Mein Ideal ist der Dirigent, der bescheiden im Hintergrund bleibt - (???)

  • Zitat

    Mein Ideal ist der Dirigent, der bescheiden im Hintergrund bleibt - bei Karajan und Harnoncourt ist alles so im Sinne des dirigentischen Willens zurechtgefeilt, das ich es in der Regel gar nicht mag. Für mich ist das Ergebnis entstellt - da höre ich lieber eine mittelmäßige Aufführung ohne genialistische Durchformung


    So schrieb der Kurzstückmeister im neune Karajan-Beethoven Thread.
    Da ich diese Aussage einerseits als interessante Diskussionsgrundlage betrachte - andrerseits aber fürchte, der Karajan-Beethoven Sinfonien-zyklus. Thread könnte dadurch vom eigentlichen Thema abdriften - habe ich das Zitat hierher übernommen und einen entsprechenden Threadtitel gewählt - ergänzt durch drei geklammerte Fragezeichen.


    Ich habe zu dieser Aussage eine recht gespaltene Meinung. Einerseits kann man davon ausgehen, daß ein Dirigent, der bescheiden im Hintergrund bleibt, ein Werk recht unverfälscht widergibt, andrerseits ergäben sich - wenn alle uneitel wären daraus gravierende Konsequenzen.


    Ein gewähltes Werk würde stets weitgehend identisch klingen - egal wer es dirigiert. Das war bis zur Einführuing der Tonaufzeichnung nicht nur erwünscht - sondern auch ohne negative Nebenwirkungen. Die Tonaufzeichbung brachte es mit sich, daß der Hörer ein Werk in seinem Leben relativ oft in verschiedenen Interpretationen hören kann. Das wird er aber nur dann tun, wenn die zur Verfügung stehenden Einspielungen starke individuelle Züge aufweisen, sprich der Dirigent muß dem Werk eine charakteristische Färbung verleihen. Nicht nur der oft zitierte Herbert von Karajan verlieh den von ihm dirigierten Werken ein ganz bestimmte Interpretationsprofil, fast jeder Dirigent von Weltklasse tat dies.


    Und das Publikum goutierte dies. Bei stets gleichem Interpretationsstil - egal wer hier dirigiert - käme der Tonträgerverkauf und letztlich der gesamte Klassikmarkt zum erliegen....


    Selten noch wurden bescheiden agierende Dirigenten weltberühmt.......


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Bei stets gleichem Interpretationsstil - egal wer hier dirigiert - käme der Tonträgerverkauf und letztlich der gesamte Klassikmarkt zum erliegen....


    Lustig ... auf diese Konsequenzen wäre ich nicht gekommen.
    ;)
    Man müsste mal den Katalog entsprechend zusammenstreichen, schauen, was übrigbleibt.
    Es gibt ja viele CD-Käufer, die pro Werk nur eine Aufnahme kaufen - welchen Prozentsatz die ausmachen, weiß ich nicht, ich denke, dass unser Forum ein verzerrtes Bild ergibt. Wenn man an all die nur wenig intensiv Klassikinteressierten denkt, wird das aber die große Mehrheit sein, die Vergleichssammler sind mE ein kleiner Kreis (der dafür die Klassikforen dominiert). Wenn man dann noch die immerhin auch in Foren bemerkbare Schar der nur-HIP-Hörer nimmt, so sieht man, dass auch in diesem Bereich Vergleichsaufnahmen gesammelt werden, obwohl der Unterschied zwischen Norrington, Gardiner, Brüggen, Immerseel, Savall, Krivine bei Beethoven wohl nicht so gravierend sein dürfte.
    Und wenn es Karajan nicht gäbe, sondern stattdessen nur Originalinstrument-Aufnahmen, würde das für den "Klassikeinsteiger" überhaupt keinen Unterschied machen, der kauft halt eine zufällige oder die bestbewertete oder bekannteste Aufnahme.


    Naja, der Klassikmarkt ...

  • Bescheiden im Hintergrund ?


    Während der Aufnahme, des Films, der Proben, auf dem CD-Umschlag, wie war das denn nun gemeint. Bernstein sagte einmal, die Wiener sind so gut, die könnten das auch, wenn vor ihnen keiner stünde. Soll heißen, nach gründlichen Proben könnte auch ich ein Werk dirigieren, wenn ich vorher die Schlagtechnik einigermaßen gelernt hätte und dem Orchester sage, spielt's so, wie bei den Proben unter Karajan oder Bernstein. Das glaubt ihr doch selbst nicht.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Im Karajan-Thread habe ich ja schon erwähnt, dass ich an mir selbst entdeckte, Alphatiere (oder Leitwölfe) irgendwie zu bewundern.
    Damit sage ich nicht, dass ich die nett finden muss, ihre (politischen oder sonstigen) Meinungen teile oder gerne privat mit ihnen befreundet wäre.
    Aber Führungsstärke und Entscheidungsfreudigkeit finde ich schon faszinierend.


    Es könnte ja sein, dass es nun jemand aus weltanschaulichen Gründen sogar am liebsten sähe, wenn die Interpretation aus dem Kollektiv heraus entstünde.
    Je grösser die Besetzung wird, desto schwieriger kann man das praktizieren...vielleicht kommt auch daher und nicht nur aus musikfachlichen Gründen ein Trend zu kleineren Besetzungen?


    Man kann eben in der grösser besetzen Musik nicht Debatten wie im Bundestag führen und dann basisdemokratisch abstimmen, wie denn nun Takt 5 genommen wird.Es muss nun einmal jemanden geben, der sagt und vorgibt, wo es "langgeht".


    Die Frage ist nun, ob das so ein Demutsmensch sein soll (nach dem humoristisch von mir übertriebenen Motto: Sorry, dass ich hier stehe, aber einer muss es ja machen, bin nur dem Notentext verpflichtet und ansonsten tut`s mir leid, dass ich geboren bin....), oder eben der Macht- und Erfolgsmensch, der von sich selbst sagt, er sei nicht da, um Befehle zu empfangen, sondern diese zu geben (soll Karajan lt. einem Geiger des BPO wirklich gesagt haben..)
    Dazwischen gibt es natürlich sehr viele verschiedene Mischungen und Abtönungen.


    Nun sind diese Dinge auf eher der persönlichen Arbeitsebene zu finden. Alfreds Frage zielte ja auf das musikalische/interpretatorische Profil.
    Ich denke aber, dass diese persönlichen Eigenschaften sich auch im Musikalischen irgendwo niederschlagen können.
    Ein Beispiel wäre Celibidache: Ich erinnere mich gut an so manche TV-Filme, die ihn in Proben zeigten. Er konnte sehr dominant, eigen und streng sein und auch Leute "zur Minna" machen. Er hat nicht über das Tempo in freien und geheimen Wahlen abstimmen lassen.
    Aber sein Bruckner ist dann eben auch wesentlich mehr, als nur eine buchhalterische Umsetzung von Notenköpfen.
    Der eigentlich jede Form von Diktatur ablehnende Harnoncourt (er lehnt z.B.den Taktstock für sich ab, weil er die Leute nicht züchtigen will...) erklärt in Proben zwar mehr zur Frage des "Warum".
    Allerdings finde ich, dass auch er dort ziemlich dominant ist, was man ja in seinen Interpretation auch sehr deutlich hört. Aus meiner Sicht geht das auch nicht viel anders. Zudem gibt es ja genug Fotos, die ihn mit blossen Fäusten dirigierend zeigen.. :D


    Leonhardt hat die 9. von Beethoven nicht gemocht, wie ich unlängst las.
    Ich kann mir denken, warum er u.a. so etwas nie dirigierte: Es war ihm wohl klar, dass er für diese Musik einfach ein anderer Mensch hätte sein müssen, der er nun einmal nicht war. Menschenmassen zu befehligen liegt nicht jedem- und dann noch eine solche, agressive und ekstatische Musik. Vom Cembalo aus sein klein besetztes Consort mit Bachs Cembalokonzerten zu leiten, war da schon eher seine Sache (die er sehr sehr gut und gar nicht profillos gemacht hat, nebenbei gesagt)


    Das "Gesichtslose" ohne Wiedererkennungswert finde ich auch im Bereich der musikalischen Interpretationen nicht besonders interessant, und das Argument, damit käme dann der Komponist selbst besser zur Geltung, lasse ich nicht wirklich gelten. Ein Komponist gibt mit seiner Partitur zwar viel vor, aber er gibt auch die Verantwortung für die klangliche Realisierung, was ja auch eine Art Vollendung des musikalischen Prozesses "vom Herzen zu den Herzen" ist, aus den Händen (es sei denn, er spielt oder dirigiert alles selbst). Damit ist bewusst ein Freiraum geschaffen - man nennt es Interpretation- der m.E. auch genutzt werden sollte, wenn man es denn gut und geschmackvoll kann.


    Von daher mag ich auch die Wiedererkennbarkeit, die "Marke".
    Natürlich muss das dann immer auch gut gemacht und dem jeweiligen Stück angemessen sein - überhaupt keine Frage.
    Und Coca-Cola ist ja auch - sorry wenn das als Schleichwerbung missverstanden wird - geschmacklich einzigartig und unerreicht, auch die Zero.
    Wir haben das bei uns zu Hause unlängst in Blindtests herausgefunden...was auch mit einigen Dirigenten (oder Pianisten etc.) möglich ist, wenn man sie kennt.


    :hello:


    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Das finde ich absoluten Käse !
    Wenn ein Dirigent fast unbeteiligt vor einem Orchester steht kann nicht viel mehr raus kommen als Langeweile.


    Zu einer mitreissenden Interpretation gehört eine gute Portion Emotion - und da muss man dem Orchester (nicht nur durch vorheriges Proben) auch bei der Aufführung zeigen, wo es lang geht ...


    8) damit ist alles gesagt !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Das finde ich absoluten Käse !
    Wenn ein Dirigent fast unbeteiligt vor einem Orchester steht kann nicht viel mehr raus kommen als Langeweile.

    Ähem, mein lieber Wolfgang, und wie siehst Du vor diesem Hintergrund Mravinsky? Bislang war ich immer der Auffassung, dass dies einer der Dirigenten ist, auf den wir beide uns verständigen können. Ebenfalls keine Pultakrobaten: Knappertsbusch, Roshdestwenski, Ansermet.


    Wie Karajan war bei denen allerdings auch immer klar, wer das Sagen hat (oder, wie mein Lieblingkanzler anmerkte, wer Koch und wer Kellner ist).


    Persönlich schätze ich Dirigenten, die eine Vorstellung von dem Werk haben, das sie umsetzen; dass das manchmal ziemliche Terroristen sein können (Böhm, Celibidache, Mravinsky, Münchinger) ist für mich dann eher nebensächlich. Das Ergebnis zählt.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Ähem, mein lieber Wolfgang, und wie siehst Du vor diesem Hintergrund Mravinsky? Bislang war ich immer der Auffassung, dass dies einer der Dirigenten ist, auf den wir beide uns verständigen können. Ebenfalls keine Pultakrobaten: Knappertsbusch, Roshdestwenski, Ansermet.


    Ich glaube, hier liegt ein Missverständnis vor. Die genannten Dirigenten mögen zwar keine 'Pultakrobaten' sein, will heißen, sie setzten sich nicht selbst in Szene, aber INTERPRETATORISCH blieben sie alles andere als im Hintergrund. Mrawinskys durchdringende Pathetique in ihrer Unerbittlichkeit ist genau das Gegenteil von einem unbeteiligten, nur der Werktreue verpflichteten Dirigat, sondern ein enorm subjektives Ergebnis. Dass er näher am Werk liegt, als Bernstein mit seiner späten Aufnahme, heißt nicht, dass man hier nur Tschaikowsky und wenig Mrawinsky zu hören bekommt.
    Oder Knappertsbusch. Man höre nur seine Interpretation von Beethovens Achter. Das ist stellenweise nur noch als extravagant zu bezeichnen.


    Es geht vielmehr, und ich erlaube mir, dies auch bei teleton anzunehmen, um die 'klare Vorstellung von einem Werk'.
    Und die haben Mrawinsky oder Knappertsbusch in höchstem Maße.


    Nicht ob der Dirigent als Person, sondern ob er als Interpret im Hintergrund bleiben soll, war die Frage.

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Bescheiden im Hintergrund ?


    Während der Aufnahme, des Films, der Proben, auf dem CD-Umschlag, wie war das denn nun gemeint. Bernstein sagte einmal, die Wiener sind so gut, die könnten das auch, wenn vor ihnen keiner stünde. Soll heißen, nach gründlichen Proben könnte auch ich ein Werk dirigieren, wenn ich vorher die Schlagtechnik einigermaßen gelernt hätte und dem Orchester sage, spielt's so, wie bei den Proben unter Karajan oder Bernstein. Das glaubt ihr doch selbst nicht.


    LG, Bernward


    In dieser Frage glaube ich eher Bernstein als Dir.
    :D
    Das können allerdings auch bessere Laienorchester ...

    Das finde ich absoluten Käse !
    Wenn ein Dirigent fast unbeteiligt vor einem Orchester steht kann nicht viel mehr raus kommen als Langeweile.


    Zu einer mitreissenden Interpretation gehört eine gute Portion Emotion - und da muss man dem Orchester (nicht nur durch vorheriges Proben) auch bei der Aufführung zeigen, wo es lang geht ...


    8) damit ist alles gesagt !


    Wenn das Orchester keine Lust hat, ist völlig egal, was der Dirigent vorne für eine Show abzieht, die ist ohnehin eher für's Publikum. Es geht schon um die Probenarbeit ... aber mit der Frage der Threads hat das eigentlich nicht viel zu tun.

  • Ein Komponist gibt mit seiner Partitur zwar viel vor, aber er gibt auch die Verantwortung für die klangliche Realisierung, was ja auch eine Art Vollendung des musikalischen Prozesses "vom Herzen zu den Herzen" ist, aus den Händen (es sei denn, er spielt oder dirigiert alles selbst). Damit ist bewusst ein Freiraum geschaffen - man nennt es Interpretation - der m.E. auch genutzt werden sollte, wenn man es denn gut und geschmackvoll kann.

    Das sehe ich auch so. Den Begriff der "Interpretation" mag ich aber nicht besonders, da er besonders gut geeignet ist, sehr freie "Lesarten" zu decken. Aber er ist nun mal üblich, OK.



    Zitat

    Von daher mag ich auch die Wiedererkennbarkeit, die "Marke".

    Ich nicht. Wieso soll es von Vorteil sein, wenn ein Dirigent oder Ensemble einen starken Wiedererkennungswert hat? Aus der Aufgabe, einen Notentext geschmackvoll unter seriöser :D Nutzung der tatsächlichen :D Freiräume in Klang zu verwandeln resultiert noch gar nicht, dass es wünschenswert ist, dass Dirigent X immer nach Dirigent X klingt. Wenn man bedenkt, wie unterschiedlich die Werke sind, erscheint mir das eher nachteilig.



    Zitat

    Natürlich muss das dann immer auch gut gemacht und dem jeweiligen Stück angemessen sein - überhaupt keine Frage.


    :thumbup:


  • Nicht ob der Dirigent als Person, sondern ob er als Interpret im Hintergrund bleiben soll, war die Frage.

    Soweit wären wir ja einer Meinung. Den Begriff "Werktreue" würde ich allerdings nicht abqualifizieren. Günter Wand etwa sah sich der Werktreue im höchsten Maße verpflichtet. Und zählt für mich zur ersten Dirigentenriege.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

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  • Persönlich schätze ich Dirigenten, die eine Vorstellung von dem Werk haben, das sie umsetzen;


    Ich nehme an, dass es keinen Dirigenten gibt, der keine Vorstellung von dem Werk hat, das er umsetzt.
    Wäre aber mal ein interessantes Konzept für experimentelle Musik.
    :D
    :hello:

  • Die Frage hat ja mindestens drei Aspekte.


    Zum einen den interpretatorischen: Sucht der Dirigent, dem Werk und der Absicht des Komponisten auf den Grund zu gehen oder will er dem Werk seine persönliche Handschrift verleihen?


    Zum anderen die Probenarbeit: Durch die Aufgabe des Dirigenten ist klar, dass er da nicht bescheiden im Hintergrund bleiben kann. Er muss den Sack Flöhe, ca. hundert studierte Musiker mit ihren eigenen persönlichen Auffassungen, dazu bringen, so zu spielen, wie es seiner eigenen Auffassung entspricht. Er kann dabei sehr wohl einen partnerschaftlichen Ansatz als "primus inter pares" wählen, er kann versuchen, durch Werkkenntnis zu überzeugen und seine Entscheidungen begründen, oder er kann den Pultdiktator spielen. Egal. Letztlich gilt seine Entscheidung.


    Und schließlich das Auftreten im Konzert: Als höchst auffällig gestikulierender Dirigent, der das Geschehen auch visuell belebt (Solti, Bernstein) oder als zurückhaltender Taktgeber (Richard Strauss)?


    Musikalische Spitzenleistungen wurden in allen drei Aspekten sowohl auf die eine als auch auf die andere Art erzielt. Ich könnte nicht sagen, dass ich Gould, Horowitz (sorry für die Pianisten) oder Bernstein weniger mag, weil sie interpretatorisch mitunter sehr individuelle Entscheidungen getroffen haben und ihren Auftritten auch etwas Zirzensisches eigen war.


    Nicht jeder taugt zum Hohepriester der Kunst wie ein Fischer-Dieskau oder ein Alfred Brendel.


    :hello:

  • Ich möchte hier mal einen Vorschlag wiederholen, den ich schon ein paar Mal gemacht habe. Leider findet der gar keinen Anklang, wieso, kann ich mir nicht erklären. Er gilt nicht universal, würde aber viele der hier diskutierten Probleme lösen. Er gilt nur für CDs und wird analog der Blindverkostung von Sekt und Wein gehandhabt. Dort gibt es ja auch die tollsten Überraschungen. Also: die Rezensenten bekommen die CDs völlig ohne Aufdruck zugeschickt, kein Werk, kein Interpret. Die Trefferquote dürfte je nach Qualität der Kritiker unter 40% liegen.
    Analalog in der Kunst: ich behaupte, dass 3/4 aller Kunstkenner ein Foto von Gursky oder ein Bild von Richter nicht als solches identifizieren würden, wenn das nicht drunterstünde; ach was, 90%.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Ich möchte hier mal einen Vorschlag wiederholen, den ich schon ein paar Mal gemacht habe. Leider findet der gar keinen Anklang, wieso, kann ich mir nicht erklären. Er gilt nicht universal, würde aber viele der hier diskutierten Probleme lösen. Er gilt nur für CDs und wird analog der Blindverkostung von Sekt und Wein gehandhabt. Dort gibt es ja auch die tollsten Überraschungen. Also: die Rezensenten bekommen die CDs völlig ohne Aufdruck zugeschickt, kein Werk, kein Interpret. Die Trefferquote dürfte je nach Qualität der Kritiker unter 40% liegen.
    Analalog in der Kunst: ich behaupte, dass 3/4 aller Kunstkenner ein Foto von Gursky oder ein Bild von Richter nicht als solches identifizieren würden, wenn das nicht drunterstünde; ach was, 90%.


    Das ist ein Sport, den ich in Museen gerne betreibe. Allerdings ist das bei Gursky und Richter viel leichter als ein paar Jahrhunderte früher - jedenfalls solange es sich um typische Werke handelt. Wir hatten das hier auch schon einmal: Das CD-Cover-Ratespiel. Nur für Hartgesottene.


    Bei den reproduzierenden Künstlern, also Dirigenten, Orchester, etc. habe ich da keine Ambitionen und weiß, dass ich da so circa. nichts erkennen würde. Ich kann allerdings mit der Partitur mitlesen und sagen, was mich stört.
    ;)
    Womit die "genialen Interpreten" bei mir sowieso schlechte Karten haben.
    :hello:

  • Wenn man an all die nur wenig intensiv Klassikinteressierten denkt,

    Ist für Dich "intensiv klassikinteressiert", wer von einem Werk z. B. 30 Interpretationen besitzt und sich auf wenige Werkgattungen beschränkt (Beispiele gefällig?) oder vielleicht doch mehr der, dessen Interesse an klasssicher Musik "etwas" breiter aufgestellt ist und folglich schon wegen der Zeitfrage des (intensiven) Hörens sich den "Luxus" von 30 Interpretationen gar nicht leisten will/kann?



    oder eben der Macht- und Erfolgsmensch, der von sich selbst sagt, er sei nicht da, um Befehle zu empfangen, sondern diese zu geben

    Keine Frage, der Dirigent hat das Sagen, aber zuvor wäre ein Gedankenaustausch mit den Musikern (die Profis dürften ja wohl auch nicht alle "unterbelichtet" sein) wünschenswert (wenn's Differenzen gibt) - im gegenseitigen Interesse, sonst passiert das, was im nächsten Zitat angesprochen wird; denn wenig Lust dürfte meist die Folge des Gefühls von "nicht ernst genommen werden" sein, aufgrund von fehlendem Einfühlungsvermögen in die Menschen, auf die der "Machthampelmann" angewiesen ist.


    Wenn das Orchester keine Lust hat, ist völlig egal, was der Dirigent vorne für eine Show abzieht, die ist ohnehin eher für's Publikum.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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  • Ich habe den Beitrag von dr.pingel zu spät gesehen, sonst hätte ich schon in meinem Betrag dazu geschrieben
    :jubel::jubel:
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Wenn das Orchester keine Lust hat, ist völlig egal, was der Dirigent vorne für eine Show abzieht, die ist ohnehin eher für's Publikum. Es geht schon um die Probenarbeit ...


    Wie erklären sich dann die Sternstunden, die probenunwillige Dirigenten wie Knappertsbusch erzielten? Daß er unbeteiligt vorm Orchester stand, würde ich so nicht unterschreiben, es gibt ja zum Glück wenigstens ein paar Videos, wo man ihn miterleben kann. Wie er etwa beim genialen Klimax in der Coda der "Leonore" III-Ouvertüre durch sichtliche Anteilnahme (er erhebt sich von seinem Stuhl und bäumt sich voll auf) die Wiener Philharmoniker zu Höchstleistungen animierte, ist schon unglaublich intensiv. Natürlich war das in dem Sinne keine egoistische Selbstinszenierung, eher dem Werk dienlich und musikalisch auch nachvollziehbar. Zur Bescheidenheit noch ein Wort: Knappertsbusch war einer der wenigen Dirigenten, die sich stets am Ende vor dem Orchester eine ganze Weile verneigten.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões


  • Ist für Dich "intensiv klassikinteressiert", wer von einem Werk z. B. 30 Interpretationen besitzt und sich auf wenige Werkgattungen beschränkt (Beispiele gefällig?) oder vielleicht doch mehr der, dessen Interesse an klasssicher Musik "etwas" breiter aufgestellt ist und folglich schon wegen der Zeitfrage des (intensiven) Hörens sich den "Luxus" von 30 Interpretationen gar nicht leisten will/kann?


    Die scheinen beide nicht "nur wenig intensiv klassikinteressiert" zu sein.
    :hello:

  • Was genau haben Blindtests mit unterschiedlichen Künstlertypen zu tun? Dass man die nicht heraushört, wenn man sie nicht zappeln sieht?


    Sänger, die man schonmal gehört hat, sind selbst für unerfahrene Hörer meist nach sehr kurzer Zeit am timbre wiederzuerkennen. Vor 20 Jahren war bei "Wetten, dass...?" mal ein junger Mann, der aus ca. 20? unterschiedlichen Interpretationen einer Passage in Beethovens Violinkonzert den Geiger heraushörte (er hat es meiner Erinnerung nach sehr locker und schnell bei den 5-6 Stichproben, die er für die Wette lösen musste, geschafft). Natürlich hatte der vorher exakt mit diesen Aufnahmen geübt.
    Aber Musiker erkennen normalerweise ziemlich zuverlässig berühmte Geiger oder Cellisten auch in Aufnahmen, die sie vorher noch nicht kannten. In einem englischsprachigen Forum behauptete mal ein Pianist, er habe beim Telefonat mit einem Freund nach wenigen Sekunden erkannt, dass bei dem Bekannten gerade Edwin Fischers Interpretation einer Beethovensonate aus den Lautsprechern drang. Ich sehe keinen Grund an so etwas zu zweifeln.


    Bei Dirigenten ist es sicher deutlich schwieriger. Nicht allzu schwierig dürfte das Wiedererkennen einer Aufnahme sein, die man gut und lange kennt. (Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich C. Kleibers Beethoven 5. recht zuverlässig nach ein bis zwei Minuten zuordnen könnte) Einen bekannten Dirigenten in einem Stück, das man überhaupt noch nicht kennt, ist vermutlich extrem schwierig, da man ja gar nicht weiß, wie das Stück geht.


    Aber dass eine Aufnahme sich anhört, als ob ein Schleier weggezogen würde, oder ob jemand irrwitzig beschleunigt und abbremst, oder eine bestimmte Stimme an einer Stelle deutlich herausbringt oder nicht, kann man leicht feststellen, ohne dass man irgendetwas über den Dirigenten weiß, sofern man das Stück gut kennt.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)


  • Wie erklären sich dann die Sternstunden, die probenunwillige Dirigenten wie Knappertsbusch erzielten? Daß er unbeteiligt vorm Orchester stand, würde ich so nicht unterschreiben, es gibt ja zum Glück wenigstens ein paar Videos, wo man ihn miterleben kann. Wie er etwa beim genialen Klimax in der Coda der "Leonore" III-Ouvertüre durch sichtliche Anteilnahme (er erhebt sich von seinem Stuhl und bäumt sich voll auf) die Wiener Philharmoniker zu Höchstleistungen animierte, ist schon unglaublich intensiv. Natürlich war das in dem Sinne keine egoistische Selbstinszenierung, eher dem Werk dienlich und musikalisch auch nachvollziehbar. Zur Bescheidenheit noch ein Wort: Knappertsbusch war einer der wenigen Dirigenten, die sich stets am Ende vor dem Orchester eine ganze Weile verneigten.


    Dein Bericht scheint ja kein Beispiel für ein Orchester zu sein, das gerade keine Lust hatte.
    ;)
    Übrigens habe ich gar nichts gegen die Shows geschrieben, ich mache in Konzerten ganz gerne die Augen zu, dann sehe ich sowieso nicht, was die Heroen gerade so treiben.
    :hello:

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  • Bei den reproduzierenden Künstlern, also Dirigenten, Orchester, etc. habe ich da keine Ambitionen und weiß, dass ich da so circa. nichts erkennen würde. Ich kann allerdings mit der Partitur mitlesen und sagen, was mich stört.


    Es ist natürlich eine absolut legitime (und vermutlich die in ihrer Objektivität am wenigsten angreifbare) Sichtweise, ein Dirigat vorrangig danach zu beurteilen, dass es nie im Widerspruch zum Notentext steht und auch nichts dazuinterpretiert.


    Allein, eine solche Welt wäre mir zu eindimensional, zu langweilig. Ich muss mich selbst aus einem anderen Thread zitieren:

    Zitat

    Für mich macht gerade das genialische der Interpretation einen eminent wichtigen Teil meiner Musikrezeption aus. Das Werk an sich ist zwar stets die unabdingbare Grundlage, muss es auch in gewissem Rahmen bleiben, aber in der Aufführung erwarte ich einfach ein irrationales 'Mehr'.
    Ich verstehe ganz gut, dass Puristen soetwas als Entstellung ansehen können, aber für mich ist diese Lebendigkeit, die aus der Subjektivität hervorgeht, etwas ungemein Großes. Es fasziniert mich, verschiedene Ansätze zu hören, mich von der geistig-künstlerischen Leistung eines Dirigenten euphorisieren zu lassen, die Spannung einer Auslotung von Grenzen in der Interpretation zu erleben. Ich empfinde angesichts geniehafter Leistungen stets eine wundervolles Hochgefühl, das allein dadurch entsteht, daran teilhaben zu dürfen.
    Sicher, dies allein vermag auch Beethovens Komposition an sich schon auszulösen, aber durch das Wagnis der Interpretation, diese Nachschöpfung im Jetzt, wird ein zusätzlicher Aspekt erlebbar.


    Musikrezeption ist bei mir in erster Linie eine emotionale Erfahrung, die durchaus dionysische Züge trägt. Ich 'brauche' das künstlerische Genie des Interpreten.



    Grundsätzlich und nicht nur von meinem subjektiven Standpunkt aus frage ich mich aber auch, ob man der Sache wirklich gerecht wird, wenn man mit der Partitur auf dem Schoß nach Abweichungen sucht und diese grundsätzlich als 'störend' deklariert.
    Egal, wie man dem persönlichen Geschmack nach dazu steht müsste man zumindest eine Wertung des künstlerischen Ergebnisses vornehmen. In vielen Fällen führen allzugroße Freiheiten ja auch zu 'Verschlechterungen' des Ausgangsobjekts, aber es gibt eben auch andere Beispiele. Jene sind dann eben große Interpretationen, die gerade wegen ihrer Eigenheiten Bewunderung erlangen und auch verdienen. Diesen ihre Meriten abzusprechen, nur weil sie nicht penibel (oder kleinkariert) die Partitur abarbeiten, greift zu kurz und negiert eine ausnehmend wichtige künstlerische Dimension.

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Vielleicht sollten wir einmal zwecks Verminderung der Mißverständnisse einige Dirigenten zuordnen?
    Bescheidenheitstyp: Boulez, Abbado, Gardiner
    Profiltyp: Karajan, Celibidache, Harnoncourt
    Zustimmung? Weitere Beispiele?
    :hello:

  • Geht es jetzt um den Charakter der Person oder um künstlerische Standpunkte? Beides ist nämlich nicht ein und dasselbe.

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Musikrezeption ist bei mir in erster Linie eine emotionale Erfahrung, die durchaus dionysische Züge trägt.

    Bei mir auch. Ich lese fast nie in der Partitur mit.



    Zitat

    Grundsätzlich und nicht nur von meinem subjektiven Standpunkt aus frage ich mich aber auch, ob man der Sache wirklich gerecht wird, wenn man mit der Partitur auf dem Schoß nach Abweichungen sucht und diese grundsätzlich als 'störend' deklariert.

    Genau. Das mache ich auch nur alle heiligen Zeiten aus Bildungsgründen.



    Zitat

    In vielen Fällen führen allzugroße Freiheiten ja auch zu 'Verschlechterungen' des Ausgangsobjekts, aber es gibt eben auch andere Beispiele. Jene sind dann eben große Interpretationen, die gerade wegen ihrer Eigenheiten Bewunderung erlangen und auch verdienen. Diesen ihre Meriten abzusprechen, nur weil sie nicht penibel (oder kleinkariert) die Partitur abarbeiten, greift zu kurz und negiert eine ausnehmend wichtige künstlerische Dimension.

    Und diese Dimension weigere ich mich, ernst zu nehmen. Gegen die künstlerischen Meriten Beethovens sind die künstlerischen Meriten des "Interpretierens" alle zusammen genau nichts, also von einer nicht wahrnehmbaren Größenordnung. Beethovens überragender Rang bleibt bestehen auch wenn die komplette Interpretationsgeschichte vergessen wird (wie sie ohnehin vor Erfindung der Schallaufzeichnung ist).


    Freilich, Musik soll erklingen und ist nicht zum Lesen da, daher sind gute Aufführungen wünschenswert. Diese bedürfen auch gestalterischer Fähigkeiten der Musiker. Aber dazu braucht es zum Glück keines Genies in Beethovenschem Maßstab, sonst käme überhaupt nie eine gelungene Aufführung eines Orchesterwerks zustande.
    ;)

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  • Zu Johannes Roehl, Beitrag 19:
    Lieber Johannes, ich finde, dass du mit deinem Beitrag durchaus Recht hast. Ich habe ja auch gesagt, dass mein Vorschlag nur eingeschränkt gilt, insofern sehe ich deinen Beitrag als Ergänzung. Viele Musiker erkennt man durchaus, die Sänger am Timbre, die Chöre am Klang. Gerade bei Chören kann ich das auch ganz gut. Insofern gilt der Blindtest nicht uneingeschränkt, da zählen deine Beispiele schon. Aber hier geht es vor allem um die Dirigenten, da bin ich doch sehr skeptisch, ob man die sofort erkennt, vor allem, wenn es um n e u e Aufnahmen und um n e u e oder u n b e k a n n t e Dirigenten geht, deren Aufnahmen man sich noch nicht vorher einverleibt hatte. Der labeling - approach in der Kunst, wonach Kunst ist, was als Kunst auf dem Kunstmarkt als solche gehandelt und verkauft wird, gilt ja auf unserem Klassikmarkt auch. Das würde ein Blindtest doch gehörig durcheinanderwirbeln, dabei bleibe ich.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Mir geht es hier nur um das, was bei einer Aufführung zu hören ist.
    :hello:


    Gut. Aber dann muss man aus der ersten Dreiergruppe Abbado schon mal rausnahmen.
    Ein Vergleich seines Wiener Beethovens mit dem Gardiners oder seines Mahlers mit dem Boulez' zeigt, warum. Abbado geht viel freier mit dem Notenmaterial um, mehr zugunsten einer subjektiven Empfindung als die beiden Anderern. Das nimmt natürlich nicht annähernd ein solches Ausmaß an wie bei Furtwängler oder Celibidache, die ich aber beide wiederum nicht in eine Gruppe mit Karajan stecken würde, auf den etwa eine derart gewagte Tempigestaltung absolut nicht in so hohem Maße zutrifft.

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    (Arthur Schopenhauer)

  • Beethovens überragender Rang bleibt bestehen auch wenn die komplette Interpretationsgeschichte vergessen wird (wie sie ohnehin vor Erfindung der Schallaufzeichnung ist).

    An Beethovens Rang würde das sicher nicht im Geringsten rütteln, ein großer Verlust wäre es dennoch.
    Im übrigen stimmt es nicht, das es vor der Einführung von Tonaufnahmen keine Interpretaionsgeschichte gab. Einerseits fand eine theoretische Beschäftigung mit den Werken statt, die sicher auch die Praxis beinflusst hat (Richard Wagner), anderseits, und das ist noch wichtiger, hatte jeder Dirigent seine Schüler, wodurch künstlerische Strömungen durchaus in einer Kontinuität standen und nicht jeder Dirigent das Rad neu erfand. Mahlers Einfluss auf Bruno Walter hier mal nur als besonders populäres Beispiel.



    Und diese Dimension weigere ich mich, ernst zu nehmen. Gegen die künstlerischen Meriten Beethovens sind die künstlerischen Meriten des "Interpretierens" alle zusammen genau nichts, [...]

    Auch hier widerspreche ich vehement. Die Qualität der Ausführung ist gerade bei der Musik von nicht zu unterschätzender Bedeutung, denn nur in diesem Moment wird sie erlebbar. Hätte man bei jeder Symphonie Beethovens nur einmal im Leben die Möglichkeit, diese zu hören, würde sich der Aspekt der Aufführungsqualität natürlich relativieren, dann wäre es einzig die Großartigkeit der Komposition, die auf den Zuhörer einwirken kann.
    Aber durch die Vergleichbarkeit, selbst wenn man nur die live im Konzert gelten lässt, kommt der Interpretation eine große Rolle zu. Wie sonst wäre es zu erklären, dass man nach einer Aufführung einer Beethovensymphonie, die einem nicht zusagt, den Saal unbefriedigt und verärgert verlässt, wo doch die künstlerische Leitung Beethovens ein und dieselbe bleibt?


    Ein außermusikalisches Beispiel: Es macht sehr wohl einen Unterschied, ob ich Canovas Drei Grazien in einem finsteren Kellerloch aufstelle, oder im Zentrum eines wohlgestalteten Museumsraumes unter idealen Lichtverhältnissen. Die künstlerische Qualität, die bildhauerische Leistung Canovas bleibt auch hier ein und dieselbe, die Wirkung auf den Betrachter aber ist grundverschieden.
    Und wie bereits angesprochen, fällt dies bei der Musik noch mehr ins Gewicht, da sie ja quasi nur im Moment ihrer Aufführung vorhanden ist.

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Ein außermusikalisches Beispiel: Es macht sehr wohl einen Unterschied, ob ich Canovas Drei Grazien in einem finsteren Kellerloch aufstelle, oder im Zentrum eines wohlgestalteten Museumsraumes unter idealen Lichtverhältnissen. Die künstlerische Qualität, die bildhauerische Leistung Canovas bleibt auch hier ein und dieselbe, die Wirkung auf den Betrachter aber ist grundverschieden.


    Sehr schön - so etwas wollte ich gerade posten als Argument für die vergleichsweise unbedeutende Rolle des Interpreten.
    ;)


  • Gut. Aber dann muss man aus der ersten Dreiergruppe Abbado schon mal rausnahmen.
    Ein Vergleich seines Wiener Beethovens mit dem Gardiners oder seines Mahlers mit dem Boulez' zeigt, warum. Abbado geht viel freier mit dem Notenmaterial um, mehr zugunsten einer subjektiven Empfindung als die beiden Anderern. Das nimmt natürlich nicht annähernd ein solches Ausmaß an wie bei Furtwängler oder Celibidache, die ich aber beide wiederum nicht in eine Gruppe mit Karajan stecken würde, auf den etwa eine derart gewagte Tempigestaltung absolut nicht in so hohem Maße zutrifft.


    Kannst Du zwecks Vergleich Abbado-Karajan ein Stück vorschlagen, bei dem man anhand der Probehäppchen auf jpc zu Erkenntnissen kommen kann?
    :hello:

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