11.04.2012 (Staatsoper Hamburg) W.A.Mozart "Don Giovanni"

    • Don Giovanni: Dalibor Janis
    • Leporello: Adrian Sâmpetrean
    • Donna Anna: Hellen Kwon
    • Don Ottavio: Dovlet Nurgeldiyev
    • Donna Elvira : Katja Pieweck
    • Zerlina: Maria Markina
    • Masetto: Jongmin Park
    • Il Commandatore: Tigran Martirossian

    Philharmoniker Hamburg unter der musikalischen Leitung von Alexander Soddy


    Inszenierung Doris Dörrie, Bühnenbild und Kostüme Bernd Leppel.


    (11.Vorstellung seit der Premiere am 18.09.2011)


    Obwohl ich ganz sicher kein ausgewiesener Gegner moderner (Regietheater-)Inszenierungen bin, gehörte diese Produktion schon vor der Premiere im vergangenen September nicht unbedingt zu meiner Saisonplanung 2011/2012. Schlußendlich habe ich mich dann aber doch von meinem langjährigen Opern-Partner überreden lassen, welcher dann auch prompt zum Termin verhindert war ... Nun ja, die Karten waren bezahlt und wer, dachte ich bei mir, wird schon gerne der "Feigheit vor dem Feinde" bezichtigt?! Also hieß es an diesem Abend, die teilweise verherenden Kritiken gedanklich beiseite zu schieben und auf eine wenigstens musikalisch gelungene Aufführung zu hoffen; immerhin stand ja nicht die GMD Simone Young am Pult (in der Premiere neben der Inszenierung der zweite behauptete "Totalausfall"). Nachdem dann allerdings um kurz nach 22:00 Uhr der Vohang gefallen war, blieb eigentlich nur noch festzustellen: Das war nix!


    Doch ich sollte wohl am Anfang beginnen: Bereits während der Ouvertüre öffnete sich der Vorhang für eine Tanzeinlage des japanischen Butoh-Tänzers und Choreographen Tadashi Endo, welcher laut Programmheft La Morte verköpern sollte. Das weder Endo, noch La Morte bei da Ponte / Mozart vorkommen, ist sicher hinlänglich bekannt; aber eigentlich auch nicht problematisch, wenn es denn stimmig wäre. Jedoch in diesem Fall wirkten sowohl Idee, als auch Ausführung unmotiviert und ungelenk. Schlimmer noch kam es zu einer regelrechten Ablenkung vom eigentlichen Inhalt des Geschehens, der Musik. Die allerdings, nachdem ich kurzerhand die Augen einfach auf den Orchestergraben gerichtet hatte (Sitzplatz im 1.Rang, Loge), ebenfalls nicht überzeugen konnte! Zwar schien sich Maestro Soddy sehr in seinen schwungvollen Gesten zu gefallen, allerdings schien sich sein "Schwung" irgendwie nicht auf das (in kleiner Besetzung spielende) Orchester übertragen zu wollen. Das Resultat klang in meinen Ohren seltsam undynamisch; ohne Esprit, Feuer oder Dramatik. Leider zog sich diese Nicht-Leistung im Wesentlichen durch den gesamten ersten Aufzug und erst in der "zweiten Halbzeit" war auch orchestral ein wenig vom Mozartschen Genius zu spüren. Besonders schmerzlich das dramatische Versäumnis in den Finali, welche m.E. geradezu als absoluter Maßstab in der Operngeschichte anzusehen sind. - Das die Philharmoniker Hamburg auch und gerade in kleiner Besetzung viel, viel mehr können, haben sie etwa unter Alessandro de Marchi mit Glucks Iphigénie en Tauride oder zuletzt mit Telemanns Flavius Bertaridus bewiesen.


    Leider waren auch die gesanglich zum überwiegenden Teil überzeugenden Leistungen nicht in der Lage, gegen Soddys "Endeckung der Trägheit" anzukommen. Obwohl der Versuch erkennbar war, konnte keiner der Protagonisten den Dirigenten in irgendeiner Weise erkennbar irritieren oder gar ein wenig mitreissen. Hervorzuheben sind vor allem Frau Kammersängerin Hellen Kwon und ebenso Katja Pieweck (derartig unvorteilhaft in ein Reitköstum gezwängt, daß selbst Margaret Rutherford in Murder at the Gallop dagegen eine Augenweide war) mit sicheren Kolloratoren, sowie - einmal mehr - Dovlet Nurgeldiyev mit einem wunderbar lyrischen Don Ottavio (leider(!) - Young / Dörrie hatten sich anscheinend für die Prager-Fassung entschieden - ohne die Arie Dalla sua pace :( )
    Daß A.Sâmpetreans Leporello am Ende den meisten Applaus erntete, war m.E. nicht ganz berechtigt. Zwar war seine schauspielerische Leistung durch sehr viel Spielfreude geprägt, in der stimmlichen Darstellung mir jedoch nicht differenziert genug. Wobei ich vielleicht dazu sagen sollte, dass für mich eigentlich Leporello und nicht Don Giovanni die Hauptfigur des ganzen Stückes ist. - Apropo Don Giovanni : An diesem Abend m.E. am schwächsten Dalibor Janis, dessen Gestaltung der Titelpartie "nicht Fisch, nicht Fleisch" war: Ein nicht großartiges, aber doch gutes "Fin ch'han dal vino", sowie das sehr abgestimmte Zusammenspiel mit Leporello zu Beginn des zweiten Aktes. Dagegen am Ende zwischen Todesahnung und Todesverachtung eine seltsame Lethargie - vielleicht auch ein Aufgeben gegen Alexander Soddy und das Orchester!?


    Zur Inszenierung ist zu sagen, dass alles Wesentliche bereits in den (schlechten) Kritiken gesagt worden ist und wenn man mich zwingen würde, zusätzlich etwas nicht-negatives zu schreiben, dann vielleicht, dass es immerhin nicht auch noch langweilig war. Festzuhalten bleibt aber wohl einmal mehr, daß jemand, der Film kann, nicht automatisch auch Oper kann ...

    mfG Michael


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