Meine Lieben,
hier sind wir bei einem Kernthema dieses Forums, nein der gesamten Musikkritik angelangt:
Wie definiere ich "besser" - wer ist hier der "oberste Richter", wie wird eine Aufnahme zur "Referenz" - und inwieweit ist hier ein Konsenz zu erzielen - und warum ?
Viele Fragen in einer verpackt. Und in der Tat nicht befriedigend zu beantworten.
Vielleicht macht aber gerade diese Unbeantwortbarkeit den Reiz dieser Frage aus.
Man wird mir vorwerfen, einen "hypothetischen" Thread gestartet zu haben - aber ich glaube, daß "hypothetische Fragen" auch ihre Berechtigung haben, können sie doch durchaus interessante Antworten hervorbringen, die man ursprünglich gar nicht erwartet hat.
Selbstverständlich ist die Frage nach der "besten" Aufnahme - zb. einer Beethoven Sinfonie, einer Schubert Klaviersonate, oder der Brandenburgischen Konzerte von Bach stets einer der Kernpunkte dieses Forums - wenngleich nicht befriedigend zu beantworten. Denn wir müssen uns, wenn wir Aufnahmen der Vergangenheit bewerten, stets die Frage stellen, wie denn unsere Vorfahren die Aufnahmen der Gegenwart beurteilt hätten.
Generationen haben seit - man kann sagen Jahrhunderten - den Klavier- und Orchesterklang modernisiert und verbessert, sei es durch modernere Instrumente (nicht nur im Klavierbau) - eine allgemeine Tendenz - und wären vermutlich bass erstaunt, wenn sie sähen mit welcher Begeisterung man partiell zu alten Instrumenten und alten Spieltechniken zurückkehrte.
Aber dieser Thread ist kein HIP versus MODERN -Thema, es sollen vielmehr Richtlinien gesucht werden, welche den "zeitlosen" Wert von Tonaufnahmen garantieren. Warum wird beispielsweise an Karajan (aber auch Karl Richter, Karl Böhm, und anderen) Kritik geübt, die zu Lebzeiten schlicht und einfach als das Maß aller Dinge in ihrem Fach gesehen wurden ?
Warum werden heute Aufnahmen favorisiert, welche das "grelle" so betonen, an stelle des Schönen und erhabenen?
Ich meine, es ist eine Erscheinung der Zeit, ebenso wie man derzeit freche, unerzogene Kinder akzeptiert und als "authentisch" bezeichnet - während man sie in der Vergangenheit zu Idealbildern geformt hat, vielleicht ein wenig weniger ungestüm, dafür aber weniger unangenehm.
Und hier suche ich wieder den Bogen zur Musik. Haben die "alten" Dirigenten die heute so beliebten Brüche in Partituren nicht gesehen, oder nicht sehen wollen ?
Ich meine (und von einigen Fällen weiss ich es definitiv ) sie haben sie schon gesehen, aber als Kompositionsmängel eingestuft - und - ohne das Notenbild zu verändern - so geglättet, daß man es dem P.T. Publikum auch zumuten konnte.
Aber all das sind nur gedankliche Streiflichter zum eigentlichen Thema, das ihr gestalten sollt -wie es Euch gefällt.
mit freundlichen GRüßen aus Wien
Alfred