Wer war denn eigentlich dieser Franz Schubert?

  • Als Ergänzung der drei bisherigen Threads


    Wer war denn eigentlich dieser Joseph Haydn?
    Wer war dennn eigentlich dieser Mozart ?
    Wer war denn eigentlich dieser Beethoven ?


    folgt heute jener über Franz Schubert.
    Franz Schubert ein verkanntes Genie ?
    Franz Schubert in ärmlichen Verhältnissen ?
    Wieso gab es dann in Schuberts Bekanntenkreis so viele Adelige ?
    Wer finanzierte die Schubertiaden ?
    Welche Rolle spielte der Hofopernsänger Johann Michael Vogel in Schuberts Leben ?
    warum hinterließ Schubert so viele unvollendete Werke ?
    Wie war Schuberts Charakter ?


    Man kann natürlich darüber diskutieren, ob solch ein Thread sinnvoll ist, man könne ja - so gewünscht - die Fakten nachlesen.
    Das ist an sich richtig - aber vermutlich geschieht das viel zu selten. Ein Komponist, der einem auf diese Weise de facto näher rückt - wird auch - so glaube ich jedenfalls - mehr Aufmerksamkeit für seine Werkr bekommen...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Noch eine Woche, dann ist diese Threaderöffnung einen Monat alt und es findet sich noch immer kein Eintrag darin.
    Warum?


    Dabei hat Alfred Schmidt doch eine ganze Reihe hochinteressanter Fragen vorgelegt. Sind die zu schwer zu beantworten? Oder vielleicht gar überhaupt nicht?
    Bei der Frage nach Schuberts Charakter würde ich nicht zögern, die Frage mit „Ja“ zu beantworten. Aber zu anderen Fragen wäre sehr wohl eine Antwort möglich, zumal Schuberts Leben ja inzwischen sehr gut erforscht ist.


    Es liegt eine quellenmäßig perfekte Dokumentation seines Lebens vor. Unzählige Biographien gibt es inzwischen. Und dennoch: Je mehr man sie studiert, desto mehr stellt sich das Gefühl ein, einem überaus rätselhaften menschlichen Wesen gegenüberzustehen.


    Schubert hatte wohl eine stark ausgebildete Scheu, sich der Welt gegenüber in seinem Innersten zu offenbaren. Seine Briefe und Tagebuchaufzeichnungen bleiben diesbezüglich dunkel: Es ist, als habe er eine bestimmte Schwelle nicht überschreiten wollen und habe sich nach außen hin unter dem Panzer des leutseligen „Schwammerl“ verborgen.


    Typisch sind solche Bemerkungen wie diese: „Es geht mir überhaupt sehr schlecht. Ich mache mir jedoch nichts daraus, u. bin lustig“. Oder die briefliche Äußerung von Schwind: „Er hat Schmerzen im linken Arm … Übrigens ist er guter Dinge“.


    R. Heuberger hat in seiner Biographie von 1902 Schubert als den „größten Künstler aller Zeiten“ bezeichnet. So etwas würde sich ein heutiger Biograph nicht mehr leisten können. Und dennoch ist etwas dran an dieser Einstufung:
    Schuberts Musik ist – vielleicht mehr als bei jedem anderen Komponisten – Ausdruck eines überaus komplexen und von Qualen und Sehnsüchten verstörten Seelenlebens, das sich im Kern als ein künstlerisches verstand.


    Zum ersten Mal in der europäischen Musikgeschichte.

  • Ich hatte diesen Thread bisher noch gar nicht bemerkt (was eine Schande!)


    Schuberts Musik ist – vielleicht mehr als bei jedem anderen Komponisten – Ausdruck eines überaus komplexen und von Qualen und Sehnsüchten verstörten Seelenlebens, das sich im Kern als ein künstlerisches verstand.


    Zum ersten Mal in der europäischen Musikgeschichte.

    Sehr interessante Feststellung. Vielleicht war er gar der erste moderne Komponist...wobei ich, wenn ich modern sage, die Art seines künstlerischen Selbstverständnisses meine. Letztlich der Inbegriff des ersten romantischen Künstlers. Er ist einer, der die Seelenzustände einer ganzen späteren Epoche vorwegnimmt und das drückt sich auch in seiner Musik aus, selbst darin, dass viele Werke nie beendet wurden.
    Und gerade das war wohl auch einer der Gründe, die es ihm so schwer gemacht haben, also mit sich und der Welt ins Reine zu kommen.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Ich habe von diesem Thread noch überhaupt keine Kenntnis gehabt, lieber, Helmut, sonst hätte ich sicherlich schon etwas dazu gesagt, zumal Schubert auch für mich zu den größten Komponisten gehört und vielleicht (oder ziemlich sicher) der produktivste überhaupt war. In so einem kurzen Leben weit über 1000 Werke zu komponieren, ist kaum vorstellbar.
    Ich habe schon einmal an anderer Stelle über Mozart gesagt, was auch auf Schubert zutrifft, nämlich dass so etwas über entsprechende Eingebung "von oben" überhaupt nicht möglich gewesen wäre. Er hätte ja alleine von der Wiege bis zur Bahre jedes Jahr mehr als 20 Lieder komponieren müssen, von denen nicht wenige eine veritable Länge aufwiesen, wie es sicherlich keiner besser weiß als du.
    Dann hat er ja auch auf dem Gebiet der Solo-Klaviermusik und Klaviermusik zu vier Händen, der Kammermusik, der geistlichen und weltlichen Chormusik und Kammermusik Großes zu Wege gebracht. Über seine Opern kann ich nichts sagen, da ich keine in meinem Bestand habe. Aber hätte Schubert nur die "Schöne Müllerin" und die "Winterreise", die h-moll-Sinfonie und die "Große" C-dur-Sinfonie und die Sonaten D.784, 840, 845, 850, 894, 958, 959 und 960, Die Messe in Es-dur D.950 und das Quartett "Der Tod und das Mädchen" komponiert, wäre er schon unsterblich geworden.


    Wie gut, dass es anders gekommen ist. Und dennoch erhebt sich die (müßige) Frage: Was wäre alles noch gekommen, wenn er nur 10 Jahre länger gelebt hätte?


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich denke mal für Schubert war es auch sicherlich nichtmehr so Leicht nach dem Niedergang des Josephinischen Reichs und dem Beginn der Biedermeier Politik die Möglichkeiten zu finden seine Musik auch Aufführen zu lassen soweit ich das in Erinnerung habe!
    Er hat ja anders als Mozart,Beethoven oder Haydn niemals seine Heimatstadt Wien verlassen und konnte so auch nicht in den Genuss großer Orchesterhäuser in London kommen wie z.b. Haydn.


    Durch seinen Vater, welcher Lehrer war, sollte er eigentlich ebenfalls den Lehrer Beruf ergreifen hat dies aber aufgrund seines Musikalischen Talentes nicht getan!


    Ich denke das Schubert einfach eine Schwierige Zeitepoche hatte in welcher er sein Schaffen Konstruierte!


    Das sind so die dinge die ich noch im Hinterkopf habe aus einer Biographie die ich mal vor Ewigkeiten gelesen habe in denen diese Probleme die von Alfred genannt wurden auch behandelt worden sind!


    Aber leider trübt mich meine Erinnerung auch und ich kann mich nichtmehr an alles sicher Erinnern! Wird Zeit das ich die Biographie mal wieder Auskrame und mein Wissen etwas auffrische, wenn dies nicht sowieso bald durch Weiterführung dieses Threads geschieht!


    Lg Eric :)

  • R. Heuberger hat in seiner Biographie von 1902 Schubert als den „größten Künstler aller Zeiten“ bezeichnet. So etwas würde sich ein heutiger Biograph nicht mehr leisten können. Und dennoch ist etwas dran an dieser Einstufung:
    Schuberts Musik ist – vielleicht mehr als bei jedem anderen Komponisten – Ausdruck eines überaus komplexen und von Qualen und Sehnsüchten verstörten Seelenlebens, das sich im Kern als ein künstlerisches verstand.


    Zum ersten Mal in der europäischen Musikgeschichte.

    Wie will man das denn belegen? Dazu müsste man ja eine unabhängige Darstellung des "komplexen... verstörten Seelenlebens" haben und dann den vorgeblichen Ausdruck desselben in der Musik damit vergleichen.


    Und selbst wenn: warum sollte gerade ein solcher Umstand ein "größeres" Künstlertum implizieren als das Michelangelos, Beethovens oder Goethes? So etwas würde heute kein Biograph mehr schreiben, weil es ungereimt, unbelegbar und letztlich uninformativ ist.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zit.: "warum sollte gerade ein solcher Umstand ein "größeres" Künstlertum implizieren als das Michelangelos, Beethovens oder Goethes? "


    Das habe ich nicht gesagt.


    Es geht bei Schubert nicht um das "Künstlertum an sich" und seine Größe. Es wäre ja absurd und geradezu unhistorisch, einen derartigen Vergleich mit anderen Künstlern der europäischen Kunstgeschichte anzustellen. Es geht um die Frage des Selbstverständnisses als Komponist.


    Es ist in der Musikwissenschaft unbestritten, weil quellenmäig belegbar, dass Schubert in der europäischen Musikgeschichte der erste bedeutende Komponist war, der sich genuin als "Künstler" verstand.


    Belegbar zum Beispiel mit dem Ausspruch: "Ich bin für nichts anderes als das Componieren auf die Welt gekommen".


    Ein derartiges Bekenntnis ist vor Schubert noch keinem Komponisten über die Lippen gekommen. Und es geht dabei nicht nur um "die Lippen". Es geht auch auch die Art und Weise, wie ein solches Selbstverstädnis gelebt wurde.

  • Er hat ja anders als Mozart,Beethoven oder Haydn niemals seine Heimatstadt Wien verlassen

    [color=#51514f]Zumindest war Franz Schubert in den Sommermonaten der Jahre 1818 und 1824 als Musiklehrer in Zseliz (damals Ungarn, heute Zeliezovce, Slowakei). Dort unterrichtete er die beiden Töchter des Grafen Esterházy.
    Irgendwo habe ich auch einmal gelesen, dass dort eine Küchenmagd sang und Schubert diese aufgeschnappte Melodie in einem seiner Stücke verwendet hat.

  • Hallo,


    nachdem Schubert - anders als z. B. Mahler - weit entfernt ist vom Musterbeispiel einer extrovertierten, egozentrischen Charakterveranlagung, sind manche Antworten sicher schwierig.


    Zu den äußeren Lebensumständen sind Biographien bestimmt aufschlussreich. Dem Inneren des Menschen Schuberts dürfte wohl am ehesten über seine Musik näher zu kommen sein. Grundsätzlich meine ich, ist der Blick in das Innere eines Menschen sowieso sehr begrenzt.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Ich denke nicht, dass man bei Schubert sagen kann, er wäre zu Lebzeiten verkannt gewesen. Dafür, dass er mit nur 31 Jahren starb und er kein Wunderkind oder Instrumentlvirtuose war, wie so viele anderen Komponisten aus dieser Zeit, hatte sich sein Ruf doch gut verbreitet. Immerhin besuchte ihn z.B. CM Weber, um seine Meinung zur Euryanthe zu hören. Schumann kannte Schuberts Lieder noch zu dessen Lebzeiten sehr gut, das Es-Dur Trio spielte er mit Freunden ein bevor ihn die Todesnachricht Schuberts erreichte, etc.. Es gab auch Opernaufträge aus Deutschland. Später blieb allerdings die Aufarbeitung Schuberts Werk etwas stecken - trotz der Entdeckung der großen C-Dur Sinfonie. Das Streichquartett "Der Tod und das Mädchen" erschien meines Wissens erst kurz vor 1860 im Druck. Das könnte auch daran liegen, dass Schubert mit keinem Komponisten persönlich befreundet war und es deshalb niemanden gab, der sich verpflichtet gefühlt hätte, Schuberts Erbe zu verwalten.

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  • Zit.: "Zumindest war Franz Schubert in den Sommermonaten der Jahre 1818 und 1824 als Musiklehrer in Zseliz (damals Ungarn, heute Zeliezovce, Slowakei). Dort unterrichtete er die beiden Töchter des Grafen Esterházy."


    Das ist richtig. Dennoch hat Eric Hoffmann mit seiner Feststellung nicht ganz unrecht. Es ist eine Eigentümlichkeit von Schuberts Leben, dass es an einen sehr engen Lebenskreis und dort wiederum an einen engen Freundeskreis gebunden war. Schubert hat von der "damaligen Welt" wirklich nichts gesehen.


    Der Aufenthalt in Zselitz ist für die Biographie Schuberts übrigens durchaus von Bedeutung. Es entwickelte sich dort eine tiefe Zuneigung, ja Liebe zu Caroline Comtesse Esterhàzy von Galantha. Friedrich Dieckmann hat diese komplizierte Beziehung genauer untersucht un dokumentiert. Wenn Schubert von Liebe und Sehnsucht singt, dann schwingen dabei u.a. die Erfahrungen mit, die er in Zselitz machte.

  • Mein Fachwissen ist äußerst überschaubar. Trotzdem möchte ich mich zu diesem hochinteressanten Thema äußern: (Ich freue mcih auch, dadurch auf die Schwesterthreads gestossen zu sein). Ich kannte hauptsächlich das Bild eines KÜnstlers, der fast immer pleite war, es nie wirklich zu etwas gebracht hat. Der sich für seine Kunst aufgeopfert hat undkeinerlei wirtschaftlichen Interessen damit verbunden hätte. Nun habe ich irgendwo gelesen (tolle Quellenangabe, ich weiß), dass es ganz anders gewesen sei, dass er ein ganz gutes Auskommen gehabt haben soll, manchmal rauschende Feste gegeben habe und selber ein wenig am Mythos des armen KÜnstlers gewebt habe.
    BIn mal gespannt, was die Koryphäen darüber zu sagen haben. Ich persönlich muss da auf mein untenstehendes MOtto verweisen.
    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Dieser Thread wird nicht unbedingt alle Fragen beantworten können, das ist auch gar nicht notwendig. Wichtig ist hingegen, daß man sich vom gängigen Schubertbild des "armen" Schubert löst, der noch dazu als Komponist verkannt war. Wenn wir sehen, wie viele adelige Freunde Schubert hatte, ferner wie oft er portraitiert wurde, dann kann man schon erahnen daß er auch zu Lebzeiten einen gewissen Stellenwert hatte. Schuberts Selbsteinschätzung war uneinheitlich, einerseits äusserte er sich durchaus selbstbewusst über seine Fähigkeiten als Komponist - anderseits getraute er sich nicht, sich seinem Idol, Beethoven zu nähern - obwohl er es gerne getan hätte. Was wir über Beethoven als Mensch wissen, lässt darauf schliessen, daß er Schubert wohlwollend gegenüber gestanden wäre, denn im Gegensatz zu Mozart war Schubert nicht über alle Maßen von sich eingenommen.


    Erst nach Beethovens Tod durfte Schubert als Sargträger fungieren, eine Ehre, von der ich bis heute leider nicht weiß, unter welchen Voraussetzungen man hiezu auserwählt wurde....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich habe Franz Schubert (man kann das wohl irgendwie mit „traditionell“ bezeichnen) in der Tat als ein verkanntes Genie kennengelernt. Für mich ergab sich das immer aus der Tatsache, daß seine Sinfonien und Opern zu seinen Lebzeiten keine besondere Beachtung fanden. In einer Biographie (sie ging irgendwann verloren) stand, er habe aus Mangel an Selbstbewußtsein nicht die Öffentlichkeit gesucht. Wenn ich mich richtig erinnere, fanden seine musikalischen Auftritte ja hauptsächlich in Freundeskreisen statt, den berühmten „Schubertiaden“.


    Ich habe den Eindruck, da muß ich mir einiges neu anlesen - vielleicht durch erhellende Beiträge hier im Forum...?

    .


    MUSIKWANDERER

  • Schuberts Selbsteinschätzung war uneinheitlich, einerseits äusserte er sich durchaus selbstbewusst über seine Fähigkeiten als Komponist - anderseits getraute er sich nicht, sich seinem Idol, Beethoven zu nähern - obwohl er es gerne getan hätte. Was wir über Beethoven als Mensch wissen, lässt darauf schliessen, daß er Schubert wohlwollend gegenüber gestanden wäre, denn im Gegensatz zu Mozart war Schubert nicht über alle Maßen von sich eingenommen.

    So bescheiden dürfte Schubert allerdings nicht immer gewesen sein, hatte er doch den Beinamen "Kannawas", weil er immer frug "kann er was?" bevor er sich bereit fand sich mit einer neu eingeführten/vorgestellten Person zu beschäftigen.

  • Dieser Thread ist für mich unheimlich interessant, da Schubert für mich bisher in eine "Seitenlinie" abgerutscht war. Jetzt kann ich das Forum zum Lernen nutzen.


    Stimmt es, daß er an Syphilis gestorben ist und in einem Armengrab beerdigt wurde? Danke schon für die Antworten.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Zur Frage von Klaus 2:
    Nun habe ich irgendwo gelesen (tolle Quellenangabe, ich weiß), dass es ganz anders gewesen sei, dass er ein ganz gutes Auskommen gehabt haben soll, manchmal rauschende Feste gegeben habe und selber ein wenig am Mythos des armen Künstlers gewebt habe.“


    Das Bild vom armen Schlucker Schubert hat sich beim genaueren Hinschauen als falsch erwiesen.
    Insgesamt hat er zu seinen Lebzeiten 106 Opus-Nummern veröffentlicht. Alle diese waren mit – allerdings unterschiedlich hohen und aus heutiger Sicht nicht mehr genau bestimmbaren – Einkommen verbunden. Bekannt ist, dass Schubert in seinen letzten Lebensjahren den Verlegern gegenüber recht selbstbewusst aufgetreten ist und um den Preis seiner Manuskripte hart verhandelt hat.


    Man schätzt, dass er in den letzten Lebensjahren über ein jährliches Durchschnittseinkommen von etwa 800 Gulden verfügte. Das entspricht zum Beispiel dem eines Vize-Hofkapellmeisters.


    Was Schubert allerdings nicht konnte – oder wollte? - , das war, mit Geld sorgfältig und umsichtig umzugehen. Er neigte dazu, seine gerade erzielten Einnahmen bei der nächstbesten Gelegenheit wieder auszugeben. Dabei allerdings von „rauschenden Festen“ zu sprechen, wäre eine glatte Übertreibung.

  • Wenn man allerdings sein gewaltiges Oeuvre betrachtet, lieber Helmut, von denen die veröffentlichten Werke sicherlich nicht in der Mehrzahl waren, und wenn man dann seine kurze Lebensspanne betrachtet, dann kann man nicht umhin, ihn, ähnlich wie Mozart, mit einer Kerze zu vergleichen, die von beiden Enden brannte, und somit war er in gewisser Weise doch "arm dran", auch im Hinblick auf seine unerfüllten Sehnsüchte und seine Krankheiten.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zur Frage von La Roche: "Stimmt es, daß er an Syphilis gestorben ist und in einem Armengrab beerdigt wurde? Danke schon für die Antworten."


    Schubert hatte sich eine Syphilis-Erkrankung zugezogen, deren erste Symptome sich Anfang 1823 bemerkbar machten. Unter den Freunden wurde das aber geheimgehalten. Die Behandlung wurde nach der damals üblichen Methode mit Quecksilber durchgeführt, was bei Schubert erhebliche Sekundärfolgen hatte. Die Erkrankung selbst stürzte ihn damals in eine tiefe seelische Krise.


    Woran er gestorben ist, das kann man heute nicht mehr genau ermitteln. Die Forschung neigt zu einer Typhus-Erkrankung, denn die Symptome, über die wir Quellenzeugnisse haben, deuten in diese Richtung. Zweifellos hatte aber die Schwächung des Körpers durch die Syphilis und ihre Behandlung eine Rolle gespielt: Die Abwehrkräfte waren zu gering. Schubert hat übrigens seine Erkrankung keineswegs als möglicherweise tödlich eingeschätzt. In seinem Krankenbett, das sein Sterbebett wurde, las er mit Begeisterung James Fenimore Coopers "Der letzte Mohikaner".


    Nach dem Sterbeprotokoll erhielt er die letzte Ölung. Am 21. November erfolgte die Einsegnung. Die Beerdigung erfolgte auf dem Währinger Friedhof, ganz in der Nähe des Grabes von Beethoven.

  • Zit:: "Dieser Thread wird nicht unbedingt alle Fragen beantworten können, das ist auch gar nicht notwendig.

    Diese Feststellung von Alfred Schmidt empfinde ich als Herausforderung. Erstens denke ich, dass man zwar nicht alle, aber sehr viele Fragen, den Menschen und Komponisten Schubert betreffend, inzwischen – und damit auch hier – „beantworten“ kann.


    Aber vor allem meine ich: Das ist sehr wohl „notwendig“. Denn Schubert ist zwar sicher nicht der „größte Künstler aller Zeiten“, wie sein Biograph Heuberger 1902 meinte, aber er ist ganz ohne Zweifel einer der ganz großen europäischen Komponisten.
    Und er ist – das nicht nur nebenbei – ein hochinteressanter Mensch.


    Einige Fragen sind ja schon beantwortet.
    Alfred Schmidt meint: „Wichtig ist hingegen, daß man sich vom gängigen Schubertbild des "armen" Schubert löst, der noch dazu als Komponist verkannt war.“

    Der erste Teil dieser Feststellung ist wohl geklärt (Beitrag 17). Zum zweiten Teil:


    Der „nicht erfolgreiche Komponist“ Franz Schubert ist ebenso eine Legende wie „der arme Schlucker Franz Schubert“.
    Zwischen 1817 und 1828 sind mehr als sechshundert Schubert betreffende Dokumente nachgewiesen. Darunter sind 200 Berichte über Aufführungen seiner Werke, 150 Anzeigen über Kompositionen von ihm, ebenso viele über bevorstehende Konzerte, in denen er mit mindestens einem Werk vertreten war, und etwa 80 Rezensionen seiner Werke.


    Schubert war also zu seinen Lebzeiten als Komponist keineswegs „verkannt“. Und das gilt – zumnindest für den Liedkomponisten Schubert – über den weiteren Umkreis Wiens hinaus!

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  • Insgesamt hat er zu seinen Lebzeiten 106 Opus-Nummern veröffentlicht. Alle diese waren mit – allerdings unterschiedlich hohen und aus heutiger Sicht nicht mehr genau bestimmbaren – Einkommen verbunden. Bekannt ist, dass Schubert in seinen letzten Lebensjahren den Verlegern gegenüber recht selbstbewusst aufgetreten ist und um den Preis seiner Manuskripte hart verhandelt hat.
    Man schätzt, dass er in den letzten Lebensjahren über ein jährliches Durchschnittseinkommen von etwa 800 Gulden verfügte. Das entspricht zum Beispiel dem eines Vize-Hofkapellmeisters.
    Was Schubert allerdings nicht konnte – oder wollte? - , das war, mit Geld sorgfältig und umsichtig umzugehen. Er neigte dazu, seine gerade erzielten Einnahmen bei der nächstbesten Gelegenheit wieder auszugeben. Dabei allerdings von „rauschenden Festen“ zu sprechen, wäre eine glatte Übertreibung.

    Könnte hier O.E. Deutsch helfen? Er meint, Schuberts Einkommen berechnen zu können:


    Zitat

    1821/22 verdiente er an der Veröffentlichung von Opus 1–7 und 10–12 etwa 800 fl. Konventionsmünze. Als Schulgehilfe hatte er von seinem Vater neben Kost und Logis lediglich 80 fl. jährlich bekommen. Otto Erich Deutsch schätzte Schuberts weiteres Einkommen aus Veröffentlichungen, Honoraren und Geschenken zwischen 1822 und 1828 auf etwa 7000 fl. Konventionsmünze.

    Man müßte natürlich die Möglichkeit der Umrechnung haben ?(

    .


    MUSIKWANDERER

  • Zit.: "Man müßte natürlich die Möglichkeit der Umrechnung haben. "


    Muss man eigentlich nicht. Historiker helfen sich in solchen Fällen immer mit einem Blick auf andere gesellschaftliche Gruppen der Zeit, um die es jeweils geht. Und sie fragen nach der Kaufkraft des jeweiligen Geldes. Aus diesem Grund habe ich darauf hingewiesen, dass Schubert in den zwanziger Jahren etwa über so viel Geld verfügte wie ein Vize-Hofkapellmeister. Das heißt: Es ging ihm also finanziell alles andere als schlecht. Dass er mit dem Geld, das er von seinen Kompositionen einnahm, schlecht umging, ist ein anderes Kapitel.


    Aber ich denke ohnehin: Der entscheidende Punkt ist, dass das Bild vom kompositorisch wenig erfolgreichen und in kümmerlicher Existenz dahinvegetierenden Franz Schubert, das lange Zeit weit verbreitet war, ganz einfach nicht stimmt.


    Und das Bild vom wenig selbstbewussten Komponisten Schubert stimmt im übrigen auch nicht. Schubert war sich sehr wohl seiner kompositorischen Könnerschaft bewusst. Was noch zu belegen sein wird.

  • Kurzes Intermezzo: 1 Gulden (= 1fl) aus 1864 soll laut Wikipedia im Jahre 2009 etwa den Kaufwert von 6,24 Euro gehabt haben. Das Bezugshar ist zwar knapp 40 Jahre nach Schuberts Tod - einen Anhaltspunkt geben die Zahlen immerhin


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich halte es für sinnvoll, die Fragen, die Alfred Schmidt in seiner Threaderöffnung vorgelegt hat, als eine Art Leitlinien zu benutzen. Auf diese Weise bietet sich eine gute Möglichkeit, eine Art Zugang zu dem Menschen und Komponisten Franz Schubert zu gewinnen.


    Zwei der nachfolgenden Frage scheinen mir schon beantwortet zu sein:
    „Franz Schubert ein verkanntes Genie ?“
    „Franz Schubert in ärmlichen Verhältnissen ?“

    Also wäre jetzt die dritte dran:
    "Wieso gab es dann in Schuberts Bekanntenkreis so viele Adelige ?

    Waren es denn so viele? Ich zähle nur vier:
    - Joseph von Spaun
    - dessen jüngerer Bruder Anton von Spaun
    - Franz von Schlechta
    - Franz von Schober


    Vor allem nun muss man sich aber davor hüten, die Rolle dieser „Adeligen“ mit derjenigen gleichzusetzen, die sich bei der Adelspatronage ereignete, die sozusagen die wirtschaftliche Grundlage der Existenz des Komponisten Beethoven war. Dergleichen fand bei Schubert nicht statt. Diese „Adeligen“ unterschieden sich in der Rolle, die sie für Schubert spielten, in nichts von den „Bürgerlichen“, die ebenfalls Mitglieder des Freundeskreises waren, dem Schubert zugehörte. Er wird oft fälschlich „Schubertkreis“ genannt. Falsch ist das deshalb, weil Schubert darin zwar eine wichtige Rolle spielte, aber keineswegs das „Zentrum“ war.


    Für Schubert selbst spielte dieser Kreis allerdings eine zentrale Rolle.
    Man kann durchaus so weit gehen und sagen: Dieses Eingebunden-Sein in einen Kreis von gleichsam gleichgesinnten und seelenverwandten Freunden ist – unter historischem Blick – ein singuläres Phänomen der Biographie eines bedeutenden europäischen Komponisten. Schubert lebte in seinem kompositorischen Schaffen in substantieller Weise davon. Und als dieser Freundeskreis auseinanderbrach, litt er sehr darunter, wie sich den schriftlichen Quellen entnehmen lässt.


    Auf diese spezifisch biographische Bedeutung des Freundeskreises wird noch näher einzugehen sein. Vielleicht ist es aber sinnvoll, zunächst einmal seine Zusammensetzung darzustellen.
    Es gab gleichsam drei Quellen dafür. Eine ist Schuberts Konviktszeit. Hierher gehören Joseph von Spaun, Anton Holzapfel, Joseph Kenner und Albert Stadler. Die nächste „Quelle“ ist Linz, wo sich 1811 ein „Tugendbund“ gegründet hatte, in dem Joseph von Spauns Buder Anton eine maßgebliche Rolle spielte. Die dritte „Quelle“ war die Stadt Steyr.


    Man muss sich das so vorstellen, dass einer den anderen in diesen Kreis sozusagen mitbrachte. So kam die Freundschaft Schuberts mit Johann Mayrhofer durch Vermittlung der Brüder Spaun zustande. Aus dem Linzer Kreis kommen auch Anton Ottenwalt, Franz von Schlechta und Franz von Schober, der in Schuberts Leben eine wichtige Rolle spielte.


    Schließlich kamen aus Graz noch hinzu Anselm Hüttenbrenner, Johann Baptist Jenger und Joseph Teltscher. Von Bedeutung für die eminent geistig-künstlerische Ausrichtung dieses Kreises ist auch die – später erfolgende – Mitgliedschaft solcher expliziten „Künstler“ wie Moritz von Schwind, Leopold Kuppelwieser, Eduard Bauernfeld und Franz Lachner. Nicht zu diesem internen Kreis gehörte Franz Grillparzer.


    Gemeinsam ist all diesen Mitgliedern des Freundeskreises eine Art idealistische Ausrichtung auf die Kunst als Sinnstifterin eines Lebens, dem in den gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten der Restaurationszeit keine Möglichkeiten einer Realisierung geben war. Es war also ein schwärmerisch idealistischer Geist, der diesen Kreis belebte und in seinen Aktivitäten beflügelte.
    Auch Schubert!

  • Die Bedeutung, die der Freundeskreis für Schuberts geistige und kompositorische Entwicklung hatte, kann kaum überschätzt werden. In Eduard von Bauernfelds 1829 erschienenem Nekrolog „Über Franz Schubert“ heißt es:


    „Es hatten sich zur Zeit, als Schubert in die Welt trat, in seiner Vaterstadt mehrere junge Männer, meistens Dichter und Maler (z.B. der geschätzte Kuppelwieser) zusammengefunden, welche ein reines Streben für die Kunst und ähnliche Gesinnungen bald zu inniger Freundschaft verbanden und in deren Kreis auch Schubert gezogen wurde. Die wechselseitige Mitteilung dieser Jünglinge und ihre Kunstgespräche hatten auf ihn große Wirkung und regten ihn, wenn auch weniger zum Sprechen, doch zu den verschiedenartigsten musikalischen Erzeugnissen an.“

    Dieser Freundschaftsbund war von einem hohen schwärmerisch-idealistischen Geist beseelt. Man sah in der Kunst, also in Dichtung, bildender Kunst und Musik, den wahren Sinnstifter des Lebens und Grundlage für einen zukunftsorientierten Gesellschaftsentwurf. Die Idee des „poetischen Vaterlands“ wurde damals geboren. Neben dem „Streben für die Kunst“ war aber auch der ideelle Wert der „Freundschaft“ zentraler Inhalt des hochgeistigen Diskurses innerhalb dieses Kreises.


    Eine wesentliche Rolle spielten dabei die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Zeit. Der Dichter Johann Chrysostomus Senn bringt es mit seiner Feststellung auf den Punkt:


    „Die deutschen Befreiungskämpfe 1813 bis 1815 hatten auch in Österreich eine bedeutende geistige Erhebung zurückgelassen. Unter andern hatte sich damals in Wien gleichsam instinktartig ohne alle Verabredung ein großartiger geselliger Kreis von jungen Literaten, Dichtern Künstlern und Gebildeten überhaupt zusammengefunden, desgleichen die Kaiserstadt schwerlich bis dahin je gesehen und der nach seiner Auflösung nach allen Richtungen Samen der Zukunft streute.“


    Dass diesem Kreis auch Adelige angehörten – ich hatte im letzten Beitrag die vier relevanten Vertreter erwähnt – ist hinsichtlich des gesellschaftlichen Status ohne Belang. Der idealistische Impetus dieser Bewegung hatte eine gleichsam statusübergreifende Kraft. Im Grunde war es eine zutiefst bürgerliche Bewegung. Und aus diesem Grunde ist es – historisch betrachtet – von großer Bedeutung und Aussagekraft, dass der Kleinbürger Schubert ihr angehörte.


    Das Motiv, das auch einen Angehörigen des – niederen – Adels dazu bewegte, sich diesem Freundeskreis anzuschließen, wird von Joseph von Spaun offen bekannt:


    „Es war eine ernste Zeit und die Welt stöhnte damals unter der Gewaltherrschaft eines mächtigen Tyrannen. Der Wunsch der Erlösung wirkte unter der besseren Jugend begeisternd, es entstand in Deutschland der sogenannte >Tugendbund< als Vorbereitung zu besseren Tagen. Auch wir waren begeistert, und waren darüber einig, daß nur Fortschritte der Jünglinge, in Tugend und Wissenschaft durch lange Zeit zurückgehalten, zum Besseren führen können.“


    Schubert vertonte 1817 ein Gedicht Joseph von Spauns mit dem Titel: „Der Jüngling und der Tod“. Es ist im Thread „Der Tod im Lied“ besprochen. Zur selben Zeit erschien in Wien ein kleines Buch mit dem Titel „Beyträge zur Bildung für Jünglinge“, in dem Angehörige eben dieses Freundeskreises Aufsätze publizierten: Anton und Joseph Spaun, Johann Mayrhofer, Joseph Kenner.


    Ich denke, wir machen uns, wenn wir ein Schubertlied wie „An die Musik“ hören, zu wenig bewusst, wie viel von diesem schwärmerisch-idealistischen Geist, der den damaligen Freundeskreis beflügelte, hier in die Musik eines Liedes eingeflossen ist, die uns auch heute noch etwas zu sagen hat.

  • Da ich mir vorgenommen habe, Alfred Schmidts „Thread-Leitfragen“ „abzuarbeiten“, steht nun die nächste in der Reihe an. Es ist immer noch eine der einfacheren Sorte. Sie lautet:
    „Wer finanzierte die Schubertiaden?“
    Für mich selbst würde ich sie gerne lieber so formulieren: „Wer veranstaltete die sog. Schubertiaden, und welches Interesse stand dahinter?


    Der Begriff „Schubertiade“ stammt vermutlich von Franz von Schober, der in diesem Zusammenhang ohnehin eine zentrale Rolle spielte. Er war nämlich derjenige, der als erster im Januar 1821 „geistvolle Männer“ in sein Haus einlud. Der Bericht darüber lautet: „Da wurden eine Menge herrlicher Lieder Schuberts von ihm selbst gespielt und gesungen. (…) Hernach wurde Punsch getrunken.“ Zuvor hatte es allerdings schon in Linz solche Treffen gegeben, organisiert durch Anton von Spaun.


    Der Name „Schubertiade“ wurde von Schober vermutlich für diese Veranstaltungen auch deshalb gewählt, um der Zensur des Metternich-Systems ein Schnippchen zu schlagen. Das Ganze sollte nach außen hin als harmlose Hausmusik-Veranstaltung wirken. Das war es aber nicht. Denn an diesen Treffen nahmen Künstler, Literaten, Intellektuelle und hohe Beamte teil, und es kam, neben dem Musizieren, auch zu einem lebhaften und vor allem freien(!) Meinungsaustausch über allerlei geistige, kulturelle und politische Fragen und Probleme der Zeit.


    Bei Schober fanden, bis zu dessen Abreise aus Wien 1823, wöchentlich solche „Schubertiaden“ statt. Es gab allerdings daneben noch Treffen dieser Art bei Bischof Dankesreiter und bei Baronin Josefine von Münch in St. Pölten. Während der Abwesenheit von Franz von Schober luden auch Franz von Bruchmann, Karl Ritter von Enderes und Josef Wilhelm Witteczek zu „Schubertiaden“ ein. Letzerer gab am 15.12.1826 eine sog. “Große Schubertiade“. An ihr nahm auch Grillparzer teil, und Vogl sang, begleitet von Schubert, dreißig Lieder desselben.


    Die letzte „Schubertiade“ fand am 28.1.1828 bei Spaun statt. Dort wurden u.a. ein Klaviertrio Schuberts und vierhändige Variationen aufgeführt. Aus der Erinnerung an diesen Abend hat Moritz von Schwind 1868 sein berühmtes Bild „Ein Schubert-Abend bei Josef von Spaun“ gemalt.


    Für Schubert selbst waren diese „Schubertiaden“ eminent wichtige Veranstaltungen.
    Nicht nur, dass er dort freundschaftliches und inspirierendes Zusammensein mit Gleichgesinnten erleben und erfahren konnte, - diese geselligen Veranstaltungen waren auch ein Forum für die Publikation seiner Werke. Das waren zwar in erster Linie Lieder, aber daneben auch kammermusikalische Werke aller Art.
    Und „Forum“, das hieß für ihn: Er konnte auch erfahren, wie seine Werke bei den jeweils Anwesenden „ankamen“.
    Eine zweifellos wichtige Erfahrung für einen Komponisten!


  • Ein Bild sagt mehr als 100 Worte - Wir sind in der glücklichen Lage zumindest ein einigermaßen authentisches Bild einer solchen Schubertiade zeigen zu können, bzw ein Bild, welches man damals gerne von sich zeichnet - im wahrsten Sinne des Worte, wie auch im übertragenen Sinne, wobei hier sicher idealisiert und geschönt wurde, ganz im Sinne der Romantik. Immerhin stammt die Zeichnung von Moritz von Schwind, also einer zu Schuberts Freunden gehörenden Person.
    Wenn gleich vermutlich von Realismus im strengen Sinne des Wortes nicht gesprochen werden kann, so stellt das Bild dennoch mehr dar als nur ein Phantasiegebilde. Wir erkennen Schubert am Klavier, links von ihm in gekonner Pose Haofkammersänger Vogel, auch viele weitere der hier erscheinenden Personen sind historische Persönlichkeiten aus dem Schubertkreis - dies nur zur Illustrierung von Helmut Hofmanns informativen Schilderung der Szene...


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Was ich nie ganz verstanden habe ist, wovon so ein Komponist tatsächlich lebte. Ist es so, dass Noten verkauft wurden an Leute, die die dann am Klavier spielten und der Künstler erhielt einen TEil? Das kann doch nciht viel gewesen sein, oder? Oder bekam er Geld für Aufführungen seiner Werke, so eine Art GEMA?
    Ich verstehe das auch bei heutigen Komponisten überhaupt nicht.


    Immer für blöde Fragen gut:
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Man verkaufte die Noten eines Werkes an einen Verleger - welcher dann die Vermarktung übernahm.
    Als der junge Schubert seine frühen Streichquartette dem Wiener Verleger Artaria anbot, lehnte dieser Mit den Worten "Schülerarbeiten kaufe ich nicht" ab. Später kam es aber dann doch zur Zusammenarbeit.
    Die Preise richteten sich nach der Nachfrage, bzw dem Ruhm und dem Verhandlungsgeschick des des Komponisten.
    Diese Geschäfte führten gelegentlich zu Streitigkeiten, sodaß Komponisten auch mal den Verleger wechselten, wenn sie sich übervorteilt fühlten. Dann gab es noch die Aufträge für Opernhäuser. Wenngleich man Schuberts Opern heute als "erfolglos" einstuft, so wurden sie dennoch immer wieder an großen Häusern gespielt - wenn auch meist nur kurz....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Eine Anmerkung noch zu der von Alfred Schmidt dankenswerterweise eingefügten Sepia-Zeichnung von Schwind. Sie ist ja vierzig Jahre später entstanden und stellt keine realistische Abbildung des Ereignisses dar, sondern eine Art Stilisierung, die auf das Typische dieser „Schubertiaden“ abzielt.


    Und da ist – aus heutigem Blickwinkel – nicht nur interessant, dass hier – im Gegensatz zur ersten Schubertiade von 1821 - nicht nur „Jünglinge“ teilnehmen, sondern auch Frauen. Ferner sieht man sehr gut, dass es sich bei allen Teilnehmern um Angehörige des gehobenen Bürgertums und des Adels handelt. Die Körperhaltung bringt zum Ausdruck, mit welcher Aufmerksamkeit man dieser Veranstaltung innerlich folgte und welche Bedeutung sie offensichtlich für die Teilnehmer besaß.


    Interessant schließlich auch, dass man Schubert förmlich suchen muss. Vogl verdeckt ihn zum Teil und ist deutlich in den Vordergrund gerückt. Schubert steht in diesem Bild also keineswegs im konfigurativen Zentrum. Und das entspricht ganz den realen Gegebenheiten. Es könnte freilich auch von Schwind als Hinweis auf Schuberts Grundhaltung der Bescheidenheit gemeint sein.


    Und schließlich noch etwas recht Bedeutendes:
    Im Zentrum des Bildes hängt an der Wand das Bildnis von Caroline Comtesse Esterházy von Galantha. Wenn Schwind das an dieser Stelle in seine Zeichnung eingefügt hat, dann wusste er um die Bedeutung, die diese Frau für Schubert hatte. In einer Tagebuchnotiz von Bauernfeld 1828 heißt es: „Schubert scheint im Ernst in die Comtesse E. verliebt. Mir gefällt das von ihm“.
    Alle Sehnsucht, der Schubert musikalischen Ausdruck verlieh, kreisen wohl um diese Frau. Sie erhielt von ihm eine ganze Reihe von Notenmanuskripten als Geschenk. Schubert war sich natürlich in jedem Augenblick der damals unüberwindlichen gesellschaftlichen Schranken bewusst. Bei seinem ersten Auftritt als Musiklehrer der Töchter wohnte er in einem Nebengebäude, wie sich das für „Dienstpersonal“ gehörte. Erst beim zweiten Aufenthalt 1824 wurde er freundlicher empfangen und durfte im Schloss wohnen.


    Allerlei Vermutungen, dieses „Verhältnis“ betreffend, wurden schon angestellt. Zum Beispiel, dass hinter der Aufeinanderfolge der Lieder „Ungeduld“, „Morgengruß“ und „Des Müllers Blumen“ aus der „Schönen Müllerin“ eben die Comtesse Esterházy als Adressatin stecke.

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