Povero Verdi - Otello in München am 3.4. 2012

  • Eigentlich hatte ich keinen Bock über diese Unterklasse-Aufführung von Verdis Otello an der Bayerischen Staatsoper auch nur ein Wort zu verlieren, da ich aber heute so gelangweilt zu Hause rumsitze, habe ich beschlossen meine Eindrucke mit euch zu teilen! Dass die völlig vermurkste Inszenierung von Francesca Zambello mittlerweile 13 Jahre auf den Buckel hat, grenzt an ein Wunder und mag wohl damit begründet sein, dass sich die Intendanz angesichts eines noch größeren drohenden Murks vor einer Neuinszenierung scheut! völlig ungeachtet von Verdis genialer Sturmszene beginnt die Oper nicht mit Musik sondern mit ohrenbetäubendem Theaterdonner. Nebel wabert über den Orchestergraben ins Publikum und gibt, wenn er abgeklungen ist, den Blick auf eines der hässlichsten Bühnenbilder frei, die die Münchner Oper derzeit im Angebot hat (Ausstattung Alison Chitty): Zwei Baustellengerüsttürme links und rechts, die über ein paar Brücken miteinander verbunden werden. Diese Bühne wird von Solisten und Chor beklettert; während Letzterer vor allem darauf postiert ist, dürfen Otello und Desdemona ihr Liebesduett auf dem Gerüst singen! Unromantischer und mehr gegen die Musik geht's fast nicht mehr. Dankbar nahm ich zur Kenntnis, dass im zweiten und dritten Akt dieses Gerüst von einer Art Rolladen bedeckt wird und so einem von den Rängen der oben geschilderte Anblick erspart bleibt! In diesen Szenen stehen außerdem noch ein Liegestuhl und ein Sonnenschirm auf der Bühne, was später durch Othellos Schreibtisch ersetzt wird. Während Cassio und Jago auf diesen herumturnen, werden sie von Otello, der auf einer Brücke hinter dem Rolladen steht belauscht! Und Wow, wie wahnsinnig hochgeistig war es von der Regisseuse ab dem Finale des dritten Aktes ein Gebilde aus dem Schnürboden herabzufahren, dass Aussieht wie ein rotes Messer und vor dem dann am Ende das Bett der Desdemona steht inkl. Hausaltar. Die hässlichen Kostüme orientieren sich an der Entstehungszeit der Oper und sind in schwarz-weiß gehalten. Die Herren tragen fast Ausschließlich Uniformen, nur für Desdemona und Emilia sowie den Kinderchor, sind sie etwas geschmackvoller ausgefallen! Auch musikalisch würde ich die Aufführung allenfalls als Mittelmaß bezeichnen! Der überwiegend als Wagnersänger bekannte Peter Seiffert ist als Otello leider eine komplette Fehlbesetzung. Natürlich bewältigt diese gigantische Stimme auch diese Rolle, aber von einem Otello erwarte ich mir etwas anderes (ich beklage hier nicht nur die vollständig fehlende Italianita)! Darstellerisch war er aber noch das Licht des Abend! Krassimira Stoyanova ist rein stimmlich (fast) eine perfekte Besetzung der Desdemona. Nach verhaltenem Beginn fand sie im zweiten Teil zu ganz großer Form und betörte im Lied von der Weide und dem Ave Maria mit traumschönen Piani. Trotz ihrer steifen Darstellung war allein wegen ihr der Besuch der Aufführung gerechtfertigt. Zum Glück hatte Juha Uusitalo, von dessen Scarpia es mir noch reicht, den Jago abgesagt, und war durch Claudio Sgurro ersetzt, der zwar eine riesige Tiefe Stimme besitzt, dem aber das personifiziert Böse dieser Partie fast vollständig fehlt. Warum alle Welt derzeit so von Pavol Breslik begeistert ist, habe ich noch nie begriffen, sein Cassio war solide - mehr nicht. Herr Breslik ist für mich v.a. einer jener jungen Sänger, die in Sachen Regietheater noch bisher so jeden Blödsinn mitgemacht haben und somit als pflegeleicht gelten und somit mit zahlreichen Engagements gesegnet sind. Die anderen Partien waren aus dem Ensemble mehr oder minder Rollendeckend besetzt!
    Der Chor beeindruckte mich mit seiner mitreissenden Klangpracht, während Asher Fish, der kurzfristig das Dirigat übernommen hatte, routiniert durch den Abend führte! Alles in allem - Staatsopern UNwürdig! Das Publikum sah das wohl genauso, selten war der Applaus so kurz!!! Das traurige ist, dass in München in Sachen Verdi So gut wie immer (außer Don Carlo) dieses Niveau geboten wird! Ausverkauft ist trotzdem.


    Povero Verdi!

    Einmal editiert, zuletzt von Figarooo ()

  • Lieber Figarooo,


    solange ein Herr Bachler, den ich vor einiger Zeit im WDR sinngemäß sagen hörte, dass der Zuschauer" sich gefälligst mit dem abzufinden hätte, was der "Künstler" auf die Bühne stellt, also er sowie die selbstherrlichen Regisseure unter der Begriffsverwirrung leiden, sie seien die Künstler und nicht etwa die, die das Werk geschaffen haben und deren Diener sie sind, solange wird wohl in München nicht Gescheidtes auf die Bühne kommen. Das, was man alles über die Staatsoper hört, zu lesen und zu sehen bekommt, bezeugt wirklich, dass die Inszenierungen einer Staatsoper unwürdig sind. Gerade die Münchener Staatsoper ist mit ein Paradebeispiel, wo nicht dem Publikum, für das sie eigentlich da sein sollte, etwas geboten wird, sondern die Inszenierungen rein zum Zweck der Selbstdarstellung der Regisseure entartet sind, die hier ihre abstrusen Hirngespinste mit tatkräftiger Rückendeckung durch den Intendanten verwirklichen dürfen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Wobei, lieber Gerhard, diese Inszenierug von Bachlers Vorgänger Sir Peter Jonas zu verantworten war und selbst Zubin Mehta damals bei der Premiere gegen dieses Machwerk machtlos war!

  • Die Zeiten der großen Staatsoperndirektoren, deren letzter Sawallisch war, sind in München leider längst passé. Nur mehr Handlanger der Regietheater-Mafia sind dort seit bald zwanzig Jahren am Werke.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Danke für den Bericht.
    Ich dachte eigentlich, dass Frau Zambello eher für konservativeres Regietheater steht. ?(
    Wenn man die Beschreibung dieser Inszenierung so liest muß man mit der Wiener Produktion schon fast zufrieden sein. Dort muß man sich halt mit dem Boxring arrangieren. Aber wenigstens sieht man da keine Liegestühle und Sonnenschirme. :rolleyes:


    Ich habe ja Peter Seiffert in Wien als Otello gesehen als er Anfang des Jahres sein Rollendebüt gegeben hat und im Großen und Ganzen war er sehr gut und hat sich auch seine Kräfte gut eingeteilt. Vielleicht war es jetzt nur eine schlechte Tagesverfassung.
    Die Stoyanova war damals aber trotzdem der Star des Abends. Sie ist als Desdemona derzeit konkurrenzlos.
    Vom Sänger des Jago habe ich noch nie gehört.
    Dass Uusitalo viel absagt hat natürlich mit seiner gesundheitlichen Verfassung zu tun. Es ist schon bitter. Ich hoffe für ihn, dass er endlich seine schwere Krankheit ganz besiegt.


    Gregor

  • Dann mal eine ganz banale Frage am Rande, wenn das in München alles so schrecklich ist was einem dort geboten wird, warum gibt es dann immer noch genügend Dumme die diesen Unfug unterstützen.
    Wenn mir etwas nicht gefällt gehe ich einfach nicht hin.
    Die effektivste Maßnahme ist doch ganz einfach, ins Theater am Gärtnerplatz gehen, dort werden auch Opern geboten.

  • Donnerstag 19 April 2012 um 14;00 Uhr GMT überträgt BBC 3 Verdis Otello
    Verdi
    Otello, opera in four acts, based on Shakespeare's play 'Othello'


    Otello, a Moorish general ... Peter Seiffert (tenor),
    Desdemona, his wife ... Krassimira Stoyanova ...(soprano),
    Iago, Otello's ensign ... Carlos Álvarez (baritone),
    Emilia, wife of Iago and maid of Desdemona ... Aura Twarowska (mezzo-soprano),
    Cassio, Otello's captain ... Marian Talaba (tenor),
    Roderigo, a gentleman of Venice ... Peter Jelosits (tenor),
    Lodovico, ambassador of the Venetian Republic ...Dan Paul Dumitrescu (bass),
    Montano, former Governor of Cyprus ...Eijiro Kai (bass),
    A Herald ...Hiro Ijichi (bass),


    Vienna State Opera Chorus, Orchestra, Vienna Philharmonic Orchestra,
    Dan Ettinger (conductor).
    Broadcast


    Thu 19 Apr 2012
    14:00
    BBC Radio 3

    Pourqoi me reveiller....