„Jetzt weiß ich, warum ich mir diese Oper schon lange nicht mehr angeschaut habe.“ Dieses Zitat stammt nicht vom Rezensenten, sondern dies hörte ich von einigen Besuchern nach der Vorstellung. Die wohl bekannteste Oper von Umberto Giordano ist ehrlich gesagt im Vergleich mit anderen Werken nicht unbedingt in die allererste Reihe zu stellen. Was bewegt nun Opern-Aficionados sich im Schneesturm in die Oper zu begeben? In meinem Fall war es der Sänger der Titelrolle, Johan Botha.
Die Produktion hat schon etliche Jährchen auf dem Buckel – und dass am Abendzettel „nach einer Regie von Otto Schenk“ steht, hat wohl seine Berechtigung. Von Personenregie kann man wohl nicht mehr reden, es ist zum Großteil Rampentheater, das da geboten wurde. Das Bühnenbild stammte von Rolf Glittenberg und führte die Besucher in das revolutionäre Frankreich, auch die Kostüme von Milena Canonero passten in diese Zeit. Insofern war die Szene durchaus angenehm anzuschauen – vielleicht einen Deut zu beschaulich!
Um wieder auf Johan Botha zurückzukommen – war es das Wetter, das es mit sich brachte, dass er ein einigen Phasen angestrengt klang? Gerade von Botha ist man doch gewohnt, dass er mühelos seine Partien singen kann. Doch an diesem Abend gab es einige Phrasen, wo eine gewisse Anstrengung hörbar war. Er war höhensicher wie immer, und – was man von ihm auch gewohnt ist – es ging auch ein wenig das ab, was zwischen den Noten geschrieben steht. Allerdings wiegt sine vibratoarme und strahlende Stimme das mehr als auf. Er sang wunderbar die Arie im 4.Akt, allerdings war seine Erzählung im 1.Akt nicht ganz perfekt gesungen – und zum Schluss der Oper hatte er eine für seine Klasse ziemlich desaströse halbe Minute, als er gleich drei Mal ziemlich daneben sang. Ob es eine Konditionsfrage war oder doch äußere Umstände kann man nicht beantworten – hoffen wir auf das Letztere.
Den besten Eindruck des ganzen Abends hinterließ Franco Vassallo, der nach seiner Arie im dritten Akt den größten und längst andauernden Zwischenapplaus des gesamten Abends erhielt. Er hat eine fundierte Tiefe, ein männlich-samtenes Timbre und war auch sehr höhensicher. Glaubwürdig gestaltete er den Gérard und gab ihm ein zutiefst menschliches Profil mit allen Stärken und Schwächen dieser Figur.
Norma Fantini ist sicherlich kein absoluter Topstar, allerdings habe ich von ihr in Wien noch nie einen Abend gehört, an dem sie enttäuscht hat. Auch dieses Mal sang sie ihren Part mehr als solide, ihr leichtes Vibrato ist Geschmackssache.Die restlichen Partien wurden durch das Ensemble abgedeckt, wobei sich die Sängerinnen und Sänger unterschiedlich präsentierten.
Zoryana Kushpler hat im letzten Jahr an der Staatsoper für wirklich beeindruckende Auftritte gesorgt (Cavalleria, Ring), insofern muss man an sie schon hohe Ansprüche stellen, da man weiß, dass sie es ja kann. Unter dieser Prämisse hat ihre Bersi doch noch Potential, dass sie vielleicht in einer kommenden Serie komplett ausschöpfen kann.
Überhaupt nicht glücklich war ich mit Aura Twarowska (Gräfin de Coigny) und Benedikt Kobel (Abbé). Nach der wirklich guten Leistung von Herrn Kobel in der Nozze-Serie war die gesangliche Leistung doch eine herbe Enttäuschung.
Ich hatte Maria José Montiel noch nie zuvor gehört und war sehr angetan. Sie konnte aus der Rolle der Madelon das Bestmögliche rausholen und wurde beim Schlussvorhang auch mit einem Blumenstrauß bedacht. Ebenfalls von sehr hoher Qualität war die Interpretation des Mathieu durch Wolfgang Bankl. Großartige Leistung! In die Reihe der erfreulichen Leistungen des Abends gehört auch Marco Caria (Roucher), auf dessen Entwicklung ich sehr gespannt bin.
Janusz Monarcha (Schmidt), Dan Paul Dumitrescu (Dumas), Marcus Pelz (Pietro Fléville) und James Roser (Haushofmeister; Stipendiat der Opera Foundation Australia) waren im positiven Sinne solide. Alexandru Moisiuc ist immer dann gut, wenn er fiese Charaktere interpretiert, wie in diesem Fall den Fouquier Tinville. Von Michael Roider als Incroyable habe ich mir mehr erwartet.
Pinchas Steinberg leitete das Staatsopernorchester gewissenhaft, doch lag es nach meiner Meinung an ihm und seiner Tempovorstellung, dass der Abend musikalisch nie so richtig in Schwung kam. Besonders der (doch kurze) erste Akt war gefühlt doppelt so lang wie tatsächlich. Thomas Lang hat den Staatsopernchor gut einstudiert.
Es war keine Sternstunde, doch Johan Botha konnte stimmliche Highlights setzen und Franco Vassallo bestach durch eine durchgehend gute Leistung. Es war ein guter Repertoireabend einer Oper, die man nicht alltäglich am Spielplan findet – und wo es sich nur auszahlt, diese anzusetzen, wenn man einen Weltklasse - Andrea Chénier aufbieten kann.