HÄNDEL, Georg Friedrich: JOSHUA


  • Georg Friedrich Händel (1685-1759):


    JOSHUA
    Oratorium in drei Teilen für Soli (SSATB), Chor (SATB) und Orchester, HWV 64
    Libretto (vermutlich) von Thomas Morell


    Uraufführung am 9. März 1748 im Covent Garden Theatre


    DRAMATIS PERSONAE


    Joshua - Tenor
    Caleb - Baß
    Othniel - Alt (Altus)
    Achsa, seine Tochter - Sopran
    Ein Engel - Sopran



    INHALTSANGABE


    Erster Teil


    Die einleitende Sinfonia ist eine der kürzesten, die Händel für eines seiner Oratorien komponiert hat (ein Indiz dafür, daß der Komponist schnellstmöglich in die Handlung einsteigen wollte?) und führt unmittelbar zum Eröffnungschor.


    Das Volk Israel läßt in diesem ersten Chorsatz „Ye sons of Israel“ (Ihr Söhne Israels) nicht nur der Freude über die Eroberung Kanaans freien Lauf, sondern dankt Jehovah auch für seine Hilfe. Mit der Überquerung des Jordans ist schließlich auch die vierzig Jahre dauernde Wanderschaft durch die Wüste endlich zu Ende gegangen. Joshua aber erinnert sein Volk daran, daß ihnen der Lohn durch Vertrauen auf Jehovah zuteil wurde und weist zusätzlich darauf hin, daß auch die Väter diesen Erfolg hätten genießen können - wären sie nicht dem Glauben an den einen, wahren Gott abtrünnig geworden.


    Caleb schmeichelt Joshua, nennt sein Wirken segensreich, mutig und vollkommen; dann vergleicht er ihn sogar mit Moses und bittet in der Arie „Oh first in wisdom“ (Führend in Weisheit und Macht) Jahwe um Segen für das „geheiligt Haupt“. Er fügt noch hinzu, daß die Nachbarvölker Israels wegen eines solchen Helden neidisch auf des Volkes Freiheit und Glück blicken.


    Für einen Stimmungsumschwung sorgt Calebs Tochter Achsa; sie ruft die Mütter und Mädchen zum Gebet für Joshua auf. Auch ihr ist es wichtig, an Moses, den Empfänger der Gesetzestafeln und Befreier aus ägyptischer Fron zu erinnern, in dessen Nachfolge sie ganz offensichtlich Joshua sieht. Ihr Solo „Oh, who can tell“ (Oh! Wer kann sprechen), in dem sie die jahrhundertelangen Leiden in der ägyptischen Gefangenschaft der Freude über die Einwanderung in das gelobte Kanaan gegenüberstellt, ist durch Soli für Violine und Cello ein recht auffälliges Stück Musik.


    Joshua erteilt Caleb den Befehl, aus den Stämmen je einen Gerechten auszuwählen, die in Gilgal ein Monument errichten sollen, daß auch künftigen Generationen als Mahnung an die Wunder bei der Jordan-Überquerung dienen soll (Buch Josua, Kapitel 3). Das Rezitativ leitet unmittelbar in den Chorsatz „To long posterity we here record“ (Der Nachwelt geben wir jetzt kund) über, in dem Joshuas Gedanke vom Volk nicht nur bestätigt wird, sondern auch die Erinnerung an das „schreckensvolle Jordan-Wasser“ und Gottes Hilfe plötzlich wieder hochkommt. In Joshuas folgender Arie „While Kedron’s brook“ (Solange Kedrons Fluß) stellt Händel das Bild des fließenden Wassers recht anschaulich dar.


    Mit Achsas Verlobtem Othniel tritt jetzt auch ein Engel auf, der den jungen Krieger erst erschreckt, dann durch eine anmutige und gleichzeitig majestätische Haltung beruhigend auf ihn einwirkt. Mit „Awful, pleasing being, say“ (In Ehrfurcht, schönes Wesen) spricht Othniel den Engel an und will wissen, ob er Feind oder Freund ist. Doch der überhört Othniels Frage, wendet sich dagegen direkt an Joshua und offenbart ihm, im höchsten Auftrag gekommen zu sein. Da Joshua auf heiligem Boden stehe, solle er seine Schuhe ausziehen und die Botschaft hören: Jahwe hat beschlossen, daß Jericho durch seine Hand fallen und zerstört werden soll. Die Götzenpriester und der heidnische Tyrann mit seinem Anhang sind zu töten und deren Asche in alle Winde zu zerstreuen!


    Joshua, der bisher eher durch große Selbstsicherheit aufgefallen ist, zeigt sich plötzlich ehrerbietig und ordnet mit seiner Arie „Haste, Israel, haste“ (Auf, Israel, auf) an, den Vernichtungsauftrag Jahwes auszuführen. Der Befehl wirkt sich unmittelbar auf Volkes Stimme aus: der Chor „The Lord commands, and Joshua leads“ (Der Herr befiehlt und Joshua führt) hat militärischen Charakter.


    Nach dieser kriegerischen Szene bringt Händel mit dem Othniel-Accompagnato „In these blest scenes“(Im gelobten Land) eine besondere musikalische Kostbarkeit: Während der junge Mann zu seiner Braut Achsa unterwegs ist, schwärmt er von der neuen Heimat, in dem ewige Freude herrscht, in dem alles grünt und blüht. Als die beiden Verliebten endlich zusammentreffen, lassen sie jeden Realitätssin fallen und geben sich ihrem Glücklichsein hin. Achsas Arie „Oh Othniel, valiant youth“ (Oh Othniel, edler Jüngling) ist so berückend schön wie dem kriegerischen Umfeld unangemessen - wie auch das folgende Solo „Hark! ’tis the linnet and the trush“ (Horch! 's ist der Hänfling, 's ist die Drossel), zu dem Händel mit imitierenden Vogelrufen eine musikalische Entsprechung für Morells Text findet. Eine Stimmungsszene pastoral-heiteren und lebensfrohen Charakters, wie es im Barock geliebt wurde, in einem ansonsten kriegerischen Werk. Auch das Duett des Liebespaares „Our limpid streams“ (Frei fließen unsere klaren Bäche) gehört noch zu dieser Grundstimmung, dann aber holen kriegerische Trompetenklänge Othniel und Achsa aus ihren Träumen in die Realität zurück. Der junge Mann ist nun nicht mehr zu halten, er möchte die junge Frau, die er mit allen möglichen Blumen vergleicht, bald nach Jerichos Fall heiraten. Der Chor darf dem zukünftigen Helden für die bevorstehenden Schlacht noch Glück wünschen: „May all the host of heav'n attend him round“ (Mögen die himmlischen Heerscharen ihn beschützen) und damit den ersten Teil des Oratoriums beenden.


    Zweiter Teil


    Ohne das berühmte Händelsche Pompeo, das hier zu erwarten wäre, lediglich mit einem einfachen Rezitativ beginnt der zweite Teil: Die Belagerung Jerichos durch Joshua dauert nun schon sechs Tage; jetzt, am siebten Tag, befiehlt er den endgültigen Angriff. Und hier kommt Händel doch zu seinem Pompeo: Zu einem „Solemn March“ wird die Bundeslade um die Stadt getragen (das Thema entnahm Händel einem Rigaudon aus Gottlieb Muffats „Componimenti“). Dieser Marsch leitet über in den großartigen Chor „Glory to God!“ (Ehre sei Gott!), den Joshua zunächst mit dahinströmenden Koloraturen einleitet, ehe Jerichos Fall berichtet wird: Die wankenden Mauern malt Händel mit hartnäckig punktierten Orchester-Rhythmen; im Mittelteil, einem h-Moll-Adagio, zeichnet der Komponist die im Text erwähnten „donnernden Himmel“ und die „tosenden Stürme auf der stöhnenden Erde“ durch tiefe Töne im Blech und Zweiunddreißigstelläufe in den Streichern plastisch nach.


    Der Fall Jerichos läßt Caleb triumphierend befehlen, die übriggebliebenen Reste der Stadt zu brandschatzen und alles noch Lebende zu vernichten, nur einen gewissen Rahab, der stets „wohlgesonnen“ war, zu verschonen. Und Achsa darf in einer Arie ihr Volk daran erinnern, daß dieser Triumph nicht ewig halten werde und nur Gottvertrauen ein ewig währender Fels sei: „To vanity and earthly pride“ (Wie Eitelkeit und Menschenstolz) versieht Händel mit einer schlichten Melodie. Joshua geht auf Achsas Mahnung nicht ein; er will ein Fest begehen, daß für immer und ewig mit „ausbluten das Lamm“ und „backen ungesäuert Brot“ an diese Zeiten erinnern soll.


    Der folgende Chorsatz „Almighty ruler of the skies“ (Almächtiger Herrscher aller Himmel) beweist abermals Händels große musikalische Geisteskraft, wenn die Musik alle zum gemeinsamen Passahfest zusammenführt, bei dem man Gott für seine Hilfe dankt. Und es wird auch an die vielen Segenstaten Jahwes für Israel erinnert: die Erstgeburten in Ägypten wurden geschlagen, am Roten Meer schenkte Gott seinem Volk das Wunder der Vernichtung des ägyptischen Heeres in den zusammenstürzenden Fluten, in der Wüste gab er ihnen Manna zum Überleben und - ganz besonders wichtig! - Mose erhielt am Sinai das göttliche Gesetz. Das alles wird durch nacheinander einsetzende Chor- und Solostimmen über einem Basso ostinato mit großer Pracht durch volles Orchester ausgestaltet.


    Alle haben inzwischen Achsas Mahnung vergessen und sind erstaunt über eine schlechte Nachricht Calebs, der mitteilt, daß ein Trupp Soldaten, der die Befestigung von Ai auf die Probe stellen sollte, in die Flucht geschlagen wurde. Und schon beginnt Israel wieder zu klagen und Händel nutzt die Gelegenheit, einen seiner vielen Trauerchöre einzusetzen, der hier durch Flötenklang seine Wirkung auch tatsächlich nicht verfehlt: „How soon our tow’ring hopes are cross’d“ (Wie schnell ist alle Hoffnung dahin).


    Nun muß Joshua die verzweifelten Truppen wieder aufrichten, und er erinnert sie mit der Arie „With redoubled rage return“ (Wir kommen mit erneuter Wut zurück) an den großen Erfolg vor Jericho, den der Chor mit gleichem Text begeistert und bestätigend aufnimmt. Das Selbstvertrauen ist damit wiederhergestellt und der Krieger Othniel hält es in dieser Situation doch für angebracht, an eine Atempause zu denken. Nicht uneigennützig, denn die geliebte Achsa will ihm nicht aus dem Kopf. Die Melodie seiner Arie „Heroes then with glory burning“ (Wenn Helden vor Ruhm erglühen) ist eine tändelnde Gavotte, die seinen Seelenzustand gut abbildet.


    Natürlich ist er mit seiner Sehnsucht nicht allein, auch Achsa kann es kaum erwarten, den Geliebten wiederzusehen; sie äußert ihre Erwartung mit den blumigen Worten „As cheers the sun“ (Wie die Sonne zarte Blumen nährt) und Händel weiß den Text abermals musikalisch auszudeuten: wenn sie von „Regenschauern“ singt, malen die Streicher durch abfallende Ton-Sequenzen anschaulich die fallenden Regntropfen.


    Caleb aber sieht sich gezwungen, Othniel zur Raison zu rufen, denn noch ist der Sieg nicht endgültig. Er schickt also seine Tochter fort und verlangt von Othniel erneut kriegerischen Einsatz. Hintergrund ist die überbrachte Nachricht, daß die Gibeoniter, die sich ihnen in den Auseinandersetzungen zur Seite gestellt haben, von einem kanaanitischen Bund unter dem König von Jerusalem, Adoni-Zedeck, bedroht werden. Seiner Arie „Nations, who in future story“ (Völker, die in Zukunft glorreich sich sollen nennen dürfen) hat Händel eine einfach-edle Melodie mitgegeben.


    Joshua äußert sich über dieses Bild der Einheit mehr als erfreut, wird in seinem Rezitativ aber von einer kriegerische Fanfare unterbrochen. Caleb ruft umgehend alle Krieger auf, der Fanfare mit „Jehovah!“ in den Kampf zu folgen.


    Der nun folgende Chorsatz „Oh thou bright orb“ (Oh Sonne! Herrscherin des Tages!), in den auch Joshua einstimmt, ist wieder einer jener originellen Sätze Händels, in dem anschaulich der erbetene Stillstand der hoch am Himmel stehenden Sonne eingefordert wird: schwirrende Sechzehntelläufe der ersten Geigen bleiben plötzlich auf dem zweigestrichenen A neun Takte lang liegen, ehe der Ton auch von den Oboen und einer Solotrompete übernommen wird und dann über dreiundzwanzig Takte gehalten werden muß, jenen Sonnenstillstand andeutend. Friedrich Chrysander hat Händels Notierung dieser Stelle mißtraut, gleichwohl in seiner Partiturausgabe die originalen Angaben übernommen. Er schlägt aber an anderer Stelle vor, jene „Tour-de-force“ für den Trompeter auf zwei Solisten zu verteilen. Bei der Textstelle „Breathless they pant, they yield, they fall, they die“ (atemlos keuchen sie, sie weichen, fallen, sterben) darf dann der Solotrompeter endlich (und ganz sicherlich dankbar) schweigen. Mit Gottes Hilfe ist also erneut der Feind besiegt worden, Israel sieht einer ruhigen Zukunft entgegen.


    Dritter Teil


    Nach der Wunderszene mit dem Stillstand der Sonne zu Ende des zweiten Teils, die von Händel packend vertont wurde, ist der dritte Teil im Grunde nichts anderes als ein freudiger Ausklang des bisherigen Geschehens. Joshua hat durch Gottes Hilfe seine geschichtliche Position durch die Siege gegen die Kanaaniter gefestigt. Und so sieht es auch das israelitische Volk gleich zu Beginn: „Hail mighty Joshua“ (Heil dir, mächtiger Joshua) ist ein jubelnder Dankgesang, in dem die Überzeugung geäußert wird, daß noch die Kindeskinder Joshuas ruhmreiche Taten dankbar preisen werden.


    Auch Achsa darf ihre Freude mit „Happy, O thrice happy we“ (Glücklich, dreifach glücklich wir) ausdrücken. Danach läßt Joshua nach den Stammesältesten schicken; denen schlägt er vor, die eroberten Gebiete unter den Stämmen aufzuteilen. Caleb erinnert den „großen Hauptmann“ an seinen Anteil an der Eroberung von Hebron und Joshua überläßt ihm und seinem Stamm der Judäer sofort dieses Land. Caleb zeigt sich dankbar, denkt aber mit „Shall I in Mamre’s fertile plain“ (Darf ich in den fruchtbaren Ebenen Mamres) über sein fortgeschrittenes Alter nach.


    Othniel lobt Caleb als einen der Großen, den die Freunde preisen und die Feinde fürchten, erinnert ihn aber gleichzeitig an die noch nicht eroberte Stadt Debir, die Heimstatt „des Riesen“. Calebs Antwort ist auf die Zukunft gerichtet: er hält die Zeit für gekommen, seine Aufgaben in jüngere Hände zu legen. Anspornend für Othniel ist das Zusatzversprechen Calebs, daß derjenige, der Debir einnimmt, Achsas Hand erhalten soll. Das aufrüttelnde „Place danger around me“ (Laß Gefahren um mich sein) ist Othniels Siegesgesang für einen zwar noch nicht errungenen Sieg, der aber für ihn unter diesen Aussichten außer Zweifel steht.


    „Father of mercy“ (Vater des Erbarmens) ist das berührend-einfache Gebet der Israeliten um Othniels Kriegsglück. Kaum, daß dieses Gebet verklungen ist, verkündet Joshua auch schon den Sieg Othniels: „In bloom of youth“ (In seiner Jugendblüte hat der Jüngling es vollbracht).


    Und dann erklingt jener Siegeschor, der das Publikum von jeher elektrisiert hat: „See the conqu’ring hero comes“ (Seht, er kommt, mit Ruhm gekrönt). Händel war sich bestimmt von Anfang an bewußt, daß dieses einfache Stück Musik ein Volltreffer ist; er hat daher, durchaus geschäftstüchtig handelnd, diesen dreiteiligen Chorsatz bewußt in das wesentlich erfolgreichere Oratorium „Judas Maccabaeus“ übernommen. Nüchtern betrachtet ist der Aufbau von erschreckender Einfachheit: der erste Vers wird durch den Chor der Jünglinge, nur „tasto solo“ begleitet, dem sich allerdings zwei Hörner zugesellen (leise, als ziehe das Heer aus der Ferne heran), im zweiten Vers, von zwei Sopranen gesungen (was Friedrich Chrysander verleitete, hier von einem „Chor der Jungfrauen“ zu schreiben), begleiten zwei Flöten die Orgel und im dritten Vers kommt unter Wegfall der Hörner das volle Orchester zum Vollchor hinzu. Interessant ist in diesem Zusammenhang Händels Anweisung an den „Tamburo“ in der Partitur: „ad libitum; beim zweiten Mal schmetternd“.


    Caleb ist sehr zufrieden mit Othniel, den er seinen „guten und großen Sohn“ nennt. Er gibt ihm, wie versprochen, seine Tochter Achsa zur Frau. Natürlich hat der junge Krieger nichts anderes erwartet, aber er hält sich an die Gepflogenheiten und dankt Caleb für die ihm erwiesene Gnade. Auch Achsa ist hocherfreut und verleiht beseligt ihrer Wonne Ausdruck mit der berühmt gewordenen Arie „Oh had I Jubal’s lyre“(Oh hätt' ich Jubals Harf' und Mirjams süßen Ton), eine der wunderbarsten Arien mit geschliffenen Koloraturen aus Händels Feder. Aber das Stück entstand schon vierzig Jahre früher, es findet sich erstmals im „Laudate pueri“ von 1706/1707, und wurde nach „Josua“ auch in „Solomon“ eingesetzt. Zur Textfassung gibt es, wie aus dem Manuskript Händels zu ersehen ist, eine interessante Variante: Morell schrieb ursprünglich „Oh had I Jubal’s sacred lyre“, und Händel hat diese Zeile auch tatsächlich zunächst so in Musik gesetzt, ehe er feststellte, daß er mit dem Auslassen des Wortes „sacred“ einen besseren Verstakt erzielen konnte.


    Bevor das Oratorium mit dem Schlußchor „The great Jehovah is our awful theme“ (Wir huldigen Jehovahs großem Namen) endet, gelobt Othniel seiner Achsa, ein gemeinsames Leben in Dankbarkeit führen zu wollen. Beide äußern ihre gegenseitige Verliebtheit in dem Duett „Oh peerless maid“ (Oh schöne Maid), ehe Caleb als „Elder Statesman“ Israels, Joshua als Vorbild eines gerechten Anführers bezeichnet, dem Lobeshymnen zu singen große Freude und Dankbarkeit ausdrücke. Genau diesem Lob folgt aber das Volk nun nicht; Israel gedenkt dagegen Jehovah, seiner allumfassenden Macht, mit einer feierlichen Hymne, homophon zunächst, die dann aber zu einer polyphonen Struktur findet, die beim „Hallelujah“ sogar mit triumphalen Blechbläser-Fanfaren abgeschlossen wird.



    INFORMATIONEN ZUM WERK


    Unter den späten Oratorien Händels war JOSHUA zwar eines der erfolgreicheren, hat aber die damalige Wirkung von „Samson“ beispielsweise nicht erreicht. Und noch erfolgreicher war „Judas Makkabäus“. Händels gewohnte Arbeitsweise ließ ihn JOSHUA innerhalb kurzer Zeit vollenden: am 19. Juli 1747, zwei Wochen nach Vollendung des „Alexander Balus“, begann er die Komposition und beendet den ersten Teil am 30. Juli, den zweiten bereits am 8. August und setzte dann am 19. August sein S(oli) D(eo) G(loria) unter die Partitur.


    Händels Orchesterbesetzung deutet auf eine gute finanzielle Absicherung hin. Neben den üblichen Streichern, Oboen und Fagotten waren noch je zwei Flöten, Trompeten, Hörner und Pauken im Einsatz. Gerade das Blech und die Pauken sind für die überwältigendsten Passagen von JOSHUA enorm wichtig. Die dem Sujet innewohnende Dramatik hat der opernerfahrene Händel natürlich gerne aufgenommen: der Einsturz der Mauern von Jericho, die Zerstörung der Stadt durch das Feuer, Joshuas durch Jahovah verliehene Fähigkeit, Sonne und Mond zum Stillstand zu bringen und ein Heer niedergeschlagener Krieger aufzurütteln, ganz zu schweigen von der triumphalen Rückkehr des Helden aus der Schlacht - das bietet Händel Gelegenheit zu mannigfaltigen Ausschmückungen. Übrigens war Joseph Haydn bei einer Aufführung 1791 in der Westminster Abbey stark beeindruckt von dem gewaltigen Donnerchor, den Händel bei Jerichos Fall komponiert hat. Er äußerte, die Musik sei ihm „zwar vertraut gewesen, er sei sich jedoch ihrer Wirkung“ nur halb bewußt gewesen, ehe er es zu hören bekam. Er zeigte sich überzeugt, daß nur ein Genie wie Händel eine so überragende Komposition verfaßt haben und „in aller Zukunft“ verfassen könne.


    Interessant ist der Blick in Händels erhalten gebliebene Bankauszüge zur Zeit des JOSHUA. Die belegen, daß er nach der ersten Aufführung 300 Pfund einzahlte, nach der zweiten immerhin noch 200, nach der dritten allerdings nur noch 100 Pfund. Was wir nicht wissen: wieviel zahlte er seinem Orchester? Nachweisbar sind allerdings auch seine Abhebungen: 990 Pfund am 19. März 1748, und Anfang Mai noch eine Anlage von 4500 Pfund in Rentenpapieren. Es ist festzuhalten, daß die Frühjahrssaison für Händel sehr erfolgreich gewesen sein muß.


    Was die Außenwirkung von JOSHUA angeht: Am 13. März 1749 wurde im „General Advertiser“ ein offener Brief abgedruckt, der sich für eine Wiederaufnahme des JOSHUA aussprach. Händel folgte jedoch diesem Wunsch nicht sofort, sondern erst 1752, nachdem er das Werk umgearbeitet hatte, darunter die Erweiterung der Ouvertüre um die Fuge und Courante aus „Salomo“. 1754 gab er eine weitere Einzelvorstellung mit fünf zusätzlichen Stücken, von denen vier aus dem „Gelegenheitsoratorium“ entlehnt wurden.


    Weitere Aufführungen fanden 1754 in Salisbury, 1756 in Oxford, außerdem 1755 und 1759 in London statt, wenn auch dort nicht mehr unter Händels Leitung. Auch in späteren Zeiten wurde das Werk immer wieder aufgeführt: JOSHUA war 1759, 1769, 1773 und 1781 beim „Three Choirs Festival“ zu hören, 1766, 1768 und 1773 im Oxford Music Room, 1777 in Salisbury und zwischen 1770 und 1783 mindestens viermal in Winchester.


    Im 19. Jahrhundert wurde es 1827 und 1832 in Berlin aufgeführt, und 1839 spielte die „Sacred Harmonic Society“ JOSHUA in London, was eine Aufführungsserie in Holland, Deutschland und England nach sich zog. 1835 erstellte Felix Mendelssohn-Bartholdy eine eigene Fassung des Oratoriums.


    © Manfred Rückert für Tamino-Oratorienführer 2012
    unter Hinzuziehung folgender Quellen:
    Libretto der Robert-King-Aufnahme (Hyperion)
    Oratorienführer von Pahlen, Oehlmann, Scheibler/Evdokimova
    Hans Joachim Marx: Händels Oratorien, Oden und Serenaten - Vandenhoeck & Ruprecht

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    MUSIKWANDERER

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  • Robert King dirigiert; es singen und spielen The King's Consort, The Choir of New College Oxford; in den Partien sind zu hören Achsah: Emma Kirkby, Angel: Aidan Oliver, Caleb: Michael George, Josua: John Mark Ainsley, Othniel: James Bowman


    mit James Gilchrist in der Titelrolle, Konstantin Wolff als Caleb, Myung-Hee Hyun als Achsah, Alex Potter als Othniel, Georg Poplutz, Engel; es singt der Kölner Kammerchor, es spielt das Collegium Cartusianum unter Peter Neumann


    eine Aufnahme aus dem Kloster Maulbronn; es singen Miriam Allan (Sopran), David Allsopp (Countertenor), Mark LeBrocq (Tenor), James Rutherford (Baß), es spielt die Hannoversche Hofkapelle, es singt der Maulbronner Kammerchor. Die musikalische Gesamtleitung hat Jürgen Budday


    mit Catherine Manley als Achsa, Alexandra Gibson als Othniel, Allan Clayton als Joshua, George Humphreys als Caleb und Richard Rowntree als Engel; Laurence Cummings leitet die London Handel Singers und das London Handel Orchestra

    Das sind Aufnahmen, die bei den Tamino-Werbepartnern Amazon und jpc erhältlich sind. Nicht mehr zu haben ist wohl die 1993 entstandene Einspielung unter Rudolph Palmer, der das Brewer Baroque Chamber Orchestra und die Palmer Singers mit den Solisten Julianne Baird als Achsa, John Ostendorf als Caleb, John Aler als Joshua und D'Anna Fortunato als Othniel dirigierte.

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    MUSIKWANDERER

  • Vorgestern Abend hörte ich auf ORF Ö1 eine großartige Aufführung dieses Werkes. In einem Mitschnitt vom Festival Musica Sacra aus dem Dom von St. Pölten musizierten unter der Leitung von Otto Kargl die Cappella Nova Graz, die Domkantorei St. Pölten und das L’Orfeo Barockorchester.


    Diese Liveaufnahme kam sogar vor einigen Tagen als ORF Ö1 CD heraus:


    http://oe1.orf.at/shop/


    Beides, die Aufführung und das Werk, kann ich jedem wärmstens ans Herz legen, der sich für barocke Chor- oder auch Opernkunst begeistert. Denn Händel packt hierin seine ganzen dramatischen Fähigkeiten. Musikalisch ist das Werk sehr interessant und abwechslungsreich, besonders in den Chorsätzen, die ja bereits Joseph Haydn schwer begeisterten. Auch für die Freunde lyrischer Barockmusik bleibt kein Wunsch offen und kein Auge trocken. Also eine warme Empfehlung, die man glücklicherweise noch bis 14. 12. 2014 online hören kann:


    http://oe1.orf.at/konsole?show=ondemand
    von: Montag, 8. 12. 2014, 19:30


    Viel Vergnügen !
    :) Bachiania :)

    Man sagt, wenn die Engel für Gott spielen, so spielen sie Bach, füreinander aber spielen sie Mozart.
    (Sir Isaiah Berlin)