Liebe Forianer und Mitleser,
eigentlich war es nicht meine Absicht, einen neuen Thread zu starten, sondern ich wollte nur Pius den Gefallen tun, einen kurzen Bericht über verschiedene Einspielungen dieser Symphonie zu schreiben. Dabei musste ich jedoch feststellen, dass dieses berühmte Werk noch keinen eigenen Thread besaß. So folgt nun hier ein kleine Einführung und man sehe mir meine noch mangelnde Kenntnis der Umstände dieses Werkes nach.
Mahlers 5. ist eine seiner bekanntesten Symphonien, wenn auch oft nur wegen besagten 4.Satz - wie ich finde, zu unrecht - und besitzt eine wichtige Stellung innerhalb Mahlers Schaffen. Für uns ist sie dabei aus zwei Gesichtspunkten interessant. Ad eins ist sie die erste ausschließlich im 20.Jahrhundert komponierte mahlersche Symphonie (1901-03), ad zwei ist sie der Scheidepunkt in seinem symphonischen Schaffen. Der Titan (Nr.1) war Mahlers Einstieg in die Spätromantik, die dann in den so genannten Wunderhornsymphonien (Nr. 2-4) voll zur Geltung kommt. Diese Werke sind geprägt durch die Verbindung von Musik und literarischen Themen, die sich praktisch in der Verbindung von instrumentalen und vokalen Gruppen niederschlägt. Ich denke, man kann hier zurecht den Einfluss Wagners und seine Idee von der Vereinigung aller Künste zu einem großen Gesamtkunstwerk geltend machen. Nr. 5 markiert dagegen eine Rückbesinnung auf die klassische (Wiener) Tradition, in der geistige Themen und Probleme rein instrumantal verarbeitet werden. Dies geschieht auch in den beiden folgenden Symphonien Nr. 6 und 7, wobei besonders die Entidealisierung der frühen hochromantischen Welt auffällt (zur gleichen Zeit entstanden die Fünf Kindertoten- und die Rückertlieder). Nr. 8 holt diese teilweise wieder zurück (große vokale Gruppe), während Nr.9 den Weg der 5. beendet und noch weiter geht. Insofern sehe ich die 5. auch als den Beginn der 9.
Mahler hatte das Werk ursprünglich viersätzig geplant, spaltete den 1.Satz dann aber auf. Der erste Teil, nunmehr alleiniger 1.Satz ist ein Trauermarsch und darf als Einführung zum zweiten Satz gesehen werden. Er zeigt unmissverständlich Mahlers inneren Wandel und seinen Mut, eine Symphonie damit zu beginnen. Das zweite Thema in den Violinen erinnert an das erste Kindertotenlied und das Wunderhornlied "Der Tambourg'sell", womit eine Brücke zu den vorangegangenen Symphonien geschlagen wird. Es ist der gleiche Tod, doch nun nicht mehr romantisch verklärt, sondern harte Realität. Der 2.Satz ist von Mahler mit "Stürmisch bewegt (mit größter Vehemenz)" überschrieben. Er kann als Durchführung gesehen werden, denn es wird das thematische Material des 1.Satzes verarbeitet. Ungewöhnlich ist dabei gegen Ende ein kurzer Aufschwung nach A-Dur, bevor die Musik wieder in den Schmerz und die Tristesse des Moll zurückfällt. Dies wird von einigen Quellen als Aufbäumen der Freude und des Glückes verstanden, dass im Verlauf der Sätze immer mehr an Kraft gewinnt und letztendlich triumphiert. Das nun folgende Scherzo ist der zweite Teil der Symphonie, ungewöhnlich in seinen Ausmaßen, womit wir im Zentrum der Symphonie angelangt sind. Dieser 3.Satz verarbeitet Mahlers Heimat Österreich in einem einleitenden Ländler, im Walzen und Naturszenen. Das folgende Adagietto ist die bekannte Weise aus dem biographischen Mann-Film "Tod in Venedig" und wohl der beliebteste und am besten (?) verstandene Satz, der zusammen mit Satz Nr.5 den dritten Teil der Symphonie bildet (wird deutlich am pausenlosen Übergang). Er ist im Vergleich zum Vorangegangen nur klein besetzt (Streicher und Harfe) und zeitlich kurz, basierend auf einer leicht eingängigen, melancholisch angehauchten Melodie. Einige Leute sehen ihn nur als Einführung zum Finalsatz, doch ich denke, er ist viel bedeutender, wenn nicht der Schlüssel zum gesamten Werk. Es gibt die Theorie, dass der Satz eine Liebeserklärung an die spätere Alma Mahler ist. Dafür gibt es Quellennachweise in Briefen von Willem Mengelberg und dem damaligen Fräulein Schindler, die jedoch vom 1.Satz sprechen, was damit zu erklären ist, dass das Adagietto der erste von Mahler komponierte Satz 1901 kurz vor der Verlobung im Dezember war. Somit wäre auch das zitierte "Liebesblick"-Motiv aus Wagners Tristan und Isolde zu erklären. Doch warum dann die melancholische Grundstimmung? Wie lässt sich dann eine entfernte Verwandtschaft zum vierten Rückertlied "Ich bin der Welt abhanden gekommen" interpretieren. Das Adagietto wirkt aufgrund gerade seiner Ruhe und dieser Tatsache für mich als augenscheinlicher Triumph des Todes, doch ist es letztendlich nur die Einleitung zum triumphalen Satz, in dem die Freude und der Jubel des Lebens am Ende in einem alles überragenden Freudesschrei kulminiert. Die Symphonie ist zu Ende, der Brückenschlag zu Beethoven vollbracht.
Nun bin auch ich zu Ende und die Diskussion kann beginnen,
nubar
p.s. Pius, ich habe dich nicht vergessen!