Beethoven - Die Klaviersonaten in historischen Aufnahmen

  • Liebe Freunde des Klaviers, liebe Freunde historischer Aufnahmen


    Das Schellackforum war bisher ausschliesslich Sängern vorbehalten (von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen), vor allem weil Sinfonische Werke über Allte Schellackplatten sehr verzerrt und verfärbt wiedergegen werden, sodaß nur in seltenen Fällen - meist aus historischem Interesse - solche Aufnahmen gehört oder gekauft werden. Stimmen indes können seit etwa 1935 sehr naturnah eingefangen werden - so man einen veritablen Pegel an Hintergrundrauschen akzeptiert.


    Aber auch Soloklavier aus den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts kann durchaus mnit Genuss gehört werden - vor allem von älteren Semestern, welche die Nebengeräusche nicht mehr so hören....


    Ich starte daher als Pilotprojekt diesen Thread über historische Aufnahmen von Beethoven Klaviersonaten - parallel zu jenem:


    Beethoven - Die Klaviersonaten


    Es kann hier über die Klaviergrößen von einst geschrieben werden - über ihre Stärken und Schwächen, bzw welchen Stellenwert ihre Aufnahmen einst hatten - und teilweise noch heute habern. Es können Unterschiede zwischen einst und heute erwähnt werden, aber auch die Frage gestellt werden, wer denn damals aus heutiger Sicht der "modernste" Pianist in Sachen Beethoven war. Aufnahmen der Gegenwart sollten jedoch -wenn überhaupt - nur in diesem Zusammenhang - und möglichst kurz Erwähnung finden.


    Was ist nun "historisch" im Sinne des Threads ?


    Es macht meiner Meinung nach wenig Sinn , Aufnahmen mit einzubeziehen, wo man nur mit äusserster Konzetration das Klavier auf der Aufnahme als solches erahnen oder erkennen kann. Ich denke hier also an die dreißiger, vierziger -und meinetwegen noch an die frühen fünfziger -in Monoqualität. An Namen fallen mir spontan Walter Gieseking, Arthur Schnabel, Eddie Fischer und Solomon Cutner ein. Wenn jemand Aufnahmen von Welte-Mignon Rollen zum Thema findet, so können die natürlich auch mit einbezogen werden - der zeitliche Rahmen würder dadurch erweitert.


    Es gab damals nur wenige Gesamtaufnahmen - aber das ist ja auch nicht unbedingt Bedingung (im Gegensatzt zum oben angeführten Parallelthread...


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Einer der bedeutendsten Pianisten seiner Zeit war zweifellos Artur Schnabel. (1882-1951) Er spielte fast ausschliesslich klassisches Repertoire, was Schönberg zur kritischen Aussage veranlasste, dieser Standpunkt sei nicht nur albern sonderm "geradezu verbrecherisch" Als einer der führenden Pianisten seiner Zeit habe er geradezu die Verpflichtung Zeitgenossen aufzuführen...


    Wie dem auch sei - Schnabel widmete sich lieber den 32 Klaviersonaten Beethovens, die er zwischen 1932 und 1934 für die EMI einspielte. Diese Aufnahme ist auch heute noch in vielen Tonträgersammlungen als eiserner Bestand zu finden.


    Diese Einspielungen sind in vielerlei Hinsicht ein Glücksfall für die Schallplatte, denn Schnabel hatte sich jahrelang geweigert Schallplatten aufzunehmen, nach eigener Aussage, weil die Tontechnik unvollkommen sei. 1932 war es dann endlich soweit, es gab einen Vertrag mit der EMI und Schnabel spielte den gesamten Zyklus ein. Schnabel mag seine Entscheidung letztlich bereut haben, denn die Kritik war eher skeptisch und man wie darauf hin, daß Schnabels Stärken eher im Konzert zu hören seien, als auf diesen Aufnahmen - glücklicherweise haben wir sie dennoch.


    Schnabel war zu Lebzeiten eine ausgesprochene Beethoven Autorität - vergleichbar etwa mit Alfred Brendel, der sich in seinem Buch "Über Musik" (Piper TB 4939) ab Seite 492 mit Schnabels Interpretationslehre auseinandersetzt (Wiedergabe eines Interviews mit Konrad Wolff aus 1979, welches 1989 noch mit weiteren Anmerkungen Brendels versehen wurde)


    Unter anderem spricht Brendel auch über Schnabels bedingungsloses Folgen des Notentextes, welchem er persönlich nicht folgen kann (und diesen Standpunkt auch logisch begründet)



    Vielleicht gelingt es uns wenigstens einge Aufnahmen vergleichend mit Zeitgenossen zu besprechen, wenigstens in Ansätzen.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Was ist nun "historisch" im Sinne des Threads ?

    Als ich Ende der 1950er Jahre begann, Platten zu sammeln, gab es auf dem damals noch überschaubaren Markt m.W. insgesamt nur drei Gesamtaufnahmen der Beethoven-Sonaten, und zwar die legendäre von Arthur Schnabel aus den Jahren 1932-1935 (EMI), die aber in Deutschland zu dieser Zeit nicht oder nur teilweise angeboten wurde, sowie die LPs mit Wilhelm Kempff (1951-1956, DGG) und Wilhelm Backhaus (ebenfalls frühe 50er Jahre, DECCA). Später wurden sie aber auf CD komplett neu veröffentlicht, z.B. die von Wilhelm Kempff:


    Klaviersonaten 1-32. Aufnahmen 1951/1956 - Kempff,Wilhelm, Beethoven,Ludwig  Van: Musik

    Kempff hatte das Glück, Beethovens Sonaten in den 1960er Jahren noch einmal geschlossen in Stereo aufzuzeichnen, während sein Kollege Backhaus seinen Stereo-Zyklus nicht mehr vollenden konnte. Allerdings fehlt in seiner Stereo-Ausgabe lediglich die Hammerklavier-Sonate, die deshalb aus der älteren Mono-Ausgabe übernommen wurde.


    Schließlich ist noch zu nennen die bereits weit fortgeschrittene, aber leider unvollendet gebliebene GA von Walter Gieseking (EMI-Columbia), die wegen des plötzlichen, während der Aufnahmesitzungen in London erfolgten Todes des Pianisten am 26. Oktober 1956 nicht fortgeführt werden konnte. Der englische Produzent Walter Legge hatte sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, nach DGG und DECCA nun endlich auch eine moderne GA präsentieren zu können. Die letzten Aufnahmen mit Gieseking wurden sogar schon in Stereo produziert und sind z.T. auch heute noch im CD-Format erhältlich:


    Piano Sonatas Nos. 21, 30 and 31 (Gieseking) By Ludwig van Beethoven (Composer),,Walter Gieseking (Piano) (2001-09-03) Klaviersonaten 8-10,13+14

    Weitere Aufnahmen aus dieser Reihe veröffentlichten nach der 50-Jahre-Sperrfrist diverse Labels, so z.B. das Instituto Discografico Italiano (IDIS):

    Die Klaviersonaten Vol.2



    Obgleich es sich hier - streng genommen - um einen Thread aus der Rubrik "Schellackschätze" handelt, so nehme ich mir aufgrund des Thread-Titels "Beethoven - die Klaviersonaten in historischen Aufnahmen" die Freiheit, die oben genannten, inzwischen wahrhaft historischen Aufnahmen (die übrigens trotz Mono technisch erstaunlich gut gelungen sind), in diesem Zusammenhang ins Gespräch zu bringen.


    Da eine 30 cm-LP preisgebunden damals 25 DM kostete, wurden die Aufnahmen nur als Einzelplatten angeboten, denn nur wenige Sterbliche hätten sich eine Kassette mit 12-15 Platten leisten können.


    Neben diesen bedeutenden Gesamtübersichten gab es in der Frühzeit der LP noch eine Vielzahl von Einzelaufnahmen, wie z.B. von Rudolf Serkin, Solomon, Edwin Fischer, Elly Ney und Rudolf Firkusny. Obwohl ganz überwiegend schon für die LP produziert, sind sie allesamt heute als historische Aufnahmen zu betrachten. Die Freunde der Klaviermusik, die an solchen alten Einspielungen interessiert sind, finden bei entsprechender Suche im Internet eine breite Auswahl, oft zu sehr günstigen Preisen.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber Nemorino,


    das freut mich sehr, dass Du diesen Thread wieder aufgreifst! Es gibt ja noch die Vorkriegsaufnahmen von Wilhelm Kempff. Sie sind zwar nicht komplett, aber trotzdem finde ich sind sie unverzichtbar. Nicht nur wegen Kempffs hochpoetischem Spiel (für mich ist und bleibt Kempff der Inbegriff von Musikalität! :) ). Sie sind doch merklich anders - vor allem was das Zeitempfinden angeht. Kempff arbeitet hier nämlich noch - in der Wagner-Tradition - mit Tempowechseln. Bei der Sonate op. 7 z.B., aufgenommen 1936, hört man es - sie gefällt mir sogar besser als die beiden späteren Aufnahmen bei der DGG, die im modernen Geist ein einheitliches Grundtempo wählen. Empfehlenswert sind die CDs auch, weil hervorragend remastert vom auf historische Aufnahmen spezialisierten Label apr:




    Die Gieseking-Aufnahmen sind auch alle nochmals aufgelegt - sie hatte ich mir auch besorgt. Wie es so ist, mangels Zeit zum Hören ist von all dem leider bei mir noch vieles ungehört geblieben!




    :hello:


    Liebe Grüße

    Holger

  • Zu Kempf: Ich habe vor viele Jahrzehnten ein Interview im Fernsehen gesehen, wo Kempf über seine "moderne" Spielart der Beethoven Sonaten sprach. Die Aufnahme war schon damals alt - ich schätze auf späte 40er Jahre oder frühe 50er jahren. Und ich habe nur einen Satz in erinnerung, wo er sagt: "Natürlich, sipele ich das zeitgemäß - SO (erbezog sich auf eine ältere Aufnahme eines anderen Pianisten - aber welche das war weiß ich nicht mehr. Mir blieb dieser Sat deshalb in Erinnerung, weil gerade Kempff lange Zeit als "veraltet" galt (Glücklicherweise ist diese Phase vorbei)

    Leider konnte ich trotz intensiver Recherche das Interview (es war in SW, in deutscher Sprache und Kempf war in den besten Jahren)nicht im Internet finden.


    Aber ich habe etwas anderes gefunden - was vielleicht noch nicht alle kennen.

    Sehr interessant, Kempff setzt sich hier mit seiner Spielweise auseinander, sagt auch einiges zur "Werktreue" - und verteidigt geistvoll seinen Interpretationsspiel - weist auf Beethoven hin und seine Kritiken zu Lebzeiten !!! - Und wie man Hummels Klavierpiel dem seinen vorgezogen hat.



    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wilhelm Kempff war in seiner späteren Aufführungszeit ziemlich erfolgreich auch in Japan unterwegs. Dort entstand innerhalb kurzer Zeit während seiner Konzertreise (1961 in tokyo) eine Gesamteinspielung der Beethovensonaten.


    s-l600.jpg




    Die Einspielung weist deutlich mehr Fehler auf als die Einspielung bei der Grammophone, Kempf war hier aber auch schon im fortgeschrittenen Alter. Der Bonus ist der sehr persönliche Klang, ein viel persönlicheres und direkteres Spiel als es bei der Studioaufnahme herüberkommt. Insgesamt kommt mir hier das Besondere am Spiel dieses Pianisten näher. Man muss alllerdings mit Mono zurechtkommen....


    Als kleines Beispiel Op.26


  • Hier eine bisher wohl unveröffentliche Live-Radioaufnahme von Beethovens Op. 111 von 1954 mit Wilhelm Kempff


  • Aber ich habe etwas anderes gefunden - was vielleicht noch nicht alle kennen.

    Sehr interessant, Kempff setzt sich hier mit seiner Spielweise auseinander, sagt auch einiges zur "Werktreue" - und verteidigt geistvoll seinen Interpretationsspiel - weist auf Beethoven hin und seine Kritiken zu Lebzeiten !!! - Und wie man Hummels Klavierpiel dem seinen vorgezogen hat.

    Das ist sehr schön! Humor hatte er - sich als Nachfahren von Beethoven zu bezeichnen. "Modern" ist ein sehr relativer Begriff. Was heute modern ist, ist morgen unmodern. Der späte Kempff hat (wie auch Alfred Brendel) die Rhetorik wiederentdeckt. Rhetorik war im Zeitalter der Neuen Sachlichkeit verpönt, heute ist sie wieder modern. Und auch Tempowechsel werden nicht mehr so kategorisch verdammt... :D


    Schöne Grüße

    Holger

  • Lieber Holger,


    der nahezu vollständige Zyklus,den Du gepostet hast, ist nicht für Legges EMI entstanden, vielmehr handelt es sich um einen Zyklus für den Rundfunk, dem allerdings auch eine oder zwei Sonate fehlen. Ich vermag aus dem Kopf jedoch nicht zu sagen, welche. Bei diesen Rundfunkaufnahmen lag keine zeitliche Befristung,die aus der Spielzeit einer Schellackplattenseite herrührte zugrunde. Dennoch ist Gieseking ungewöhnlich schnell unterwegs. Das gilt auch für Backhaus und Kempff. Von beiden existieren Schellackaufnahmen von op. 111.Man könnte vermuten,dass das hohe Tempo, mit dem die drei Herren das Adagietto spielen, eben diesem Grund geschuldet ist. Wäre da nicht die Aufnahme von Elly Ney, die ich neben jener von Maria Grinberg sehr hoch schätze. Die genauen Spielzeiten müsste ich nachschauen, ich meine mich aber an einen Spielzeitunterschied von 5 min beim Adagietto erinnern zu können. Was ich enorm finde. Und auch die Aufnahme von Elly Ney erschien auf Schellack. Und heute auf CD erhältlich. Gottlob, wie ich finde:



    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Nicht nur wegen Kempffs hochpoetischem Spiel (für mich ist und bleibt Kempff der Inbegriff von Musikalität!

    Lieber Holger,


    leider sind die von Dir genannten Vorkriegsaufnahmen von Kempff und Gieseking nicht in meinem Besitz; von Gieseking kenne ich daraus lediglich die "Waldstein"-Sonate und die "Appassionata" von 1938, die in diesem Album enthalten sind:

    Great Pianists of the 20th Century - Walter Gieseking (1999-07-20)

    Ich muß aber gestehen, daß ich sie seit ewigen Zeiten nicht mehr gehört habe und deshalb keinen Kommentar abgeben kann.


    Sowohl die Kempff- als auch die Gieseking-Aufnahmen aus Deinem #4 gehören ja wirklich in diesen Thread (Schellack-Schätze), egal ob es Rundfunk- oder kommerzielle Aufzeichnungen sind, während die von mir genannten Aufnahmen der drei großen deutschen Pianisten (Backhaus, Gieseking, Kempff) bereits auf LP vorgelegt wurden.


    Nun zu Kempffs "hochpoetischen Spiel": Ich sage ganz freimütig, daß ich Kempffs Beethoven-Sonaten in der Gesamtschau aller mir vorliegenden Aufnahmen am höchsten schätze, gerade wegen seines hochpoetischen Spiels! Ein - inzwischen verstorbener - Freund von mir hatte stets speziell an Kempffs Beethoven herumzumäkeln. Er war der Auffassung, Kempff spiele Beethoven wie Schubert. Wie an jedem (Vor-)Urteil ist da sicher ein wahrer Kern enthalten, denn Kempffs "singender Ton" war ja eigentlich sein Markenzeichen. Ich finde, er war für beide Komponisten ein großartiger Interpret.


    Wilhelm Backhaus, um es einmal salopp auszudrücken, spielte das alles viel "robuster", wie ich als Laie das mal formulieren will. Es ist wohl eine Frage des Geschmacks, wem man hier den Vorzug geben soll. Das muß jeder für sich selbst entscheiden. Was Kempff betrifft, so ist seine Stereo-Ausgabe aus den 1960ern (DGG) für mich nach wie vor erste Wahl, vor allem wegen der Stereo-Technik. Dagegen klingen die Vorgänger dann doch ein wenig "dumpfer" und eindimensionaler.


    Natürlich ist die Auswahl heute viel größer, ja fast unüberschaubar, und selbstverständlich bevorzuge ich bei einzelnen Sonaten auch andere Pianisten. Doch das ist ein ganz weites Feld und gehört eher in den Thread "Beethoven - die Klaviersonaten".


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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  • Egon Petri (*1881-†1962) war ein niederländisch-amerikanischer Pianist. Er war noch Schüler von Ferruccio Busoni und hat auch mit ihm zusammen die Fantasia in der Fassung für zwei Klaviere aufgeführt. Sein Stil war weniger poetisch, sondern eher monumental.


    Für Rudolf Firkušný war Petri „nicht bloß ein großer Pianist, sondern einer der größten aller Zeiten“. Das Grove’s Dictionary von 1954 zählte „klares Denken“ und „wundervolle Hände, die niemals eine unnötige Bewegung machen“, zu den Charakteristika seines Spiels.[6] 1962 starb Egon Petri 81-jährig in Berkeley (Kalifornien).


    Egon Petris Repertoire war insgesamt sehr weit. Er spielte in der Tra dition von Busoni auch Alkans Etüden und war damit einer der wenigen großen Pianisten, die die Erinnerung an diesen großen Komponisten wachhielten. Er spielte aber auch die Hammerklaviersonate von Beethoven, die wir hier in einer Aufnahme von 1956 (nach Adam Riese war Petri hier schon ~75) zu hören kriegen.


  • Um der Schellack-Ära gerecht zu werden hier nun Op.111 in einer Aufnahme von 1935/36. Auf eine Schellack-Platte kann das nicht gepasst haben, oder?


    Egon Petri Ludwig van Beethoben, Klaviersonate Nr. 32 in c-Moll, Op. 111



  • Man könnte vermuten,dass das hohe Tempo, mit dem die drei Herren das Adagietto spielen, eben diesem Grund geschuldet ist. Wäre da nicht die Aufnahme von Elly Ney, die ich neben jener von Maria Grinberg sehr hoch schätze. Die genauen Spielzeiten müsste ich nachschauen, ich meine mich aber an einen Spielzeitunterschied von 5 min beim Adagietto erinnern zu können. Was ich enorm finde. Und auch die Aufnahme von Elly Ney erschien auf Schellack. Und heute auf CD erhältlich. Gottlob, wie ich finde:

    Lieber Thomas,


    die apr-Box mit Elly Neys Aufnahmen habe ich! :) Lass mir bis Morgen Zeit, dann werde ich die Zeiten mal vergleichen! :hello:

    Nun zu Kempffs "hochpoetischen Spiel": Ich sage ganz freimütig, daß ich Kempffs Beethoven-Sonaten in der Gesamtschau aller mir vorliegenden Aufnahmen am höchsten schätze, gerade wegen seines hochpoetischen Spiels! Ein - inzwischen verstorbener - Freund von mir hatte stets speziell an Kempffs Beethoven herumzumäkeln. Er war der Auffassung, Kempff spiele Beethoven wie Schubert. Wie an jedem (Vor-)Urteil ist da sicher ein wahrer Kern enthalten, denn Kempffs "singender Ton" war ja eigentlich sein Markenzeichen. Ich finde, er war für beide Komponisten ein großartiger Interpret.

    Lieber Nemorino,


    Kempff zu hören insbesondere bei Beethoven ist immer einfach beglückend! :) In der Tat kann Kempff auf dem Klavier singen wie kaum ein Anderer! Zum Unterschied von Beethoven und Schubert hat sich Kempff finde ich selber sehr instruktiv geäußert. Ich habe dies zu Anfang meines Kolumnenthreads über die Klaviersonate B-Dur D 960 gleich zitiert. Schau mal hier:


    Franz Schubert: Romantiker, klassischer Romantiker? Interpretationswege am Beispiel der Klaviersonate Nr 21 in B-Dur D 960


    :hello:


    Liebe Grüße

    Holger


    ckck 967

  • Still ruht der Thread .. so hätte man bis vor kurzem noch sagen können, denn er hat es 1in den elf Jahren seiner Laufzeit grade mal aif 967 Seitenaufruf gebtach - inklusise der letzten Tag, wo er wiederbelebt wurde.

    Einer der Vorteile des Tamino Klassikforums ist, daß soche Threads in der Regel - wenn der Zeitpunkt gekommen ist - wiedererweckt werden.


    Damit sich der Kreis schliesst, erwähne ich den Pianisten, den ich in meinem Beitrag Nr 2 kurz erwähnt habe und der zum Zeitpunkt des Entstehens dieser Aufnahmen, schlechthin DER Beethoven Interpret war : Artur Schnabel. Er galt dereinst als Muster an Werktreue, ohne Mätzchen und Eigenwilligkeiten.

    Ob man das heute noch so sieht wage ich zu beweifeln. Der legendäre Ruhm Schnabels ist IMO aus heutiger Sicht nicht für jedermann nachvollziehbar. Er hatte durchaus Eigenwilligkeiten im Spiel.Bekannt war er auch für seine häufigen Verspieler, die heute nicht mehr toleriert würden.

    Zwischen dem Eröffnungsbeitrag und heute liegen 11 Jahre. Inzwischen (2016) hat sich Warner, als Nachfolger der EMI - dazu entschlossen die zwischen 1932 und 1938 entstandene Geamtaufnahme aller Beethoven-Klaviersonaten mit ihm wieder zu veröffentlichen.

    Mein Eindruck war in mehrfacher Hinsicht zwiespältig. Neben der einwilligen Spielart Schnabels - die man akzeptieren wird- hören wir natürlich auch einerseits die Mängel des historischen Klavierklangs, aber andrerseits auch die Klangphilosphie des damaligen Tontechnikers: Der Klang ist eher nüchtern, der Aufnahmeraum hat eine markante Akustik.

    Klavier ist eines der am schwierigsten aufzunehmenden Instrumente (bis in die frühen 7ßer Jahre9 und das merkt man...


    Dennoch bin ich froh, daß ich mich damals zum Kauf entschlossen haben, denn zumindest ist dieser Zyklus ein historisches Dokument seiner Zeit mit einem der führenden Pianisten des 20. Jahrhunderts - mit allen Eigenheiten und Schwächen - das gehört dau...


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das gilt auch für Backhaus und Kempff. Von beiden existieren Schellackaufnahmen von op. 111.Man könnte vermuten,dass das hohe Tempo, mit dem die drei Herren das Adagietto spielen, eben diesem Grund geschuldet ist. Wäre da nicht die Aufnahme von Elly Ney, die ich neben jener von Maria Grinberg sehr hoch schätze.

    Lieber Thomas,


    ich habe mal gelesen, dass das Problem der ganz alten Aufnahmen die Matrizen waren. Da gingen am Stück nur 9 Minuten, wenn ich es in Erinnerung habe. Bei der Schellackplatte weiß ich das nicht! Von Elly Ney habe ich auch noch einen privaten Mitschnitt aus Dortmund (aufgenommen bei der Probe zu einem Konzert) von 1951. Da ist sie sogar eine viertel Minute schneller als 1936/37! Den Vogel in Sachen Langsamkeit schießt Anatol Ugrosky ab - er braucht sage und schreibe 13 Minuten länger, das ist ungefähr doppelt so lang (!), wie der Schnellste, Walter Gieseking 1949!


    Auflistung der Zeiten op. 111 Arietta (Auswahl)


    Walter Gieseking 1949 (13.46)

    Wilhelm Kempff 1936 (15:56)

    Arturo Benedetti Michelangeli Decca Rom 1961 (17:14)

    Artur Schnabel 1932 (17:48)

    Elly Ney 1936/37 (19:17); Dortmund 1951 (19:02)

    Claudio Arrau Philips (analog) (19:37)

    Ivo Pogorelich DGG (19:40)

    Anatol Ugorsky DGG (26:54)


    P.S. Ich vermute, Gieseking lässt die Wiederholungen weg, wodurch die kurze Spielzeit dann zustandekommt. Da höre ich später mal rein...


    Liebe Grüße

    Holger

  • Lieber Holger,


    das Matritzenargument wird immer gerne vorgebracht und erklärt gewiss auch einiges an Strichen bei den Platten der Zeit. Bei der Spielzeit einer Plattenseite bin ich mir nicht sicher, würde die 9 min allerdings für die DGG-Schellacks der Nachkriegszeit vermuten (die hatten da wohl ein Spezialverfahren entwickelt). Da ich selber einiges an Werkaufnahmen von Sinfonien und Konzerten auf Schellack in meiner Sammlung haqbe, sehe ich aus meiner Hörerfahrung die Plattenlaufzeit eher bei 5 bis 6 min (und die sind für moderne Plattenspieler eine echte Herausforderung). Elly Ney ist zuzutrauen, dass die darauf bestanden hat, die Sonate so zu spielen, wie es ihr vorschwebt unter Inkaufnahme des Umstandes, das Electrola ihr eine zusätzliche Plattenseite spendieren musste. Backhau und Kempff mussten ebenfalls keine Kompromisse machen; die spielten in etwa in dem Tempo ihrer späteren Aufnahmen. Gieseking war völlig frei von solchen technischen Überlegungen, seine Aufnahmen für den Runfunk wurden auf Band aufgezeichnet, Einschränkungen lagen da nicht vor.


    Deine Zeitenreihe liest ich insofern interessant, als dass sich offensichtlich im Laufe der Jahrzehnte das Beethovenspiel -zumindest am Beispiel der Arietta- deutlich verlangsamt hat. Ein Beleg dafür wäre die Pogorelich-Aufnahme, die als eine seiner frühen DGG-Aufnahmen aus einer Zeit stammt, wo er die Langsamkeit noch nicht entdeckt hatte.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Kempff zu hören insbesondere bei Beethoven ist immer einfach beglückend!

    Lieber Holger,


    da stimme ich mit Dir vollkommen überein! Vielen Dank auch für Deinen Hinweis auf den Thread "Franz Schubert: Romantiker, klassischer Romantiker?"


    Ich habe den inzwischen aufgerufen, bin aber noch nicht bis zum Ende gekommen. Ich bewundere immer wieder Dein Detailwissen. Da ich heute aber vor allem bei den Sängerinnen in den "Schellackschätzen" unterwegs war, brauche ich zum Durcharbeiten noch ein bißchen Zeit. Ich komme darauf baldigst zurück.


    Nun wünsche ich Dir einen ruhigen Abend und ein schönes Wochenende!


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Deine Zeitenreihe liest ich insofern interessant, als dass sich offensichtlich im Laufe der Jahrzehnte das Beethovenspiel -zumindest am Beispiel der Arietta- deutlich verlangsamt hat. Ein Beleg dafür wäre die Pogorelich-Aufnahme, die als eine seiner frühen DGG-Aufnahmen aus einer Zeit stammt, wo er die Langsamkeit noch nicht entdeckt hatte.

    Lieber Thomas, da müsste ich das mal systematischer vergleichen und chronologisch. Das war jetzt ein bisschen sporadisch!

    Vielleicht von allgemeinem Interesse?

    Ja, Axel, das lese ich!

    da stimme ich mit Dir vollkommen überein! Vielen Dank auch für Deinen Hinweis auf den Thread "Franz Schubert: Romantiker, klassischer Romantiker?"


    Ich habe den inzwischen aufgerufen, bin aber noch nicht bis zum Ende gekommen. Ich bewundere immer wieder Dein Detailwissen. Da ich heute aber vor allem bei den Sängerinnen in den "Schellackschätzen" unterwegs war, brauche ich zum Durcharbeiten noch ein bißchen Zeit. Ich komme darauf baldigst zurück.


    Nun wünsche ich Dir einen ruhigen Abend und ein schönes Wochenende!

    Das freut mich, lieber Nemorino. Auch Dir ein vergnügliches Wochenende!


    Liebe Grüße

    Holger