Cavalleria Rusticana/I Pagliacci - Wiener Staatsoper, 29. April 2012

  • An der Wiener Staatsoper hatten wieder einmal die Publikumsrenner Cavalleria Rusticana und Der Bajazzo für ein volles Haus gesorgt. Auch einige prominente Besucher fanden sich in der Staatsoper ein, darunter die französische Filmschauspielerin Fanny Ardant, die vor einigen Jahren in einem Film die berühmteste Opernsängerin aller Zeiten unter der Regie von Franco Zeffirelli gespielt hat.


    Die beiden Verismo-Reißer zünden allerdings nicht nicht so wie man sich das erwarten darf.
    Das liegt zum einen am etwas spröden und zu wenig mitreißenden Dirigat von Asher Fisch. Er dirigiert solide, aber es fehlt an Ecken und Kanten und das Verismo-Feuer wird nur recht spärlich gezündet.


    In Cavalleria Rusticana kehrt Waltraud Meier in der Rolle der Santuzza wieder an die Staatsoper zurück. Doch das was ihr bei Wagner so eindrucksvoll gelingt, ist bei Mascagni nicht so selbstverständlich. Ihre Stimme ist etwas steif im Ausdruck und man würde sich eine „italienischere“ Santuzza wünschen. Auch wenn Meier ihre Rolle intensiv spielt – die italienische Bäuerin kann man ihr nicht ganz abnehmen. Dafür singt sie viel zu kontrolliert.
    Zeitweise machen sich auch Höhenprobleme bemerkbar.


    Der Turiddu von Peter Seiffert hat ein ähnliches Problem, allerdings noch verstärkt. Er präsentiert eine sehr unflexible und regelrecht harte Tenorstimme, auch wenn er technisch die Partie bewältigen kann. Zudem ist sein Tenor zu wenig italienisch. Mehr noch, von Italianità ist da eigentlich Nichts zu vernehmen.


    Sicher, Seiffert als auch Meier sind ausgezeichnete Sänger in ihrem Fach, mit der Betonung auf ihrem, aber hier hat man das Gefühl Tristan und Isolde haben sich nach Sizilien verirrt.


    Auch mit dem Alfio des Lucio Gallo wird man nicht wirklich glücklich. Zu wenig Stimmkraft scheint der Sänger für die Partie zu haben, zu wenig Durchschlagskraft besitzt sein Bariton – zumindest für ein Haus mit der Größe der Wiener Staatsoper.


    Überzeugender agieren da schon die Interpretinnen von Lola und Mama Lucia. Erste wird von Monika Bohinec mit attraktivem Timbre gegeben und auch Aura Twarovska absolviert die Mutter Turiddu’s recht zufriedenstellend.


    Aber auch nach der Pause kann Der Bajazzo von Leoncavallo nicht mitreißen.


    Gustavo Porta debütiert mit dem Canio in Wien und läßt eine sehr unausgeglichene Leistung hören. Er startet vielversprechend, doch bereits nach dem ventitre ore scheint er an Stimmkraft zu verlieren. Sein Vortrag gerät eher farblos, da seine Tenorstimme kaum Schattierungen kennt. Somit kann er seiner Figur nur wenig Profil verleihen.


    Auch wenn Tamar Iveri die Nedda gekonnt zu singen vermag, bleibt ihr recht eindimensionales Timbre, mit ihren glanzlosen Höhen und einer Mittellage, die ohne jeglichen Schönklang auskommt, Geschmackssache. Diesbezüglich paßt sie aber gut zu Porta.


    Aus der Cavalleria-Besetzung ist Lucio Gallo übriggeblieben, und was er in der Mascagni-Oper bietet, findet seine Fortsetzung bei Leoncavallo. Zu wenig veristisch ist sein Vortrag. Auch scheint er mit einigen exponierten Höhen so seine Probleme zu haben. Dies wird ganz besonders beim Prolog hörbar, als er einen Spitzenton deutlich nach unten transponiert.


    Den besten Eindruck macht da noch Tae-Joong Yang, der einen guten Silvio singt. Weniger überzeugend gelingt der Beppo von Carlos Osuna, der in seiner kurzen Arie einen etwas unruhig geführten Tenor hören läßt.


    Letztendlich gibt es aber doch freundlichen, wenn auch sehr kurzen Applaus, und man verläßt das Opernhaus, mit der Frage, wo der Verismo an diesem Abend eigentlich geblieben ist.


    Gregor

  • Der Neue Merker bewertet die Auffühung etwas positiver. Meier und Seiffert seien hervorragende Interpreten gewesen und ganz hervorragaend war das Dirigat von Herrn Fisch, das soll sehr fetzig gewesen sein, was auch immer sie darunter verstehen. Auch über Herrn Porta gab es die gleiche Meinung wie von Gregor, das er sehr unausgeglichen Gesungen hätte. Ich kann sowieso nicht verstehen warum der Mann an den großen Opernhäusern singen darf. Ich habe ihn schon häufiger an der Rheinoper gehört ujnd finde ihn einfach nur furchtbar. Und er ist ja auch nicht mehr der jüngste. Ganz schlimm war er als Gustavo im Maskenball. Wie sagte meine Freundin so schön über Herrn Porta : Er sei der Typ Latin Lover für die ältere Generation.

  • Und genau das ist mir ein Rätsel. Auch in diversen Zeitungsberichten kommen die Aufführungen sehr gut weg. Porta attestiert man sogar kultivierten Gesang und Schönklang. ;(
    Ich verstehe die Welt nicht mehr. Das Publikum reagierte am Ende des Abends sehr moderat. So einen kurzen Applaus habe ich nach einer Cavalleria/Bajazzo-Vorstellung jedenfalls noch nicht erlebt. Auch meine Bekannten in der Oper meinten, sie hätten sich diesen Abend eigentlich sparen können.
    Anmerkung: Um den Merker in Schutz zu nehmen, muß ich darauf hinweisen, dass dieser bislang doch noch gar keine Rezension veröffentlicht hat.


    Man wirft dem heutigen Opernpublikum - vielleicht zu recht - vor, sie würden ja sowieso alles - auch jede mittelmäßige Vorstellung - bejubeln, als wäre es eine Sternstunde (diese Cav/Pag-Vorstellung war mal eine Ausnahme). Aber die Fachpresse bzw. deren Rezensenten müssen sich ja eindeutig den gleichen Vorwurf machen lassen. Da wird sehr viel schöngeredet. Manchmal habe ich das Gefühl, der ein oder andere Rezensent hört die entsprechende Oper das erste mal. ?(


    Gregor

  • Lieber Gregor,
    die beiden hohen Töne am Schluß des Prologs ein As und ein G kommen in der Partitur nicht vor,
    es sind "Imponiertöne" des Baritons.
    Die muß man nicht singen, aber die darf man singen,wenn man eine gute Höhe hat.


    :hello: Herbert

    Tutto nel mondo è burla.

  • es sind "Imponiertöne" des Baritons. Die muß man nicht singen,

    Völlig richtig, lieber Herbert. Aber jeder, der die Oper kennt, wartet auf solche Töne. Genau wie bei "Nessun dorma" das "Vinceeeeeeeeeeerooooooooooo...". Man wartet darauf, daß der Tenor hier auch richtig lange aushält. Und Du weißt ja, das bringt und kann nur einer...


    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Lieber Chrissy, ich weiß, dass du auf Pavarotti anspielst ;), der das wirklich herrlich sang, aber beim Nessun dorma muss man schon noch mindestens eine Handvoll anderer nennen, und am mächtigsten sangen das wohl Corelli und Del Monaco. Sehr lange halten den Schlusston auch Björling und Andjaparidze (UdSSR).


    LG
    Joseph

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • ...und da war ja auch noch der Chinese Deng....


    Deng hat übrigens vor einigen Jahren in meiner Stadt im Dom ein Konzert gegeben. Da ich ihn von seiner CD her kannte, war ich eigentlich ziemlich enttäuscht von ihm. Er sang zwar alles tadellos, aber er verfügte über eine eher kleine Stimme. Seit dieser Zeit habe ich nie wieder etwas von ihm gehört.


    Gregor
    Ich kann zwar nicht beurteilen wie Peter Seiffert in der von Dir besuchten Vorstellung gesungen hat. Als ich ihn vor einigen Jahren in dieser Rolle an der Deutschen Oper Berlin gehört habe, war ich sehr begeistert und das restliche Publikum auch.


    :hello:
    Jolanthe

  • Liebe Jolanthe,


    da muss ich Dir wiedersprechen. Wir fanden Seiffert nicht so überzeugend. Es fehlte der ital. Schmelz. In den nachfolgenden Abenden sang Antonenko, und der war viel überzeugender.

  • Zitat

    Es fehlte der ital. Schmelz.


    wäre ja auch zuviel verlangt, einem deutschen Sänger den Erfolg in einer italienischen Oper zu gönnen, egal, ob Kaufmann, Seiffert usw....

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • Pavarotti war in Nessun dorma einfach nicht zu toppen. Allein schon die Magie die von ihm ausging beim Singen. Ich konnte ihn einmal an der Met erleben. Nach Nessun dorma gab es so einen langen Beifall das er die Arie wiederholen musste. Die Oper war noch nicht zu Ende und es gab schon von 4000 Zuschauern " Standing Ovation " . Das war Gänsehaut pur.

  • Ich ahne schon, daß wir hier wieder einen auf die Mütze kriegen, weil wir uns vom Thema entfernen. Aber so schnell geht das manchmal und wo sollte ich nun darauf antworten?



    1. ....dass du auf Pavarotti anspielst ;), der das wirklich herrlich sang, aber beim Nessun dorma muss man schon noch mindestens eine Handvoll anderer nennen,
    2. ... und am mächtigsten sangen das wohl Corelli und Del Monaco.

    zu 1. Da hast Du recht, lieber Joseph II., natürlich meine ich hier Pavarotti. Und auch ich bestreite nicht, daß es diese Handvoll anderer Tenöre gab, die diese Arie auch hervorragend gesungen haben.
    zu 2. Nicht böse sein, aber da entscheide ich mich doch deutlich für Pavarotti. Es gibt mit ihm sehr viele Aufnahmen mit dieser Arie und sie sind überwiegend alle sehr gut. Eine bestimmte Aufnahme, die ich meine, ist aus dem Film "Geliebter Giorgio", da hält er im Da Capo die Schlußtöne so unglaublich lange, daß ich sage, da muß in der Zeit unsereiner dreimal Luft holen. Ich weiß, daß einige unserer Mitglieder diese Aufnahme haben. Sie könnten das gewiß bestätigen.



    ...und da war ja auch noch der Chinese Deng....

    Hallo, Harald
    Ich kenne diese Aufnahme und habe sie mir jetzt wieder angehört. Auch wirklich richtig gut. Im Unterschied zu Pavarotti, der bereits bei "Vinceeeeee..." unwahrscheinlich lange aushält, ist es bei Deng hauptsächlich nur beim ... rooooooooo. Falls Du den Film hast, höre Dir Pavarotti an und Du wirst mir recht geben müssen, auch wenn es Dir schwer fällt.


    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Toller Beitrag, lieber Rodolfo. Danke, das ist "Balsam pur". Besser kann man das nicht sagen. Kennst Du den Film, den ich meine?


    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Deng hat das live gesungen, habe ich selbst erlebt, bei einer UNICEF-Gala.
    Wie das bei Big P. fürs Kino gemacht wurde, kann Dir Herbert erklären, das macht der Cutter, bzw. der Tonmeister, es gibt auch Endlos-Schleifen - könnte man auch über Stunden ausdehnen, aber das würde das Publikum noch mehr nerven....

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Pavarotti konnte aber die Schlusstöne bei Nssun dorma auch live auf der Bühne lange anhalten. Habe ich Anfang der 80 Jahre an der MEt selbst erlebt. Natürlich lässt mit zunehmenden Alter auch die Stimmkraft nach, wie ich es bei der Gala der 3 Tenöre in Düsseldorf erleben konnte. Aber er konnte trotzdem noch alle bezaubern.

  • Liebe Taminos und Fachleute!


    Ich bringe neben Corelli, Pavarotti und del Monaco noch einen anderen Tenor ins Gespräch. Hört euch auch mal Salvatore Fisichella in der Rolle des Kalaf an, denn der kann es auch bestens! Mit dieser Partie feierte er auch tolle Erfolge.



    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Pavarotti konnte aber die Schlusstöne bei Nssun dorma auch live auf der Bühne lange anhalten.

    Das mag für Zuschauer und Zuhörer ja sehr interessant sein, aber ob der Komponist das auch gewollt hat, konnte mir bisher keiner sagen. Ähnliches gilt für die Stretta aus dem Troubadour. Hier werden immer nur die als beste genannt, die es lange und laut konnten. Beim Schlusston der Radames-Arie ging das sogar soweit, dass das von Verdi vorgeschriebene piano am Schluss sehr laut gebrüllt wurde, nur der Zuschauer wegen. Wer am Schluss den Originalton sang, wurde ausgebuht. Dass möglicherweise der Original-Noten-Ton schwieriger zu singen ist, als die Version, die allgemein bekannt ist, scheint unwichtig zu sein. Wir machen es so, wie es das Publikum will. Basta. Na denn.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Ich will ja nicht " besserwisserisch " klingen, aber vielleicht könnte man zu dem Thema einen eigenen Thread einrichten, da es in diesem doch um Cavalleria Rusticana aus Wien geht und nicht darum, welcher Tenor kann Nessun dorma am Schönsten singen. Ist mir heute Nacht eingefallen, wo ich nicht schlafen konnte, nur da war ich zu faul zum Notebook zu gehen. Ich hab es auch schon an der Rheinoper erlebt, das ein Tenor bei der Radames Arie aus Aida nicht die Hohen Töne am Schluss gesungen hat und dann wurde er ausgebuht, eine Vorstellung später sang er dann die hohen Töne ( mehr schlecht als recht da fand ich die Piano Töne am Schluss besser ) aber er bekam Bravos.

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  • Aber dann könnte man die Beiträge doch in diesen Thread kopieren ?


    Das wäre sicher sinnvoll.
    Und dann würde ich doch gerne weiter diskutieren, ob es bei dieser Arie denn nur auf den Schlusston ankommt.
    Es braucht natürlich auch noch Emphase und Leidenschaft! Und natürlich Siegeswille und Zuversicht. Da werden wir leicht alle zustimmen.
    Aber reicht das?


    Mir wäre beispielsweise noch wichtig, dass die eigene Poesie der Szene auch in der Ausgestaltung der melodischen Linie entfaltet wird.
    Und wichtig ist mir ein Singen, das die Vornehmheit des Prinzen, seinen Adel und seine aristokratische Haltung echt erfahrbar macht.


    Beides kann ich bei del Monaco zum Beispiel nicht hören. Und dafür entschädigt auch kein noch so metallisch strahlendes 'Vincero'!
    In Zweifelsfall würde ich lieber Alfred Piccaver hören, der kein imponierendes 'Vincero' bieten kann, aber ansonsten die Arie ganz wundervoll fließend und mit faszinierenden Färbungen singt!
    Und die Poesie und Musikalität eines Richard Tauber sind mir so viel Wert, dass ich kein Problem damit habe, dass er das hohe B wirklich nur kurz antippt - wie es in der Partitur ja notiert ist!


    Um nun auch Farbe zu bekennen, möchte ich noch sagen, wie ich denn die Frage nach den besten Aufnahmen von 'Nessun dorma' beantworten würde (Liste ohne Rang-Prioritäten):



    • Giovanni Martinelli (in der Aufnahme unter Barbirolli)
    • Antonio Cortis (Wessen Stimme klingt wirklich schöner? Wer hat mehr Poesie? Wessen Hoffnung und Zuversicht reissen mehr mit? Und ist das kurz hohe B wirklich eine Beeinträchtigung der Arie?)
    • Jussi Björling (nicht in der spektakulären Aufnahme von 1944 sondern in der musikalisch feiner ausgestalteten und wundervoll aristokratisch phrasierten Aufnahme unter Leinsdorf - trotz des leicht angestrengt klingenden 'Vincero')
    • Giuseppe di Stefano (Weniger in dem Mitschnitt von 1958 sondern in der US-TV Aufnahme der Arie von 1953)
    • Franco Corelli (eigentlich mit jeder Aufnahme, die ich von ihm kenne)
    • Luciano Pavarotti (in der Aufnahme unter Mehta - keinesfalls in den diversen Jahrmarkt-Aufnahmen, in denen die herrliche Schlußphrase zur Leistungssportdemonstration verkommt)


    Unter den deutsch gesungenen Aufnahmen überzeugen mich eigentlich nur zwei



    • Helge Roswaenge
    • Charles Kullmann (Gäbe es von ihm eine Aufnahme in italienischer Sprache, hätte sie gewiß beste Aussichten auf den Spitzenplatz!!!)


    Mal sehen in welchem Thread es denn nun weitergeht. Ich bin gespannt!




    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!