HÄNDEL, Georg Friedrich: LA RESURREZIONE


  • Georg Friedrich Händel (1685-1759):


    LA RESURREZIONE
    Originaltitel
    ORATORIO PER LA RISURRETTIONE
    DI NOSTRO SIGNOR GIESÙ CRISTO
    Oratorium in zwei Teilen HWV 47 - Libretto von Carlo Sigismondo Capece


    Uraufführung 8. April 1708 im römischen Palazzo Bonelli des Marchese Ruspoli


    DRAMATIS PERSONAE


    Angelo (Sopran)
    Lucifero (Baß)
    Maddalena (Sopran)
    Cleofe (Alt)
    San Giovanni (Tenor)



    INHALTSANGABE


    Erster Teil


    Erste Szene: Karsamstag am Eingang der Hölle.
    Ein lichtumfluteter Engel steigt vom Himmel herab, um die Pforten der Hölle aufzutun, damit Christus eintreten kann, um den Tod zu besiegen: „Disserratevi, o porte d'Averno“ (Öffnet euch, ihr Pforten der Unterwelt) ruft er den Mächtigen der Unterwelt zu, und befiehlt ihnen „Weichet dem König der Ehren“.


    Lucifero ist irritiert über das strahlende Licht und die „lieblichen Klänge“. Er will die Musik nur akzeptieren, wenn sie seine Heldentaten preist, schließlich ist er ungemein stolz über die gelungene Rache „an ihm“, der „mich des Himmelreichs beraubte“. Der Höllen-Fürst gibt in diesem Selbstgespräch zu, daß Gottvater ihn überrumpelt hat, als er ihn aus den himmlischen Gefilden verjagte, aber jetzt hat er doch noch über den zum Menschen gewordenen Gott triumphiert.


    Nun unterbricht der Engel Luciferos Selbstbeweihräucherung und kündigt an, daß jetzt alle von des ewigen Königs Gebot erfahren sollen. Der Fürst der Hölle nimmt erst jetzt den Engel wahr und will wissen, welcher König gemeint sei, wer denn die Frechheit habe, in sein Reich einzudringen. Majestätisch, aber auch mit bedrohlichem Unterton antwortet der Engel mit „È Re di Gloria, è Re possente e forte“ (Es ist der König der Ehren, ein starker, mächtiger König) - und dieser mächtige König wird ihn in seine Schranken weisen.


    Jetzt versteht Lucifero, wird aber gegenüber dem Himmelsboten höhnisch: „Ist es der, der heute den Tod erlitt, dann ist es der, den ich besiegte“. Der Engel geht auf Luciferos Ton nicht ein, nennt ihn einen getäuschten Blinden, der aber lernen wird, daß Christus alle Schuld des Menschen, die er vor sehr langer Zeit durch die Annahme des Apfels auf sich zog, mit seinem Tod bezahlt hat. Nun denn, höhnt Luzifer weiter, dann möge der, der heute verblutete, ruhig zu ihm kommen und ihm die Ehre erweisen. Er wird kommen, sagt der Engel, und „du wirst die Knie vor ihm beugen“, wie auch der Tod erkennen mußte, daß seine Macht dahin ist.


    Jetzt wird Luzifer wütend und ruft seine höllischen Herrscharen, die Mächte des Erebos, die Eumeniden mit ihrem gräßlichen Zischen, herbei, um die himmlischen Mächte zu bekämpfen. Er wird jedenfalls nicht vor Angst aufgeben, sondern die Erde durchschütteln und den Krieg in den Himmel tragen.


    Zweite Szene: In Jerusalem.
    Maddalena und Cleofe trauern gemeinsam um den Gekreuzigten. Zu ihnen tritt San Giovanni, um sie mit tröstenden Worten an Jesu Versprechen zu erinnern, daß er „am dritten Tage auferstehen“ werde; Johannes fügt noch hinzu, wenn Jesus es versprach, dann werde es auch geschehen, sollte man seinen Worten auch glauben. Maddalena will sofort zum Grab aufbrechen um den „kühlen Leib des Herrn“ mit Spezereien und Ölen zu salben. Cleofe ist bereit, mitzugehen, weil sie, eingedenk der Worte von San Giovanni, vielleicht „unser Heil“, lebend antreffen wird. Jesu Lieblingsjünger ermuntert die beiden Frauen, zum heiligen Grab zu gehen, er werde sich jedoch der Mutter Jesu annehmen, weil sie ihm vom Meister vor seinem Tode anvertraut wurde. Beveor die beiden Frauen sich auf den Weg machen, geben sie Johannes noch tröstende Worte für die Mutter Jesu mit.


    Dritte Szene: Vor dem Eingang der Hölle.
    Der Engel ruft die Patriarchen und Propheten aus ihren Kerkern hervor: „Uscite pure, uscite, dall'oscura prigione“ (Hervor, hervor aus eurem finstren Kerker). Lange mußten sie alle auf diesen Tag warten, nun aber ist durch den Siegeszug des Herrn die widerspenstige Hölle besiegt worden. Jetzt sollen sie alle Christus in den Himmel folgen. Der (aus den Solisten gebildete) Chor greift die musikalische Thematik jubilierend auf und verkündet den Triumph, dem sich sogar der Tod beugen mußte.


    Zweiter Teil


    Erste Szene: Am Ostermorgen in Jerusalem.
    Nach einer Introduktion begrüßt San Giovanni den Tag des Herrn in der Gewißheit, daß Jesus sein Versprechen eingelöst hat, das Böse zu überwinden: „Di quai nuovi portenti“ (Welch neue Wunder trägt die Erde). Auch er begibt sich zum Grab Jesu, um das Wunder seiner Auferstehung zu sehen.


    Zweite Szene
    Der lichtumflutete Engel verkündet Lucifero den Sieg Christi über das Böse und den Tod. Der will einfach nicht glauben, daß er besiegt worden ist, doch der Engel schickt ihn, den Geschlagenen, zurück in den „Kokytus“. Aber so schnell gibt Luzifer nicht auf; er schwört, daß er den Menschen die wichtige Nachricht dieses Tages vorenthalten will. Das aber wird der Engel erledigen, denn „der Himmel“ hat ihm befohlen, das Geheimnis mit Hilfe der beiden „frommen Weiber“, die gerade des Weges kommen, zu enthüllen.


    Dritte Szene
    Maddalena und Cleofe denken auf dem Weg zu Jesu Grab darüber nach, wie sie die Situation wohl vorfinden werden. Cleofe fragt sich, ob sie den Herrn und Heiland noch antreffen werden? Ob die Wache sie hindern wird? Für Maddalena sind all diese Fragen zweitrangig, denn sie weiß, daß Jesus auch für sie starb und ihr dadurch viel Mut gemacht hat: „Quando ho Gesù nel con, non temo più“ (Jesus im Herzen, bange ich nicht mehr).


    Lucifero, den man sich abseits stehend, aber mithörend, vorstellen muß, ist bei Jesu Namen zusammengezuckt. Dieser verhaßte Name (abborito nome)! Wie macht er ihn so klein und häßlich! Lucifero wird klar, daß er den Kampf gegen den Himmel verloren hat. Jesus hat ihn besiegt, läßt ihn zu Schande werden und treibt ihn zurück in tiefsten Abgrund der Unterwelt.


    Vierte Szene
    Inzwischen sind die Maddalena und Cleofe an Jesu Grab angekommen. Cleofe sieht plötzlichen Glanz aufscheinen, sie sieht, daß Jesu Grab bereits geöffnet ist - und sie sieht einen weißgewandeten Jüngling neben dem Grab sitzen. Es ist der Engel, der den Frauen verkündet, daß Jesus von Nazareth von den Toten auferstanden ist. Nun sei es nicht nur billig, so vernehmen die beiden Frauen, daß sie durch die Gnade des Himmels als erste das Geheimnis entdecken, sondern als treue Botinnen diese Neuigkeit auch allen verkünden sollen. Die theologische Begründung liefert der Engel den beiden auch gleich mit: So wie durch das Verschulden eines unseligen Weibes der Tod über die Menschen kam, so soll die Kunde über den Sieger des Todes und der Verdammnis nun von Weibern in die Welt kommen.


    Maddalena schaut sich immer wieder um, und fragt sich, warum sich Jesus vor ihr verbirgt. Ihre Arie „Del ciglio dolente“ (Des düstern Himmels) ist Ausdruck ihres Glaubens an das Ende aller Trübsal. Cleofe bittet um schnellen Aufbruch, um den Auferstandenen, den sie „unseren Liebsten“ nennt, zu suchen. Beide Frauen gehen, so muß man es sich vorstellen, auf getrennten Wegen davon.


    Fünfte Szene
    Cleofe trifft auf San Giovanni und berichtet dem Jünger ganz aufgeregt, daß Jesus nicht mehr im Grab liege, sondern tatsächlich von den Toten auferstanden sei. Als Johannes sie fragt, woher sie das wisse, antwortet sie, daß ein Himmelsbote ihr diese Neuigkeit verkündet habe. Johannes hat aber auch eine Nachricht: er weiß ebenfalls von der Auferstehung des Meisters, denn der ist inzwischen bei seiner Mutter Maria gewesen, die es wiederum ihm freudig erzählt habe. Dabei seien ihr Tränen der Freude über die Wangen gelaufen.


    Aufgeregt kommt nun Maddalena hinzu und berichtet von ihrem Wunder-Erlebnis: Sie hat im Garten nahe des Grabes einen Mann gesehen, den sie zunächst für eine Pfleger gehalten habe, dann aber durch das hell-leuchtende Gewand, wenngleich es auch grob war, wie magisch angezogen wurde. Und dann sah sie sein Gesicht, sah Hände und Füße, die vorher noch Wundmale hatten, die sie küssen wollte, von ihm aber abrupt zurückgewiesen wurde.


    San Giovanni jubelt: Jesus lebt! Alle drei frohlocken zunächst einzeln über das Wunder der Auferstehung, die eine erlöste Welt erstehen lassen wird und die jedes Wesen zum Lobe seines ewigen Schöpfers veranlassen sollte. Dann bilden sie gemeinsam den chorisch-jubelnde Schlußgesang:
    Himmel und Erde mögen ihn preisen,/der im Himmel und auf Erden herrscht!
    Der heute auf Erden erstanden ist,/Irdische zum Himmel führen.



    INFORMATIONEN ZUM WERK


    Händels zweites italienisches Oratorium (nach „Il Trionfo“), LA RESURREZIONE, hatte am Ostersonntag, dem 8. April 1708, im römischen Palast des Marchese Francesco Maria Ruspoli Premiere und am darauffolgenden Tag fand eine weitere Aufführung statt. Es gibt tatsächlich Dokumente aus dem Familien-Archiv der Ruspolis, die Einzelheiten über diese Aufführungen belegen. Für das Orchester und die Sänger wurde eine Bühne aufgebaut, hinter der ein großer bemalter Prospekt von Michelangelo Cerruti (1666–1748) hing, was eine szenische Darstellung nahelegt. Die Dokumente weisen ferner nach, daß Arcangelo Corelli ein fast fünfzig Musiker umfassendes Orchester leitete, wobei unterstellt werden kann, daß der Komponist am Cembalo saß. Marchese Ruspoli muß überzeugt gewesen sein, daß Händels Werk eine große Zuhörerschaft anziehen würde, denn er gab ausweislich der Rechnung 1500 Libretti-Drucke in Auftrag.


    Auf der ebenfalls noch vorhandenen Gehaltsliste werden vier männliche Sänger gelistet, die als Soprano, Alto, Tenore und Basso zu identifizieren sind. Sie sangen den Engel, die Maddalena, Cleofe, Johannes und Lucifero. Der Part der Maddalena wurde von einem weiblichen Sopran gesungen; das soll nach dem Bericht eines Zeitgenossen Margherita Durastanti gewesen sein, die in Ruspolis Diensten stand und in seinem Palazzo gewohnt haben soll. Sie hat später die Titelrolle in Händels Agrippina in Venedig gesungen und kam in den 1720er-Jahren nach London.


    Genau dieser Einsatz aber brachte für Ruspoli Ärger mit sich, denn im Januar 1703 hatte Clemens XI. jenes Edikt erlassen, das die Teilnahme von Frauen an öffentlichen musikalischen Aufführungen untersagte. Tatsächlich wurde, wie ein gewisser Francesco Valesios in sein Tagebuch schrieb, noch vor der zweiten Aufführung am Montag ein Tadel aus dem Vatikan übermittelt, und ein Schreiben des bayerischen Repräsentanten in Rom vom 17. April bestätigt, daß dieser Tadel von Kardinal Paolucci persönlich an Marchese Ruspoli übgeben wurde. Interessanterweise gibt es aber keine Dokumente darüber, welche Folgen dies für die Aufführung am Ostermontag hatte. In der Musikforschung wird jedoch angenommen, daß in dieser Aufführung die Rolle der Maddalena durch den Kastraten Filippo gesungen wurde. Belege über eine Gehaltszahlung an einen zusätzlichen Sänger gibt es jedoch nicht.


    Von weiteren Aufführungen von LA RESURREZIONE ist nichts bekannt. Händel hat es jedenfalls nie mehr aufgeführt, wohl aber für spätere Kompositionen immer wieder „ausgeschlachtet“.


    Aus dem erhalten gebliebenen Autograph läßt sich rekonstruieren, daß Händel zunächst keine Ouvertüre vorgesehen hatte (noch Chrysanders Partiturausgabe von 1878 hat keine einleitende Sinfonia), und daß es einen von der Aufführungspartitur abweichenden Anfang hat. Noch vor der Uraufführung hat Händel diesen Anfang offensichtlich überarbeitet, um die Dramaturgie zu verbessern. Die Partitur wurde von römischen Kopisten angefertigt und zweifelsfrei für das ausgeschriebene Stimmenmaterial genutzt. Der Text ist mit dem des gedruckten Librettos identisch.


    Bis in unsere Zeit wurde die Aufführungspartitur nie gründlich untersucht, insofern gab es auch keine Beweise für die tatsächlich gespielten Nummern. Die Editionen von Arnold (um 1796) und Chrysander (von 1878) gaben lediglich die Version des Autographs wieder. Die jetzt innerhalb der Hallischen Händel-Ausgabe edierte Fassung ist die erste vollständige kritische Edition von Händels außergewöhnlichem Oratorium, das man als eines der besten Werke des jungen Händel bezeichnen kann. Der Anhang des Bandes enthält die musikalischen Nummern, die Händel in seiner Revision verwarf.


    Der Autor des Librettos war Carlo Sigismondo Capece (1652–1728), der auch die Texte zu den Opern „Tolomeo“ und „Orlando“ schrieb, die Händel mehr als zwanzig Jahre später vertonte. Capeces Text zu LARESURREZIONE basiert einerseits auf dem Johannes-Evangelium (in dem der Evangelist angibt, selbst am Grab gewesen zu sein), und der Überlieferung von Christi Höllenfahrt aus dem apokryphen Nikodemus-Evangelium.


    Dieses Evangelium ist eines jener christlichen Texte, die das religiöse Leben maßgeblich bis ins 16. Jahrhundert geprägt haben. Inhaltlich lassen sich drei Teile eines Gesamttextes ausmachen, in dem die Gefangennahme Jesu, sein Prozess und die Kreuzigung, die Inhaftierung und Befreiung des Joseph von Arimathia sowie der Abstieg Christi in die Unterwelt dargestellt werden. Der vorangestellte Prolog setzt die Geschehnisse in das 19. Regierungsjahr von Kaiser Tiberius, am 8. Tag vor den Kalenden des April, dem 25. März.


    Der als Ergänzung im 6. Jahrhundert entstandene Abstieg Jesu in die Hölle (Descensus ad inferos) berichtet in mythischen Versen, daß die Unterwelt Jesus Christus als Wohnort diente, aus der er nicht nur viele biblische Gestalten errettete und ins Paradies führte, sondern damit auch die Macht Satans endgültig brach.


    © Manfred Rückert für Tamino-Oratorienführer 2012
    unter Hinzuziehung folgender Quellen:
    Libretto aus der Harmonia Mundi Aufnahme unter Nicholas McGegan
    Scheibler/Evdokimova: Händels Oratorien
    Bibellexikon: Das Nikodemus-Evangelium

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    Aufgenommen im Muziekcentrum Enschede am 26.04.2001 (inkl. Doppel-CD mit dem kompletten Oratorium); mit Argenta, Mertens, Kiehr, Reijans, Mijanovic; Combattimento Consort Amsterdam, Vriend
















    Künstler: Nancy Argenta, Barbara Schlick, Guillemette Laurens, Guy de Mey, Klaus Mertens, Amsterdam Baroque Orchestra, Ton Koopman











    Das nebenstehende Angebot enthält den "Messias" und auch "Le Resurrezione"; die "Johannes-Passion" wird Händel zugeschrieben...

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