Gösta Nystroem - Wandler zwischen den Epochen

  • Hallo Taminos,


    eine meiner Neuentdeckungen ist der schwedische Komponist Gösta Nystroem, den ich hier vorstellen möchte.



    Gösta Nyström wurde am 13. Oktober 1890 in Silvberg geboren. Dies lag in der Region Dalarna im schwedischen Binnenland. Den ersten Musikunterricht erhielt er wie viele skandinavische Komponisten von seinem Vater. Später kam er jedoch nach Stockholm, wo er u.a. bei dem
    damals angesehenen Komponisten Andreas Hallen unterricht bekam. 1915-1919 erhielt er in Kopenhagen unterricht, wo er auch Carl Nielsen kennen-
    lernte. In dieser Zeit fing Nyström an zu komponieren, doch die Malerei beschäftige ihn mehr. Als er jedoch 1920 in Paris war, ließ ihn die Musik keine Ruhe und das Komponieren wurde die größere Leidenschaft. Dort erhielt er Unterricht bei Vincert d'Indy bis er 1931 wieder zurück nach Göteburg ging, wo er als freischaffender Komponist und Musikkritiker arbeitete. Er starb im Alter von 75 Jahren 1966 in Varberg.
    Schon immer zog ihn das Meer an. Dieses und die Natur wurden seine Inspirationsquelle. Es entstand die Sinfonia del mare (1947-1948 ) und die Sänger vid havet ( Lieder am Meer 1943 ) sowie die Nya sänger vid havet ( 1950 ). Doch auch eine Begeisterung für schwedische Lyrik hatte er. Er vertonte im Laufe des Lebens Gedichte von Bo Bergmann, Pär Lagerkvist, Bertil Malmberg und Anders Österling.
    Doch seine Tonsprache wurde nicht nur durch die Natur beeinflusst. Auch die Malerei, seine Leidenschaft für Bilder des Impressionismus prägen sie. So " hörte er Farben wenn er Musik hörte und Farben dürckte er in Musik aus".


    Während seine Frühwerke noch klar von Sibelius beeinflusst sind, ist später der Impressionismus, vielleicht sogar Expressionismus unverkennbar.
    Seine wirklich beeindruckenden Lieder sind fast rezitativisch gestaltet. Aus seiner außergewöhnlichen Tonsprache und den ersten Sprechgesang formt sich eine unglaubliche Spannung die mich sehr stark ergriffen hat. Während diese Werke noch sehr tonal sind, schlägt Nyström in seiner Sinfonia Breve "krass" atonale Strukturen auf, die ihn klar als Moderner erscheinen lassen. Seine 3 Sinfonie, die Sinfonie Del Mare hat Parts die ins Atonale stoßen und Parts voller lyrischer Melodik und unglaublicher Schönheit.


    Insgesamt vier CD's befinden sich in meiner skandinavischen Sammlung. Alle kann ich nur wärmstens Empfehlen. Ich war nie ein großer Lied-Fan, doch diese erschütternden Werke haben mir den Weg zur Lied-Liebhaberrei aufgetan.



    Gösta Nystroem
    Sinfonia Breve und Sinfonia del mare
    Malmö Symphony Orchestra - Christoph König
    Malena Ernman ( Mezzo Sopran )



    Svenska Romanser Vol I
    Karin Ingebäck (Sopran ) Gabriel Suovanen (Bariton
    Hans-Erik Goksöyr ( Klavier )



    Gunvor Nilsson ( Mezzosopran ) Erik Risberg ( Klavier )
    Enthält:
    Det Enda ( Sinfonia del Mare ) , Ätta dikter ur ängest, Prelude Pastoral, Ur musiken till stormen, Valse Marine, Värnatt,
    Andakt, Psalm, Sänger vid Havet

    Und die wohl beste der Aufnahmen

    Charlotte Hellekant ( Mezzosopran) Anders Kilström ( Klavier )
    Enthält:
    Sänger vid havet, Hjärtat, Ord mot det tomma, Ur Ängest, Bön, Kärlekens visa, Att älska i värens tid
    Själ och landskap ( Nya sänger vid havet )


    LG Christian

  • Mir ist lediglich die sinfonische Dichtung "Ishavet" bekannt. Eigentlich ein guter Anlass, die CD wieder herauszukramen. Ich habe sie immer sehr gern gehört. Im Prinzip vergleichbar mit der Sinfonia Antarctica von Ralph Vaughan Williams - wer diese mag, ist auch hier bei Nystroem richtig. Die Macht der Natur, die Unerbittlichkeit der Antarktis könnten auch hier das Thema sein (ich weiß nicht mehr genau, ob es ein vom Komponisten vorgegebenes Programm gibt). Sehr hörenswerte Musik, sehr spannend und dramatisch.



    Die BIS-CD habe ich - bin aber ernsthaft nie über Ishavet hinausgekommen:



  • Die 5. und vorletzte Symphonie von Gösta Nystroem - neben Holding Rosenberg wohl einer der bedeutendsten "Modernisten" im Schweden des 20. Jahrhunderts - wurde 1963 komponiert. Das zweiteilige Werk für Streicher, Flöte und Schlagzeug dauert ca. 27 min. Die Stimmung dieser tonalen Komposition ist getragen und düster und erinnert an die langsamen Sätze von DSCH und die Streichsinfonie von Arthur Honegger. Dabei kommt Nystroem durchaus zu eigenständigen musikalischen Aussagen. Insgesamt hat mich das Werk ausgesprochen stark angesprochen und beeindruckt. Jeder, der sich für die Sinfonie im 20. Jahrhundert interessiert, sollte es gehört haben. Das Malmö SO unter dem jungen Paavo Järvi sowie die Aufnahmetechnik von BIS tragen zum positiven Gesamteindruck bei. Eine weitere Sinfonieserie, die ich komplettieren werde.


    Nystroem war in jungen Jahren auch Maler, das Coverbild stammt von ihm (wäre ja mal ein schönes Rätsel für das Coverratespiel gewesen ;) ).


  • Nachdem ich Gösta Nystroems 2. Symphonie mehrmals gehört habe, denke ich, dass er sich mit diesem Werk als bedeutendster schwedischer Symphoniker zwischen den Spätromantikern und Allan Pettersson qualifiziert. Das Werk entstand 1935 und es macht Sinn zu schauen, welche anderen bedeutenden Symphonien in dieser Zeit entstanden: Hindemith - Mathis der Maler, Schostakowitsch - Symphonie Nr. 4, Honegger - Symphonie Nr. 2, Roussel - Symphonie Nr. 4. In dieser illustren Gesellschaft macht Nystroems 2. eine sehr gute Figur. Das Werk hat vier Sätze und was eher ungewöhnlich ist, die Symphonie wird von Satz zu Satz besser mit einem absolut genialen Finalsatz. Nach einem fugierten Teil, den auch Hindemith nicht besser schreiben konnte, kommt eine Stelle, die allen Liebhabern Allan Petterssons ein Aha-Erlebnis bescheren dürfte, das hat er in einer seiner Symphonien (7 oder 8) fast wörtlich übernommen. Danach eine furiose Apotheose. Der dritte Satz ist eine Passacaglia, die in ihrem schmerzhaften Ausdruck als Vorgriff auf die aus Schostakowitsch 1. VC gelten kann. Überaus beeindruckend dieses Werk. Diese CD gehört in jede halbwegs anständige Sammlung von Sinfonie des 20. Jahrhunderts. :jubel:
    Schön, wenn man dann noch feststellt, dass man mit seiner Meinung nicht alleine ist.


    C. Schlüren in KLASSIK heute 4 / 98: "Die Sinfonia espressiva ist eine der großen Sinfonien der Zeit. Ihre Tonsprache sollte all jene begeistern, denen Schostakowitsch, Hindemith und Honegger zusagen. Die Aufführungen - von unbedingter Einfühlung und Souveränität getragen - sind schlicht unwiderstehlich!"

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  • Mit diesen beiden Symphonien steigt Nystroem noch weiter in meiner Achtung, so dass ich jetzt nicht mehr zögern würde, ihn in einem Atemzug mit Komponisten wie Milhaud, Honegger, Roussel und Holmboe zu nennen.

    Tolle eigenständige Musik in einem Ideom, das sich in der Welt von Bartoks Concerto, Prokofieffs 5. und 6. Symphonie und Hindemiths "Harmonie der Welt" bewegt. Ich warte ungeduldig auf die dritte CD der Serie mit 1 und 3.

  • Hallo Lutgra,


    deine Einschätzung zu unbekannten Werken von Glass bis zu den ganzen Nordlichtern teile und schätze ich, auch wenn manchmal ein paar Langweiler dabei sind.


    Auf Gösta Nystroem hatte mich vor vielen Jahren bereits Johannes (Guercoeur) durch eine CD-Lieferung aufmerksam gemacht. Leider habe ich Nyström damals, wegen anderer Prioritäten, nur am Rande verfolgt.
    8o Deine letzten Beiträge haben mich ermuntert es Dir gleich zu tun und die Nyström - Sinfonienserie zu komplettieren. Wirklich Klasse, mit einer tollen Atmosphäre; das sind musikalische Erzählungen über seine Heimat. Nie langweilig - da ist teils richtig was gebacken. Kurz - ganz mein Geschmack !


    Ich habe jetzt (bis auf die Nr.2) alle Sinfonien, die tolle von Tapio vorgestellte Sinfonische Dichtung Ishhavet und das Prelude Der Sturm vorliegen.
    :thumbup: Mit Swetlanow und dem Schwedischen RSO ist Der Sturm der Hammer:


    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo Wolfgang
    das hätte mich auch sehr gewundert, wenn Dir Nystroem nicht gefallen hätte. Ich warte immer noch auf die 3. Symphonie und die mit Ishhavet werde ich noch ordern.
    Was Dir auch gefallen könnte, ist Alexander Moyzes. Da bin ich gerade dabei, die 12 Symphonien auf 6 Marco Polo CDs zusammenzukaufen. Gibt es leider z.T. nur noch als CD-Rs. Aber das ist auch eine starke Musik.
    Liebe Grüße
    lutgra

  • Sänger vid havet, Hjärtat, Ord mot det tomma, Ur Ängest, Bön, Kärlekens visa, Att älska i värens tid
    Själ och landskap ( Nya sänger vid havet )


    Kleine Druckfehler haben sich hier eingeschlichen.


    Sänger, Ängest und värens tid sollte Sånger, Ångest und vårens tid heißen.

  • Lieber Hami,


    dies ist mir - nachdem ich nun für 9 Monate in Schweden lebte - beim Aufleben des Themas auch bewusst geworden. Wie wir aber wissen ist das Bearbeiten nur bis zwei Stunden nach Erstellen des Threads möglich. Da dieser nun bereits zwei Jahre alt ist...
    Damals dachte ich auch, dass å=ä ist, tatsächlich ist es aber eher ein o-Laut!


    LG
    Christian

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  • Damals dachte ich auch, dass å=ä ist, tatsächlich ist es aber eher ein o-Laut!


    Und zwar ein geschlossener im Gegensatz zur dänischen Aussprache.


    Lebst Du noch in Schweden?


    Apropos Nystroem. Was hat er eigentlich von Andreas Hallén mitbekommen, der in meinen Ohren wie ein Wagner-Epigone klingt, jedenfalls in Harald Viking?
    Ishavet aber fängt mit Debussy an und hört mit Allan Pettersson auf, denk ich mir in meiner von jeglichen musiktheoretischen Kenntnissen befreiten Einfalt.
    Doch vielleicht liege ich damit fürchterlich daneben.


    Du selbst scheinst Musiker zu sein?


    Hjärtliga hälsningar
    hami1799

  • Liebe Taminos,


    zuerst, sehr verspätet hami1799: Ich bin schon seit Mai wieder in Deutschland und wünsche mich eigentlich jede Minute wieder oben in Schweden. Musiker bin ich auch, allerdings noch nicht professionell. Ich bin Organist in einer Kirchengemeinde und gebe jedes Jahr etwa 3-4 nordische Konzerte und begleite hier und da Sänger und Chöre...
    Von seinem Lehrer Andreas Hallén dürfte Nystroem wahrlich wenig abbekommen haben. Hallén war ein sehr konservativer Komponist und Lehrer und hörte seines Schülers "modernen Humbug" (was er auch über Kurt Atterbergs Musik sagte, obgleich er immer sehr freudig war, wenn seine Schüler Erfolge feiern konnten) gewiss nicht gerne.


    An dieser Stelle möchte ich mein "Schlüsselwerk", welches mich für diesen Komponisten und den Liedgesang allgemein begeistern konnte, vorstellen. Es handelt sich um einen Liederzyklus mit dem Titel Sånger vid Havet (=Lieder am Meer) aus dem Jahr 1942. Nystroem, der sein ganzes Leben lang vom Meer angezogen wurde, und in diesem eine große Inspirationsquelle fand, vertonte in diesem Zyklus fünf atmosphärische Gedichte ehemals bekannter schwedischer Dichter.


    Draußen in den Schären

    (Ebba Lindqvist)


    Ein Tag soll kommen,
    an dem der Wind still steht,
    an dem das Zittergras singt
    und die Sonne eingeschlafen ist.


    Dann werden wir dich rausfahren,
    zu den äußersten Inseln,
    lichtumflutet, sphärenleuchtend, haltend
    an der Brandung Schaum.


    Ein Tag soll kommen,

    an dem der Wind still steht,
    an dem das Zittergras singt
    und die Sonne eingeschlafen ist.


    Der Zyklus beginnt mit dem Lied Ute i skären (Draußen in den Schären), nach dem oben gezeigten Gedicht von Ebba Lindqvist, welches wie fast alle Lieder rezitativisch von der Sängerin vorgetragen wird. Geradezu perfekt fängt Nystroem die stille, sphärische Atmosphäre des Gedichts ein. Sehr langsam, still, mit viel Tiefe und schimmernden Arpeggien vertont er die erste Strophe, verdeutlicht er die windstille Nacht. In der zweiten Strophe ändert sich der Charakter, man fährt hinaus auf das Meer und auch die Musik kommt mehr in Bewegung. Lichtumflutend, harmonisch grell und lauter, wird es bis an der Brandung Schaum, den Nystroem mit einem harfenimitierenden Lauf und anschließenden Tremoli in den höchsten Lagen verdeutlicht. Entsprechen dem Gedicht wird der A-Teil nun wiederholt und klingt fast unhörbar aus.


    Nocturne

    (Edith Södergran)


    Silberschimmende Mondesnacht,
    blaue Wellen des Nacht,
    schimmernde Wogen ohne Zahl,
    auf einander folgen.


    Schatten fallen über den Weg,
    die Büsche des Strandes weinen sachte,
    schwarze Giganten
    des Strandes Silber hüten.


    Tiefe Stille in des Sommers Mitte,
    schlafe und träume -
    Der Mond scheint übers Meer,
    weiß und zärtlich.


    Mein persönliches Lieblingsstück des Zyklus ist die Nocturne, in welcher Nystroem die schimmende Mondesnacht durch grelle Akkorde (grell durch Dissonanz) in der Oberstimme darstellen lässt, die von einer ständigen Wellenbegleitung in d-Moll und a- Moll begleitet wird. Beim Einsatz des Wortes "weinen" werden die Akkorde immer dichter, härter, und werden nun von tragisch wirkenden, absteigenden Linien unterstützt. Doch dann die Stille - einen großen Dur-Septakkord lässt Nystroem noch spielen, bevor die Sängerin nach Belieben die Stille der Sommernacht schildert. Auch hier wird der A-Teil (1. Strophe) nun mit anderem Text wiederholt. Ein langes Nachspiel zeigt nur noch den glänzenden Schimmer des Mondes im Meer. Der Beobachter ist eingeschlafen...


    Lied des Meeres

    (Hjalmar Gullberg)


    Mit dem Lied des Meeres bin ich vertraut.
    Die Berge und Wälder sollen andere preisen.
    Vom Abend bis zur Morgendämmerung, im Schlaf und im Wachen

    mit des Strandes Wellen mein stets Herz schlägt.


    Freunden und Frau entsage ich.
    Doch das Lied des Meeres heilt meinen Schmerz.


    Und die Schiffe erreichen den Hafen und Schiffe zerschellen.
    Die Weise der Düne flüstert meinen Namen.

    Vom Anfang der Nacht höre ich seine Stimme,
    die das Wasser teilt und Licht erzeugt.


    Was kann mich schrecken? Hier bin ich Zuhause,

    in den Armen des Vaters im Rauschen des Meeres.


    Das einfachste Lied im Zyklus ist das Lied des Meeres, welches Nystroem in einer einfachen ABAB(C)-Form gestaltet hat und diesmal in der Singstimme kaum rezitativisch gehalten ist. Ein recht aufbrausendes Motiv, wieder wellenartig gestaltet (die Melodie bewegt sich in Sekunden auf und ab) leitet den A-Teil ein. Die Stimme singt eine recht eingängige Melodie, die im Klavier, fast volksliedhaft – natürlich wieder mit reibenden Akkorden – begleitet wird. Mit den Worten „Freunden und Frau entsage ich. Doch das Lied des Meeres heilt meinen Schmerz“, ändert sich der Charakter, der nun durch abfallendes, doch traurig wirkendes Motiv dargestellt ist. Dies wiederholt sich, bis die Stimme, das Meer als ihr Zuhause hinausrufend, wieder von wallenden Wogen aus dem Klavier begleitet wird.


    Dies sei nun mein erster Beitrag zum Jubiläumsjahr (125. Geburtstag) von Nystroem. Ein weiterer, in dem ich die beiden anderen Lieder behandeln werde, wird noch folgen. Hier ist noch ein youtube Link von einer Orchesterversion unter Svetlanov. Ich bevorzuge die Klavierversion, aber da ist leider nichts wirklich brauchbares auf der Seite zu finden. CD-Empfehlungen folgen im nächsten Beitrag dazu.

    Beste Grüße

    Christian

  • auch wenn manchmal ein paar Langweiler dabei sind.


    Besser kann man das was ich beim Hören des "Concerto Ricercante" von Gösta Nystöm empfand nicht beschreiben.

    Ich will nicht behaupten, daß hier sehr dissonante Musik aus den Lautsprechern kommt, keine wirklich schrägen Stellen, nichts wirklich Verstörendes, am ehesten melancholisches, schlechte Laune Förderndes und vereinzelt ein paar rhythmische Stellen im dritten Satz, wobei der dritte Satz eigentlich gar kein dritter Satz ist, weil die Sätze nahtlos ineinander fliessen. Wenn man im Booklet von der Vorliebe des Komponisten für das Meer und seine Seefahrer liest (nicht auf dieses Werk bezogen sondern aus "Das Eismeer" und andere) und daß er zu einem seiner Werke durch die Fahrt auf einem Walfänger inspiriert wurde , dann gewinnt man einen groben Überblick über die Ästetik des Komponisten (der auch im Stil des Kubismus MALTE !!) der man folgen kann - oder eben nicht.

    Die Musik deprimiert (mich) eher, als daß sie mir gute Laune veschafft - siie reisst nicht mit, begeistert mich nicht, hat auch keine sich mir eröffnende "tiefere Aussage (Gott sei Dank !!) sondern lässt mich gelangweilt, übellaunig und unbeeidruckt zurück. Die Frage die sich mir stellt ist. ob es für sowas ernstlich ein größeres Publikum gibt und aus welcher Motivation heraus so etwas komponiert wird.


    Ich beantworte die nächsten zwei Fragen - noch bevor sie gestellt werden:

    a)Warum hör ICH diese Werk,die mir ja nicht gefallen?

    Das hat mit meiner Funktion in diesem Forum zu tun, weil ich mich irgendwie verpflichtet fühle im Großen und Ganzen informiert zu sein

    b)Warum schreibe ich über das Werk - wenn ich es offensichtlich nicht mag.

    Die Frage ließe sich unterschiedlich beantworten:

    x) weil offenbar sonst niemand es tut, weil das Interesse daran gerng ist

    y) weil ich darstellen möchte, daß das Werk auch abgelehnt werden kann - oft findet man langweilige oder grässliche Stücke, die als "Meisterwerke " verkauft werden - und niemand widerspricht (vielleicht aber auch weil sich niemand dafür ernstlich interessiert.)


    Man wird mir zugute halten müssen, daß diese sperrigen Werke zumindest hier nicht totgeschwiegen werden, wie in den handelsüblichen Musiklexika und Konzertführern.

    Damit mich jedermann widerlegen kann bietet unser Werbepartner jpc die Cd derzeit zum Sonderpreis von 5.99 an.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wiederum (wie im Mankell- Thread) sehe ich mich hier hinter einem Beitrag von Alfred, zum Concerto ricercante (ricercare = erforschen) (aus 1959) und ich höre dazu das Konzertstück "Eismeer" (Ishavet) mit Frauenchor und sinfonischer Orchesterbesetzung, eben von Gösta Nystroem. Dieser ist 22 Jahre jünger als Mankell, der Grossvater, das "erforschende Klavierkonzert" ist ganze 42 Jahre jünger als dasjenige von Mankells op. 30. Nystroems Werk ist für Klavier und Kammerorchester (!) geschrieben.

    Beim zweiten Male Hören war ich dann doch regelrecht gefesselt und beeindruckt !


    Schnell ist klar, dass die beiden Komponisten und ihre Werke sehr wenig miteinander zu tun haben und man sollte sie nicht zusammen hören. Ausser dass die Kompositionen in Schweden entstanden sind und dass beide Komponisten auch begabte bildende Künstler waren, gibt es kaum weitere Gemeinsamkeiten zwischen ihnen. Zudem lebte Nystroem mit seiner jungen Familie zwölf Jahre in Paris (ab 1919, sozusagen in Hörweite von Strawinsky und Honegger u.a.)

    Im Gegensatz zur quasi- sinfonischen Dichtung "Eismeer", die offensichtlich eine Art Programm aufweist, dabei leider auch immer wieder musikalische Klischees bedient, ist das hier besprochene Concerto absolute Musik, auf jeden Fall ziemlich origineller Machart. Was mir beim ersten Male Hören wie unter- aber auch vordergründiger, irgendwie grober oder platter Musik vorkam, klingt jetzt wirklich nach differenzierten, fein abgestuften, streicherbetonten Instrumentenstimmen, verbunden mit einer Ansammlung von Pauken, Trommeln und weiteren Perkussionsklängen und -geräuschen. Im Verlauf zeigt sich, dass der Komponist sehr gute und ausgewogene Kompositionsergebnisse erzielt hat, wie ich meine. Wer Themen sucht, kann sie hier finden oder nur ahnen, wird zumindest mit dem Finden von musikalischen Ideen belohnt. Wenn man sich nun besonders auf das Schlagwerk konzentriert, gewinnt das Klavier nahezu die Funktion eines Vermittlers zwischen Rhythmus und gänzlich freien, ja konträren Streicherklängen, die Melodie suggerieren.

    (man kann den Anfang von "Pacific 231" (von Honegger) hören und feststellen, dass durchaus fein hingesetztes Schlagwerk mit den Streichern (ggf. inklus. Holzbläsern) Gemeinsamkeiten und eben nicht Gegensätze sucht). Das geschieht doch ziemlich organisch, doch musikalisch keineswegs simpel und auch nicht irgendwie vulgär. Es ist vor allem im Sinne einer Zwiesprache, eines Miteinanders.)


    Für mich persönlich scheint es so, dass das Schlagzeug und die Perkussionsinstrumente es ermöglichen, einen atonalen oder dissonanten Höreindruck einer Geige oder Klarinette, vielleicht mehr noch einer Oboe oder Oud, integrieren und somit plötzlich hörenswerte Musik da ist. Ich habe gemerkt, dass ich den Zugang zur atonalen Musik nicht recht schaffen kann, wenn er von der Spätromantik her kommt, Stichwort "Verklärte Nacht".


    Einerseits werde ich weitere Nystroem- Werke hören, weil sie mir gefallen und weil er ein viel zu wenig bekannter und beachteter Komponist ist, andererseits ich Komponisten wie Honegger, Francaix und Messiaen MEHR Zeit widmen will und auch sollte. :)

  • Groupe des Six sind ausserdem noch Poulenc, Milhaud (Le boeuf sur le toit !) und Frau Tailleferre. Ein Vergleich mit Nystroems Sachen drängt sich nicht unbedingt auf. Ich finde ihn sehr eigenständig. :thumbup:


    (im Sommer 1963 bekam ich einen neuen Französisch- und Klassenlehrer, "Egger" malte er an die Tafel und sagte, so heiss ich ! (und grinste)(ein Badener im Schwäbischen). Damals trugen die Lehrer noch Anzüge, wie es auch für die Tanzstunde üblich war, Kurz danach kam ein rothaariger Flüchtlingsjunge frühmorgens ins Klassenzimmer, mit entsetztem Gesicht (wie der Van Gogh aus den jährlich angebotenen "Kunstmappen" der "Württembergischen Landesbildungsanstalt" (oder so ähnlich, ich kann`s nicht beschwören) und rief immer wieder "Dr Kennedy is gschtoabn, den hams abgeknallt.................."

    Da begann meine Auseinandersetzung mit der französischen Kultur, später mit den cleveren frz. Mädchen. Ich durfte bei meiner Klavierlehrerin, Schülerin von Monique Haas für ein Jahr (in P., wo denn sonst!), "Clair de Lune" spielen. Meine Mutter zahlte entsetzt die 16, -- DM für diese zwei zusammengefalteten DIN A 3 Blätter als Noten auf schlechtestem Papier. (mein optimistischer Vater hatte im Frankreich- Feldzug einen frz. Streifschuss abbekommen und später vor Dünkirchen einen angeschossenen Engländer zum dt. Verbandsplatz geschleppt...)


    Immerhin gab es zwei (und später mehr) Studentenpärchen, die (meist) zwei Semester in Paris, Grenoble und Lausanne studiert hatten, was damals dann im Südwesten in Mode kam, aber später abgestorben ist - leider. In Stuttgart und Ludwigsburg gab es nicht nur ganz wenige Familien, die ihre Nachgeborenen (mehr Mädchen als Buben) an die Sorbonne geschickt hatten, trotz Nazi- Sozialisation der ehrenwerten Eltern (man muss auch bedenken, dass Baden und Teile von Württemberg ab ca. 1812 offiziell Französisch gesprochen und geheiratet hatten). -



    Damals, 1963, hatte Radio Barth in Stuttgart ca. 15 LPs von Brahms, KK 1 + 2, zum anhören, Erato aber "haben wir nicht", Ravel drei, Debussy sechs LPs waren ad hoc verfügbar (meist Decca). Eigentlich habe ich die franz. Küche eher als die frz. Kultur, sprich Musik kennengelernt, nämlich als experimentierfreudiger Student.


    Eine meiner ersten CD dieses Zeitabschnittes war "Pelleas et Melisande", da musste und sollte ich mich drauf konzentrieren...


    Dieses, bittschön, nur am Rande.

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