wiederum besser.


    Böhms erster Satz (immer noch 40 g-moll) hat in dem gemessenen Tempo seinen (schubertschen) Reiz, den ich nicht missen möchte.
    Trotzdem finde ich gerade diesen ersten Satz beim viel schnelleren Harnoncourt auch grandios unter die Haut gehend.


    Dem Interpretationsvergleich möchte ich ausdrücklich in seinen Beobachtungen zustimmen. Allein, das was für Böhm als positiv ins Feld geführt wird, läßt mich eben auch emotional kalt. Diese Sinfonie offenbart so viele Abgründe und Brüche (jawohl Alfred!), denen man mit spritzig, lebendig und perfekt nicht beikommt. In diesem Zusammenhang ist eben für mich das Adjektiv "harmlos" das Todesurteil.
    Richtig ist allerdings absolut, daß der letzte Satz bei Harnoncourt zu langsam ist, nicht kraftlos, es fehlt aber in meiner Lesart, das vorwärtsdrängende, die ungezügelte Kraft.


    Zitat

    So sehe ich das. Mit diesen Pauschalurteilen ( also entweder DER Mozart-Papst, verhässlichender Gegenpapst, oder mittelmässiger Langeweiler, oder....) kann ich nicht viel anfangen, weil sie sich mit meinen Höreindrücken, die mir ein differenzierteres Bild liefern, nicht vereinbaren lassen.


    Das sehe ich ganz genauso. Auch hier treffen wir uns wieder im Kern. Ich bitte ausdrücklich darum meine Urteile als Tendenz zu lesen, auch ich konstatiere, daß bei Böhm manches ganz schön geworden ist und bei Harnoncourt manches daneben geht!
    Und vielleicht anschmiedend zu Mozart und diesen Dirigenten: Harnoncourt ist nicht mein Favorit bei allen Werken, die von Mozart sind, da habe ich durchaus ein sehr differenziertes Bild!

  • Ironiemodus an.
    Eine wichtige Frage.
    Damit verbunden ist die nächste: Reift eine Interpretation mit den Jahren so wie guter Burgunder?
    Wird sie besser, wenn sie, sagen wir mal 20 Jahre lang in Archiven bei konstanter Temperatur eingelagert wird?
    Wenn Sie dann den Status einer Ausgrabung erhält und so zum Gegenstand quasi religiöser Verehrung wird.
    Bei der Barbirolli und Horenstein Begeisterung mancher Forenteilnehmer ist es durchaus anzunehmen.


    Es ist daher schon möglich, dass Orchester und Dirigenten demnächst Aufnahmen machen, die erst in 20 Jahren veröffentlicht werden dürfen, denn dann sind sie ausgereift und für die Nachwelt degustierbar.
    Ironiemodus aus
    Ich rate allerdings davon ab.
    Wie sagte schon Karl Valentin: "Die Zukunft war früher auch besser."


    Gruß S.

  • Zitat

    Das sieht man nicht nur in Wien so - Das sieht die halbe musikalische Welt so.
    Schon Giuseppe Verdi hat dazu ein Statement abgeben (in Bezug auf die Oper) und etliche andere auch.


    Wenn man nun Österreich als die halbe musikalische Welt ansieht, mit Sicherheit!
    Und ohne Verdis Auslassungen zu kennen, muß ich da einfach auch konstatieren, daß er mittlerweile auch schon mehr als 100 Jahre tot ist, eine lange Zeit in der sich immer zwei Weltkriege und ein "Tausenjähriges Reich" ereigneten ...
    Aber vielleicht sollten wir wirklich eine Abtimmung machen, obwohl ich möchte nun wirklich nicht am nächsten Sommerloch-Thread mit mehr als zweifelhaftem Hintergrund schuld sein.
    Ein tröstliches hat die Vermutung dann doch noch: offensichtlich waren Herr Karajan ja auch nur ein bedingt guter Musiker, so wie Mahler halt, weil so furchtbar lang wollten sie ihn an der Staatsoper in Wien auch wieder nicht!


    Zitat

    Wenn ich meinte, der Künsteler habe sich dem Publikumsgeschmack unterzuordnen, so war das in der Hinsicht gemein, daß die Toleranzgrenze des Publikums nicht überschritten werden soll.


    Dann dürfen wir uns glücklich schätzen, daß sich das Schicksal so oft dem Publikumsgeschmack widersetzte. Denn sonst hätten wir keine Eorica, keine Carmen, keine La Traviata, keine Bruckner-Sinfonie und auch Schuberts Winterreise wäre wohl für immer veloren gewesen, vom schnöden Publikum abgelehnt.
    Und natürlich war der Sacre der Musikalische Skandal des 20. Jahrhunderts, durchgesetzt haben er und auch Strawinsky sich dann aber dafür doch erstaunlich schnell, oder nicht?


    Zitat

    Das fiktive - und spekulative - Beispiel: Hätte Järvi seine Interpretation der Beethoven Sinfonien 1970 präsentiert - er wäre vermutlich ausgepfiffen oder ausgelacht worden....


    Nun, Harnoncourt wurde für seinen Bach, Händel, Mozart, Haydn, Beethoven ... ausgepfiffen und ausgelacht. Und heute darf er nicht nur die Berliner Philharmoniker dirigieren, neuen, sogar die Wiener suchen die Zusammenarbeit mit ihm. Ganz schön erstaunlich für ein mittelmäßigen Musiker, der nur das Hässliche in der Musik zum Ausdruck bringt.


    Zitat


    DOCH -hier wird verschwiegen, daß es sich um eine ANDERES Publikum handelt - eine andere Zielgruppe


    Wirklich? Grenzen- und Kritiklose Verehrung kann ich zumindest bei einigen Verehrern in beiden Lagern ausmachen!

  • Hallo flutedevoix,


    es ist ja schön, dass es einige Punkte gibt, bei denen wir übereinstimmen.
    Wahrscheinlich hast Du überlesen, dass Du auch dem hier zugestimmt hast....denke ich mir:


    Böhms erster Satz (immer noch 40 g-moll) hat in dem gemessenen Tempo seinen (schubertschen) Reiz, den ich nicht missen möchte.

    Nun möchte ich aber noch auf Deine Beurteilungen zum Papageno und zum Dirigenten/Orchester der Berliner Aufnahme der Zauberflöte unter Böhm etwas sagen.


    Fischer-Dieskau als Papageno bleibt mit seiner professoralen, peußischen Singweise der Figur so ziemlich alles schuldig...


    aber auch keinen Fischer-Dieskau (zum Glück).


    Ja, irgendwie scheine ich da eine Minderheitenmeinung hier im Forum zu haben. Aber ganz ehrlich: Es gibt zwei Gründe, warum mich diese Zauberflöte vor allen anderen begeistert. Einer davon ist die für mich überragende und grandiose Darstellung des Papageno durch Fischer-Dieskau.
    Ich finde, er singt derart hochmusikalisch, witzig, dynamisch, und ja, auch wienerisch.
    Jetzt kommt mir nicht, dass ich als Nicht-Wiener dazu lieber schweigen sollte. Es gibt ja neben den Gesangsparts noch die gesprochenen Dialoge. Auch da fand ich, dass er als nicht Österreicher diesen Dialekt auf jeden Fall mehr als gut genug und für mich glaubhaft genug "draufhat". Natürlich, wenn ich den alten Grazer Grantler oder den anderen Grazer Ex-Cellisten im TV rede höre, dann fällt mir schon noch der Unterschied auf, wenn einer sozusagen seinen Muttersprachen-Dialekt redet.
    Trotzdem: Ich sehe gar nicht ein, warum man Fischer-Dieskaus hochmusikalische Art zu Gunsten eines etwas bollerigen echt österreichischen Bauerntypen sich wegwünsche sollte. Hör Dir doch nur mal seine detailreiche Dynamik beim Duett "Bei Männern welche Liebe..." an. Oder wie er diesen einen gesungenen Satz, mit den Tonrepetitionen "Jetzt plaudert Papageno wieder" in dem Stück Nr. 10 (bin jetzt zu faul nachzusehen wie sich das nennt) an. Da ist eine Spannung von einem Ton auf den anderen.
    Professoral und preussisch? Ich finde es sehr vergnüglich, mitreissend, genial und unterhaltend.
    Wieder sieht man, wie unterschiedlich man hören kann.


    Mich stört an der Böhmschen Zauberflöte aber in der Tat auch der Dirigent. Das Orchester läßt jedenfalls in meinen Ohren jede Charakterisierung, jede Affektgestaltung vermissen. Es klingt eigentlich immer gleich wenig konturiert, routiniert.

    Leider kann ich hier auch nicht zustimmen. Es klingt ausbalanciert, nicht überzeichnet, warm und strahlend zugleich. Die Streicher schaffen oft einen gewissen weisen, anmuten Tonfall, durch den eine schwebende, anrührende Atmosphäre entsteht.
    Aber gehen wir ruhig weiter:


    Jedenfalls sind schon die einleitenden Akkorde der Ouvertüre nicht bedrohlich,...

    Nein, eher majestätisch und kraftvoll. Warum soll man sich auch schon beim ersten Akkord der Zauberflöte bedroht fühlen?
    Auch die Überpunktierung, die Harnoncourt erwartungsgemäss macht, gefällt mir heutzutage nicht mehr. Barockspezialisten wie Hajo Bäs und Reinhard Goebel haben schon in den 80er-Jahren herausgefunden, dass die Annahme, für eine Bachouvertüre müsse man - wie bei Lully etc- die Punktierungen schärfen und die laufenden 16-tel und 8-tel angleichen, ein kurioser Irrtum sein müsse. Bei Bachs mitteldeutscher Musizierpraxis könne man sich eher bei einer Dresdner Hofkapelle orientieren, weniger beim Hofe des Sonnenkönigs. Da Mozarts Musik - ich spekuliere jetzt- aus der deutschen Tradition her gewachsen ist, nehme ich an, dass die französischen Schärfungen auch hier besser unterbleiben sollten. Dass Harnoncourt auch seine "Irrtümer" (wenn es denn welche sind) immer noch musikalisch sehr gut und gekonnt macht, weiss ich wohl. Mir ist ein gut gemachter Irrtum lieber als etwas Richtiges, aber schlecht gemacht.
    Dennoch finde ich hier die ersten Akkorde in der Böhm-Fassung besser. Und dann der erste Streichereinsatz bei Böhm: Was für eine Anmut, ja schon fast Poesie, die durch die wenigen Noten schon anklingen.


    Harnoncourt lässt schon beim ersten Akkord aufhorchen, vor allem wenn man erst Böhm hörte: O, da ist aber heute ein forscher Dirigent...
    Bei den folgenden Takten, bei denen die Bässe fehlen, hebt Harnoncourt die Detaildynamik viel mehr heraus und lässt die Akzente nicht gerade ungehört. Diese kommen wie eine Folge von Schocks.....man könnte denken, dass eine Schockoper bevorsteht... :D ...ich versuche, es ein bisschen so darzustellen, dass die Diskussion nicht immer so bierernst wirkt.


    Nehmen wir "Der Vogelfänger bin ich ja"


    Bei Böhm in den Streichern ein anmutig, heiter.erzählender Tonfall, bei Harnoncourt ein grüblerisches langsames Tempo, die Artikulation der Hörner ist weich (warum jetzt?), die Vorhalte der Bläser stechen überdeutlich hinein, und das klangrednerische Orchesterfazit kurz vor dem Einsatz des Sängers kommt auf einmal aufschreckend forsch daher....warum denn das?
    Und dann dieser agogisch verzögerte Auftakt ganz am Anfang und dann auch noch beim Einsatz des Sängers: " D _E__R Vogelfänger...."
    Dieses "schaut mal, was der Papageno für ein rustikaler Bursche ist und wir wir das jetzt musikalische machen" finde ich für einen Mozartinterpreten seines Kalibers unter Niveau.


    Uninspiriertes kapellmeisterliches Dirigat aus dem Orchestergraben bei Böhm?
    Gerade hier nicht. Es ist zwar uneitel, aber gleichzeitig.......zauberhaft, ja, das ist das richtige Wort. Es geht ja auch um die Zauberflöte... ;)


    Nun denn, in dieser Beurteilung kommen wir sicher nicht zusammen, aber das muss ja auch nicht sein. Ich habe diese Dinge aufgeschrieben, um aufzuzeigen, dass man bestimmte Aufnahmen unterschiedlich hören kann.
    Ich würde es aber als positiv ansehe, wenn man bei Forenmitgliedern, die irgendetwas anders hören, selbst nachprüft, ob da nicht doch irgendetwas dran ist. Für einen selbst kommt dabei oft eine Bereicherung heraus in dem Sinne, das einem für bestimmte Aspekte die Ohren geöffnet werden. Man muss es ja nicht immer gleich gut finden, aber es ist ja auch schon ein Gewinn, wenn man nicht aneinander vorbeiredet sondern weiss, wovon der andere Tamino gerade eigentlich spricht.
    Vor einigen Jahren habe ich einfach einmal nachprüfen wollen, ob denn an Alfreds Böhm-Schwärmerei etwas dran sei. Ich habe mir einige Sachen von Mozart und Schubert gekauft und mich mit dem Dirigenten auch sonst mehr auseinandergesetzt. Einiges von Schubert ( 5, 8 +9) finde ich - ausser Furtwängler bei 9 - konkurrenzlos gut, und bei Böhms Mozart merke ich, dass mich die Anmut mancher Aufnahmen mit ihren austarierten Tempi usw. (ich will mich jetzt nicht wiederholen) in ihren Bann zieht und ich nicht mehr immer ( je nach Stück) die martialisch daherkommenden Kontraste und Schocks hören will. Die können dann irgendwann nämlich auch langweilig werden und bei den entsprechenden Wiederholungen dann irgendwie hölzern wirken.
    Jetzt bin ich froh, dass ich mich auf die Böhm-Geschichte eingelassen habe. Dadurch habe ich einen neuen Lieblingsdirigenten gewonnen, von dem ich mir auch gerade eine neue Bruckner 4-Aufnahme, neben Celi und Rattle, bestellte.
    Ob ich ihm meinen Harnoncourt in den Jahren irgendwie näher bringen konnte, steht auf einem anderen Blatt. Ich bezweifle dass, und es muss ja auch nicht sein. Ich will auch niemanden missionieren, aber es ich doch auch schön, wenn man seinen Hörizont erweitern kann - es bedeutet einfach ein Mehr an Lebensqualität.


    Auf alle Deine Punkte kann ich aus Platzgründen nicht eingehen, aber gelesen habe ich sie.
    Wir haben hier - inspiriert durch einen scheinbar nicht sehr sinnvollen Threadtitel- eine interessante Diskussion über das Thema Mozartinterpretation der beiden bekannten Mozartdirigenten Böhm und Harnoncourt anreissen können.
    Es kam eben durch die weiter oben stattfindenden Ausuferungen zustande, auf die unsere Diskussion widerum noch ausufernder reagierte.
    Ich bin ja kein Moderator, aber diese Art von OT finde ich persönlich nicht so schlimm. Schlecht ist nur, wenn einer sich im Ton vergreift und provoziert woraufhin man sich dann nur noch seitenweise anödet.
    Das zwingt dann nämlich die zum Thema interessierten Leser noch nach Jahren zum lästigen Scrollen und zum flüchtigen Überfliegen der Texte - bis sie dann entnervt sich "wegklicken", eine Erfahrung, die ich als Leser von Foren zu anderen Themen (wie Hifi) schon oft gemacht habe.


    Die von uns genannten Aufnahmen sollten m.E. der Nachwelt unbedingt erhalten bleiben, um die Kurve zum Thema wieder zu finden.... :)


    :hello:


    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

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  • Zitat

    Ich würde es aber als positiv ansehe, wenn man bei Forenmitgliedern, die irgendetwas anders hören, selbst nachprüft, ob da nicht doch irgendetwas dran ist. Für einen selbst kommt dabei oft eine Bereicherung heraus in dem Sinne, das einem für bestimmte Aspekte die Ohren geöffnet werden.


    Ich halte es für eine Selbstverständlichkeit, daß man weiß, wovon man redet! Ich kann Dir versichern, daß sowohl die Zauberflöten (und einige mehr) sich in meinem CD-Schrank befinden, als auch die Mozart-Sinfonien der beiden Interpreten als auch Karajans 60er-Zyklus, Böhm und Harnoncourt mit Beethoven usw. Ich habe auch noch einmal hineingehört, zwar nicht ausführlich, aber doch immerhin ein paar Stellen auch mit Partitur, bevor ich hier geschrieben habe. Gerade dieses bekannten Werke, zu denen ich schon jahrelang Partituren habe, habe ich intensiv im Partiturspiel studiert als auch die Aufnahmen intensiv gehört, ich bilde mir durchaus ein, zu wissen, wovon ich rede!
    Daß man aber mit anderen Ohren hören kann, bestreite ich gar nicht, zumal da eine differierende Sozialisation (ganz ohne negativen Beigeschmack formuliert) auch ihr Übriges tut.



    Zitat

    Einiges von Schubert ( 5, 8 +9) finde ich - ausser Furtwängler bei 9 - konkurrenzlos gut


    Du wirst lachen, auch ich halte die Aufnahme von Schuberts "Großer Sinfonie" mit der Staatskapelle für sehr gut gelungen, nicht konkurrenzlos, aber sehr gut. Auch Furtwänglers Aufnahme finde ich sehr gut. Bei der 5. Und der Unvollendeten kommen wir dann eher nicht mehr zusammen.
    Und ja, ich verstehe, daß man diese Schubert-Nähe im 1.Satz von Mozarts 40. hören kann, auch wenn ich sie nicht höre und auch in der Partitur nicht wiederfinde, vor dem Hintergrund der Musiksprache und Tonartwahl Mozarts. Aber immerhin es gibt ja auch dieses Schuman-Statement von der Griechischen Grazie (den genauen Wortlaut habe ich jetzt nicht parat). Aber es ist eben aus einer anderen Epoche mit einer anderen musikalischen Sprache gesehen.
    Und was die Punktierungen angeht, ließe sich auch noch vieles sagen, so eindeutig, wie das Reinhard Goebel in seiner typisch "selbstbewussten" Art formuliert hat, ist es denn doch nicht. Das wäre jetzt aber nun hier wirklich völlig off topic!


    Auch wenn wir uns in der Wahl der präferierten Aufnahmen und Interpretationsweise bisher oft diametral gegenüberstehen, kann man ja nun nicht sagen, daß wir unreflektiert zu unseren Meinungen kommen. Das halte ich dann aber doch für wichtig, wenn man so entschieden Interpreten präferiert oder ablehnt, wie es Alfred tut. Ein einfaches "Mir gefällt es nicht" oder "dem Pubilkum in Iwen oder dem Publikum der 60er hätte das nicht gefallen, reicht da jedenfalls in meinen Augen nicht aus!

  • Es handelt sich um eine aus meiner Sicht angemessene Wortwahl, was die aus meiner Sicht obsolete Thematik des Threads betrifft. Ich habe nicht ohne Grund diese drastischen Worte gewählt!
    Daß ich damit niemand persönlich angreife, versteht sich von selbst! Ich hätte nicht für möglich gehalten, dies ausdrücklich erwähnen zu müssen!

    Es ist völlig unerheblich, was du für angemessene Wortwahl hältst! Du schreibst hier in einem öffentlichen Forum und hast dich an dessen Richtlinien zu orientieren. Wenn die Forenleitung dich um angemessene Wortwahl ersucht, dann ist das in Wirklichkeit KEINE Bitte!

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Es ist völlig unerheblich, was du für angemessene Wortwahl hältst! Du schreibst hier in einem öffentlichen Forum und hast dich an dessen Richtlinien zu orientieren. Wenn die Forenleitung dich um angemessene Wortwahl ersucht, dann ist das in Wirklichkeit KEINE Bitte!


    Da ich niemanden angegriffen habe, keine Fäkalworte benutzt habe oder in irgendeiner Weise ausfällig geworden bin, halte ich diese Zurechtweisung für völlig unangemessen, zumal sie ja auch reichlich zu spät kommt.
    Ich kann nicht erkennen, daß irgendeiner der anderen an der Diskussion teilnehmenden Forianern meine Wortwahl für derart unangemessen gehalten hätte, daß es einer Anmerkung bedurft hätte.
    Sollte es aber in irgendeiner Form die Festlegung geben, daß die Worte Humbug und Schwachsinn nicht benutzt werden dürfen, solange sie nicht ehrenrührig eingesetzt werden, dann bitte ich mir die entsprechenden Stellen in den Richtlinien zu zeigen. Ich würde mich dann in Zukunft daran halten.
    Wenn es diese Einschränkung aber nicht gibt, dann ist es mir herzlich egal, ob eine Bitte der Leitung des Forums als Bitte oder Befehl zu interpretieren ist. Ich darf doch unterstellen, daß alle Diskutanten hier gleich gestellt sind und unter der Wahrung der persönlichen Integrität des anderen das Recht auf freie Meinungsäußerung herrscht! Mir ist durchaus klar, daß ich mich hier im öffentlichen Raum bewege, ich kann auch nicht sehen, inwiefern ich die üblichen Anstandsregeln einer Diskussion im öffentlichen Raum übertreten hätte.
    Sollte dem Forum meine Art der Diskussion allerdings nicht passen, nun es ging bisher ohne das Forum, es würde auch in Zukunft gehen. Ansonsten würde ich gerne zur Sachdiskussion zurückkehren!

  • Jeder ernst zu nehmende Künstler versucht in jedem Konzert oder mit jeder Aufnahme eine Interpretation vorzulegen, die Bestand hat, die seine momentane interpretatorische Sichtweise des Werkes dokumentiert.

    Dieser Satz widerspricht sich sozusagen selbst. Eine Momentaufnahme in Form eines Konzerts ist eben eher nicht dazu da, "Bestand" zu haben, obwohl das natürlich dank der Tontechnik passieren kann.


    In Wirklichkeit besteht zumeist ein erheblicher Unterschied zwischen einem Konzert und einer Plattenaufnahme. Das Konzert ist der einfachere Fall, hier gilt die zitierte Formulierung: der Künstler dokumentiert seine momentane interpretatorische Sichtweise des Werkes. Wobei ich noch verfeinern würde, er dokumentiert eine momentane Sichtweise, denn manche Musiker spielen ein Programm im Laufe einer Tournee durchaus und bewusst unterschiedlich.


    Bei der Plattenaufnahme liegen die Dinge anders. Dass es so ist, kann man an den inzwischen schon recht häufigen Sätzen in diesem Forum ablesen, die in etwa lauten: Künstler xy gefällt mir in seinen Live-Mitschnitten besser als bei seinen Studio-Aufnahmen.. Es könnte natürlich bei jemandem auch einmal das Gegenteil formuliert werden, mit fällt aber spontan kein Beispiel ein. Und warum macht ein Musiker Schallplattenaufnahmen? Da fallen mir drei Hauptgründe eine:
    - Er will damit unmittelbar Geld verdienen.
    - Er will mit guten Aufnahmen seinen Marktwert steigern und damit indirekt und längerfristig mehr Geld verdienen.
    - Er will sein Können und seine Kunst für seine Mitmenschen und auch für spätere Hörer dokumentieren.


    Auch wenn die ersten beiden Punkte immer eine gewisse Rolle spielen mögen, so wurde den Künstlern sehr bald bewusst, dass ein Tonträger eben nicht nur ein kurzfristiges Medium darstellt, sondern ein ziemlich dauerhaftes Dokument einer künstlerischen Leistung darstellt. Dazu kommt, dass - vor allem im ersten halben Jahrhundert der Schallplatte - ein Musiker nur selten die Chance bekommt, ein Werk öfter als einmal aufzunehmen. Ich denke, es gab und gibt nur wenige Musiker, die völlig unbelastet ins Studio gehen und die Gewissheit des bleibenden Ergebnisses nicht als gewisse Hypothek empfinden. Jetzt kommt nämlich auch der Typ des Musikers ins Spiel. Einige entwickeln ihre Sicht auf Kompositionen eher langsam, andere gehen mit einem Programm auf Tournee und spielen jeden Abend doch erkenntlich anders. Ein Künstler geht gerne ins Studio, da er dort seinen Perfektionsdrang ausleben kann, ein anderer tut sich schwer, ohne Publikum in die Rechte Stimmung zu kommen, um seine Magie zu entwickeln. In früheren Zeiten zwangen die technischen Möglichkeiten zu einem dynamisch eingeebneten Spiel, worüber manche Künstler todunglücklich waren und daher höchst ungern ins Studio gingen. Aber als gemeinsamer Nenner liegt über allem die Tatsache, dass bei Studio-Aufnahmen zumeist eine etwas neutralere und notentechnisch "richtigere" Version konserviert wurde und das spontane eines Konzertes nicht so häufig erreicht wurde. Daher gibt es nicht wenige Musikfreunde, die für die Live-Atmosphäre so manche technische Ungenauigkeiten und eine allgemein schlechtere Aufnahmetechnik in Kauf nehmen, während die Künstler naturgemäß meistens zu vermeiden suchen, dass Fehler in alle Ewigkeit erhalten bleiben.


    Die Dualität Konzert - Plattenaufnahme wurde nach Erfindung des Radios und einer danach eingeführten handhabbaren Möglichkeit zur Speicherung von Radiosendungen langsam aufgebrochen, da sich im Laufe der Zeit immer mehr Live-Mitschnitte in den Archiven ansammelten, die dann irgendwann auch den Weg auf die Schallplatte fanden. Heute sind wir so weit, dass Mitschnitte von Konzerten in Ton und oft schon auch in Bild eine Selbstverständlichkeit darstellen. Das geht so weit, dass es einen neuen Musikertyp gibt, der fast überhaupt nicht mehr ins Studio geht, sondern seine Diskographie überwiegend aus ausgewählten Live-Mitschnitten bestreitet.


    Die Frage im Threadtitel ist also nicht klar zu beantworten. Ein Konzert ist immer für die anwesenden Zuhörer gedacht - dank moderner Technik können damit aber die Grenzen der jeweiligen Aufführungsstätten gesprengt werden und zudem als Dokument erhalten bleiben. Die Studioaufnahme ist überwiegend ein Dokument für die Nachwelt, die bereits mit dem ersten Verkaufstag beginnt. Aber die Grenze verfließt...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Und warum macht ein Musiker Schallplattenaufnahmen? Da fallen mir drei Hauptgründe eine:
    - Er will damit unmittelbar Geld verdienen.
    - Er will mit guten Aufnahmen seinen Marktwert steigern und damit indirekt und längerfristig mehr Geld verdienen.
    - Er will sein Können und seine Kunst für seine Mitmenschen und auch für spätere Hörer dokumentieren.


    Das ist nur bedingt richtig!
    Der erste Punkt wäre schön, ist aber in 90% aller Fälle nicht mehr gegeben. Bei den meisten Labels ist heute kein Honorar für eine CD-Produktion mehr zu bekommen, eine Beteiligung am Verkaufserlös, wenn überhaupt, marginal. Im Gegenteil viele Labels erwarten ganz ungeniert, daß man sich an den Produktionskosten beteiligt. Das ist übrigens einer der Hauptgründe warum die Co-Produktionen mit den deutschen Rundfunkanstalten so in die Höhe schießen!
    Sobald z.B. Ein Orchester nicht staatlich organisiert, sprich die Musiker nicht über ein Anstellungsverhältnis finanziell abgesichert sind, wird eine CD-Produktion sehr schwierig und nur mit einem erheblichen Sponsoringaufwand möglich. Davon können etwa so bekannte Orchester wie Concerto Köln, Freiburger Barockorchester oder Orchestra of the 18th Century ein Lied singen!
    Punkt zwei mag ein Aspekt sein, allerdings sind die Möglichkeiten sehr repertoire abhängig
    Punkt drei ist richtig, er will seine Kunst für sein Publikum dokumentieren, dabei ist allerdings der Gedanken an die Nachwelt, jedenfalls bei den meisten Musikern, die ich kenne, marginal oder gar nicht vorhanden. Ich habe jedenfalls noch mit keinem Orchester oder keinem Kammermusikensemble eine CD bewußt für die Nachwelt aufgenommen.



    Zitat

    Bei der Plattenaufnahme liegen die Dinge anders. Dass es so ist, kann man an den inzwischen schon recht häufigen Sätzen in diesem Forum ablesen, die in etwa lauten: Künstler xy gefällt mir in seinen Live-Mitschnitten besser als bei seinen Studio-Aufnahmen


    Momentan geht der Trend zum Konzertmitschnitt! Warum, nun jedenfalls in den meisten Fällen nicht aus künstlerischen Überlegungen, stattdessen ßtehen meist monetäre Beweggründe im Zentrum: eine Live-Aufnahme ist billiger! Die Künstler sindbezahlt, es fällt keine zusätzliche Raummiete, in den meisten Konzertsälen ist beits eine professionelle Tontechnik vorhanden etc.
    Davon abgesehen brauchen viele Künstler das Adrenalin des Konzertes, die Live-Athmosphäre, um wirklich ihr Bestes abrufen zu können. Das ist unbestritten! Aber der Thread-Titel wollte ja nicht auf die Unterschiede von Livemitschnitten und Studio-Aufnahmen abzielen.


    Es wurde ja via Threadtitel die Frage gestellt, ob eine Interpretation für die Zeitgenossen oder die Nachwelt erstellt wird. Und bei dieser Frage bleibe ich bei meiner in manchen Ohren vielleicht hart klingenden Einschätzung des Humbugs und des Schwachsinns. Denn die Frage beantwortet sich ja schon von selbst. Eine Interpretation im Konzert ist, sofern sie nicht mitgeschnitten wird (offiziell oder inoffiziell durch das Publikum) immer eine Interpretation für die Zeitgenossen, eine Interpretation, die im Studio zum Zwecke einer CD-Produktion ist natürlich immer auch eine Interpretation für die Zeitgenossen, ganz einfach, weil die CD ja nicht erst nach 50 Jahren auf den Markt geworfen wird! Daß sie möglicherweise auch noch eine Zuhörergruppe in 50 Jahren oder 100 Jahren anspricht, ist durchaus möglich, aber auf diese Möglichkeit hin wird sie ja nicht produziert!



    Zitat

    Zitat von »flutedevoix«
    Jeder ernst zu nehmende Künstler versucht in jedem Konzert oder mit jeder Aufnahme eine Interpretation vorzulegen, die Bestand hat, die seine momentane interpretatorische Sichtweise des Werkes dokumentiert.
    Dieser Satz widerspricht sich sozusagen selbst. Eine Momentaufnahme in Form eines Konzerts ist eben eher nicht dazu da, "Bestand" zu haben, obwohl das natürlich dank der Tontechnik passieren kann.


    Ich sehe, daß meine Formulierung missverständlich war. Mit Bestand meine ich nicht Bestand in einem materiellen Sinne, daß sie nachprüfbar ist. Mit Bestand meinte ich, daß die Interpretationvor der Partitur und vor einem künstlerischen Anspruch bestehen kann, egal ob sie im Konzert oder im Studio entsteht. Eben, daß für beide Aufführungssituation die gleiche Sorgfalt zugrunde gelegt wird.

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