2012 - Hundert Jahre Solti - Sein Lebenswerk

  • Fast unbemerkt von der Presse ist (bis jetzt) der heuer stattfindene 100 Geburtstag geblieben, allerdings verbleibt noch ein wenig Zeit bis dahin, nämlich zum 12. Oktober. Hier die Lebensdaten - aus Wikipedia übernommen:


    Sir Georg Solti - (* 21. Oktober 1912 in Budapest; † 5. September 1997 in Antibes (Südfrankreich), gebürtig György Stern) war ein ungarisch-britischer Dirigent jüdischer Abstammung


    Ich gestehe, daß ich nie ein besonderer Freund von Soltis Dirigat war, kann aber selbst nicht sagen warum. Vielleicht lag es daran, daß seine eigentlichen Stärken in einem Bereich lagen, der mich nicht besonders interessierte.
    Sein Haydn jedoch war -ähnlich wie jener von Karajan - eher belanglos - sein Mozart allenfalls routiniert. Routiniert - das ist das Stichwort der meisten in meinem Besitz befindlichen Aufnahmen.


    Und nun weg vom allzu persönlichen. Immerhin war Solti jahrzehntelang der Stardirigent der Decca, manche fanden, er sei ein ernstzunehmender Konkurrent Karajans - ein Standpunkt der in vielerlei Hinsicht hinterfragbar ist.


    Nun ist er Hundert - und ich finde, er sollte aus diesem Anlass - zusätzlich zu den beiden bestehenden Threads einen weiteren erhalten.
    Jeder Thread sollte einen Schwerpunkt aufweisen. Dieser hier sollte als Leitfaden "Lebenswerk " haben, also sich mit jenen Aufnahmen Befassen welche ihn "unsterblich" machen werden.


    mit freundlichen Grüssen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Im Regal stehen 85 verschiedene Aufnahmen mit Sir Georg Solti. Davon allein 44 OpernGA und -Querschnitte. Einige mit hervorragendem Testat: Fidelio, Zauberflöte mit Heilmann und Burrows, Rigoletto mit Alfredo Kraus, Maskenball mit Bergonzi und Pavarotti, Aida mit Vickers und Bergonzi, Otello mit Cossutta, Traviata mit Lopardo, Tannhäuser mit Kollo, Parsifal mit Kollo, La Boheme mit Domingo, Ariadne, Salome, Elektra, Frau ohne Schatten, Rosenkavalier und Ring des Nibelungen. Ein Großteil davon mit den Wiener Philharmonikern, die er für das beste Opernorchester hielt. Seine Chicagoer hielt er für das beste Orchester für sinfonische Musik, obwohl er mit den Wienern u. a. auch Beethoven 3,4,5 und 7, Schuberts 9. und die Alpensinfonie von Strauss eingespielt hat. Mein Erlebnis in der Berliner Philharmonie mit Tschaikowskys Sechster wird mir unvergessen bleiben. Auf die Frage, warum er so wenig in Berlin war und die Berliner Philharmoniker dirigiert hat, kam die lankonische Antwort, was glauben sie, an wem das lag?


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Ich gestehe, daß ich nie ein besonderer Freumd von Soltis Dirigar war, kann aber selbst nicht sagen warum.


    Lieber Alfred, mir ergeht es ganz genau so wie Dir. Nach meinem Gefühl ist da viel Feuer aber wenig Wärme. Solti wirkt auf mich wie gehetzt. Unstet. Es ist, als hörte man seinen Aufnahmen an, dass da schon die nächsten Einspielungen geplant sind. Einige seiner Platten, die wirklich Geschichte geschrieben haben, sind vielleicht nur deshalb bedeutend weil das Ereignis als solches schon bedeutend war. Weil das gesamte Ensemble bis hin zum Aufnahmeleiter besessen waren von der Aufgabe. Ich spreche von Wagners "Ring", der ersten kompletten Studioproduktion aus Wien. Der "Parsifal" und auch der Pariser "Tannhäuser" sind glatt und glänzend, mir aber nicht stimmungsvoll, tief genug - trotz ganz hervorragender Solisten. Die "Meistersinger", die nicht gut besetzt sind, habe ich nicht mal mehr im Ohr. "Lohengrin" war künstlerisch ein Reinfall. "Salome" und "Elektra" kommen an die Böhmschen Deutungen nicht heran. Die Nilsson halte ich in beiden Fällen für eine Fehlbesetzung. Mahler? Den machen andere besser. Ich habe die Decca-Box mit den Sinfonie kürzlich verschenkt. Beethoven? Nicht wirklich. Das "Konzert für Orchester" von Bartok ist Solti ganz hervorragend gelungen, wenngleich die ironischen Aspekte nicht grell genug sind. Viel mehr Aufnahmen habe ich nicht mit ihm. Wenn es mehr sind, dann fallen sie mir nicht ein - was nicht für diesen Maestro spricht.


    PS. Bernward bringt mich noch auf den "Rigoletto", den ich sehr schätze. Sei herzlich bedankt. :)


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Sein Mahler war außergewöhnlich. 5, 6, 7, 3, 2 und auch 9.
    Der Bartok sowieso. Und Kodaly. Und später dann auch noch Beethoven. Er war auch ein sehr guter Begleiter.


    Zu Opern kann ich nix sagen, er soll das aber toll gemacht haben.


    Ich fand ihn als Typen klasse. Zackig, schnell und ohne große Fiesematenten immer zum Wesentlichen kommend.
    Und so soll er ja auch gestorben sein. Auf einmal war Schluss.
    Was für ein gelebtes Leben? Beneidenswert.


    Gruß aus Kiel

  • Das Hektische in Soltis Dirigat ist mir auch nicht entgangen. Das verleidet mir heute seine meisten Wagner-Aufnahmen (besonders den "Ring") mit Ausnahme des phänomenalen "Tannhäuser" und der letzten "Meistersinger" (wobei van Dam alles andere als adäquat ist, aber dafür kann er nichts). Sein Mahler ist m. E. überschätzt, besonders diese legendäre 8., der er alles Lyrische und Sinnliche austreibt (kann man natürlich mögen). Sein Bruckner haute mich nie um. Sein Tschaikowskij war von den westlichen sicher einer der "russischsten", die 5. gelang ihm sehr gut. Seinem Schostakowitsch kann man Energik kaum absprechen, doch hatte er halt auch (leider) westliche Orchester, somit dasselbe Problem wie Bernstein und viele andere (subjektive Empfindung). Von seinem Beethoven habe ich am ehesten die frühen Wiener Aufnahmen in Erinnerung, 3. und 5. müßten es sein. Am besten finde ich heute mit Abstand seinen Mozart (!), mit dem ihn wohl die wenigsten verbinden: Grandioses Requiem zum 200. Todestag des Komponisten im Stephansdom, sensationelle "Zauberflöte" (m. E. besser als Böhm und Karajan mit den Wienern).


    Kennt eigentlich wer seinen Schumann mit den Wienern? Wußte gar nicht, daß er auch den dirigierte.


    P.S.: 1912 ist übrigens ein "Dirigentenjahrgang": Solti, Celibidache, Wand, Sanderling, Leinsdorf, Leitner, Markewitsch und Végh.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Das Hektische in Soltis Dirigat ist mir auch nicht entgangen.


    Ich bin überrascht. Genau das war mein Eindruck: hektisch, nervös, und dabei um Glätte bemüht.
    Ich habe es aber nicht geschrieben - interessant, daß es doch einigen aufgefallen ist -oder - besser formuliert -
    daß einige andere den gleiche Eindruck hatten wie ich.


    Ein Werk - ich kenne es naturgemäß nicht sehr gut - Bartoks "Konzert für Orchester verträgt allerdings meiner Meinung nach diese Hektik recht gut...


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Joseph: Das Hektische in Soltis Dirigat ist mir auch nicht entgangen.

    Mir wohl.
    Das war doch nie und nimmer hektisch, das war eine rhythmische Eigenart, dass er mit der rechten oberen Körperhhälte, dem Taktstock in der rechten Hand und mit der in ähnlicher Höhe befindlichen linken Hand diese ruckartigen Bewegungen machte.

    Zitat

    s.bummer: Ich fand ihn als Typen Klasse. zackig, schnell und ohne Fiesematenten immer zum Wesentlicehen kommend.

    Das trifft es viel besser.

    Zitat

    Joseph: Sein Mahler ist m:E. überschätzt.

    m.E. nicht.

    Zitat

    s.bummer: Sein Mahler war außergewöhnlich.

    So ist es.


    Dass er einer der größten Wagnerdirigenten war, lese ich hier gar nicht.


    Ich weiß nicht, was Sir Georg Euch getan hat. Er gehört für mich mit Herbert von Karajan und Leonard Bernstein sogar zu den "großen Drei" in ihrer Breitenwirkung. Dabei haben er und Karajan noch Bernstein gegenüber das Plus, dass sie auf em Gebiete "Bruckner" und "Wagner" weesentlich mehr Meriten aufzuweisen haben.


    Und: welche Dirigenten außer den von mir genannten haben denn mehr Meriten aufzuweisen?


    Liebe Grüße


    Willi ?(


    P.S. Wenn es soweit ist, werde ich im Kölner Dom eine Kerze für ihn anstecken.

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich weiß nicht, was Sir Georg Euch getan hat. Er gehört für mich mit Herbert von Karajan und Leonard Bernstein sogar zu den "großen Drei" in ihrer Breitenwirkung.


    Lieber Willi, mir hat er nichts getan. ;) Ich lese in den Beiträgen aber sehr deutlich Gründe heraus, warum Solti die Verfasser nicht erreicht. Wenn Du ihn verteidigst, weil Du andere Erfahrungen und Erlebnisse hast, dann ist es Dein gutes Recht. Mich beeindruckt Dein Beitrag. Ob aber die Menge von Meriten - in dem Sinne wie Du dieses schöne Wort gebrauchst - für einen Dirigenten sprechen, weiß ich nicht. Ich bin gespannt, wie sich die Diskussion entwickelt.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich empfehle, einmal bei amazon nachzulesen:


    Sir Georg Solti - Ein guter un(d)vergessener Dirigent?


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • "Salome" und "Elektra" kommen an die Böhmschen Deutungen nicht heran. Die Nilsson halte ich in beiden Fällen für eine Fehlbesetzung.


    Starker Tobak. Ich habe an anderer Stelle stets Böhms Salomé verteidigt, habe das aber als Schützenhilfe für Frau Jones, die Vielgeschmähte, sowie als Beistand für den Schwächeren (klangtechnisch) gemeint. Auch ich finde den Solti-Tannhäuser glatt trotz Opulenz, das kann man aber z.B. der Salomé nicht nachsagen. Und wenn man die Nilsson als mädchenhafte Salomé fehlbesetzt findet, so muß man sie als Elektra desto höher schätzen (das späte, verbitterte Mädchen). - Böhm hatte zwar die auch großartige Borkh, aber mit Madeira und Schech keineswegs das otpimale Ensemble - und der Klang der Wiener wird von der DGG ohnehin nicht erreicht (oder meinst du bei Böhm den Elektra-Film mit Rysanek, und die Salomé von Götz Friedrich?) - Orchestral sind die Haß-Entladungen gerade der Elektra bei Solti breathtaking.


    Einige seiner Platten, die wirklich Geschichte geschrieben haben, sind vielleicht nur deshalb bedeutend, weil das Ereignis als solches schon bedeutend war. Weil das gesamte Ensemble bis hin zum Aufnahmeleiter besessen waren von der Aufgabe. Ich spreche von Wagners "Ring", der ersten kompletten Studioproduktion aus Wien.


    Das ist ein klein wenig Demagogie. Denn diese "Besessenheit" teilen sich alle großen DECCA-Opern der 60er, an denen Culshaw und Wilkinson beteiligt waren. Man lese die Beihefte - dennoch finde ich Karajans Aida und seinen Otello fragwürdiger als die Ring-Opern unter Solti. Denn hier geht es auch darum, die dramatische Leidenschaft auf die Sänger zu übertragen. Um Ganzheitlichkeit in musikdramtischer und akustisch-aufnahmetechnischer Hinsicht. Auch Legge und sein Team waren besessen - und doch blieb eine De-Sabata-Tosca quasi singulär.


    Zum Sprachgebrauch von Hektik - das gibt es, beim jungen Maazel bisweilen, etwa seiner Tosca mit der Nilsson. Beim Ring bitte wo? Ein prononciert dramatisches, straffes, vorwärts drängendes Dirigat ist mit "hektisch" nicht angemessen beschrieben (und wer würde Toscanini "hektisch" nennen, ihm also Flüchtigkeitsfehler, Fahrigkeit unterstellen?) - Soltis "Ring" ist immer vom Sänger her gedacht, während etwa bei Karajan (im Direktvergleich gut zu hören, etwa Wanderer-Rätselszene oder Waltraute-Szene) die Orchesterdisposition den Ausschlag gibt, womit sich der Sänger einzurichten hat. Das nimmt vielen Stellen ihre dramatische Wucht (bei Christa Ludwig als Waltraute unter Solti und Karajan wird es deutlich). Man kann in der Rätselszene bei Karajan all die vielen leisen und gedehnten Passagen bewundern (und bei Solti vermissen) - im Effekt zerdehnen sie das Geschehen und bringen eine Nuance von Tiefsinn und psychologischer Velleität in die Figuren, wo es bei Solti naiver, elementarer und plastischer, also handfester zugeht. Wenn ich mit Karajan so ungerecht umginge, wie ihr mit Solti, würde ich sagen: Sein Ring klingt oft nach sinfonischer Dichtung mit obligatem Gesang.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Dass er einer der größten Wagnerdirigenten war, lese ich hier gar nicht.


    Ich weiß nicht, was Sir Georg Euch getan hat. Er gehört für mich mit Herbert von Karajan und Leonard Bernstein sogar zu den "großen Drei" in ihrer Breitenwirkung. Dabei haben er und Karajan noch Bernstein gegenüber das Plus, dass sie auf em Gebiete "Bruckner" und "Wagner" weesentlich mehr Meriten aufzuweisen haben.

    Das sehe ich wirklich genauso. Auch Furtwaengler, Knappertsbusch, Karajan usw. hatten ihre Marotten. Keiner war perfekt. Aber von GEORG SOLTI habe ich hervorragende Aufnahmen. "Don Carlos" mit Tebaldi, Bergonzi, es gibt kaum einen Besseren. "Die Hochzeit des Figaro" mit der zauberhaften Kiri te Kanawa, auch eine tolle Aufnahme. "Rigoletto" mit dem exzellenten Alfredo Kraus und Robert Merrill, auch einer der Besten. "Aida" mit Leontine Price und John Vickers, hervorragend. Ich könnte diese Reihe noch fortsetzen. Und das Dirigat von GEORG SOLTI bei diesen Aufnahmen: Für mich ohne Fehl und Tadel.

    W.S.

  • Im Prinzip können wir jetzt alle unsere Beiträge aus diesem Thread nochmal hier einstellen:


    Sir Georg Solti - Meine liebsten Aufnahmen


    Bisher hatte ich mich fast nur für den Operndirigenten Solti interessiert. - Mit einer Ausnahme vielleicht:



    Was Sir Georg da im Januar 1983 in Chicago aufgenommen hat, reißt einen buchstäblich vom Hocker - wobei allerdings die digitale Aufnahmetechnik mit eine große Rolle spielt (Producer: Paul Myers, Sound Engineer: James Lock).
    Dvorak 9 habe ich xfach im Schrank, aber das ist die Krönung!


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Vielleicht sind es tatsächlich die Opernaufnahmen, die am nachhaltigsten im Bewusstsein bleiben werden.


    Natürlich "der" Ring, immer noch eine der besten Empfehlungen für den Erstkauf, natürlich Salome, Elektra, FroSch, und vieles von Verdi: da schließe ich mich meinem Vorredner bzgl. Rigoletto und Don Carlos an und möchte noch die Traviata, die Aida (mit Leontyne Price ) und auch den Falstaff hinzufügen.


    Bei Mozart haben beide Zauberflöten ihre Fans (es gibt wohl sogar noch eine dritte), der Figaro wurde schon gelobt (nicht ganz mein Geschmack).


    Viel falsch macht man mit den Einspielungen von Beethoven, Schubert, Liszt (Sinf. Dichtungen) und Brahms wohl nicht, ohne dass da Top-Empfehlungen dabei wären.


    Die findet man eher bei Bartok! Eine Bank mit Solti.


    Mahler ... ich war anfangs begeistert, finde die Aufnahmen (habe Sinfonie 1+2 mit dem London SO und 5-8 aus Chicago) aber mittlerweile einseitig überdreht - mit Ausnahme der 8., die vielleicht am besten gelungen ist.


    Schade, dass Sir Georg Solti und Martha Argerich bei verschiedenen Schallplattenfirmen waren ... Tschaikowsky, Prokofieff, Bartok, Rachmaninow ... das hätte was werden können!


    Ich habe Sir Georg mal dirigieren gesehen - raubkatzenartig. Seitdem "sehe" ich seinen Dirigierstil stets, wenn ich ihn höre. "Hektisch", wie es hier genannt wurde, finde ich es nicht, jedenfalls nicht primär, eher wie eine stets gespannte Stahlfeder an der Grenze zum Brechen. -


    Ein typischer Kritikersatz über Solti ist, dass ihm kein langsamer Satz richtig gut gelungen wäre. Wer hat das beste Gegenbeispiel?

  • Ich habe ziemlich wenige Aufnahmen mit Solti, obwohl er zu meiner Klassik-Einsteigerzeit Ende der 1980er Jahre sicher neben Karajan, Bernstein, Abbado einer der präsentesten Dirigenten war, von dem praktisch alle Standardwerke in klanglich meist hervorragenden Einspielungen vorlagen und entsprechend beworben wurden. Allerdings ist er der Dirigent auf der ersten CD, die ich überhaupt gekauft habe, Beethovens Klavierkonzerte 3+4 mit Ashkenazy. Besonders das 3. Klavierkonzert schätze ich bis heute sehr in dieser Aufnahme; den Orchesterpart habe ich kaum je so wuchtig und dramatisch gehört. Warum ich beim Standardrepertoire sonst wenig Solti besitze weiß ich nicht genau. Ich vermute, dass seine CDs damals teils eher teuer waren, und später, als ich den Kernbestand schon in anderen Aufnahmen besaß, habe ich dann anscheinend originellere, historische, oder HIP-Aufnahmen als Alternativen angeschafft.


    Wagners Ring kaufte ich dann, als etwa '97 die Neuauflage herauskam und obwohl ich noch zwei andere im Regal habe, ist das eigentlich der einzige "Ring", den ich einigermaßen kenne. Sicher hat die noch heute ziemlich spektakuläre Klangtechnik und die (verglichen mit klanglich ähnlich guten späteren Aufnahmen) überlegene Sängerriege hier auch einen wesentlichen Beitrag zum Ruf der Aufnahme geleistet. (Ähnlich bei den mir unbekannten anderen Wagner- oder Strauss-Aufnahmen). Seinen digitalen Fidelio (Hoffmann, Behrens) habe ich mir als Teenager mal zum Geburtstag geleistet, einige Jahre später aber wieder abgestoßen (mehr der Sänger wegen, auch fand ich hier, anders als sonst, den Decca-Sound nicht so toll, eine sehr frühe Digitalaufnahme von ca. 1980)


    Sonst nur Einzelnes. Rigoletto (klanglich mäßige RCA) mit Moffo und Kraus, Mahler 5, russische "Bonbons". Und die Zauberflöte habe ich als Quaerschnitt auch mit Solti (Burrows, Prey etc. Wien um 1970) kennengelernt. Wenn mich Opern mehr interessierten, würde ich mir diese Gesamtaufnahme wohl noch mal anschaffen. Meiner Erinnerung nach kein bißchen hektisch, sondern klanglich der berühmten Böhm-Aufnahme überlegen und sängerisch-musikalisch nicht schlechter.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Und die Zauberflöte habe ich als Quaerschnitt auch mit Solti (Burrows, Prey etc. Wien um 1970) kennengelernt. Wenn mich Opern mehr interessierten, würde ich mir diese Gesamtaufnahme wohl noch mal anschaffen. Meiner Erinnerung nach kein bißchen hektisch, sondern klanglich der berühmten Böhm-Aufnahme überlegen und sängerisch-musikalisch nicht schlechter.



    Diese Aufnahme von 1969 ist für mich die beste "Zauberflöte", die ich kenne. Da stimmt einfach alles. Zudem das "Traumpaar" Prey und Fi-Di vereint.


    Wer Solti mal dirigieren sehen will:



    Hier erkennt man seinen sehr spezifischen Dirigierstil sehr gut. Wunderbare Aufnahme.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo, Joseph II.!


    Ja, natürlich! Diese Zauberflöte finde ich auch hervorragend. Und auch der "Fidelio" gehört zu den besten Aufnahmen dieser Oper. Schon alleine wegen Hildegard Behrens. Und der Klang: Darüber läßt sich streiten. Die Kerkerszene wirkt bei dieser Digitalaufnahme wirklich schaurig. Einfach mitreißend!

    W.S.

  • Wie gesagt, den Fidelio habe ich lange nicht gehört. Behrens war sicher die herausragende Akteurin. Die Zauberflöte werde ich doch endlich auf die Merkliste setzen. Talvela ist natürlich ebenfalls grandios und so einen brillant quengeligen Monostatos wie Stolze findet man selten.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Auch ich möchte etwas näher Stellung zu Solti nehmen. Ein zu Lebzeiten sehr geschätzter Dirigent, dessen Kernrepertoire mir in meiner jugend nichts sagte. Als Ausnahme gab es hier lediglich Bartoks "Konzerrt für Orchester" - ebenfalls ein Komponinst den ich bis heut eher "verschmähe", Solti schaffte es allerdings mich für dieses Werk zu begeistern.


    Ansonst war sein Schicksal, daß es für viele Aufnahmen der Wiener Klassik beeindruckendere - oder zumindest bekanntere - Konkurrenten gab. Sein Haydn war in meinen Augen routiniert, aber auch nicht mehr, sein Beethoven (Sinfonien) stand im Schatten dessen von Karajan (ein Schicksal das er hier mit Karl Böhm teilte), Die "Figaro" Aufnahme fand ich schwächer als jene unter Karl Böhm, und noch mehr als die (viel zu selten erwähnte) Aufnahme von Erich Kleiber.


    Dvoraks "aus der neuen Welt" konnte meiner Meinung nach nicht mit jener unter Ferencz Fricsay konkurrieren.


    Wagner stand ausser Frage - aber ich hörte in meiner Jugend keinen Wagner...
    Dasselbe galt für Mahler. Dennoch habe ich seine berühmte achte - bis jetzt beeindruckt sie mich nicht,


    Interessanterweise fand ich Solti beeindruckender, seit ich ihn einmal (auf Video) dirigieren sah.


    Irgendwie war sein Schicksal, daß er ein "Universaldirigent" war, der immer von "Spezialisten" übertroffen wurde.
    Er war ein von der Decca aufgebauter Gegenspieler Karajans, der ihm gegenüber sicher mehr Charisma hatte - etwas, das eigentlich erst nach dem Tod der beiden sichtbar wurde, im Leben erreichte Solti indes in gewissen Ländern tatsächlich die Beliebtheit Karajans...


    Nachdem mich der Figaro eher wenig beeindruckt hatte, habe ich die Zauberflöte links liegen gelassen,
    Ich habe sie vor wenigen Minuten durch jpc-Tonschnippsel erstmals bewusst fragmentarisch gehört (bzw ich konnte einen ersten Eindruck gewinnen) und ich pflichte bei, daß es sich neben den beiden Böhm-Aufnahmen um eine der besten Aufnahmen der Oper handelt, die ich bisher kenne. Sie landet auf meiner Wunschliste für 2012 und wird dann - wenn ich richtig gezählt habe, meine 10. Zauberflöte sein.


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Ein typischer Kritikersatz über Solti ist, dass ihm kein langsamer Satz richtig gut gelungen wäre. Wer hat das beste Gegenbeispiel?


    Hallo Wolfram,


    spontan aus dem Gedächtnis fallen mir einige ein: Das "Largo" aus der von Harald erwähnten in der Tat wunderbaren Aufnahme von Dvoraks 9. Sinfonie, das "Andante moderato" aus Mahlers 2. Sinfonie und dem CSO (und einem stellenweise mitgrunzenden Solti ;) ), der 3. Satz "Ruhevoll" von Mahlers 4. (und der wunderbaren Kiri te Kanawa im letzten Satz), das "Adagietto" von Mahlers 5. (gespielt vom Tonhalle Orchester Zürich in Soltis letzter Aufnahme; Cover siehe unten), das abschließende "Adagio" von Mahlers 9. habe ich bei beiden Aufnahmen (LSO und CSO) als sehr gelungen in Erinnerung. Auch das "Gretchen" aus der "Faust-Sinfonie" interpretiert Solti ungemein stimmungsvoll.
    Es kommen schon einge Sätze zusammen...


    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Guten Morgen! Nur ein knapper Einwurf: von Solti gibt es ganz viel Tolles. Die Enigma-Variationen, Nimrod im Besonderen, gehören in meinen Ohren nicht dazu. Nimrod ist für alle Zeiten in meinen Ohren und in meiner Seele mit Bernstein verbunden:
    Nimrod - Bernstein
    Bei 2:30 geht es los. Übrigens ein Stück, das sich bei mir für den "Gänsehaut"-Thread qualifiziert. Zum Heulen vor Traurugkeit und Glück zugleich.
    Aber zurück zu Solti. Einem sehr sympathischen Menschen übrigens...

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

  • Ich habe sie vor wenigen Minuten durch jpc-Tonschnippsel erstmals bewusst fragmentarisch gehört (bzw ich konnte einen ersten Eindruck gewinnen) und ich pflichte bei, daß es sich neben den beiden Böhm-Aufnahmen um eine der besten Aufnahmen der Oper handelt, die ich bisher kenne. Sie landet auf meiner Wunschliste für 2012 und wird dann - wenn ich richtig gezählt habe, meine 10. Zauberflöte sein.

    Es gibt zwei:




    Ich würde die erste von Decca empfehlen.
    "Grand Prix du Disque"
    H. Münch in Audio 7 / 86:"Ergebnis ist eine Zauberflöte von packender
    Kraft und überzeugender Typisierung. Höchste und hohe Bewertungen
    für Interpretation und (CD-)Klangqualität."


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Ja, die Lenny-Aufnahme mit dem BBC SO habe ich natürlich auch (auf CD). Die läuft quasi "außer Konkurrenz". Trotzdem gefällt mir Soltis Leseart auch auf seine Weise, völlig konträr eben.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich habe die erste DECCA Aufnahme gemeint.Sie erschien 1969, etwa 5 Jahre nach der legendären Böhm Aufnahme mit Fritz Wunderlich. Ich erinnere mich ganz genau, daß etwa um 1970 die beiden Plattenfirmen, DECCA und DEUTSCHE GRAMMOPHON ganz energisch die Werbetrommel für ihre Aufnahme rührten - und ich war lange Zeit unentschlossen, welche ich denn kaufen sollte. Opern-Gesamtaufnahmen kosteten in der damaligen Zeit relativ viel, und an einen Parallelkauf war nicht zu denken. Schliesslich Siegte Böhm und Wunderlich gegen den von mir als Papageno favorisierten Hermann Prey und die damals umstrittene, aber auch bejubelte Christina Deutekom mit ihren eigenwilligen Koloraturen...
    DECCA spendierte der Kassette noch ein Beiheft mit Bildern zur Zauberflöte von Oskar Kokoschka. Ich kenne es nur aus der Werbung, habe es selbst nie gesehen....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich liege ja sonst mit dem lieben Bernward auf einer Linie. Aber hier gibt es die Ausnahme. Der älteren Decca-Aufnahme gebe ich hier den Vorzug. Pilar Lorengar, Christina Deutekom und vor allem Stuart Burrows gebe ich den Vorzug vor der neueren Aufnahme. Nimm es mir nicht Übel, Bernward.

    W.S.

  • Lieber Wolfgang,


    wir liegen natürlich nicht auseinander. Mit erster habe ich nicht die Fotos sondern die erste Aufnahme bei Decca, und das ist die mit Prey usw. gemeint.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


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