Beliebtheit von Dirigenten und ihre Ursachen

  • Vor wenigen Tagen ist der Thread


    Die TAMINO-LIEBLINGSDIRIGENTEN 2011


    nicht nur zu Ende gebracht , sondern auch in vorbildlicher Weise von "Joseph II" ausgewertet worden, wofür ich ihm an dieser Stelle meinen Dank aussprechen möchte. Vielleicht gibt es ja 2012 wieder einen Thread dieser Bauart - oder man pausiert ein Jahr und nimmt statt dessen Pianisten oder Violinvirtuosen an die Reihe ?


    Wie dem auch sei - die Beliebtheit von Dirigenten ist oft kaum rational begründbar - was manche User dieses Forums immer wieder in (stille) Wut versetzt, besonders dann, wenn sie meinen ihr persönlicher Favorit sei objektiv messbar "besser" als die bevorzugten Mitbewerber.


    Der oben angeführte Thread verfügt ja über zu wenige "Samples" um allgemein gültige Aussagen zu erlauben - ein gewisser Trend ist dennoch sichtbar. Und dieser Trend ist oft gegensätzlich zu dem was einige wenige hier im Forum - aber auch in Klassikmedien behaupten....


    Kommen wir zur Kernfrage:


    Welche Faktoren sind ausschlaggebend, damit ein Dirigent "beliebt" oder "berühmt" , eine "lebende Legende" oder ein "großer Alter der Vergangeneit" wird ?


    Es gibt zahlreiche Beispiele, wo scheibar alle Faktoren dafür vorhanden waren - aber letztlich hat es doch nicht geklappt.
    Die Liste im oben genannten Thread mag hier hilfreich sein, lächeld möchte ich auf einen Fehle hinweisen: Anhand der Punktezahl steht Karl Böhm Platz Nr 4 zu und nicht Nr 5 - Carlos Kleiber hat nämlich einen Punkt weniger ;)


    Ich hoffe, daß dieses - wie ich meine - interessante Thema - zahlreiche Beiträge hervorbringt...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Vielen herzlichen Dank, lieber Alfred, für dein Lob, das mich sehr ehrt!


    Bei Böhm und Kleiber ist mir offenbar wirklich ein kleiner Fehler unterlaufen in der Endauswertung. Es freut mich persönlich auch, daß Böhm doch knapp vor Kleiber ist.


    Ich hatte durchaus vor, auch 2012 die Lieblingsdirigenten zu ermitteln. Das 2011er Konzept erscheint mir sehr gut, wäre nur die Teilnahme höher ausgefallen ... Ich hatte überlegt, HIP-Dirigenten einzeln zu betrachten, aber da fängt dann die Frage an, wer ist überhaupt ein HIP-Dirigent? Ist etwa Paavo Järvi schon HIP?


    Zur Beliebtheit von Dirigenten allgemein:


    Es fällt auf, daß unsere Ergebnisse von 2011 ziemlich "konventionell" sind. HvK führt bei den historischen Dirigenten, trotz aller Anfeindungen bei weitem, nur von Furtwängler wirklich bedroht. Mit Klemperer und Wand zwei ganz Große auf Platz 3. Knapp dahinter Böhm, C. Kleiber und Bernstein. Also in etwa die Dirigenten, die man eben erwarten würde, keine einzige Überraschung dabei.


    Bei den lebenden dominiert Harnoncourt, dahinter Thielemann und Abbado. Die restlichen werden auf die Ränge verwiesen. Auch wenig überraschend, außer vielleicht, daß gerade der streitbare Graf Nikolaus ganz vorne steht.


    LG
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • daß gerade der streitbare Graf Nikolaus ganz vorne steht.

    Das hat mich sehr gewundert und noch mehr gefreut. An anderer Stelle war der Graf ja mit guten Gründen als einer der Dirigenten mit großem Einfluss genannt worden. Diese Bedeutung für das Musikleben, die er also offenbar hat, scheint sich danach in seiner "Beliebtheit" wieder zu finden. Der Zusammenhang ist alles andere als zwingend, in Harnoncourts Fall dann aber anscheinend eben doch gegeben.


    Gibt es HIP-Dirigenten? Wenn ich mich nicht irre, ist Jos van Immerseel der einzige bekanntere Dirigent, der ausschließlich HAP dirigiert. Alle anderen, die auch mit HAP in Verbindung gebracht werden, dirigieren auch herkömmlich (gegebenenfalls in HIPper Ausprägung). Hinzu kommt, dass - was Alfred immer wieder besonders schmerzt - fast alle außer Thielemann, die herkömmlich dirigieren, inzwischen auch HIP dirigieren (Beispiel: Paavo Järvi). Harnoncourt ist wieder das beste Beispiel für diesen Grenzgang - sonst würde es in seiner Person auch kaum zu dieser Beliebtheit kommen ...

  • Ich möchte nicht verhehlen, dass ich mich über das Ergebnis aus zwei Gründen freue.
    1. sind mit Leuten wie Karajan, Furtwängler, Harnoncourt, Thielemann und Wand Leute in die Spitzengruppe gekommen, die allesamt zu meinen persönlichen "Hausgöttern" zählen. Selbst der von mir geschätzte Böhm steht auf Platz 5 vor Bernstein (!).Und Rattle, den ich zwar höher angesiedelt hätte, kam immerhin auf Platz 6. Nun muss ich doch mal schauen, wer ausser mir noch den Gustav Leonhardt..... 8)
    Etwas überraschend finde ich übrigens, dass die Reihenfolge bei den Historischen nicht Furtwängler -> Karajan sondern umgekehrt ist.

    2. werden und wurden ja in manchen Threads gerade die Herren Karajan, Harnoncourt und Thielemann mitunter äusserst scharf angegangen, was manchmal zu erbitterten Kontroversen führte. Wie man sieht sind es oft gerade solche Künstlerpersönlichkeiten, die dann doch eine Mehrzahl der fachkundigen Hörer deutlich überzeugen können. Mir fällt auch auf, dass dieses Ergebnis im Widerspruch zu dem steht, was meinem offensichtlich falschem Eindruck nach die vorherrschenden Meinungen in diesem Forum wären.


    Zu den ausschlaggebenden Faktoren für Beliebtheit, Berühmtheit, lebende oder verstorbene Legende:
    Höchstwahrscheinlich reicht es nicht, nur sein Handwerk traumwandlerisch gut zu beherrschen - das können bzw. konnten sie nämlich alle und findet schon meine Anerkennung und Bewunderung. Partiturspiel mit allen Transpositionen oder das Hören der gesamten Musik nur beim Lesen der Partitur ist gerade bei den grösser besetzten Werken und besonders natürlich bei modernen Komponisten eine enorme Fähigkeit.
    Was hier neben der puren Qualität der Ergebnisse hinzukommen muss ist wohl die authentische glaubwürdige Austrahlung in Interpretation, Klang und Persönlichkeit des Dirigenten.
    Hört man eine Platte von Harnoncourt, Furtwängler oder Karajan, dann weiss schon nach wenigen Tönen, wer der am Pult steht.
    Diese Interpretenpersönlichkeit, die klare und begründete Vorstellung vom musikalischen Resultat muss also schon sehr wichtig sein.


    Wenn jemand zur Legende wird, dann hängt das wohl auch damit zusammen, dass er sowohl fachlich als auch persönlich irgendwie herausragt, wodurch es über ihn unzählige Geschichten zu erzählen gibt ( wie z.B. die, das die Berliner mit einem Mal viel besser unter einem Gastdirigenten klangen, als während einer Probe sich die Tür öffnete und Furtwängler hineinschaute - ich glaube diese Geschichte übrigens zu 100%)
    Eine ungewöhnliche, abenteuerliche Biographie fügt dem sicher auch etwas hinzu. Gerade die älteren Dirigenten haben aufgrund der Kriegs- und Nachkriegsjahre da sicherlich interessanter zu lesende Geschichten als junge Kollegen.

    Letztendlich sind es aber ganz überwiegend wohl doch gehäuften positiven Erfahrungen mit Musik durch CDs und Konzerte, die einen Hörer für einen bestimmten Dirigenten begeistern können.
    Die interpretatonshistorische Wichtigkeit scheint jedoch nicht so ausschlaggebend zu sein, wie man etwa durch Harnoncourts Spitzenplatz annehmen könnte, denn für die Alte Musik Bewegung war ebenfalls der niederländische Cembalist, Dirigent und Organist Gustav Leonhardt enorm wichtig.
    Aufgrund dessen, dass er aber eine medial eher zurückgezogene Persönlichkeit war, scheint es so zu sein, dass er vom breiten Klassikmarkt nicht oder nicht mehr so besonders auffallend wahrgenommen wurde. Er hat ja auch in den letzten Jahren viel auf kleinen aber feinen Labels aufgenommen, wodurch er vielen vielleicht gar nicht bekannt ist.


    :hello:

    Glockenton










    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Ich hoffe, daß dieses - wie ich meine - interessante Thema - zahlreiche Beiträge hervorbringt...

    Für 2012 könnte es evtl. für Sänger(innen) und Orchester (lebende) erweitert werden. Mal sehen, ob Wien eine Chance gegen Berlin hat, gell.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Zitat

    Glockenton: 2. werden und wurden ja in manchen Threads die Herren Karajan, Harnoncourt und Thielemann mitunter äußerst scharf angegangen, was manchmal zu erbitterten Kontroversen führte. Wie man sieht, sind es oft gerade solche Künstlerpersönlichkeiten, die dann doch eine Mehrzahl der fachkundigen Hörer deutlich überzeugen können.

    Ob diese "Mehrzahl", lieber Glockenton, denn von der "Minderzahl" überhaupt als "fachkundig" angesehen wird, das ist dann hier doch sehr die Frage.


    Liebe Grüße


    Willi ?(:D

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ob diese "Mehrzahl", lieber Glockenton, denn von der "Minderzahl" überhaupt als "fachkundig" angesehen wird, das ist dann hier doch sehr die Frage.


    Liebe Grüße


    Willi ?( :D

    Hallo Willi,


    das glaube ich auch nicht, aber sehr gut leben kann ich damit trotzdem.
    Ich weiss ja, wieviel ich selbst von Musik verstehe bzw. auch umsetzen kann, kenne auch meine zum Glück immer noch teilweise beweglichen Grenzen, und vor allem ahne ich wenigstens, wo es mir noch bei weitem an Fähigkeiten und Verständnis fehlt. Den meisten mir bekannten Musikerkollegen geht das recht ähnlich. Vom Urteil anderer Leute macht man sich da nicht abhängig, vor allem nicht bei Kommentaren nach Konzerten, obwohl man natürlich über Zuspruch erfreut ist.


    Und ich weiss auch, dass es im Sinne einer Selbstbestätigung gut wirken mag, sich vom Mainstream als besonders fachkundig abzusetzen, wenn man nicht die Leute, die alle kennen, sondern unbekanntere Namen als Geheimtip favorisiert und die bekannten Leute arrogant herunterschreibt, so als wenn es selbst schon besser könne und wisse.


    Manchmal ist aber auch etwas an den Geheimtips dran, unabhängig davon, ob es nun Dirigenten oder etwas Pianisten sind.
    Alfred Brendel war z.B. eine längere Zeit so ein Geheimtip bis er dann in reiferen Jahren sehr zurecht eine grosse Karriere machte.
    Allerdings bin ich davon sehr überzeugt, dass die hier in der Liste oben gelandeten bekannten Namen auch aus guten Gründen sehr bekannt sind.
    Im Gegensatz zu manch anderen Genres muss man in der seriösen Klassik tatsächlich unglaublich gut sein, um überhaupt in dieser Form wahrgenommen zu werden.
    Nach dem letzten Sylvesterkonzert meine ich übrigens erstaunt bemerkt zu haben, dass ich Rattle - obwohl ich seine Wahnsinnsaufnahme der Brahmssymphonien und auch die Haydn-Aufnahmen kannte- immer noch unterschätzt habe. Er steht nicht umsonst am Pult dieses Orchesters.



    :hello:


    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Deine Worte, lieber Glockenton, gehen mir herunter wie Öl.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zitat

    Ich hatte durchaus vor, auch 2012 die Lieblingsdirigenten zu ermitteln. Das 2011er Konzept erscheint mir sehr gut, wäre nur die Teilnahme höher ausgefallen


    Ich fand die Teilnahme gar nicht so schlecht, aber vermutlich wird sie 2012 besser, wenn wir signalisieren:


    1) Wie schon 2011 wird der Thresad dann auch von seinem Mentor ausgewertet, was ja leider in der Vergangenheit sehr oft nicht der Fall war, -Mitlieder haben votiert - und bekamen nie ein Endergebnis gleidfer - wie demotivierend. Die Moderation kann aber natürlich nicht alles machen. Dieser 2011er Dirigententhread war aber geradezu musterhaft gewartet (Zwischenergebnisse) und wurde auch ebenso musterhaft zu Ende geführt (Endauswertung)


    2) Die Ergebnisse können kommentiert werden - Hier ist ein guter Platz dafür, wenngleich dieser Thread hier nicht ausschliesslich dafür dient - allgemeine Betrachtungen zum Thema sind ebenso gern gesehen.
    Kommentare - wir hatten schon ein Paar - sind oft in der Lage bestehende Divergenzen zwischen der Stimmung in den Diskussionsthrewads und jenem Voting aufzuzeigen - zu hinterfragen - aber auch "aufzulösen" und zu "erklären"


    3) 2012 sollte die Punkteanzahl auf 15 erhöht werden (Die Entscheidung liegt jedoch bei "Joseph II")
    Was brächte diese Maßnahme ? - Zum einen könnte jemand , dessen Wertung sich überhaupt nicht geändert hat - WAHLWEISE - seinen Favoriten durch Vergabe von 3 zusätzlichen Punkten signifikant nach oben pushen ODER aber weitere 3 Lieblingsdirigenten nominiere, bzw EINEN mit 3 Punkten hinzufügen. Dadurch wäre sichergestellt, daß selbst bei unveränderter Teilnehmerriege das Ergebnis von jenem aus 2011 unterscheidbar wäre.


    3) Diese Votingthreads sind auch für mäßig fortgeschrittene Klassikfreunde geeignet, man kann sein Votingverhalten begründen - muß es aber nicht. Ideale Einsteigerthreads für Tamino- Neulinge mit grade erst überwundener "Schwellenangst" Sie können hier ihre Meinung über Dirigenten in Kurzform artikulieren, ohne Angst haben zu müssen, ob ihres "Bekenntnisses" zu einem Dirigenten angegriffen oder lächerlich gemacht zu werden.....


    mit freundlichen Grüßen
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Ich möchte diesen Thread gern auch dazu benutzen, ein wenig über das Ergebnis des Votings der Lieblingsdirigenten von 2011 nachzudenken ud Schlüsse daraus zu ziehe, die natürlich nicht immer richtig sein mögen: Beinahe überraschend - nach etlichen Angriffen auf ihn war anderes zu erwarten gewesen - Herbert von Karajan
    Beinahe noch verwunderlicher ist, daß Wilhelm Furtwängler permanent ganz oben zu finden ist - bei DER (historischen) Tontechnik !!!
    Böhm und Bernstein, ebenso wie Klemperer ganz weit oben - Unterschiede von ein bis 2 Punkten kann man vernachlässigen, sie sind nicht signifikant. Es ist ja schon eine Auszeichnung ÜBERHAUPT in dieser Liste zu erscheinen.
    Dennoch bin ich verwundert, daß Celibidaches Glanz anscheinden schon verblasst ist, gerade weil stets solch ein Aufsehen um seine Aufnahmen gemacht wurde.


    Harnoncourts erster Platz ist wohl kaum verwunderlich, und auch der zweite für Thielemann spricht Bände. Eben erst im Forum von einigen verrissen, findet man ihn auf der Tamino Beliebtheitsskala weit oben...


    Warum Abbado immer wieder ganz oben mit dabei ist, ist mit zwar nicht eingängig, aber es ist Realität - und somit zu akzeptieren...


    Weiteres bei Bedarf...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Beinahe überraschend - nach etlichen Angriffen auf ihn war anderes zu erwarten gewesen - Herbert von Karajan


    Ach ja, das ist wieder diese Schwarz-Weiß-Malerei.


    Man kann doch Karajans Aufnahmen von Bach, Händel, Vivaldi und Haydn grottenschlecht finden und deftig darüber schreiben und ihn trotzdem für einen der bedeutendsten Dirigenten des 20. Jhds. halten. Seine Aufnahmen mit dem Philharmonia Orchestra haben doch fast alle Referenzstatus. Was man von seiner CD mit dem Titel "Herbert von Karajan dirigert Weihnachtskonzerte" nicht unbedingt sagen kann.


    Auch seine Opernzweit- und -drittaufnahmen waren oft mehr als fragwüdig: Tosca, Rosenkavalier, Zauberflöte, Troubadour - da hätte er es vielleicht besser bei den formidablen Erstaufnahmen gelassen. Darum werden die Zweitaufnahmen eben mit den unschönen Worten bedacht, die über diese unschönen Aufnahmen zu schreiben sind. Dennoch war von Karajan ein großartiger Operndirigent.


    Diese Schwarz-Weiß-Malerei stört mich sehr. Da wird die Welt eingeteilt in Freund und Feind, und wer sich nicht ausdrücklich zum Freund erklärt, wird als Feind betrachtet.


    Das ist zu beobachten in den Regietheater-Threads (wie oft habe ich lediglich gesagt, dass es auch gute Beispiele für Regietheater gäbe - schon war ich in der Ecke der absoluten Regietheaterbefürworter), in den Dirigenten-Threads (ich habe das Niveau der Argumentation der Thielemann-Freunde bezweifelt und schwupps - war ich Thielemann-Gegner) und vermutlich noch in anderen Threads.


    Das Thema wäre mal einen eigenen Thread wert.

  • Zu Haralds Beitrag (7, der Cartoon):
    Warum haben im Sinfoniekonzert die Musiker immer Noten, der Dirigent aber meist nicht?
    Nun, die Musiker dürfen sich nicht vertun, während der Dirigent im Konzert (wohlgemerkt, nicht in der Probe) die Sinfonie nur pantomimisch abbildet.

    Schönheit du kannst zwar wol binden...

    Schönheit machet viel zu blinden...

    Schönheit alle Freyer grüssen...

    Schönheit reitzet an zum küssen...

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Man könnte jetzt antworten, lieber dr. pingel, weil die einen eben die Dirigenten sind und die anderen die Musiker. Die Dirigenten (und Pianisten und Geiger u.u.) müssen das draufhaben, die Orchestermusiker müssen (oder und können) das nicht draufhaben.
    Heinrich Neuhaus, der Lehrer von Swjatoslaw Richter, berichtete einmal, dass Richter mehr als dreißig Klavierabende hintereinander auswenig geben könnte, ohne sich auch nur in einem einzigen Stück zu wiederholen.


    Und wie willst du dann erklären, dass Herbert von Karajan bis weinige Jahre vor seinem Tode seine Konzerte nicht nur auuswendig, sondern auch mit geschlossenen Augen dirigiert hat? Nur Pantomime?


    @ Wolfram (Posting Nr. 12)


    Du beschwerst dich über Schwarz-Weiß-Malerei, lieber Wolfram und führst als Beispiele dafür an, dass man dich "angefeindet" hat im Regie-Theater-Thread und im Thielemann-Thread, wo du zugegebenermaßen heftig gegen den Strich gebürstet hast und m.E. Widerspruch bewusst in Kauf genommen hast, so dass ich manchmal dachte: "Was hat er denn jetzt schon wieder, man kann sich doch auch ganz vernünftig mit ihm unterhalten"?


    Ist es nicht so?


    Liebe Grüße


    Willi ?(

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zitat

    Welche Faktoren sind ausschlaggebend, damit ein Dirigent "beliebt" oder "berühmt" , eine "lebende Legende" oder ein "großer Alter der Vergangeneit" wird ?


    Zwei meiner Favoriten, Knappertsbusch und Barbirolli, liegen mit jeweils 5 Punkten recht abgeschlagen im hinteren Mittelfeld.


    Ich glaube, bei Knappertsbusch ist es das Image des Probenhassers und sind es einige mißlungene Live-Mitschnitte, wo das Orchester sich ein paar Schnitzer erlaubte. Folglich meiden viele offenbar diesen Dirigenten nach einer schlechten Erfahrung – und bringen sich um unwiederbringliche Momente. Es gibt tatsächlich Aufnahmen von Kna, wo einiges daneben geht. Dann aber gibt es andere (und ich meine, die Mehrzahl), wo irgendwie alles stimmt. Trotz weniger oder gar keiner Proben. Nehmen wir seinen letzten "Parsifal" von 1964, seine allerletzte Aufnahme, oder die Bayreuther "Meistersinger" von 1960. Er bringt das Orchester stellenweise zum Leuchten wie kein anderer, nicht mal im Studio. Der Mann muß eine Ausstrahlung und ein Charisma sondergleichen besessen haben. Er war bei den Wiener Philharmonikern ungemein beliebt, vielleicht sogar der beliebteste nichtösterreichische Gastdirigent. Leider gibt es relativ wenige Dokumente dieser Zusammenarbeit: Bruckners 5. und die "Meistersinger", den 1. Akt der "Walküre" sowie ein paar Orchester-Highlights von Wagner, ferner ein wenig "leichte Musik" im Studio, ein paar Live-Mitschnitte (v. a. Beethoven).


    Barbirolli ist auch stark umstritten. Als kitschige Travestie sind seine späten Aufnahmen abgetan worden (Mahlers 2. und 3., Sibelius' 2., Bruckners 8., Beethovens 3.). Vielleicht zurecht. Aber trotzdem liebe ich sie (wie bei Bernstein). Zu einem Platz auf dem Treppchen langte es jedenfalls nicht für "Glorious John". Und dabei stünde er diskographisch besser da als Kna, es ist viel mehr in Stereo dokumentiert.


    Kna und Sir John sind fraglos "lebende Legenden" gewesen. Kein anderer Dirigent hat die Bayreuther Festspiele nach 1945 so geprägt wie Kna, keiner dirigierte so lange durchgehend auf dem Grünen Hügel. Und vielleicht ist es am Ende das Wagner-Image, das Kna einen Spitzenplatz kostet. Er wird fast nur auf Wagner beschränkt. Seine anderen Aufnahmen kennt man ja kaum. Und Barbirolli war ebenfalls bereits zu Lebzeiten eine Berühmtheit. Sein Mahler und Sibelius schrieben Geschichte, gelten vielen heute aber als "überholt". Kna's Wagner hat gar das Image, steinzeitlich zu sein. Er verkörperte ein Wagner-Ideal, das bereits in den 50ern größtenteils "out" war.


    "Große Alte" sind sie gleichwohl beide, ob im Ranking vorne oder nicht, auch wenn manch einer das "alt" betonen würde. Wir sollten das Ranking auch nicht überbewerten. Die Teilnahme war recht gering, manche Gewichtungen trugen dazu bei, gewisse Dirigenten so weit nach vorne zu katapultieren.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Ach ja, das ist wieder diese Schwarz-Weiß-Malerei.


    Man kann doch Karajans Aufnahmen von Bach, Händel, Vivaldi und Haydn grottenschlecht finden und deftig darüber schreiben und ihn trotzdem für einen der bedeutendsten Dirigenten des 20. Jhds. halten. Seine Aufnahmen mit dem Philharmonia Orchestra haben doch fast alle Referenzstatus.


    So sehe ich das nicht - und so war es auch nicht gemeint.


    Ich meine hier durchaus unqualifizierte Angriffe gegen Karajan, wo so ziemlich alles an ihm als schlecht dergestellt wurde.
    Der "Breitwandsound" wurde ebenso bemäkelt, wie seine Beethoven-Sinfonien von einigen Forianern der Vergangenheit als "mittelmäßig" und "langweilig" bezeichnet wurden, immer wieder mit kleinen oder weniger kleinen Spitzen gegen seine (angebliche) politische Vergangenheit garniert (was aber auf seine Anhänger, Hörer und Käufer kaum Eindruck gemacht hat, ja auch icht auf die "Mächtigen dieser Welt", die ihn allesamt hofierten,
    Ich halte an dieser Stelle fest, dass ich nicht wirklich ein Karajan-Verfechter war - erst unqualifizierte Angriffe gegen ihn haben mich seine Partei ergreifen lassen - dann aber besonders intensiv.
    Man hat immer wieder beanstandet - und das vermutlich zu Recht (?), daß Karajan vorzugsweise seine eigene Ästhetik über den (vermeintlichen) Willen des Komponisten stellte, quasi jedem Werk den Stempel "dirigiert von Herbert von Karajan" aufdrückte. Wenn wird dem zustimmen - nicht alle werden es tun - so muß aber auch gesagt werden, dass gerade dies ein ausschlaggebender Faktor für den Ruhm des Maestro war.
    Des weiteren ist es teilweise bis heute so, daß Leute, die sich kein Urteil über eine Aufnahme zutrauen, "sicherheitshalber" eine von Karajan kaufen. Welche Lebensleistung liegt dahinter - solch einen Vertrauensvorschuss auch 25 nach seinem Tod zu erhalten !!


    Kommen wir zu den Aufnahmen Karajans, wo er Bach, Vivaldi, Händel, Haydn etc einspielt:
    Aus heutiger Sicht sind sie antiquert - und kaum mehr vertretbar - ausser als historisches Dokument.
    Zu Karajans Lebzeiten, waren sie aber nicht "grottenschlecht" sondern dem Trend der Zeit geschuldet, Alte Musik im Klangbild der 60iger und 70er Jahre aufzuführen. Ein ähnlicher Denkansatz wie das heutige Regietheater (wenngleich nicht soo arg verfremdend)- und natürlich- ebenso wie dieses - ein Irrweg.
    Aber der wird erst jetzt als solcher gesehen, die Vertreter der historischen Aufführungspraxis - es gab sie damals schon - glichen eher den Rufern in der Wüste und nicht jeder hatte das Glück die Geschmackswende zu erleben, wie beispielsweise Nikolaus Harnoncourt. Herbert von Karajans Bruder, Wolfgang von Karajan und seine Frau, Hedy von Karajan, sollten ein Lied davon singen können, sie gehörten dem "historischen Lager" an.....
    Ein kleiner Kreis jubelte ihnen FRENETISCH zu (ich war bei einem dieser Konzerte anwesend) - aber heute sind sie und ihr Ensemble vergessen.....
    Es gibt natürlich auch andere Aufnahmen, wo Karajan mit seiner Ästhetik "daneben" lag, dazu zähle ich vor allem seine "Sinfonie fantastique" und eigentlich auch seinen Schostakowitsch. Aber wir sollten uns immer vor Augen führen, auf welch hohem Niveau selbst seine "Entgleisungen" stattfanden....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Warum Abbado immer wieder ganz oben mit dabei ist, ist mit zwar nicht eingängig, aber es ist Realität - und somit zu akzeptieren...


    Mich verwundert die grosse Wertschätzung von Abbado überhaupt nicht.
    Er ist ein Dirigent, dessen Interpretationen gerade für interlektuelle Musikhörer stets besonders anregend und aufregend sind.
    Wer seine letzten Konzerte in Berlin oder in Luzern gehört hat, wird bestätigen können, dass die klug ausgehörte und grossartig disponierte Deutung einer Partitur bei ihm nie Selbstzweck ist sondern immer zum Kern des Werkes führt und oft eine geradezu orphische Qualität gewinnt.


    Ich habe nicht das Bedürfnis, eine Liste mit meinen Lieblingsdirigenten aufzustellen. Allenfalls sinnvoll scheint mir, eine Liste von Dirigenten aufzustellen, von denen ich dieses oder jenes Werk überzeugend gehört habe. Ich weiss nicht, wie oft da Abbado auf die Liste käme, aber ganz bestimmt nicht gerade selten!


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Ob alle Aufnahmen von Karajan so gut waren, wie seine Live-Aufführungen und Proben, sein einmal dahingestellt. Es ist aber Fakt, dass Carlos Kleiber häufig bei seinen Proben anwesend war und das nicht ohne Grund. HvK hat außergewöhnliches (teilweise qualitativ) aber auf jeden Fall einmalig was die Menge der von ihm aufgenommenen Tonträger insgesamt anbelangt, geleistet. Er hat der Klassikszene seinen Stempel aufgedrückt, bis heute.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Du beschwerst dich über Schwarz-Weiß-Malerei, lieber Wolfram und führst als Beispiele dafür an, dass man dich "angefeindet" hat im Regie-Theater-Thread und im Thielemann-Thread, wo du zugegebenermaßen heftig gegen den Strich gebürstet hast und m.E. Widerspruch bewusst in Kauf genommen hast, so dass ich manchmal dachte: "Was hat er denn jetzt schon wieder, man kann sich doch auch ganz vernünftig mit ihm unterhalten"?


    Ist es nicht so?


    Lieber Willi,


    danke für Deine Worte ... doch was wollen diese mir sagen?


    ?(:hello:

  • Zitat

    Wolfram: Lieber Willi, dank für deine Worte, doch was wollen diese mir sagen?

    Lieber Wolfram, ich wollte damit sagen, dass du in den genannten Threads, wie du ja selbst zugegeben hast, durchaus teilweise sehr konträr zum Mainstream argumentiert hast, und das, wie es mir manchmal vorkam, auch wohl mit Absicht, vor allem dann, wenn der Mainstream aus einer bestimmten Richtung floss. Manchmal finde ich dieses Hickhack ja ganz amüsant, aber manchmal geht es mir auch zu weit, vor allem, wenn ich glaube, dass der Disput sich verselbständigt.
    Oder, wie der Volksmund sagt: "Wo gehobelt wird, fallen Späne", wobei dann in solchen Situationen die Kontrahenten versuchen, den Spänehaufen vor dem Anderen schneller zu erhöhen, als der eigene wächst.
    Ich kann solche gegen den Strom schwimmenden Argumente immer dann akzeptieren, wenn sie der eigenen Meinung entspringen und wenn das auch deutlich gemacht wird. Ich bin aber mehr als skeptisch, wenn die eigene Meinung zur allgemein gültigen Wahrheit erhoben wird.
    Damit will ich keineswegs sagen, dass du das so machst, sondern in deinem Posting Nr. 12 wird ja ganz deutlich, dass du deine Meinung kund tust.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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