Ein Buch hat mich zu diesem Thread animiert: „Liebste Fenchel! Das Leben der Fanny Hensel-Mendelssohn in Etüden und Intermezzi“ von Peter Härtling (erschienen 2011).
Eine hochbegabte und alsbald ihre kompositorische Kreativität verspürende und entfaltende Frau wächst einer Welt und in einem familiären Umfeld auf, in der ihr zwar eine umfassende Bildung und musikalische Ausbildung zuteil wird, in der es aber als unschicklich galt, dass Frauen als Komponistinnen und Interpretinnen von klassischer Musik in die Öffentlichkeit treten.
Was dem vier Jahre jüngeren Bruder, dem sehr bald bekannten und geschätzten Komponisten Felix Mendelssohn (-Bartholdy) selbstverständlich zustand, nämlich als Musiker und Komponist einen beruflichen Weg einzuschlagen, das war ihr verwehrt. Zu ihrem dreiundzwanzigsten Geburtstag ermahnte sie ihr – hochgebildeter und der Musik aufgeschlossener – Vater: „Du musst Dich mehr zusammennehmen, mehr sammeln, Du musst Dich ernster und emsiger zu deinem eigentlichen Beruf, zum einzigen Beruf eines Mädchens, zur Hausfrau bilden.“
Und auch ihr Bruder vertrat, ihre ganze, nur kurz währende Lebenszeit (42 Jahre) über, diese Grundhaltung. Ihre frühesten gedruckten Liedkompositionen erschienen nicht unter ihrem Namen, sondern waren (als Nummer zwei, drei und zwölf) Teil des Liederheftes Opus acht (1827), über dem als Komponist der Name ihres Bruders Felix stand.
Und selbst als sie sich schließlich im Jahre 1846 (ein Jahr vor ihrem Tod) dazu durchringen konnte, sechs Lieder als Opus 1 zu veröffentlichen, schickte sie diese aus Angst vor der Reaktion ihres Bruders nicht an diesen, sondern an ihre Schwägerin Cécile. Felix konnte sich, als er von dem Druck dann doch erfuhr, gerade mal dazu überwinden, den Liedern seinen „Handwerkssegen“ zu geben.
Das Bedrückende an all dem ist, dass Felix durchaus die hohe kompositorische Qualität der Lieder seiner Schwester erkannt hatte. Einmal bekannte er, ihre Lieder seien „die schönsten, die jetzt ein Mensch auf der Erde machen kann. (…) Wahrhaftig, es giebt wenig Leute, die werth sind die Lieder zu kennen. Fanny soll sie nur wenigen vorsingen.“
Klingen in diesem letzten Satz nicht wieder diese Vorbehalte gegen ein öffentliches Leben der Schwester als Komponistin und Musikerin auf?
Was „legitimiert“, taminoforumsmäßig betrachtet, einen solchen Thread?
Es ist mindestens zweierlei. Einmal die Tatsache, dass Fanny Mendelssohn-Hensel deutlich über hundert Lieder hinterlassen hat, die völlig unbekannt und zu einem großen Teil noch gar nicht gedruckt sind. Das wäre an sich noch kein Grund, sie ins öffentliche Bewusstsein zu rufen, fänden sich darunter nicht sehr viele, bei denen es sich eindeutig um bedeutende Liedkompositionen handelte, die einem Vergleich mit Komponisten von großem Namen durchaus standzuhalten vermögen.
Zum andern ist da aber noch etwas, das einen dazu ermutigt, ja sogar, dazu auffordert, diese Liedkomponistin „threadmäßig“ zu thematisieren. Es ist das Schicksal einer Frau, die so begabt und kompositorisch kreativ war wie ihr Bruder, aber ihr künstlerisches Leben und all dessen Kreativität nur im engen Raum der Häuslichkeit bildungsbürgerlicher Existenz entfalten und ausleben durfte und konnte.
Wenn schon vielleicht nicht dieses Leben selbst, so verdient doch all das, was es an musikalischen Werken hervorgebracht hat, den Ort in unserer kulturellen Überlieferung einzunehmen, der ihm gebührt. Dieser Thread kann vielleicht dazu, die Lieder der Fanny Hensel betreffend, einen – gewiss nur kleinen Beitrag - leisten.