Lest Ihr Kritiken? - und wenn ja - warum nicht ?

  • Natürlich sollte es heissen: Lest Ihr Kritiken? - und wenn ja - WELCHE ?


    Und das wäre noch lange nicht alles, was hier an offenen Fragen auftaucht.
    Aber beginnen wir nach der Reihe


    Welche Kritiken sind für Euch lesenswert ?


    Allein - die Beantwortung dieser Frage sagt noch nichts über die weitere Motivation aus.


    Lest Ihr zum Vergnüben, weil ihr Euch daran ergötzt, wie ein Kritikerpapst mit gewählten Worten und gezielter Ironie eine Aufnahme in ihre Bestandteile zerlegt - ohne daß dies irgendeinen Einfluß auf Euer Kaufverhalten hätte ?


    Oder verlasst Ihr euch in Bereichen wo ihr Euch nicht "sattelfest" fühlt, durch die geschulte Meinung eines professionellen Kritikers willig leiten, bzw manipulieren?


    Lest ihr Kritiken um Euch in Eurem Geschmack bestätigt zu fühlen ?


    Oder haltet ihr Klassikkritiker weitgehend für Scharlatane ?


    Ist klassische Tonträgerkritik - man hört es gelegentlich - am Ende vielleicht sogar "gekauft" ?


    Fragen über Fragen....


    Weitere Motive, bzw Meinungen sind gern gesehen und gehört.....


    mfg


    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lese ich Kritiken? — Ja, durchaus.


    Welche? — Anlaufstelle Nr. 1 ist – und das wird Alfred freuen – tatsächlich das TAMINO KLASSIKFORUM. Hier haben wir eine Vielzahl an Experten, die wissen, wovon sie reden. Viele Mitglieder kenne ich langjährig, auf ihr Urteil kann ich mich in 99% der Fälle verlassen. Mit den Jahren merkt man, wer ähnliche Aufnahmen mag und schätzt; an diese Leute hält man sich dann bei etwaigen Aufnahmen, die man erwerben möchte.


    Neben Tamino frequentiere ich auch oftmals die Website CLASSICSTODAY.COM. Hier wurden und werden unzählige Aufnahmen rezensiert. Bekannte Musikkritiker wie David Hurwitz geben ihre Meinung zum Besten. Natürlich kommt es vor, daß ich diese und jene Aufnahme anders beurteile, aber tenendziell ist es zumindest eine sehr hilfreiche "erste Hilfe".


    Daneben gibt es auch durchaus niveauvolle Rezensionen bei unseren Werbepartner AMAZON und JPC zu lesen. Diese stehen allerdings doch deutlich hinter den anderen Kritiken, welche ich mir durchlese.


    Vornehmlich lese ich Kritiken, um mir eine grobe Meinung vorab zu bilden. Aufnahmen, die völlig in Grund und Boden rezensiert wurden, werden von mir seltenst in Erwägung gezogen. Meistens bilde ich mir aber mittels Hörproben doch noch eine eigene Meinung, bevor ich eine für mich interessante Aufnahme allein aufgrund schlechter Kritiken stehen lasse. Freilich muß man hin und wieder schmunzeln, wenn ein berühmter Kritiker eine Aufnahme "zerpflügt", was lustig sein kann, wenn man den jeweiligen Dirigenten/Interpreten selbst nicht schätzt, was aber auch ein "Affront" sein kann, wenn ein persönliches "Idol" angegriffen wird.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich habe kein Klassik-Magazin abonniert. Sporadisch lese ich sie bei Dussmann. Und was ich da lese trifft im Wesentlichen auch meinen Einschätzungen, sofern es sich um Eispielungen handelt, die mich interessieren.


    Andererseits wundert es mich immer, dass einige Personen irgendeinen Bonus genießen und meistens auch immer von den gleichen Kritikern hofiert werden, obwohl ihre Aufnahmen wirklich schwach sind bzw. keine neuen Ansatzpunkte liefern: Chailly - Bruckner, Mahler, Beethoven; Gielen - Mahler; Harnoncourt - Bruckner; Thielemann - Wagner, Bruckner, Strauss.


    Kritiken in den Magazinen ermuntern mich mitunter, mich mit bestimmten Eispielungen etwas näher zu befassen. Dann höre ich sie mir an. Vorher nicht gehörte Aufnahmen kaufe ich nicht!




    :hello: LT

  • Mir wird die Lektüre von Kritiken immer mehr verhagelt, trotzdem lese ich sie hin und wieder noch. Nicht mehr so wie früher, als ich sie ausschnitt und in Programmhefte und Plattenhüllen steckte. Mein Eindruck ist, dass Kritiker immer angepasster und opportunistischer werden, ihnen geht auch Bildung verloren. Sie kennen die Stücke nicht mehr genau, ergehen sich bei der Oper in der Beschreibung des Bühnengeschehens und streifen die musikalische Seite nur noch am Rande. Neulich wurde von einer Kritikerin, eine der wenigen, die ich noch schätze, Gounods "Romeo und Julia" als unbekannte und unbedeutende Oper abgetan. Was soll man davon halten?


    Marek Janowski setzte in Berlin seinen konzertanten Wagner-Zyklus mit "Lohengrin" fort. Es war eine rundum bedeutende Aufführung. So hatte ich dieses Werk bisher noch nie live gehört. Eine führende Zeitung, die ich lese, tat die Aufführung als lässlich ab, die deutlich gemacht habe, dass Lohengrin eben "zu zwei Dritteln Kulissenmusik" sei. Es gab natürlich auch den schon obligatorischen Hieb auf die angeblich zu pompöse Klangarchitektur. Wie, bitte, soll Lohengrin denn klingen, wenn nicht prachtvoll? Von da ist es dann nicht sehr weit zu den üblichen Verdächtigungen, wie sie auch im Neuerscheinungs-Thread zu Janowskis "Meistersingern" reflektiert werden aus einer Kritik. Ich kann das nicht mehr hören! Mit der wirklich überragenden Leistung von Klaus Florian Vogt (ich sage nie mehr etwas gegen ihn!!!!) als Lohengrin konnte der Kritiker absolut nichts anfangen. Er, Vogt, habe mit seiner knabenhaften Stimme keinerlei Wandlung der Figur deutlich machen können. Nun frage ich mich, wo und wie sich Lohengrin wandelt. Er ist und bleibt vom ersten bis zum letzten Moment der Schwanenritter aus einer anderen Welt. Genau das hat Vogt gesungen! Ein Freund, der die Aufführung nicht erlebt, dafür aber diese Kritik gelesen hatte, rief mich an und bemerkte ganz unter dem Eindruck der Lektüre, dass dieser Lohengrin ja ein Reinfall gewesen sei. So bleibt das dann hängen!


    In der selbst Zeitung, auf der selben Seite, am selben Tag lobt der selbe Kritiker eine Neuinszenierung von Mozarts "Figaro" über den grünen Klee, weil der deutlich als Dominique Strauss-Kahn gewandete Graf das arme Stubenmädchen Susanne zum Blowjob zwingt!


    Das sagt für mich alles über die Kritiker-Zunft!


    Es grüßt Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Die Kritikerzunft ist eine ganz spezielle...es gibt keine "Ausbildung" dafür und ganz oft sind Kritiker(innen) verhinderte Künstler...sehr oft Regisseure, besonders bei uns in Deutschland.
    Den Fokus einer Musiktheaterkritik auf das nicht-musikalische Geschehen zu richten, ist tatsächlich der langsam verschwindenden musikalischen Bildung...und den 68'er- Fossilien geschuldet, die in allem "das Politische" sehen woll(t)en...aus meiner Sicht einfach nur lächerlich!!!


    Rheingold1876
    Ich habe den Janowski-Lohengrin nicht erlebt...nur sagt mir nach dem "Genuss" des Bayreuther Lohengrin mein musikalisches Verständnis klar und eindeutig, dass KFV kein Lohengrin ist!


    LG
    Fides :hello:

    La vita è bella!

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  • Ich kann mich nur wiederholen: ich finde, die Kritiken von CDs müsste auf eine völlig neue Basis gestellt werden. Ansätze gab es dazu früher im Magazin "Rondo", ich glaube es hieß "Blind gehört". 2 Redakteure rezensierten eine CD ohne jeden Aufdruck; d h. das Werk war zu erraten und die Intepreten; und wenn man die Interpreten nicht herausbekam, umso besser: dann waren sie trotzdem zu würdigen (für DVDs und Opernrezensionen geht das natürlich nicht).
    Meine Forderung: grundsätzlich kriegen Kritiker nur unbedruckte Scheiben; zur Not kann man den Komponisten nennen, aber niemals die Interpreten.
    Diese Praxis wurde die Zunft revolutionieren, sowohl die der Kritiker wie die der Interpreten, ein Ansatz zur Gerechtigkeit wäre es in jedem Fall. Was mich interessieren würde: gibt es überhaupt einen einzigen Grund, der dagegen spräche? Ich jedenfalls habe noch keinen gefunden. Warum wird es dann nicht gemacht? Da, wo es gemacht wurde (auch in Berlin, habe ich hier mal geselen), ist es immer spannend.
    Opernkritiken in meinen Zeitungen lese ich zwar, nehme sie aber nicht zum Maßstab, da hier die widersinnige Tendenz herrscht, die Regie in den Vordergrund zu schieben und die Musik dann auch noch zu erwähnen.
    Anaosnten halte ich es wie Joseph II.: ich lese, was meine Taminos hier schreiben, da kann ich mich immer drauf verlassen.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Ich lese seit 1990 FonoForum und zusätzlich den Penguin Guide, den ich allerdings nur alle paar Jahre in der neuesten Fassung kaufe. Seit ca. zwei Jahren bestelle ich mir bei jpc auch immer das "Gramophone" mit. Dazu kommen Werke wie "Großen Stimmen" von Jens Malte Fischer oder "Die großen Sänger" von Jürgen Kesting, deren Empfehlungen mich finanziell oft ärmer machten, aber an Hörerlebnissen sehr bereichert haben. Dito "Beethovens Klaviersonaten" von Joachim Kaiser.


    Ich habe viel wertvolle Anregungen bekommen. Vieles hätte ich sonst nicht gekauft. Spontan fällt mir die Debut-CD des Auryn-Quartetts mit Schuberts 15. Streichquartett beim Label tacet ein. Ein Stück, das ich nicht kenne, mit einem Ensemble, das ich nicht kenne, bei einem Label, das ich nicht kenne, und das zum Hochpreis. Ich war damals (ca. 1990?) in allen Gattungen (Sinfonien, Konzerte, Kammermusik) eher auf dem Trip "zunächst mal eine gute Gesamteinspielung kaufen und dann weitersehen." Die Einzel-CD hätte ich also nie gekauft, da ich noch keine GA der Schubert-Quartette hatte. Bis ich nach dem Lesen der Kritik doch neugierig wurde - bis heute ist das eine meiner besten Kammermusik-CDs. Wahnsinn.


    Dito Parsifal mit Knappertsbusch. Hätte ich nie gekauft ohne den Tipp in Kritiken gefunden zu haben. Auch meine Verdi-Erstaustattung: Rigoletto/Solti, Troubador/Cellini, Traviata/Kleiber, Boccanegra/Abbado, Maskenball/Leinsdorf, Forza/Schippers, Don Carlos/Karajan (Studio), Aida (Karajan I, Decca), Otello (Serafin), Falstaff (Karajan I, EMI) geht auf Kritiken und Empfehlungen in FonoForum zurück. Alle diese Opern habe ich heute mehrfach, und die zuerst erworbenen Aufnahmen haben immer noch einen Ehrenplatz.


    Oder Beethoven-Sonaten mit Schnabel und Solomon. Hätte ich nie gekauft - so'n alter Kram ...


    Und. Und. Und.


    Klar gab es Enttäuschungen. In ersten FonoForum CD-Führer (1991/92?) wurde das Bachsche Weihnachtsoratorium mit Kurt Thomas empfohlen (neben der Herreweghe-Aufnahme). Grauslich. Habe im Thread zu diesem Werk darüber geschrieben. So etwas war aber selten. - Im Penguin-Guide gab es das häufiger, die scheinen beispielsweise eine Schwäche für das Lindsay-Quartett zu haben, deren Interpretationen ich unter "gepflegte Langeweile" einsortieren musste.


    Anderes habe ich mir gekauft, obwohl es verrissen wurde: Bach WK I mit Keith Jarrett. Hätte ich nur auf den Kritiker gehört ...


    Im Großen und Ganzen bin ich sehr gut damit gefahren, Kritiken zu berücksichtigen. Nicht in "Audio", nicht in "HifiVision", nicht im "Rondo-Magazin", nicht in "Stereoplay". Aber in FonoForum und im britischen Gramophone. Auch der "Preis der Deutschen Schallplattenkritik" ist für mich eine belastbare Instanz. Der ECHO Klassik nicht.


    Natürlich erhalte ich heute durch Tamino großartige Einschätzungen und eine Pluralität der Sichten, wie sie besser im deutschsprachigen Raum nicht zu bekommen ist.


    Bei Kritiken wie bei Tamino muss man halt aufpassen, wer was sagt. Wer erklärter Knappertsbusch-Fan ist, ist das aus einer bestimmten Hörerhaltung heraus. Wer die Eroica mit Kna mag, nimmt von Järvi grandioser Aufnahme vielleicht eher Abstand und umgekehrt. Manche mögen wiederum beides.


    Bei Kritikern bin ich mit Peter Cossé (bei Klavierwerken) und Peter Kerbusk (Kammermusik) stets sehr gut gefahren, ohne Ausnahme. Auch Kaiser (Klaviermusik) und Kesting haben mich noch nie enttäuscht, bei Jens Malte Fischer bin ich manchmal anderer Auffassung. Aber das berührt nur die Geschmacksurteile, die die genannten Herren fällen, nicht das, was sie objektiv nachprüfbar beschreiben.

  • fonoforum hatte ich seit 1968 abonniert. Seit meiner Mitgliedschaft im forum lese ich dort nur noch hin und wider. Die großen Alten sind dort weg, Breh, Harden, Voigt, Cosse' und viele andere. Opernwelt und Opernglas nur mal durchblättern. Außerdem gibt es Internet, nach jeder Aufführung meist in mehreren Zeitschriften. Alle Aufnahmen, die ich mir aufgrund von Besprechungen in diesem forum zugelegt habe, haben mich nicht enttäuscht. Dann gebe ich das Geld lieber für die eine oder andere neue Aufnahme aus, die hier als gut/sehr gut besprochen wird. Hinzu kommt heute die Möglichkeit, Schnipsel anzuhören, früher ("in der guten alten Viny-Zeit") und zu Anfang der CD-Phase bestand sogar die Möglichkeit, vor dem Kaufen erst einmal reinzuhören. Wo gibt es das heute noch, Dussmann Berlin, aber jedesmal nach Berlin fahren? Kommt auch teuer.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Ich schließe mich dieser Meinung weitestgehend an. Interessanter und ehrlicher finde ich das, was Privatpersonen posten - sei es in Foren oder auf amazon.

  • Ich habe den Janowski-Lohengrin nicht erlebt...nur sagt mir nach dem "Genuss" des Bayreuther Lohengrin mein musikalisches Verständnis klar und eindeutig, dass KFV kein Lohengrin ist!


    Liebe Fides! Dein Urteil möchte ich Dir nicht streitig machen. Warum auch?


    Den Bayreuther Lohengrin habe ich auch gehört. Meine kritische Einstellung zu Klaus Florian Vogt musste ich nach der Berliner Aufführung korrigieren. Und das habe ich gern getan. Es tut manchmal ganz gut, Meinungen zu überdenken. Vogt hat eine sehr androgyne, vibratoarme und empfindliche Stimme, klingt für mich immer ein bisschen wie aus einer anderen Welt. Und genau das finde ich passend für Lohengrin. Der ist nur stark und heldenhaft dank seiner märchenhaften Herkunft und nicht durch schlichte Manneskraft. Er muss sich absetzen gegen die reale Welt, die er deshalb so ganz für sich einnimmt, weil er anders ist als sie.


    Herzlichen Gruß von Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Den Bayreuther Lohengrin habe ich auch gehört. Meine kritische Einstellung zu Klaus Florian Vogt musste ich nach der Berliner Aufführung korrigieren. Und das habe ich gern getan. Es tut manchmal ganz gut, Meinungen zu überdenken.

    Den Bayreuther Lohengrin habe ich nicht gehört, da ich den aus Baden Baden auf DVD besitze und da hat mir KFV sehr gut gefallen. Die Gralserzählung hat so (man mag das begrüßen oder nicht) bisher kein Sänger vorgetragen (in fonoforum war von himmlischen Spähren die Rede).


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Um einen möglichst breiten Eindruck zu bekommen lese ich u. a. "Opernwelt", "Opernglas" und "Fono Forum". Jede Zeitung hat ihren eigenen Stil und ihren Schwerpunkt. Am meisten freue ich mich jedoch meistens über den "Neuen Merker" aus Wien. Hier schreiben wirkliche Opernfreunde mit Kenntnis, Herzblut und meist auch großer Erfahrung - gewonnen aus einem langen Opernleben. Und diese Kritiker sind - abgesehen von Verehrungen für favorisierte Künstler - wirklich unabhängig. Die Chefredakteurin, Frau Dr. Sieglinde Pfabigan, ist eine grundgescheite Frau und eine Kronzeugin für werkgetreue Inszenierungen und wie sehr viele Wiener eine engagierte Kämpferin für die Sängeroper. Der Merker liegt also sehr auf meiner Linie. Deshalb schreibe ich wie einige andere Taminos auch neben Rezensionen in regionalen Zeitungen gerne in dieser Zeitung. Also das Studium von Kritiken gehört schon dazu, wenn man mitreden will.
    Eine große Stärke von Tamino und ein Grund warum ich engagiert mitmache ist das breite Meinungsspektrum, das sich in unserem Forum konzentriert und äußert.
    Etwas dran ist an der Feststellung, dass sich tiefgründiges, analytisches Feuilleton hin zu schnellerer, oberflächlicher Musikberichterstattung gewandelt hat. Das ist eben der Stil unserer Zeit. Bei den Fachjournalen am konsquentesten vom jungen Chefredakteur Björn Woll im Fono Forum m. E. gekonnt in Szene gesetzt.
    Also liebe Freunde lasst Euch nicht entmutigen lest Fachzeitungen und Kritiken, erkennt die Trends, Entwicklungen, Stärken und Schwächen der Opernszene und lasst uns dann am geläuterten Extrakt Eurer Erkenntnisse teilhaben.


    Herzlichst
    Euer mit unstillbarem (Wissens-) Durst versehener Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • klingt für mich immer ein bisschen wie aus einer anderen Welt. Und genau das finde ich passend für Lohengrin. Der ist nur stark und heldenhaft dank seiner märchenhaften Herkunft


    Genau diese Attribute empfinde ich bei Sandor Konya mit seiner warmen gefühlvollen Stimme und seiner Interpretation, die schon etwas entrückt wie aus einer anderen Sphäre klingt.
    (Entschuldigung, wenn ich mich hier in Eure Diskussion und Ansicht reingehangen habe).
    Herzliche Grüße und ein schönes WE
    CHRISSY
    Zum Thema Kritiken möchte ich sagen: Ich lese Kritiken ausschließlich aus Tageszeitungen. Besonders wichtig sind mir aber die zu lesenden Beiträge der Mitglieder hier in unserem Forum. Sie sind frisch und aktuell und durch Kompetenz aussagekräftig und interessant. Vor allem sind es eigene und ehrliche Aussagen nach persönlichem Geschmack und Empfinden und keine "bestellten und getunten Gefälligkeitskritiken".

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Man sollte Kritiken immer kritisch lesen, das ist m. E. wichtig. Denn unreflektiert jeder Kritik zu glauben, ist mitunter gefährlich. Ich verweise auch an dieser Stelle auf das aktuelle Beispiel Wagner-Zyklus unter Janowski in Berlin. Da wird von einem gewissen Kritikerklientel versucht, Stimmungsmache zu betreiben, indem man den Dirigenten und teilweise auch die Sänger indirekt (manchmal auch direkt) in die rechte Ecke stellt. Peinliche Ergüsse habe ich da an Kritiken gelesen zu den kürzlich bei Pentatone erschienenen "Meistersingern". Gibt es gar eine Anti-Janowski-Lobby in diesem Lande? Langsam kommt mir das wirklich so vor.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ja ich lese sehr gerne Kritiken und es macht mir grossen Spass diese zu vergleichen.
    Zum Beispiel alle Ring Kritiken von der Staatsoper unter Thielemann!
    Oft wundert man sich ob die Damen und Herren Kritiker alle die gleiche
    Aufführung gesehen haben.
    In meiner Wiener Zeit war DIE BUEHNE ein muss!
    Heute macht mir das Lesen der Kultur in den Zeitungen im Internet
    am meisten Spass!
    Natuerlich gehört DER MERKER dazu!
    Ich kann mich auch nach einem Konzert oder einer von mir besuchten Opernauffuehrung
    die mir gefiel über eine schlechte Kritik sehr ärgern .......
    :hello:

    mucaxel

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  • Ich lese Kritiken kritisch.
    Seit Einführung der CD,Mitte der 80. Jahre,hatte ich FonoForum ca.10 Jahre abonniert.
    Die dortigen CD-Kritiken haben den Anfang meiner CD-Sammlung im wesentlichen bestimmt,was ich bis heute nicht bereuen mußte.
    Heute lese ich Kritiken im Internet.Sie beeinflussen mich selten zum Kauf einer CD.
    Vielmehr sind es Hörproben,die den Anreiz zum Kauf bilden.
    Im großen und ganzen sind es jedoch mein Musikgeschmack,meine Lieblinginterpreten,meine Lieblingslabels,
    also eigene Erfahrungen aus Jahrzehnten,die meine CD-Käufe bestimmen.


    Bei Musikkritikern sollte man sich mit deren Person beschäftigen.Welche musikalische Vorbildung haben sie?Wie ist der Stand ihrer Allgemeinbildung?Welches Lebensalter und Erfahrung auf dem Gebiet der Musik besitzen sie?


    Es ist noch nicht lange her,als ich in einer TV-Quiz-Sendung einen angehenden ca. 30jährigen Kulturdezernenten einer deutschen Stadt sah,der nicht nur über eine besch...eidene Allgemeinbildung,sondern auch über eine ebensolche kulturelle Bildung verfügte.Kein Wunder also,daß er jahrelang auf diesen Job warten mußte.

    mfG
    Michael

  • In meiner Jugend habe ich kaum Kritiken gelesen, die Einkäufe erfolgten getreu der Methode "Try and Error"
    Später habe ich dann allmählich begonnen Kritiken zu lesen - und zwar aus zweierlei Gründen


    a) konnte ich, nach Lesen so mancher Kritik meiner Lieblingsaufnahmen bestätig finden, welch schlechten Geschmack ich doch habe (heute übernehmen das liebenswürdigerweise kostenlis einige Taminos)


    b) wenn ich ein Werk mit hoher Wahrscheinlichkeit grausig finden würde (z.B. bei Werken des 20. Jahrhunderts) dann habe ich mich ausnahmesweise an Kritiken von Spezialisten orientiert - in der Hoffnun vielleich doch Zugang zu diesen Stücken zu finden - oder - wenn schon das nicht - zumindest eine maßstäbliche Aufnahme im Schrank zu haben, die dereinst einem Besucher gefallen mag. Da ich seit ca 2 Jahren kaum mehr Besuch empfange ist letzteres Argument de facto hinfällig.


    Ich habe die Kritiken anders gelesen als andere Leute, habe mich an den bissigen, meist in Humor verpackten Statements der Kritiker alter Schule erfreut - und alles aussortiert was mir suspekt und traditionsfeindlich erschien ("Schonungslos legt xy und das YZ Orcheester die Strukturen des Werkes frei, und befreiten es vom Staub der Jahrhunderte. Jeglicher süssliche Schönkland wurde vermieden und wich einer nüchternen, sachlichen Sichtweise.....")


    Zitat

    Bei Musikkritikern sollte man sich mit deren Person beschäftigen.Welche musikalische Vorbildung haben sie?Wie ist der Stand ihrer Allgemeinbildung?Welches Lebensalter und Erfahrung auf dem Gebiet der Musik besitzen sie?


    Ich halte die Grundeinstellung des Kritikers zur Aufgabe der Musik für viel wichtiger. Manche sehen hier ein politisches Instrumentarium, manche wollen in klassischer Musik die politische Gegenwart spiegeln, etwas, das ich vehement ablehne,
    ebenso wie verspätete politische Abrechnungen mit Weltklasseinterpreten........


    Es kann jemand durchaus eine erstklassige "musikalische Vorbildung" haben - und dennoch einen - aus meiner Sicht - verbildeten Geschmack. Mir ist der Auftritt eines Salzburger Komponisten (ich habe den Namen vergessen) noch in guter Erinnerung, der die Vorrede anlässlich der Aufführung eines seiner Werke hielt.
    Ein eleganter älterer Herr im Salzburger Trachtenanzug trat auf und sprach über Tradition, Kultur und Musik. Ich war gespannt auf das was nun folgen würde. Wirklich ein gebildeter Herr, ein Gentlemen, dieser Komponist. Als jedoch sein Werk zur Aufführung gebracht wurde, suchte ich mit Entsetzen das Weite - oder besser gesagt, den AUS - Schalter meines Fernsehgeräts.


    Wie man sieht - musikalische Vorbildung ist nicht alles.....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wie man sieht - musikalische Vorbildung ist nicht alles.....

    Das ist völlig richtig, dennoch geht es nicht ganz ohne Kritik. Im forum ist an verschiedenen Stellen auf seriöse Kritiker in fono forum hingewiesen worden. Ein Großteil ist nicht mehr da, jüngere sind nachgerückt. Deren Auffassung mag man teilen oder nicht. Sich allein der Kritik wegen zu einem Kauf zu entschließen, zeigt am Beispiel Chailly/Thielemann, wie schwer das sein kann. Hilfreich bei den Kritiken fand ich immer die Unterscheidung nach Interpretation und Klang und häufig waren beide nicht deckungsgleich. Also muss ich für mich allein die Entscheidung treffen ob ich dem Klang oder der Interpretation (was immer der Kritiker auch darunter versteht) Tempi, Wiederholungen, etc. Vorrang einräume. Erst mono, dann Stereo, dann SACD/Hybrid, es wird immer besser, dann via Kopfhörer oder Super-Hifi-Anlagen. Aber das Live-Erlebnis in der Philharmonie gibt es nur dort und nicht auf Ton/Bild-Konserve. Mir war auch bisher nicht bewust, dass bei unserem Werbepartner amazon teilweise hervorragende Kritiken zur Verfügung stehen. Wer scrollt schon soweit runter? Bei Beethoven scheiden sich bei tamino die Geister. Einer klaren Kaufempfehlung steht eine klare Ablehnung gegenüber. So ist das nun mal mit dem Geschmäckle. Gell.


    PS. Artikel in der Zeit-online über Thielemann/Beethoven mit dem WPO in der Berliner Philharmonie höchst interessant.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)