Wer war denn eigentlich dieser Joseph Haydn?

  • Sechs Jahre nach Start des Zwillingsthreads


    Wer war denn eigentlich dieser Beethoven ?


    setze ich die angedachte Serie - spät aber doch - mit Joseph Haydn fort. Jeder kennt ihn, hat Werke von ihm gehört, schätzt ihn - oder schätzt ihn nicht. Manche nennen ihn mit Mozart - seinem Freund -in einem Atemzug. Manche finden ihn antiquert - wie Beispielsweise schon Robert Schumann in seiner Eigenschaft als Kritiker. Aber über seinen Charakter, seine Vorlieben, Stärken und Schwächen - da wissen wir relativ wenig, oder sollte ich mich da irren?
    War Haydn berühmter als Mozart oder gleichbedeutend? Wie ist sein Stellenwert - gemessen an Mozart und Beethoven - eigentlich HEUTE ? Im Allgemeinen Wird der Mensch Haydn als "graue Maus" geschildert, er eignet sich anscheinend nicht für Geschichten die der Vermarktung seiner Musik nützen. Wer waren Haydns Kontaktpersonen - Fragen über Fragen,.....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Von mir an dieser Stelle eine erste Einschätzung von Joseph Haydn:


    Auf jeden Fall, meine ich jedenfalls der Biographie im Bücherregal zu entnehmen, war Haydn ein humorvoller und auch liebenswürdiger Zeitgenosse. Wenn ich an einige der musikalisch-witzigen Einfälle in seinen Sinfonien denke, könnte ich mir sogar vorstellen, ihn als einen „Lausbub“ zu bezeichnen.


    Außerdem hat er sich in der jahrzehntelangen Arbeit in Schloß Esterházy besonders bei den Musikern beliebt gemacht, weil er ihre Anliegen bei Hofe mit der nötigen Verve, wenn wohl auch mit dem zeitbedingten höfischen Ton vertrat. Die Abgeschiedenheit dort in Esterházy mag ihn einige Zeit wirklich zu einer „grauen Maus“ gemacht haben, aber bestimmt nicht für lange Zeit.


    Wenn ich einen Blick auf die ihm erwiesenen Ehrungen werfe, kann ich mir auch vorstellen, daß dieser Mann eine Berühmtheit gewesen sein muß (jahresmäßig aufsteigend notiert):


    1798 Mitglied der königlich schwedischen Akademie -
    1803 Salvatormedaille der Stadt Wien -
    1804 Wiener Ehrenbürger -
    1805 Berufung ans Pariser Conservatoire -
    1808 Ehrenmitglied der Philharmonischen Gesellschaft in St. Petersburg.
    Früher war er, was die Österreicher bestimmt besser wissen, auf einer Schilling-Banknote abgebildet.


    Ich weiß nicht, ob diese Aufzählung ausreicht oder ob es nur ein Teil der Auszeichnungen ist, es zeigt aber seine Berühmtheit auf.


    Liebe Grüße

    .


    MUSIKWANDERER

  • Haydn war spätestens Mitte/Ende der 1770er Jahre europaweit berühmt und als einer der führenden Komponisten anerkannt. Schon vor dem Auftrag für die Pariser Sinfonien (komponiert 1785/86) schrieb er bereits die Sinfonien 76-78 (ca. 1782) für eine geplante Englandreise.
    Das Stabat Mater von 1767 war wohl das erste Werk, das seinen Namen überregional bekannt machte.
    So bescheiden uns heute vielleicht die Position bei Eszterhazy vorkommen mag, wenn man Haydns Herkunft bedenkt, war das in jedem Falle ein deutlicher Aufstieg. Und nach der ersten Londonreise war er endgültig der berühmteste Instrumentalkomponist Europas und finanziell unabhängig geworden.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Haydn war spätestens Mitte/Ende der 1770er Jahre europaweit berühmt und als einer der führenden Komponisten anerkannt.


    Das sei unbestritten. Aber es ergeben sich doch ein paar Fragen. Wie konnte er so berühmt werden in all der Abgeschiedenheit, wogegen Bocchrini - von seinem spanischen Dienstherrn geradezu vergöttert - und gerade DESWEGEN ebenso isoliert wie Haydn - weitgehend unbekannt blieb - bis ins 20. Jahrhundert.
    Die Frage ist NICHT, wieso Boccherini nicht berühmt wurde (heute ist er es ja) sondern wieso dies Haydn möglich war.
    Sicher - er war ein großartiger Komponist, aber er hatte - will man den üblichen Quellen glauben - kaum etwas charismatisches an sich. Angeblich war Haydn ein bescheidener, unauffälliger, jovialer Mann - ohne hervorstechende Eigenarten. Nicht modiach, exaltiert oder extravagant, kein Frauenheld, kein Mann von Skandalen. Eigentlich nicht aus dem Holz geschnitzt wo man Karriere macht...
    Die nächste Frage wäre, wer zu Lebzeiten den höheren Stellenwert genoss - Haydn oder Mozart - und wie sich das der Nachwelt präsentierte.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Nun kann man wohl sagen, dass Haydns berühmter Ausspruch ein gehöriges Maß an Koketterie beinhaltet. Er war nicht so isoliert, wie es sich anhört und schon gar nicht auf Esterhaza "weggesperrt". Als es fertiggestellt wurde, war er schon fast zwanzig Jahre in den Diensten des Fürsten. Außerdem war Esterhaza ja nur Sommersitz, Frühjahr und Herbst wurden teilweise im Stammschloss in Eisenstadt verbracht und für die kalte Jahreszeit gab es die Winterresidenz in Wien. Haydn verbrachte also jedes Jahr mehrere Monate in Wien, wo er natürlich seine Kontakte pflegen konnte (bekanntlich auch mit Mozart). Dazu kam die Tatsache, dass er beileibe nicht alles für den Fürsten komponierte, sondern einen Teil gezielt für Veröffentlichungen. Auf diese Weise wurde er nicht nur durch seine Anwesenheit in Wien bekannt, sondern über seine gedruckten Partituren in ganz Europa. Und damals wurde Qualität sehr wohl erkannt und geschätzt....


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich habe mich über diesen Satz gewundert -


    Manche finden ihn antiquert - wie Beispielsweise schon Robert Schumann in seiner Eigenschaft als Kritiker.

    weil ich mir das nicht vorstellen konnte. Und doch habe ich diese kritische Bemerkung - zumindest als auszugsweises Zitat - gefunden. Es findet sich in einer Rezension über eines der von Mendelssohn veranstalteten „Historischen Konzerte“ 1841 in Leipzig. Darin nennt Schumann das Programm zwar „mannigfaltig“, meint aber gleichzeitig, daß der Abend „so manchen ermüdet“ habe. Als Begründung führt er an, daß Haydns Musik immer viel gespielt wurde, weshalb man „nichts neues mehr von ihm erfahren“ kann. Noch deutlicher wird der Romantiker im Schlußwort:
    „Er ist wie ein gewohnter Hausfreund, der immer gern und achtungsvoll empfangen wird; tieferes Interesse aber hat er für die Jetztzeit nicht mehr.“


    Dies nur als Ergänzung zum obigen Zitat von Alfred - vielleicht kennen (kannten) es ja andere Taminos auch nicht...

    .


    MUSIKWANDERER

  • Josef Haydn ist für mich der Komponist, mit dem uns unser Musiklehrer in der 8. Klasse (er hieß Robert Hanell und war der Vater des Dirigenten gleichen Namens - übrigens wo gibt es heute noch Musikunterricht in den Schulen?) bekannt machte. Ich hatte gelernt, daß er unendlich fleißig war, eine Vielzahl an Sinfonien geschrieben hat, div. kammermusikalische Werke, Opern und Oratorien. Zur Krönung spielte uns Herr Hanell auf dem Klavier den Anfang der "Sinfonie mit dem Paukenschlag" vor. Das war 1955 - und es ist bis heute im Gedächtnis geblieben.


    In der Zwischenzeit gehört Haydn zwar nicht zu meinen Favoriten, aber ich freue mich immer, wenn ein Werk von ihm im Konzert erklingt. Seine Bedeutung ist sicher größer, als die Zahl seiner Aufführungen in der deutschen Provinz aussagt. In Wien oder Eisenstadt wird das anders sein. Für mich ist er auch der Komponist der deutschen Hymne.



    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Für mich ist er auch der Komponist der deutschen Hymne.


    Darüber, lieber La Roche, könnte ein profunder Kenner sogar einen eigenen Thread starten:


    Zitat von Milletre

    PS: Heut' abend verfolgte ich ein tolles Fussballspiel, das mit der alt-österreichischen Kaiserhymne, komponiert von einem nicht unbekannten alt-österreichischen Compositeur (2.Satz aus op.76 Nr.3) eingeleitet wurde und bei dem die Schwarz-Weißen wie gewohnt furios gewannen.


    Am Donnerstag abend werde ich aufmerksam lauschen, ob zumindest die Harmonien des alt-österreichischen Compositeurs übernommen worden. Mir war, als hätte ich zu Beginn der letzten beiden Textzeillen jeweils Trompetensignale auf der V. Stufe gehört, die bei Haydn in op. 76 Nr. 3 nicht vorgesehen sind.


    Was nämlich die Musik Haydns im Laufe der Zeit für Mutationen - soll heißen: Bearbeitungen für die deutsche Nationalhymne - durchgemacht hat, ist schon erstaunlich oder besser: grauslich. Darin findet sich auch der immer wieder sich wandelnde Geschmack für nationales Auftrumpfen wieder, die in der Musik Haydns jedenfalls nicht a priori angelegt ist.

    .


    MUSIKWANDERER

  • Zu Beginn meiner Beschäftigung mit klassischer Musik stieß ich irgendwo - ob Booklet, Buch oder in einer Doku, weiß ich leider nicht mehr - auf die Aussage, Haydn hätte als Grundlage zur Komposition seiner Sinfonien kleine Texte bzw. Programme außermusikalischen Inhalts verfasst. Ich zweifle den Wahrheitsgehalt mittlerweile stark an, weil ich derartiges nirgends wieder bestätigt fand. Entspräche es aber den Tatsachen, würde es jedoch ein interessantes Licht auf sein Schaffen werfen. Weiß jemand von Euch genaueres dazu?

    "Geduld und Gelassenheit des Gemüts tragen mehr zur Heilung unserer Krankheiten bei, als alle Kunst der Medizin." (W.A. Mozart)

  • Zu Beginn meiner Beschäftigung mit klassischer Musik stieß ich irgendwo - ob Booklet, Buch oder in einer Doku, weiß ich leider nicht mehr - auf die Aussage, Haydn hätte als Grundlage zur Komposition seiner Sinfonien kleine Texte bzw. Programme außermusikalischen Inhalts verfasst. Ich zweifle den Wahrheitsgehalt mittlerweile stark an, weil ich derartiges nirgends wieder bestätigt fand. Entspräche es aber den Tatsachen, würde es jedoch ein interessantes Licht auf sein Schaffen werfen. Weiß jemand von Euch genaueres dazu?

    Aus den mir zugänglichen Biographien ist mir so etwas auch nicht bekannt geworden. Irgendwie will es mir nicht zum Bild, das ich mir von Haydn gemacht habe, passen. Ich weiß natürlich, daß diese Aussage kein allgemein gültiger Maßstab ist. Daß sich Haydn aber so grundsätzlich-programmatisch geäußert haben soll, will mir nicht in den Kopf. Aber die Frage von Lynkeus an die Haydn-Kenner bleibt zur Beantwortung noch offen...

    .


    MUSIKWANDERER

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Nun kann man wohl sagen, dass Haydns berühmter Ausspruch ein gehöriges Maß an Koketterie beinhaltet. Er war nicht so isoliert, wie es sich anhört und schon gar nicht auf Esterhaza "weggesperrt". Als es fertiggestellt wurde, war er schon fast zwanzig Jahre in den Diensten des Fürsten. Außerdem war Esterhaza ja nur Sommersitz, Frühjahr und Herbst wurden teilweise im Stammschloss in Eisenstadt verbracht und für die kalte Jahreszeit gab es die Winterresidenz in Wien. Haydn verbrachte also jedes Jahr mehrere Monate in Wien, wo er natürlich seine Kontakte pflegen konnte (bekanntlich auch mit Mozart). Dazu kam die Tatsache, dass er beileibe nicht alles für den Fürsten komponierte, sondern einen Teil gezielt für Veröffentlichungen. Auf diese Weise wurde er nicht nur durch seine Anwesenheit in Wien bekannt, sondern über seine gedruckten Partituren in ganz Europa. Und damals wurde Qualität sehr wohl erkannt und geschätzt....


    Dazu kamen Abschriften, Raubdrucke usw. Es gab einen ungeheuren Bedarf an Musik. Cooke hat in dieser Zeit zweimal die Welt umsegelt, Reisen war beschwerlich, aber durchaus möglich und es gab Postdienste.
    Außerdem war Boccherini, obwohl der in Spanien weiter ab vom Schuss war, natürlich ebenfalls europaweit bekannt. Er war meiner Erinnerung nach vorübergehend, sozusagen korrespondierend, auch Hofcompositeur des cellospielenden Preußenkönigs. Ich vermute, dass wohl auch die weitgehende Beschränkung auf Kammermusik bei Boccherini dazu beitrug, dass Haydn insgesamt berühmter wurde. Man bedenke, dass wesentliche Ereignisse, die Haydns Weltruhm festigten, die Aufträge aus Paris und London für *öffentliche*, eben nicht mehr nur höfische Konzerte gewesen sind.

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  • Was nämlich die Musik Haydns im Laufe der Zeit für Mutationen - soll heißen: Bearbeitungen für die deutsche Nationalhymne - durchgemacht hat, ist schon erstaunlich oder besser: grauslich. Darin findet sich auch der immer wieder sich wandelnde Geschmack für nationales Auftrumpfen wieder, die in der Musik Haydns jedenfalls nicht a priori angelegt ist.


    Klar hast Du damit Recht. Aber die Melodie ist geblieben. Und die Deutschen singen die 2. Strophe dazu. Natürlich hat Haydn nicht die deutsche Hymne komponiert. Seine Musik ist dazu gemacht worden. Ob er das gewollt hätte?


    La Roche

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    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Erlaube mir, lieber La Roche, eine kleine Korrektur, aber bitte mich nicht als Oberlehrer beschimpfen:


    Wir singen nämlich nicht "Deutsche Frauen, deutsche Treue, deutscher Wein und deutscher Sang, sollen in der Welt behalten ihre alten, schönen Klang" sondern "Einigkeit und Recht und Freiheit", und das ist die dritte Strophe.


    Ohne das jetzt noch weiter vertiefen zu wollen, nur, um den Gedanken zu Ende zu bringen: Ob Haydn das gewollt hat, fragst Du? Ich weiß es nicht, ich hatte noch keine Gelegenheit, ihn beim Treffen zu fragen. ;)
    Aber könnte es nicht sein, daß er bei dem vorgegebenen Text "Gott erhalte, Franz, den Kaiser, unsern guten Kaiser Franz" nicht sogar an eine wie auch immer geartete National-/Staats-Hymne gedacht hat? ?(

    .


    MUSIKWANDERER

  • Erlaube mir, lieber La Roche, eine kleine Korrektur, aber bitte mich nicht als Oberlehrer beschimpfen:


    Lieber Musikwanderer,


    kein Oberlehrer, Du nicht. Nehme es mir zu Herzen. Da siehst Du mal, den Text schon Dutzendmal gehört (aber noch nie mitgesungen), aber nicht wissen, daß es die dritte Strophe ist! Das sind die Richtigen!!


    La Roche

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    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Lieber La Roche,


    das mag wohl daran liegen, dass Du in dem Teil Deutschlands aufgewachsen bist, in dem man eine ganz andere Hymne singen "mußte". Also volles Verständnis (von einem neutralen Ausländer)!

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Extr'ordinaire sind für mich Haydns beide Cellokonzerte, das prunkvolle Trompetenkonzert, die ungemein beeindruckende "Schöpfung" (auch wenn der ihr zugrunde liegende kaum erträgliche Bibeltext von ausgesuchter Läppischkeit strotzt) und natürlich seine großartige Kammermusik. Und da vor allem seine Klaviertrios und Streichquartette. Ja, und nicht zu vergessen seine genialen "Sieben letzten Worte des Erlösers am Kreuze"!

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Aber könnte es nicht sein, daß er bei dem vorgegebenen Text "Gott erhalte, Franz, den Kaiser, unsern guten Kaiser Franz" nicht sogar an eine wie auch immer geartete National-/Staats-Hymne gedacht hat? ?(


    Ja, so erzählt man. Als eine Antwort auf die britischen Hymnen, sei es nun das ewige Rule Britannia oder God Save the King. — An Franz Beckenbauer, unseren Fußball-Kaiser dürfte er wohl noch nicht gedacht haben.


    Siehe hierzu auch Wikipedia.


    Gruß enkidu2

    Nach Schlaganfall zurück im Leben.

  • Lieber La Roche,
    das mag wohl daran liegen, dass Du in dem Teil Deutschlands aufgewachsen bist, in dem man eine ganz andere Hymne singen "mußte". Also volles Verständnis (von einem neutralen Ausländer)!


    Diesmal geht mein Dank an Milletre: Ich habe nicht gewußt, daß unser La Roche aus dem dunnemals anderen Deutschland stammt. Aber - und das ist erwähnenswert, wenn es auch vom Thema abweicht!!! - der Becher-Text paßt sogar auf die Haydn-Melodie...

    .


    MUSIKWANDERER


  • Diesmal geht mein Dank an Milletre: Ich habe nicht gewußt, daß unser La Roche aus dem dunnemals anderen Deutschland stammt. Aber - und das ist erwähnenswert, wenn es auch vom Thema abweicht!!! - der Becher-Text paßt sogar auf die Haydn-Melodie...


    Ebenso Brechts "Kinderhymne": "Anmut sparet nicht noch Mühe..." Ich vermute mal, dass das kein Zufall, sondern Absicht gewesen ist.
    (Bekanntlich wurde "Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt/Laß uns Dir zum Guten dienen, Deutschland, einig Vaterland" auch sehr bald nur noch textlos gegeben.
    Übrigens ist meines Wissens nach wie vor Fallerslebens komplettes "Lied der Deutschen" die deutsche Nationalhymne. Nur wird eben bei offiziellen Anlässen nur die dritte Strophe gesungen. Es kursieren immer mal wieder Gerüchte, die erste Strophe sei "verboten", was Unsinn ist, selbst wenn es natürlich für Irritationen sorgen würde, wenn sie irgendwo offiziell gesungen würde.

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    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Übrigens ist meines Wissens nach wie vor Fallerslebens komplettes "Lied der Deutschen" die deutsche Nationalhymne. Nur wird eben bei offiziellen Anlässen nur die dritte Strophe gesungen. Es kursieren immer mal wieder Gerüchte, die erste Strophe sei "verboten", was Unsinn ist, selbst wenn es natürlich für Irritationen sorgen würde, wenn sie irgendwo offiziell gesungen würde.

    Auch hier will ich nicht den Oberlehrer spielen. Ich habe aber eine kleine Dokumentation über das Problem "Nationalhymne". Ich will daraus nur den Teil zitieren, der Johannes' Meinung etwas relativiert:


    1950 hat Adenauer das "Deutschlandlied" als Nationalhymne fest etablieren wollen, während Heuss sich für eine neue Hymne einsetzte. Er bat Rudolf Alexander Schröder um einen Text (Land des Glaubens, deutsches Land, Land der Väter und der Erben), den Hermann Reutter vertonte (nachdem Orff es abgelehnt hatte). Der Kanzler versuchte ein fait accompli zu schaffen, indem er bei einer Veranstaltung am 18. April im Berliner Titania Palast die Besucher aufrief, den dritten Vers zu singen. "Heftige Reaktionen im In- und Ausland" war die Folge.


    Nach einem Briefwechsel mit Adenauer gab Heuss nach und stimmte der Wiedereinsetzung des Deutschlandliedes zu. Das wurde aber nur am 6. Mai durch ein Bulletin bekanntgemacht und nicht im Bundesgesetzblatt festgehalten. Dadurch ist die Rechtsverbindlichkeit strittig.


    Im März 1990 entschied dann das Bundesverfassungsericht, daß nur die dritte Strophe des Deutschlandliedes als Staatssymbol gegen Verunglimpfung geschützt ist und äußert sich nicht über das Verbot des Deutschlandliedes durch die Alliierten von 1945.


    Im Grundgesetz fehlt bis heute eine Regelung der Hymne, Artikel 22 benennt lediglich die Bundesflagge.

    .


    MUSIKWANDERER

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  • Aber zurück zu Alfreds Fragen, z. B.


    Zitat

    (...) seinen Charakter, seine Vorlieben, Stärken und Schwächen (...)


    Wenn wir uns Haydn nähern wollen, müssen wir Aussagen seiner Freunde und Bekannten zu Rate ziehen. Der in Wien tätige Legationsrat Georg August Griesinger hat schon im Todesjahr Haydns eine erste Biographie in mehreren Fortsetzungen in der „Allgemeinen Musikalischen Zeitung“ veröffentlicht und ein Jahr später als Buch herausgegeben. Darin beschreibt er den Komponisten nicht nur als einen Mann, der „viel auf Ordnung und Regelmäßigkeit hielt“, sondern auch „immer reinlich und sauber“ auftrat. Für Haydn mußte alles an seinem Platz stehen und liegen, auch seine Noten auf „dem Fortepiano“ lagen „nicht verworren unter einander“.


    Auch nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst behielt er die Gewohnheit bei, sich immer so anzukleiden, als würde der Fürst ihn jeden Augenblick zu sich rufen, berichtet Griesinger. Und wenn Besuch ins Haus stand „so steckte er sich einen brillantenen Ring an seinen Finger, und schmückte sein Kleid mit dem rothen Bande, woran die Bürgermedaille getragen wird“.


    Das Ordnungsgefühl ist nach heutigem Verständnis fast schon pedantisch (wie mir mein Neffe sagte), zeigt aber sicherlich eine aus langer Lebenszeit festgefügte Verhaltensweise...

    .


    MUSIKWANDERER

  • Bekanntlich wurde "Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt/Laß uns Dir zum Guten dienen, Deutschland, einig Vaterland" auch sehr bald nur noch textlos gegeben


    Das einig Vaterland war wohl der Auslöser dafür, daß der Text in der Schule nicht mehr gelehrt wurde. Ich hab es noch gelernt, aber so richtig inbrünstig gesungen habe ich es wohl nie.(hat nichts mit Haydn zu tun).


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Es mag verwegen - ja vielleicht auch strategisch ungeschickt anmuten, daß ich diesen Threadead starte, obwohl doch die PERSON Haydns (nicht derKomponist) als eher farblos, mittelmäßig und uninteressant gilt. Zudem ist auf den Menschen Haydn - wenn auch nur am Rande im Schwesternthread bereits eingegangen worden.
    Was mich an Joseph Haydn fasziniert.....
    Vielleicht ist es gerade die (scheinbare!!) Mittelmässigkeit, die mich reizt diesen Thread zu eröffnen. Jener scheinbar gumütige, immer freundliche Mann hat aber doch mehr Eigenheiten als allgemein bekannt sein dürfte....(?)


    mit freundlichem Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Was auf jeden Fall stimmt, ist, dass Haydn ein unglaublich geduldiger und verbindlicher Mensch war. Nicht einmal zu diesem Wettstreit mit Pleyel in Londen hat er sich hinreißen lassen. Haydn war ein Mensch mit gesundem aber niemals anmaßendem Selbstbewusstsein. Für bewundernswert halte ich seine Bereitschaft Kollegen ohne Neidgefühle zu unterstützen - bestes Beispiel hier natürlich Mozart. Auch sein Verhältnis zu Beethoven dürfte eher ein seufzend-achselzuckendes denn ein wirklich gespanntes gewesen sein. Ein intelligenter, in sich ruhender Mensch ohne Allüren. Das ist eigentlich schon exzeptionell bei so einem Großgenie.

  • Zitat

    Nicht einmal zu diesem Wettstreit mit Pleyel in London hat er sich hinreißen lassen.


    Ich behandle mal diesen Punkt, der hochinteressant ist, weil er den Charakter sowohl von Pleyel als auch von Haydn beleuchtet.


    Nach meinen Informationen war es ja so, dass der Konkurrent von Peter Salomon, Cramer, Haydn dazu überreden wollte auch für seine Gesellschaft Sinfonien zu schreiben. Erst nach Haydns Absage wandte man sich an Pleyel. Dieser war an keine Verträge mit Salomon gebunden und konnte zusagen, ja er MUSSTE es sogar. Durch die französische Revolution waren seine Einnahmsquellen versiegt. Ein Problem tauchte erst auf, als Cramer in den Annoncen für seine Gesellschaft in der Form warb, dass er Pleyel als den "moderneren" Dirigenten darstellte - und das ohne dessen Wissen.


    Zitat aus einem zeitgenössischen PR- Zeitungsartikel

    Zitat

    „ Der Altmeister ist schon zu schwach und unfähig, Neues hervorzubringen. Er ist längst ausgeschrieben und aus Geistesmangel gezwungen, sich zu wiederholen. Wir sehen uns daher genötigt, seinen Schüler Ignaz J. Pleyel nach London zu holen. Haydn läßt nach. In Wahrheit ist dieser wunderbare Komponist doch nur ein geringer Spieler. Wenn er auch geeignet sein mag, am Klavier zu präsidieren, wir haben ihn noch nie als 'Leader ' eines Konzertes rühmen hören. Sein Schüler Pleyel hat vielleicht weniger Wissen, aber seine Werke sind von einer Eleganz und Lieblichkeit und bieten häufiger Melodien. Er ist darum ein weit populärerer Komponist. “


    Auch wenn der äußere Glanz, Hervorragende Kritiken für Haydns Konzerte, Ehrendoktorat, offizieller Empfang durch den englischen König, Haydn goldene Brücken bauten - Haydn zweifelte selbst ein wenig daran noch mit Pleyel mithalten zu können.
    Vor allem aus physischen Gründen.


    Als Pleyel sah, wie er vermarktet werden sollte, und Haydn nicht wusste wie sein ehemaliger Schüler reagieren würde, vereinbarte man ein Treffen miteinander, das überaus herzlich verlief und in dem man sich gegenseitig versicherte nicht in Konkurrenz zueinander treten zu wollen. Haydn meint, wenn man klaren Kopf bewahre, dann könnten BEIDE Komponisten eine hübsche Stange Geld machen - eine Prophezeiung die sich erfüllte und deren strategischer Background von Haydn stammte.....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

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  • Als Pleyel sah, wie er vermarktet werden sollte, und Haydn nicht wusste wie sein ehemaliger Schüler reagieren würde, vereinbarte man ein Treffen miteinander, das überaus herzlich verlief und in dem man sich gegenseitig versicherte nicht in Konkurrenz zueinander treten zu wollen.Haydn meint,wenn man klaren Kopf bewahre, dann könnten BEIDE Komponisten eine hübsche Stange Geld machen - eine Prophezeiung die sich erfüllte und deren strategischer Background von Haydn stammte.....


    Danke für die Erläuterungen! So genau war ich in die Hintergründe nicht eingeweiht! Schlau war Haydn auf jeden Fall - vor allem in pekuniären Dingen. Allerdings musste das jemandem, der im 18.ten Jahrhundert aus relativ ärmlichen Verhältnissen kam, ja auch zur zweiten Natur werden. Wer da nicht schlau und gerissen war, landete schnell auf Nimmerwiedersehen in der Gosse.

  • Ich glaube Deine bisherige Identifikation mit Richard Wagner war etwas realistischer ;)


    Ich habe mich niemals mit ihm identifiziert, auch wenn ich neben der gleichen Mundart auch einige seiner zweifelhaften Charakterzüge aufweise, wenn auch leider nicht die musikalische Begabung! 8-) Meine Hingabe gilt Leuten wie Nietzsche ... ich liebe die Musik, aber ich selbst bin nur ein Mann des Wortes und wenn es sein muss, auch der Tat ...

  • Zitat

    Schlau war Haydn auf jeden Fall - vor allem in pekuniären Dingen.


    Das dürfte eher untertrieben sein. Haydn war sehr auf Geld aus.
    Das dürfte auch Peter Salomon gewusst habe - Denn er machte - um Haydn zur Reise nach London zu überreden, ein derart günstiges Angebot - daß dieser einfach nicht widerstehen konnte.
    grössten Ärger verursachten Haydn alle jene Kopien, die ihn um seine Einkünfte brachten.
    Er war in diesen Dingen pingelig, und als der Price of Wales keine Anstalten machte, Haydn für seine Dienste zu entschädigen, schickte Haydn eine Rechnung von Deutschland aus nach England - die zwar vom englischen Parlament umgehend bezahlt wurde - aber man bezichtigte Haydn anschliessend des Geizes.
    Haydn war auch nicht abgeneigt eine Komposition an ZWEI Auftraggeber zuverkaufen....
    Vom Geschäft verstand er was, der Herr Haydn..


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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