Die jungen Pianisten

  • Zunächst müssen wir mal definieren, was der Thread bewirken soll und wie er sich von den weiter untenstehenden



    Die "neuen" Pianisten und ihre Aufnahmen


    Dieser Thread befasst sich mit heutigen Pianisten, die schon einigermaßen etabliert sind


    Pianisten heute - Die Vergangenheit als Herausforderung


    Hier sollte darüber diskutiert werden, ob die heutige Pianistengeneration den einstigen Pianistengöttern ebenbürtig ist...


    unterscheidet. Ich glaube es ist mit wenigen Worten gesagt.
    Es sollen hier relativ junge Pianisten (um die zwanzig)vorgestellt werden, die beispielsweise erst ein bis drei CDs herausgebracht haben und noch nicht wirklich etabliert sind. Sie haben einen oder mehrere einigermaßen bedeutende Wettbewerbe gewonnen, sie haben ihre ersten Tonaufnahmen absolviert, sie haben gute Kritiken bekommen, aber im Zweifelsfall greift man dann eben doch zu Brendel, Richter oder Pollini. Aber auch wenn der junge Künstler schon einigermaßen bekannt sein sollte, ist ein Beitrag über ihn gern gesehen.
    Ausgeklammert werden sollten jedoch jene Interpreten, von denen man persönlich der Meinung ist, er wäre lediglich ein durch PR gepushter Star mit kurzer "Lebensdauer"


    Es ist meine Absicht hier eine thematische Lücke zu schließen, ein Gebiet zu eröffnen, welches durch die beiden weiter oben befindlichen Themen (siehe Links) nicht wirklich abgedeckt wird.


    möge dieser Thread blühen und gedeihen.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • ...


    Chopin, Frederic (1810-1849)
    Piano Concerto No 1 E minor op 11

    Sinfonia Varsovia; Ltg. Howard Shelley
    Jan Lisiecki


    Und wenn man dann noch erfährt, dass der Pianist bei der Aufnahme gerade mal 14 Jahre war, bleibt einem der Mund offen stehen … :jubel: :jubel:


    Inzwischen ist er 16 Jahre alt, den Mund hielt ich geschlossen, weil das gehört sich nicht im Konzertsaal - aber was wir am vergangenen Sonntagmorgen in Köln von diesem Pianisten zu hören bekamen, hat uns doch zunächst die Sprache verschlagen. Jan Miłosz Lisiecki, am 23. März 1995 in Calgary geboren, Kanadier von polnischen Eltern, spielte dort Chopins erstes Klavierkonzert (mit dem Gürzenich-Orchester unter Eivind Aadland).


    Ein Sechzehnjähriger :sleeping::whistling: - ich hatte überlegt, die Karten verfallen zu lassen, wäre nicht Sibelius' Zweite dabei gewesen, deretwegen wir den Termin gebucht hatten. Unfassbar, was uns uns da entgangen wäre!!! :thumbsup:


    Erklärter Gegner jeder Gewalt an Wunderkindern bin ich, aber Lisiecki vermittelt zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, er sei mit Gewalt auf diese Bühne geschleift worden, im Gegenteil: Von Gestalt hoch aufgeschossen - ein dünner Riese -, strotzt er vor Selbstbewusstsein, wenn er mit zügigem Schritt (und nur ein wenig schlacksig) die Bühne erstürmt (oder beim Abgang stets zwei bis drei Stufen zugleich hochhüpft). Ein Energiebündel - als Star ist er vom ersten Augenblick für sein Publikum da, präsent und im Kontakt.


    Was für ein Kontrast: Am Freitagabend hatten wir in Bonn die "lange Beethovennacht" besucht, dort die drei Preisträger der Telekom Beethoven Competition gehört und gesehen, ein 25Jähriger, zwei 19Jährige - was für jämmerliche Auftritte im Vergleich zu Lisiecki, was für Männlein ohne Rückgrat :stumm: .


    Alles nur Äußerlichkeiten, aber die Tränen kommen, wenn er einsetzt: jede Note mit dem ihr zukommenden Gewicht, jede Melodie allerfeinst ausgespielt, keinerlei Schleifer in den Läufen. Lisiecki nimmt durchweg nicht unzügige Tempi (nicht à la Zimerman II), aber innerhalb der Takte hat er so unendlich viel Zeit, die Melodien auszuspielen. Er spielt mit Akzenten und Verschiebungen, er spielt mit großer Freiheit und Eleganz ein Tempo Rubato, wie ich es schon lange nicht mehr gehört habe. Er lässt den ganz großen Atem spüren - und während hier anderenorts großartig über Sein oder Nichtsein von Gänsehaut-Effekten debattiert wird, ließ Lisiecki ganz undogmatisch Gänsehaut über drei Sätze hin wachsen. Ich bin generell nicht ganz so nah am Wasser gebaut, aber selbiges stand mir dann doch mehrere Male in den Augen - ganz hohe Ausdruckswerte, die Lisiecki da der Musik für sein Publikum abringt.


    Soweit das einer, der vom Cello herkommt, beurteilen kann, bot Lisiecki makelloses fehlerfreies perfektes Klavierspiel. An einem muss er noch arbeiten: seine linke Hand erreicht nur in Ausnahmefällen die für ein ausgewogenes Verhältnis beider Hände erforderliche Klangintensität, ist im Übrigen der rechten Hand aber hörbar unterlegen (und zwar allein, was die Lautstärke angeht) - ein Manko, dass Lisiecki beiarbeiten kann und ganz sicher wird.


    Ein Star, der zu seinem begeisterten Publikum spricht, kanadisch gefärbtes Englisch, mit wohltönend-sonorer Baritonstimme von einer Lautstärke, die (ohne Mikrofon) den ganzen Saal erreichte - ein echter Crowd-Pleaser! Er sagt nicht nur seine Zugabe an, locker begrüßt er sein Publikum, gibt seiner Freude Ausdruck, dass alle so freundlich waren, zu ihm zu kommen, um ihm zuzuhören, usw.


    Als Zugabe Chopins cis-moll Walzer aus op. 64, ein Geschenk so schön ausformuliert. Lisiecki ist - wie schon im Klavierkonzert - der Lyriker par excellence.


    Lediglich ein durch PR gepushter Star mit kurzer "Lebensdauer"? :no::no::no: Meine feste Überzeugung ist: Von Lisiecki werden wir in der Zukunft hören, sehr viel sehr Gutes. Ich kann Euch nur dringend nahe legen, ihm schon jetzt zuzuhören, wann und wo immer Ihr die Gelegenheit erhaltet. Für mich jedenfalls hat es sich sehr gelohnt, Jan Miłosz Lisiecki kennen zu lernen.

  • Es sollen hier relativ junge Pianisten (um die zwanzig)vorgestellt werden, die beispielsweise erst ein bis drei CDs herausgebracht haben und noch nicht wirklich etabliert sind. Sie haben einen oder mehrere einigermaßen bedeutende Wettbewerbe gewonnen, sie haben ihre ersten Tonaufnahmen absolviert, sie haben gute Kritiken bekommen, aber im Zweifelsfall greift man dann eben doch zu Brendel, Richter oder Pollini. Aber auch wenn der junge Künstler schon einigermaßen bekannt sein sollte, ist ein Beitrag über ihn gern gesehen.


    Habe gestern Daniil Trifonov mit dem Klavierkonzert Nr. 1 von Tschaikowski (Gastkonzert der Wiener Philharmoniker unter Gergiev in Hannover) gehört und war begeistert!
    Der junge Mann ist 21 Jahre alt, hat in Warschau beim Chopin-Wettbewerg Bronze gewonnen und beim Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau gerade die Goldmedaille!
    Wirklich zu Recht!!!
    Ein Pianist, der eine stupende Technik und eine imponierende Kraft hat - und doch vor allem als Musiker überzeugt! Zunächst überrumpelt er mit den gefürchteten Doppeloktaven, die er mit einer unglaublichen Exuberanz herausfeuert, aber er kann auch ungemein sensibel lyrische Klänge zaubern und hat ein feines Gefühl für Phrasierung, Klangfarben, Agogik! Seine Steigerungen verschlugen oft den Atem, und dass er sein Spiel klug auf den Orchesterpart bezog, überzeugte vollends.


    Das Publikum raste! Und das in Hannover!
    Trifonov gab zwei Zugaben (Chopin und Bach/Rachmaninov), die den positiven Eindruck noch unterstrichen! Ganz toll!



    Bin neugierig, seine weitere Entwicklung zu verfolgen.


    Caruso41


    .

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Auch ich habe hier eine Entdeckung anzubieten:
    Alexej GORLATCH, geboren 1988 in Kiew, aber schon seit 1991 in Deutschland lebend. Zahlreiche Preise bei Klavierwettbewerben, zuletzt 1, Preis beim ARD Musikwettbewerb 2011 in der Sparte Klaviermusik UND, fast noch wichtiger der Publikumspreis. Aber was zählen all die Preise gegen den persönlichen Eindruck.
    Ich selbst besitze seit gestern die Aufnahme des 3. Klavierkonzertes von Beethoven (Mitschnitt vom ARD Wettbewerb), ergänzt durch die Klaviersonate op 2 Nr 1 in f-moll (Studioaufnahme)
    Begleitet wurde er durch das Sinfonieorchester des Bayrischen Rundfunks unter Sebastian TEWINKEL.

    BR Klassik


    Ausschnitt einer Kritik aus dem "Tagesspiegel"
    Gorlatch nahm - in den Kadenzen geradezu verwegen - das dritte Klavierkonzert als Revolutionsstück ....


    Ausschnitt einer Kritik der "Süddeutschen Zeitung": "Gorlatch besaß dramatischen Zugriff und Mut zum Risiko", sein lebendiges, agogosch flexibles Spiel hatte viele Farben,und seine Kadenz im ersten Satz war schlicht aufregend"


    Hier eine weitere Einspielung, welche die Vielseitigkeit dieses Künstlers zeigt.


    Und als Vervollständigung des ersten Eindrucks ein kurzer Videoausschnitt von einem Wettbewerb aus Leeds (Er hat damals NICHT gewonnen)


    [media]Xi9GsfA1gdo[/Youtube]


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred


    PS: Ist es übrigens bezeichnend für die Klassikszene, daß bis jetzt erst 192 Seitenaufrufe dieses Threads erfolgten ?
    (Das schliesst jene der Mitleser ein !!!)

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Hier noch eine kleine Ergänzung zu Alexej Gorlatch:
    Videoaufzeichnung von der International Music Competition Seoul (2008), wo er seinerzeit den 2. Platz belegte......



    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Fast ist man geneigt weiterzublättern, wenn irgendwo ein neuer "Ausnahmepianist" oder ein "Wunderkind" angepriesen wird.
    Aber man sollte dennoch manchmal etwas genauer hinsehen - und hinhören.
    Jedenfalls möchte ich an dieser Stelle auf den heute 17jährigen Pianisten Jan Lisiecki aufmerksam machen, einen Kanadier, polnischer Abstammung, der vor kurzem einen Exklusivvertrag mit der Deutschen Grammophon abgeschlossen hat.


    Zitat

    »Ich erinnere mich genau an den Moment, als meine Hände und Füße allmählich die Kontrolle gewannen und ich das Klavier singen lassen konnte. Meine intensive Beziehung zum Klavier begann; nach und nach entdeckte ich meine eigene Stimme. Wenn ich spiele, spüre ich, wie die Magie der Musik aus dem Klavier strömt und sich in mir entfaltet – ich spüre, wie Licht in mein Herz dringt. Ich empfinde Freude, Glück und Liebe, aber auch Trauer und Schmerz. Und ich habe das starke Verlangen, diese Gefühle mit anderen zu teilen.« – Jan Lisiecki


    Quelle: Wikipedia


    Hier eine Hörprobe - er war zum Zeitpunkt der Aufnahme grade mal 14


    Jan Lisiecki - Chopin Andante Spianato and Grande Polonaise 2




    Nur eine kurze Anmerkung zur Aufnahme der Mozart Klavierkonzerte. Lisiecki spielt hier 2 Kadenzen von Beethoven, eine von Paul Badura-Skoda und eine EIGENE.


    mfg aus Wien
    Alfred

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  • Auch ich habe hier eine Entdeckung anzubieten:
    Alexej GORLATCH


    Alfreds Vorstellung als Empfehlung wertend möchte ich mich dieser hiermit ausdrücklich anschließen! :)


    Ich hatte kürzlich das große Vergnügen, Alexej Gorlatch mit 4 Beethoven-Sonaten (Pathétique, Mondschein, Sturm, op. 101) in der Wuppertaler Stadthalle zu erleben, und ich war ganz und gar hingerissen. Im Gegensatz zu dem an anderer Stelle im Forum wiedergegebenen Urteil fand ich gerade, daß sich Gorlatchs Spiel für sein Alter durch eine ganz außerordentliche Reife und ein bemerkenswert tiefes Verständnis der gespielten Werke auszeichnete. Hätte ich nur sein Spiel gehört und nichts gesehen, ich hätte wahrscheinlich eher einen Mann am Flügel vermutet, der dreimal so alt ist wie der 24-jährige Pianist. Gorlatch verstand es meisterhaft, die Sonaten gleichzeitig klassisch-ebenmäßig zu interpretieren und mit seiner eigenen Note auszustatten - insbesondere in Erinnerung geblieben ist mir dabei sein nobel zurückgenommenes aber ungeheuer effektvoll eingesetztes Rubato. Manche Stellen hatte ich jedenfalls noch nie zuvor so gehört wie von ihm - und das bei vier meiner absoluten Lieblingswerke. Und daß er spielen kann wie der Teufel (spätestens Chopins Etude No. 4 in der Zugabe löschte da den letzten Zweifel aus), versteht sich ja fast von selbst.


    Mein Gesamturteil lautet: überragend. Und ich meine das nicht nur als Floskel - in der Tat überragten seine Künste zumindest an diesem Abend die der meisten anderen Beethoven-Spieler in meinem Plattenschrank. Ich musste verschiedentlich an einen etwas romantischer als üblich gestimmten Maurizio Pollini denken - gerade beim Finalsatz der Sturmsonate einte die beiden in ihrer flüssig wogenden Interpretation einiges, und trennt sie damit von allen anderen mir bekannten Pianisten.


    Leider konnte ich das bei mir getragene Plastikgeld vor Ort nicht in CDs umsetzen, aber die werden ihren Weg in meinen Schrank ohne Zweifel früher oder später noch finden. Und im Februar gastiert Alexej Gorlatch wieder in Westdeutschland, genauer gesagt bei der Neuen Philharmonie Westfalen. Das wird ganz sicher nicht ohne mich passieren.


    Ich empfehle Euch wärmstens, Euch ein Konzert mit ihm zu gönnen - Ihr werdet es sicher nicht bereuen! :)
    Die aktuellen Konzerttermine finden sich auf der Website des Künstlers.

  • Da / obwohl der Thread ja offenbar immernoch weitgehend Brachland ist, möchte ich noch einen weiteren jungen Pianisten vorstellen, den ich kürzlich schon das zweite Mal das Vergnügen hatte, live zu erleben: Igor Levit.


    Igor Levit ist Jahrgang 1987, geboren im sowjet-russischen Gorki, 1995 nach Hannover übergesiedelt, mehrfacher Wettbewerbs-Preisträger und Stipendiat. Weiteres Statistisches findet sich wie gewohnt bei Wikipedia. Seine musikalischen Vorlieben meine ich zuvorderst bei Ludwig van Beethoven, aber auch in der Nach-Romantik wie auch bei schwer zu spielenden Stücken ganz allgemein (Warum? Wohl weil er es kann.) auszumachen.


    Levit passt zwar dahingehend nicht in das Anforderungs-Profil dieses Threads, daß von ihm noch keinerlei Tonträger herausgegeben wurden (seine erste Veröffentlichung - es werden wohl die Diabelli-Variationen - ist für Herbst 2013 angekündigt), viel besser erfüllt er allerdings die Bedingung, keine morgen wieder vergessene Eintagsfliege zu sein. Diese Voraussage wage ich einfach mal zu treffen.


    Also zu dem, was mir live widerfuhr. Gespielt hat Levit bei den beiden Konzerten folgende Werke: Beethoven - Klaviersonaten Nr. 28 & 29 (letztere zweimal), Schostakowitsch - 24 Préludes, op. 34; Debussy - Six Épigraphes Antiques, Reger - Variationen und Fuge über ein Thema von Johann Sebastian Bach. Ich muß ehrlich zugeben, daß mir diese mit Ausnahme der Beethoven-Sonaten bis dato samt und sonders völlig unbekannt waren. Dennoch vermochte es Igor Levit zumeist, (ich hoffe nicht nur) mich unmittelbar in den Bann seiner immer durch ungeheure Tiefe und höchste Musikalität hervorstechende Interpretation zu schlagen. Und auch wenn ich mich erinnere, daß mir einige Tempo-Entscheidungen, insbesondere im Kopfsatz der Hammerklavier-Sonate, nicht 100% gefallen mochten und für meine Begriffe zu extrem (wenn auch nie manieristisch!) daherkamen, so zwang Levits Spiel dennoch jederzeit zum unmittelbaren 'Miterleben' des Dargebotenen.


    Kurz und gut: wenn ich wieder die Gelegenheit haben sollte, ihn zu sehen, werde ich sie wahrnehmen! Ich bin mir sehr sicher, wir werden noch viel von ihm hören - auch wenn die Meinungen womöglich auseinander gehen werden. Zum Schluß sei noch seine persönlich Homepage für die genannt, die sich weiter informieren oder mal ein Konzert von Herrn Levit besuchen möchten: www.igorlevit.com.

  • Einer der vielversprechendsten jungen Pianisten ist für mich Rafal Blechacz (Rafal gesprochen (durchgestrichenes >l<!): Rafau, deutsch: Ralf; Blechacz poln. gesprochen Blechatsch). Wer kann schon eine Debut-Platte vorlegen mit den Chopin-Preludes, die gleich Referenzstatus hat?


    Zuletzt habe ich diese Aufnahme von ihm erworben:


    Sie stammt aus dem Jahr 2005, in dem er den Warschauer Chopin-Wettbewerb gewann. Die "Suite bergamasque" ist wirklich ganz ausgezeichnet, sehr feinsinnig ausgehört und sehr "genau" gespielt. Da spielt ein junger Meister-Pianist. Auch die Schumann-Sonate ist sehr gut - besonders der langsame Satz sehr eindringlich. Der 1. Satz ist interpretatorisch für jeden Pianisten eine Herausforderung. Schumann schreibt vor, man solle ihn "so schnell wie möglich" spielen - und in der Coda verlangt Schumann dann paradox: noch schneller! Ist das Ironie? Blechacz hält sich daran und spielt das Tempo von Martha Argerich. Dabei gehen natürlich zwangsläufig die melodischen Bögen verloren - die hört man bei Claudio Arrau oder Wilhelm Kempff, die ein deutlich gemächlicheres Tempo wählen. Interpretatorisch wirft dieser Satz einfach viele Fragen auf - und ein junger Musiker darf da durchaus noch "wachsen". Die Argerich wirkt hier dann doch "sinnlicher" als Blechacz´ etwas trockene technische Makellosigkeit. Der Szymanowski ist wirklich sehr hörenswert und auch der Liszt fabelhaft.

    Seine letzte Platte bei der DGG mit Debussy und Szymanowski werde ich mir noch besorgen! :)


    Beste Grüße
    Holger

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  • Hallo Holger! Ich habe mir auf Deine Empfehlung hin gerade mal ein paar Aufnahmen von Blechacz bei Youtube angesehen - und ich bin begeistert! Hier mal ein kleines Beispiel aus den schon angesprochenen Chopin-Préludes, damit die Allgemeinheit auch was zu hören hat:



    Frédéric Chopin - Prélude No. 24 in d-moll


    Für meinen Geschmack legt er ein Ideechen zu viel Gewicht auf die linke Hand, aber sein Spiel ist ungemein spanndend, ja fesselnd. Und seine Fähigkeit, bei höchster spielerischer Präzision noch emotionalen Ausdruck zu kreieren, halte ich für überragend. Kein Wunder, daß die DG ihn unter ihre Fittiche genommen hat... Ich werde mich nach CDs von ihm umsehen.


    In diesem Sinne: vielen herzlichen Dank für den Tip!

  • Und es geht weiter: Soeben hat der junge deutsche Pianist Alexander Krichel - fast hätte ich geschrieben - seine erste - aber nein, es ist bereits seine zweite - CD auf den Markt gebracht. Die Kritik streut ihm Lorbeeren, Sony hat einen Exklusivvertrag mit ihm abgeschlossen - und die Promotion läuft auf Hochtouren.Der Künstler selbst wird sich im Rahmen einer Tourne seinem Publikum präsentieren. Wenn ich vorerst in dir verfügbaren Soundschnippsel bei jpc hineinhöre, dann erwartet uns Gutes für de Zukunft.....

    http://www.alexanderkrichel.de


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Im Jahr, nachdem Alfred Brendel abgetreten war, traten in Mülheim beim Klavierfestival Ruhr innerhalb einer Woche etliche seiner Schüler auf, unter anderem auch Kit Armstrong, der mit seinem frappierend reifen Spiel als damals 17jähriger auf dem Klavierfestival begeisterte, auch mich. Bemerkenswert war auch, dass er u. a. eine eigene Komposition vortrug. Hier ist eine bemerkenswerte DVD mit Lehrer und Schüler.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    ich habe den Film im Fernsehen gesehen! Das fand ich sehr bemerkenswert - ein sehr sympathischer Junge und auch Brendel ist unglaublich einfühlsam und warmherzig! :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Es gibt ein Interview mit Kit Armstrong, das ich sehr interessant und aufschlussreich fand.
    Daß er - was Brendel befürchtet - je in die "Fänge der Medien" gelangt, das halte ich für ausgeschlossen. Seine Persönlichkeitsstruktur bewahrt ihn davor. Man lese nur einzelne Antworten im Interview kritisch - dann weiß man den von mir vermuteten Grund.....


    http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/26958/


    Zeitungsartikel bleiben nicht für alle Zeiten im Internet - daher empfehle ich Interessierten, ihn zu lesen, solange der Link noch funktioniert.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Bei ihm muss man sich fragen, ob er noch zu den Jungen zu rechnen ist: Francesco Tristano Schlimé, seit einigen Jahren nur noch als Francesco Tristano unterwegs. Jung an Jahren ist er mit knapp über 30 Jahren wohl, hat aber schon eine feine Discoraphie vorzuweisen. Tristano ist Musiker im wahrsten Sinne des Wortes, unterscheidet nicht zwischen E und U, stellt in Konzerten Bach und Buxtehude nebeneinander, wie vor ein paar Wochen in Dortmund, und kombiniert das mit eigenen Werken. Neben seiner klassischen Pianistentätigkeit tritt Tristano in Clubs als DJ auf (was mit Plattenauflegen nichts, aber auch gar nichts zu tun hat). Mit Synthesizer und Laptop macht Tristano stundenlang live-Musik.


    Den Laptop und ein paar Boxen bringt er auch zu Konzerten in die Säle der Berliner, Kölner oder Dortmund Philharmonie mit, baut vorsichtige Loops Bei den Goldbergvariationen ein (wirklich nur an ein oder zwei Stellen). Für die eigenen Stücke braucht er die Technik ohnehin.


    Über seine brilliante Spieltechnik muss man kein großes Wort verlieren. Als Nicht-Musiker und Nicht-Musikwissenschaftler steht es mir nicht zu, von neuen Einsichten zu sprechen, die sein Spiel vermittelt, von Wahrnehmungen jenseit des Vertrauten bei seinem Bach-Spiel durchaus. Cage war für mich Neuland, als CD-Programm finde ich die Zusammenstellung von Bach und Cage vorzüglich gelungen. Sollte ich Tristano beschreiben müssen, so würde ich ihm einen Pianisten sehen, der sich neben der Musik sehr mit den klanglichen Möglichkeiten seines Instrumentes auseinanersetzt, sehr am Klang arbeitet und auch nicht davor zurückschreckt, die klanglichen Möglichkeiten des Instrumentes ggf. mit technischer Hilfe zu erweiteren. Zu introvertiert für einen wahren Starrummel, dennoch mehr als ein Geheimtipp. Zählt neben Blechaz, der hier dankenswerterweise schon genannt wurde, für mich zu den großen Entdeckungen des Jahres 2012.



    Hier das aktuelle Album, mit dem er auch tourt:



    und eine feine Platte mit Club-Musik:



    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Ich hätte mal eine Frage an die Pianistenkenner: Was ist an Jan Lisiecki denn dran? Ist er wirklich sowas wie ein neuer Arthur Rubinstein? Seine kürzlich erschienen Chopin-Aufnahmen werden sich wohl an seinem Landsmann, der als größter Chopin-Interpret gilt, soweit ich weiß, messen müssen.



    Die ersten Amazon-Rezensionen scheinen doch eher gedämpft zu sein ...


    LG
    Joseph

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Fangen wir mit den Rezensionen an:


    Unsere Zeit kennt wenig Begeisterungsfähigkeit, einer der Rezensenten gibt das sogar (unfreiwillig ?) zu,indem er über eine POLLLINI Aufnahme meint, bei ihrem Entstehen sei sie sensationell gewesen, heute aber gäbe es etliche Aufnahmen auf gleichem Niveau - sie falle nicht mehr auf. Hier ist das eigentliche Problem auf den Punkt gebracht: Das allgemeine Niveau ist derart hoch, daß "herausragende " Aufnahmen nur durch Skurrillität oder Querdenkertum möglich sind - die dann just von der Gegenseite wegen Mangel an Werktreue zerpflückt werden.
    Wenn nun ein Label einen jungen Künstler für sich erkoren hat, dann will man ihn natürlich auch so positiv wie möglich präsentieren - und man schiesst hierbei oft übers Ziel hinaus, insbesondere dann, wenn die Lobeshymne nicht ein Musikexperte des betreffenden Labels verfasst (die gehen heute meist stempeln) sondern ein Mitarbeiter der PR-Abteilung.
    DAs führt natürlich zu kritischen Einwänden seitens der "Kenner", die würden sich eher die Zunke abbeissen, als ein junges Talent zu loben.
    Merke: Wenn ein neuer - vorzugsweise junger - Pianist (oder Sänger etc) am Klassikmarkt erscheint, dann mache ein skeptisches Gesicht, seufze, und erkläre dann, daß hier vermutlich etwas Mittelmäßiges als Topstar verkauft würde - und daß der Betreffende in spätestens zwei Jahren wieder verschwunden sein würde. Das weist Dich als kritischen Kenner aus, und in zwei Jahren wird vermutlich jeder Deinen Weitblick bewundern. Denn da sehr viele Leute so wie beschrieben reagieren hat der Jungstar kaum eine Chance zu bestehen, weil alle auf Deinen Rat hören,lieber Rubinstein oder Pollini zu hören - und der "Neue" ist in der Tat verschwunden.


    Spaß beiseite - Ich mache mir derzeit noch keine Gedanken darüber ob er einst ein zweiter Rubinstein wird.
    Einer der beiden Rezensenten hat ja eine Unart des (zu) langsamen Spielens erwähnt - und dan lakonisch gemeint, Cortot habe das auch oft so gemacht...... :hahahaha:


    Freundliche Grüße aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Unsere Zeit kennt wenig Begeisterungsfähigkeit, einer der Rezensenten gibt das sogar (unfreiwillig ?) zu,indem er über eine POLLLINI Aufnahme meint, bei ihrem Entstehen sei sie sensationell gewesen, heute aber gäbe es etliche Aufnahmen auf gleichem Niveau - sie falle nicht mehr auf. Hier ist das eigentliche Problem auf den Punkt gebracht: Das allgemeine Niveau ist derart hoch, daß "herausragende " Aufnahmen nur durch Skurrillität oder Querdenkertum möglich sind - die dann just von der Gegenseite wegen Mangel an Werktreue zerpflückt werden.

    Lieber Alfred,


    solche reißerischen Äußerungen halte ich schlicht für nicht kompetent. Pollinis Aufnahme der Chopin-Etüden von 1960 ist gerade nach heutigen Maßstäben absolut singulär - sonst hätte ihre späte Veröffentlichung nach mehr als 50 Jahren auch nicht so ein Aufsehen erregt. Und Pollinis Mitschnitt der b-moll Sonate von Chopin beim Warschauer Wettbewerb 1960 ist sämtlichen Neuaufnahmen von "Youngstars" von heute schlicht turmhoch überlegen. Es gibt keine einzige, die auch nur im Entferntesten an das Niveau des damals 18jährigen Pollini heranreicht. (Siehe meinen Thread.)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Pollinis Aufnahme der Chopin-Etüden von 1960 ist gerade nach heutigen Maßstäben absolut singulär - sonst hätte ihre späte Veröffentlichung nach mehr als 50 Jahren auch nicht so ein Aufsehen erregt.


    Ja, aber der von Alfred zitierte Rezensent kann nur von der "regulären" Einspielung von 1971 gesprochen haben...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Daniel Röhm, 1974 in Böblingen geboren und in der Heilbronner Region aufgewachsen. studierte während der Gymnasialzeit von 1990 – 1995 beim
    Klavierpädagogen Paul Buck in Stuttgart, bevor er seine Studien in Lübeck bei Konrad Elser fortsetzte und ein Meisterklassenstudium bei Gerhard Oppitz mit Auszeichnung abschloss. Der vielfach preisgekrönte Pianist - den der Kritikerpapst
    Joachim Kaiser als eine der größten deutschen Klavierhoffnungen bezeichnet - konzertiert regelmäßig mit Klavierrecitals, Solokonzerten sowie bei Festivals. Darüber hinaus ist Röhm Lehrbeauftragter an der Hochschule für Musik in Weimar und bekleidet zur Zeit eine Gastprofessur in Seoul (Korea).


    Beim Saisonabschlusskonzert des Heilbronner Sinfonie Orchesters am 21. April 2013 in der Harmonie begeisterte Daniel Röhm
    „Herzstück des Abends: das Klavierkonzert D-Dur, bei dem sich Daniel Röhm als profunder Britten-Interpret erweist. Kristalline Stakkati an den Tasten eröffnen das Werk, das Röhm in dichten Akkordkadenzen münden lässt. Wie an Perlenschnüren reiht er die Läufe auf, lässt pulsende Figuren folgen. Im Wechsel zwischen Dialogform und Zusammenspiel mit dem Orchester berühren zartes Streicherflimmern, das in Einheit mit den Bläsern zum pastoral anmutenden Moment gerät, sowie zum Höhepunkt hin spannungsvoll gesteigerte Passagen.
    Über Bogenschläge und Tastentänze steigert sich der zweite Satz zum Walzer, der aber keineswegs nur mit Gefälligkeit punktet, sondern bei dem das HSO im An- und Abschwellen die innere Zerrissenheit deutlich machen kann. Still, verhalten, ja träumerisch erzählt Röhm das Thema im Impromptu, von der Schwermut dunkler Streicherklänge umgeben, bevor sich im Marsch eruptiv aufwühlende Akkorde mit den reichen Klangfarben des Orchesters vereinen und sich unter dem beherzten Zugriff des Oppitz-Meisterschülers der Flügel als Schlaginstrument beweist.
    Das Publikum spendet viel Beifall und Ovationen im Stehen.“
    Monika Köhler in der Heilbronner Stimme


    In dem Konzert mit dem Titel „ORPHEUS BRITANNICUS“ standen neben dem von
    Daniel Röhm begeisternd gestaltetem Klavierkonzert op. 13 noch die „Soirées musicales“ über Themen von Rossini und „The Young Persons Guide to the Orchestra“ von Benjamin Britten und „Pomp und Circumstance“ Nr. 4 und Nr. 1 von Edward Elgar auf dem Programm.
    Insgesamt reizvoll gewählte interessante Werke mit z. T. Neuigkeitscharakter für das Publikum, in denen das HSO zusammen mit dem hervorragenden, technisch brillanten Pianisten seine Vielseitigkeit und Spielkultur wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis stellen konnte. Ein wirklich krönender Abschluss einer musikalisch voll überzeugenden Konzertreihe 2012/2013.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • ...Krichel hat mich beim Reinhören im Geschäft nicht überzeugt, Details habe ich vergessen (oder verdrängt).
    Lisiecki habe ich mir eben über einen Newsletter-Link der DG auf der Website angehört und einige Etüden auf jpc. Das geht auch gar nicht!! Ich weiß nicht, ob ich Rubinstein richtig in meiner Ablehnung zuordne, aber ich habe ein paar der "großen Alten" auf Aufnahmen gehört, bei denen mich schon die rhythmische und motorische Unzulänglichkeit genervt hat. Dagegen ist ja Brendel schon ein treffsicherer Virtuose...
    Ich bleibe sehr gerne bei Pollini und Perahia, was Chopin betrifft, ergänzt um Andsnes, Zimerman, Ott, Fliter, Bunin, Li und Trpčeski.


    Gute Nacht! :)
    Accuphan

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

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  • Der neuen Fono Forum-Ausgabe liegt übrigens eine CD mit einer Live-Aufnahme des hier schon verschiedentlich erwähnten Alexej Gorlatch vom letztjährigen Klavierfestival Ruhr bei (Brahms, Chopin und Debussy, wenn mich nicht alles täuscht).


    Ich habe sie ehrlich gesagt noch nicht gehört, sollte mich aber nach dem, was ich von Herrn Gorlatch schon live und auf Platte hören durfte, schon sehr wundern, wäre die CD nicht ganz ausgezeichnet!

  • Wo ich vorgestern im Rahmen des Luzern-Festival das große Vergnügen hatte, einmal mehr den schon angesprochenen Alexej Gorlatch live zu erleben, möchte ich nicht versäumen, das an anderer Stelle schon gesagte zu wiederholen und nochmal zu betonen. Einmal mehr war es ein ausgesprochenes Vergnügen, dem jungen Mann zu lauschen!


    Auf dem Programm standen diesmal nur eine Beethoven-Sonate (wiederum 'Der Sturm'), dafür die vollständigen Chopin-Etüden und 16 Deutsche Tänze von Franz Schubert. Was Beethoven angeht, kann ich dem schon gesagten wenig hinzufügen: da ist Gorlatch einfach jetzt schon auf einem Niveau, von dem andere ihr Leben lang träumen. Ich bin sehr gespannt, wie er sich noch entwickeln wird!


    Dasselbe lässt sich im Prinzip über die Schubert'schen Tänze sagen und vor allem auch über die Chopin-Etüden sagen, die zurecht ja schon so eine Art Markenzeichen von Gorlatch sind: auch hier ohne falsche Effekthascherei, aber höchst einfühlsam vermochte er sehr gut zu vermitteln, daß die Chopin-Stücke in ihrem Wesen über reine Übungs-Häppchen weit hinausgehen. Von der technischen Umsetzung einmal ganz zu schweigen: da wurden teilweise schon ungläubig Hälse gereckt und verstohlen bewundernde Blicke ausgetauscht. Völlig zurecht, wohlgemerkt.


    Ich hoffe sehr, daß Gorlatch bald einen ordentlichen Plattenvertrag angeboten bekommt und ihm die gebührende Bekanntheit zuteil wird! :)



    Für dieses Jahr steht nur noch ein Konzert an: am 7. Dezember in München (und ich bin am 4. da unten, verdammt).
    Wer also die Chance hat, dahinzugehen: lasst sie Euch nicht entgehen!

  • Heute hatte ich im Freiburger Konzerthaus mal wieder Gelegenheit, mit Kit Armstrong einen Pianisten der jungen Generation (Jahrgang 1992 und Protegé Alfred Brendels) neu kennenzulernen. Eigentlich sollte Rudolf Buchbinder den Abend mit Klavierkonzerten Haydns (11), Mozarts (21) und Beethovens (1) bestreiten, und natürlich war der auch mein Grund, dort hinzugehen. Allerdings ist der Meister kurzfristig erkrankt, so daß er sich hier vertreten lassen musste.


    Kit Armstrong ist selbstverständlich gerade erst den Windeln entwachsen, hat dessen ungeachtet allerdings schon mit Gott für die Welt gespielt und ist allgemein das größte Genie seit Menschengedenken. Soweit der übliche Vorstellungs-Text im Programmheft.


    Die Realität sah für meine bescheidenen Begriffe dann allerdings eine deutliche Ecke nüchterner aus:
    falsch gemacht hat Armstrong nicht wirklich etwas, dennoch wollte sein Vortrag keine echte Begeisterung bei mir aufkommen lassen. Oft wirkte sein Spiel eigenartig teilnahmslos, als bedeuteten ihm die dargebotenen Werke eigentlich kaum etwas. Dieser Eindruck verstärkte sich eher noch, wenn Armstrong dann doch ab und zu einmal eine scheinbar keiner erkennbaren Linie folgende, eigene Akzentuierung einstreute. Technisch war natürlich alles tip top, auch wenn ich mir an so mancher Stelle eine feiner nuancierte Phrasierung gewünscht hätte. Dieses Gefühl der Unverbindlichkeit verflüchtigte sich bei eigentlich erst mit der sehr schönen Zugabe, die mir leider nicht bekannt war (es klang, als hätte Beethoven seine Begeisterung für Bach in Noten gefasst).


    Aber ich will auch nicht unangemessen ungerecht sein: ich halte es durchaus für möglich, daß manches Defizit an diesem Abend dem kalten Wasser geschuldet war, in das Armstrong mit der Vertretung Buchbinders geworfen wurde. Einige Unstimmigkeiten im Zusammenspiel mit dem (übrigens ganz famosen!) Zürcher Kammerorchester deuten zumindest in diese Richtung.


    Am meisten gestört hat mich allerdings Armstrongs Klavierton: alles klang seltsam belegt und ohne Brillianz - übertragen gesprochen gerade so, als wären Saiten und Hämmer mit einem matten Lack überzogen. Jetzt habe ich mir eben angelesen, daß der Pianist offenbar eng mit dem Klavierbauer Bechstein verbandelt ist, so daß es nahe läge, den Klang zumindest zum Teil dem Instrument anzulasten. Allerdings hatte ich den Bechstein-Klang warm in Erinnerung, nicht aber stumpf wie hier. Ich weiß es nicht - aber schön war es jedenfalls überhaupt nicht.


    Unter dem Strich werde ich morgen sicherlich nicht zum nächsten Plattenhändler rennen, um Armstrongs bislang einzige CD zu erwerben. Ich denke, er braucht einfach noch ein paar Jahre…



    Der Vollständigkeit halber seien hier noch zwei Links zu Armstrong ergänzt:
    Wikipedia // Künstler-Homepage

  • Heute hatte ich im Freiburger Konzerthaus mal wieder Gelegenheit, mit Kit Armstrong einen Pianisten der jungen Generation (Jahrgang 1992 und Protegé Alfred Brendels) neu kennenzulernen. Eigentlich sollte Rudolf Buchbinder den Abend mit Klavierkonzerten Haydns (11), Mozarts (21) und Beethovens (1) bestreiten, und natürlich war der auch mein Grund, dort hinzugehen. Allerdings ist der Meister kurzfristig erkrankt, so daß er sich hier vertreten lassen musste.
    Unter dem Strich werde ich morgen sicherlich nicht zum nächsten Plattenhändler rennen, um Armstrongs bislang einzige CD zu erwerben. Ich denke, er braucht einfach noch ein paar Jahre…


    Ich bin erst jetzt zum Lesen dieses Beitrages gekommen und muss mich einfach dazu äußern, weil ich Kit Armstrong, ein Riesentalent, ebenfalls live in einem Konzert erleben durfte. Bei mir spielte er eines meiner Lieblingskonzerte, das Schumann-Konzert mit dem Konzerthausorchester Berlin und blieb keine Wünsche übrig. Zupackend, leidenschaftlich, lyrisch verträumt, die Kadenz meisterhaft. Ich habe mir seinen Namen sofort für ein Wiederhören geistig gespeichert. Bei dir musste er für Buchbinder einspringen. Ich kenne dieses Buchbinder-Programm selber. Wie hoch liegt da die Messlatte! Möglicherweise all inclusive, mit Dirigat, das war bei meinem Konzert so. Wenn ich in ein Buchbinder-Konzert gehen will und da wird mir ein blutjunger Einspringer als Ersatz präsentiert, bin ich da nicht sofort kritisch eingestellt? Auch bei Buchbinder habe ich schon kleine Verspielerchen erlebt, die nichts vom musikalischen Eindruck genommen haben. Armstrong würde man sie vielleicht ankreiden. So ein Einspringen ist vom Solisten mutig und vom Veranstalter gewagt. Ich weiss nicht wie das Publikum reagiert hat, im allgemeinen honoriert es so etwas.
    Ich habe keine Armstrong-CD, aber bei seinem nächsten Konzert in Berlin, so ich nicht verhindert bin, werde ich dabei sein.
    Beste Grüße
    :hello:
    timmiju

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • So, dann will ich mal mit den Pianisten bis 30 fortfahren, wie es hier empfohlen wurde:


    Wie wirken Wettbewerbe und Erfolge dabei auf die Karrieren junger Pianisten ?


    Ich fange mal mit den Herren an. Mir fallen so auf die Schnelle neben den bereits ausführlich erwähnten Blechacz, Trifonov, Lisiecki und Gorlatch noch ein, strikt alphabetisch und ohne Wertung:


    Mateusz Borowiak (Sieger Maria Canals 2011)
    Boris Giltburg (Sieger Königin Elisabeth-Concours 2013, hat gerade eine Schumann-CD bei Naxos herausgebracht)
    Benjamin Grosvenor
    Stanislav Khristenko (Sieger Maria Canals 2013)
    Igor Levit


    Und die Damen wie folgt, Khatia Buniatishvili und Olga Scheps wurden in dem anderen Thread schon erwähnt:


    Regina Chernychko (Siegerin Maria Canals 2014)
    Inga Fiolia
    Ekatarina Litvintseva
    Alice Sara Ott
    Oxana Shevchenko


    Wer kennt wen und wer kann Ergänzungen anfügen ?


    Holger

    Die Wahrheit liegt hinter dem Denken.

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