Regietheater und künstlerische Freiheit

  • Ich glaube, wir brauchen dringend neue Regietheaterthreads.
    :D
    Ich habe ja meine Probleme mit "künstlerische Freiheit" als Totschlagargument pro Regietheater.


    farinelli wählt das Regietheater,

    Denn die künstlerische Freiheit ist mir das oberste Gesetz [...]

    Wenn die künstlerische Freiheit das oberste Gesetz sein soll, dann darf sie doch nicht nur für den Regisseur gelten, während alle anderen seine Knechte sind, ob sie das mögen, was er will, oder nicht. Die Sänger singen ja nicht nur in der Oper, sie stellen auch dar, das gehört auch zu ihren künstlerischen Aufgaben. Wenn nun der Regisseur sich nicht an das Libretto halten muss, wie es das Regietheater vorführt - und was offenbar als künstlerische Freiheit gedeutet wird - warum muss sich dann der Sänger bei seiner künstlerischen Leistung sklavisch an den Regisseur halten? Wo bleibt die Demokratie? 50 Sänger und alle müssen tun, was ein Regisseur ihnen diktiert? Also wenn schon künstlerische Freiheit, dann für alle!
    :angel:

  • Sehr schön auf den Punkt gebracht.


    Seltsamerweise hat sich die "Demokratie" in den meisten Orchestern heute durchgesetzt. Bei den Inszenierungen hingegen haben wir es mit Diktatoren zu tun.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Sehr schön auf den Punkt gebracht.


    Seltsamerweise hat sich die "Demokratie" in den meisten Orchestern heute durchgesetzt. Bei den Inszenierungen hingegen haben wir es mit Diktatoren zu tun

    Das sehe ich genauso! Es geht bei dem Regietheater doch nicht mehr um "Künstlerische Freiheit", die schon längst nichts mit der jeweiligen Oper etwas zu tun hat, sondern nur noch nach dem Motto "Friß oder stirb." Es gibt für den traditionellen Opernbesucher doch schon lange keine Alternative mehr.

    W.S.

  • Seltsamerweise hat sich die "Demokratie" in den meisten Orchestern heute durchgesetzt.

    Gestatten mir S.M. eine Nachfrage?


    Weil ich die zustimmende Antwort gerade nicht hören konnte, ;) frage ich doch einfach so: Trotz der demokratischen Verfassung der Orchester hat der Taktstockbesitzer bestimmt das letzte Wort - oder wie oder was oder nee? Bei vielen Belangen des Orchesteralltags mag ja Demokratie Einzug gehalten haben, aber in der künstlerischen Aussage... ?(
    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Ich hoffe, dass diejenigen, die sich denken: "Wie kann ein Moderator einen solchen Unsinn schreiben?", um das Ansehen unseres Forums nicht übermäßig leiden zu lassen, jetzt nicht das Feld den in ähnlichem Ausmaß Vertrottelten überlassen, sondern korrigierend in die Tasten greifen!
    :hello:

  • Ich hoffe, dass diejenigen, die sich denken: "Wie kann ein Moderator einen solchen Unsinn schreiben?", um das Ansehen unseres Forums nicht übermäßig leiden zu lassen, jetzt nicht das Feld den in ähnlichem Ausmaß Vertrottelten überlassen, sondern korrigierend in die Tasten greifen!
    :hello:

    Habe ich etwas falsch gemacht ?(?(?(
    Dann bitte ich meine Beiträge hier wieder zu löschen!


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Zitat

    Nein, ich habe natürlich nicht Dich gemeint, sondern nur Mitglieder, die hier bislang nichts gepostet haben.


    Dann kannst Du ja nur mich gemeint haben. Vielen Dank! Dann werde ich mich zu diesem Thema auch nicht mehr äußern!

    W.S.

  • Gestatten mir S.M. eine Nachfrage?


    Weil ich die zustimmende Antwort gerade nicht hören konnte, ;) frage ich doch einfach so: Trotz der demokratischen Verfassung der Orchester hat der Taktstockbesitzer bestimmt das letzte Wort - oder wie oder was oder nee? Bei vielen Belangen des Orchesteralltags mag ja Demokratie Einzug gehalten haben, aber in der künstlerischen Aussage... ?(
    :hello:


    Lieber musikwanderer,


    ich wollte damit sagen, dass sich ein Dirigent heutzutage längst nicht mehr alles erlauben kann wie noch vor einem halben Jahrhundert Fritz Reiner, Knappertsbusch oder Toscanini (um nur drei zu nennen, denen der Ruf eines "Pultdiktators" anhängt). Bei Regisseuren schaut das offensichtlich nicht so aus. Anders sind Exzesse, wie sie uns landläufig seit längerem begegnen, schlechterdings nicht erklärlich.

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    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Noch ein anderer Gedankengang befestigt mich in der Meinung, dass künstlerische Freiheit kein überzeugendes Argument pro Regietheater sein kann:


    "Künstlerische Freiheit" ist etwas im deutschen Gesetz Verankertes, das jedem Künstler die Aussicht gibt, nicht bestraft zu werden, wenn er als Künstler Dinge tut, die er als normaler Mensch nicht dürfte. Nun ist aber klar, dass das nur in engem Rahmen geht. Schlingensief durfte zwar ein Schild mit den Worten "Tötet Helmut Kohl" als künstlerische Aktion hochheben (was man normalerweise nicht darf) - er hätte aber keineswegs Helmut Kohl töten dürfen. Künstlerische Freiheit ist also so eine Art Millimeter-Feilscherei an der Grenze zur Illegalität. Sie ist also nicht grenzenlos sondern spielt sich in einem sehr überschaubaren Rahmen ab.


    Wenn also "künstlerische Freiheit" das Credo ist, so ist eben auch ein enger Rahmen mitzudenken und nicht Anarchie.

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  • Dann kannst Du ja nur mich gemeint haben. Vielen Dank! Dann werde ich mich zu diesem Thema auch nicht mehr äußern!


    Wieso? Du hast hier doch schon gepostet!
    Ich meinte die, die sich denken: "So ein Blödsinn, was der Kurzstueckmeister da schreibt, ich bin mir zu schade, hier zu antworten". Diese wollte ich ermuntern, doch etwas zu schreiben.

  • Schlingensief durfte zwar ein Schild mit den Worten "Tötet Helmut Kohl" als künstlerische Aktion hochheben (was man normalerweise nicht darf) - er hätte aber keineswegs Helmut Kohl töten dürfen.


    Also da hört für mich der Spaß auf. Obwohl ich alles andere als ein Kohl-Fan bin, aber das grenzt m. E. am Aufruf zum Mord! Und nein, das sollte die "künstlerische Freiheit" nicht decken! Geradezu skandalös, pfui!

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    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich habe schon in anderen Themen betont: Was ich unter "künstlerischer Freiheit" verstehe, ist die Freiheit, ein eigenes Werk mit allem Drum und Dran zu schaffen, aber nicht, das Werk eines anderen, das ich mit allem Drum und Dran als vollendet ansehe, zu verunstalten. Ich darf mich ja wohl nicht "Künstler" nennen und mich auf meine künstlerische Freiheit berufen, wenn ich der Original-Mona-Lisa einfach einen Bart anmale oder sie mit Salzsäure übergieße. Worin liegt der Unterschied, wenn es bei einem Gemälde als Frevel betrachtet wird, wir es beim sogenannten Regietheater aber "künstlerische Freiheit" ansehen sollen?



    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Sehr schön auf den Punkt gebracht.


    Seltsamerweise hat sich die "Demokratie" in den meisten Orchestern heute durchgesetzt. Bei den Inszenierungen hingegen haben wir es mit Diktatoren zu tun.


    Inwiefern hat sich in den meisten Orchestern "Demokratie" durchgesetzt und inwiefern sind Regisseure "diktatorisch"? Ich habe jetzt keine Lust, mich durch diese threads zu wühlen, aber selbstverständlich gibt es viele Fälle, in denen sich Sänger/Schauspieler von Regisseuren ebenso überzeugen lassen wie die Orchestermusiker von Dirigenten.
    Führungsstile sind hier doch wohl nicht der Punkt. Dass es außer bei Improvisationstheater oder entsprechender Musik meistens einen geben muss, der letztlich das Sagen hat, ist doch wohl allein aus organisatorischen Gründen unbestritten.


    Auf die Gefahr hin wie eine kaputte LP zu klingen: Der springende Punkt ist nach wie vor, ob man einer Aufführung eines Theater- oder Musikstücks den Rang eines in gewissen Grenzen eigenständigen Kunstwerks einräumt oder es als Ausführen eines Kochrezepts sieht.


    Wenn das zweite richtig ist, ist man recht schnell fertig und dann kann man sehr viel (zB beinahe alle Aufführungen von jemandem wie Furtwängler oder Gould) in die Tonne treten, ohne sich weiter Gedanken zu machen.


    Wenn das erste richtig ist, dann ist erst einmal sehr viel erlaubt, da beim nachschaffenden Künstler "schaffend" betont wird, nicht "nach". Selbst mit dieser prinzipiellen Lizenz kann es freilich viel mißlungenes (das ist aber eine andere Schiene, gut oder schlecht hat zunächst nichts mit "frei" oder "buchstäblich" zu tun) geben und es ist auch plausibel, dass zur Beurteilung des Gelingens der Aspekt des *Nach*schaffens berücksichtigt werden kann. Aber es sind hier eben keine pauschalen Urteile möglich, an denen die Diskussionen kranken, auf die ich keinen Nerv mehr habe.
    Ob etwas funktioniert, was auf den ersten Blick oder beim ersten Hören bizarr und "gegen den Text" scheint, kann man nur im Einzelfall beurteilen.


    Und eine differenzierte Diskussion entsteht nicht durch die sture Wiederholung der trivialen Tatsache, die jedermann klar und kaum bestreitbar ist, dass Furtwängler das adagio in Beethovens 9. etwa im halben Tempo dirigiert oder dass "der Drache" in einer bestimmten Inszenierung eher wie ein "Bagger" aussieht und dass das daher "falsch" wäre. Geschenkt.


    Natürlich ist es in einem buchstäblichen Sinne falsch. Um sich überhaupt offen mit solchen Abweichungen auseinandersetzen zu können, muss man daher, mindestens probeweise, eine Haltung wie "Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig" einnehmen. Und dann sehen, ob erstens das, was geboten wird als ein Kunstwerk beeindruckt (wobei eben einklammert wird, wie genau dem Kochrezept entsprochen wurde) und zweitens, ob ein (oft neuer oder verborgener) Aspekt des Werks vielleicht von der scheinbar "falschen" Interpretation her besonders deutlich wird.


    Die Fragen, die man stellen muss, sind nicht in erster Linie, ob eine bestimmte Anweisung korrekt ausgeführt wird (und natürlich gibt es hier auch noch großen Spielraum).
    Sondern eher:
    1. War das ein gelungener/packender/bewegender Theaterabend (Musikaufführung etc.)?
    2. War es eine überzeugende Darstellung des Werks?


    Mir ist klar, dass für viele hier, Deutungen oder "Veränderungen", die aus meiner Sicht je nachdem unproblematisch, interessant, erhellend sind, automatisch dazu führen, dass 2 und damit auch 1 negativ beantwortet werden. Das ist eben Pech. Wenn diese prinzipielle Offenheit gegenüber einem Abweichen vom Buchstäblichen nicht gegeben ist, kann man vielleicht keine andere Haltung erreichen. Die Kommunikation krankt eben daran, dass ich und viele andere eine andere Position (Geist > Buchstabe) einnehmen, die Fragen in der Reihenfolge 1 und 2 beantworten und daher zu anderen Ergebnissen kommen.


    Ich habe zB gar kein Problem damit, bei einer Inszenierung 1 zu bejahen, obwohl ich mit einigem bei 2 nicht einverstanden bin. Wohlgemerkt müssen das keine Ausstattungsdetails o.Ä. sein. Es können normalerweise bei einem komplexen Kunstwerk nicht alle Aspekte gleichermaßen deutlich werden. Konwitschnys Giovanni ist, grob gesagt, ein "toller Hecht", der von der "Gesellschaft" gestürzt werden muss, weil sie in ihrer Mittelmäßigkeit solch einen Ausnahmetypen nicht erträgt, dafür ist die Welt hinterher erheblich ärmer. (Insofern, das nur am Rande, alles andere als "links"; Mozart und Da Ponte sind eher weiter "links", da man ihnen durchaus unterstellen kann, dass sie hier (auch) die Willkür des Adels anprangern.)
    Das unterschlägt für mich den zwiespältigen (bzw. "bösen") Aspekt dieser Figur. Ungeachtet dessen fand ich es eine sehr packende und gelungene Inszenierung des Werks. Vielleicht einseitig, aber keineswegs "gegen das Werk", denn ohne Zweifel sind die besagten Aspekte des "tollen Hechts" in der Figur enthalten. (Und wie schon einmal angeführt, gerade auch in musikalischen Details wie der räumlichen Verteilung der drei Tanzorchester im ersten Finale, überdurchschnittlich gelungen.)


    Und so ähnlich würde ich zB auch einiges von Furtwängler u.a. beurteilen: Entscheidend ist ein packendes Erlebnis UND Verdeutlichung von Aspekten des Werks, die bei "buchstäblichen" Interpretationen in dieser Weise nicht herauskommen.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • ich wollte damit sagen, dass sich ein Dirigent heutzutage längst nicht mehr alles erlauben kann wie noch vor einem halben Jahrhundert Fritz Reiner, Knappertsbusch oder Toscanini (um nur drei zu nennen, denen der Ruf eines "Pultdiktators" anhängt). Bei Regisseuren schaut das offensichtlich nicht so aus. Anders sind Exzesse, wie sie uns landläufig seit längerem begegnen, schlechterdings nicht erklärlich.


    Danke für die Antwort, lieber Joseph, und volle Zustimmung was die Regisseurs-Exesse betrifft.


    Bei den die "Orchester-Demokratie" betreffenden Dingen, habe ich noch immer das jahrzehntealte Solti-Interview im Hinterstübchen, in dem sich der Dirigent derlei demokratische Flausen (meine Worte, wohlgemerkt!) belustigt verbat.


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Zitat Kurzstückmeister:

    Zitat

    "So ein Blödsinn, was der Kurzstueckmeister da schreibt, ich bin mir zu schade, hier zu antworten".


    Ja, OK! Solche Zeilen kämen auch nie von mir. Denn ich kenne hier im Forum "meine Pappenheimer", die ewig etwas zu meckern haben ganz genau!



    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Dass es außer bei Improvisationstheater oder entsprechender Musik meistens einen geben muss, der letztlich das Sagen hat, ist doch wohl allein aus organisatorischen Gründen unbestritten.


    Genauso könnte man sagen: "Dass bei der Anweisung Kapelle eine Kapelle zu sehen sein muss und keine Müllhalde, ist doch selbstverständlich" ...
    Wieso aus organisatorischen Gründen? Können die Sänger nicht singen und auf der Bühne Show machen, wenn ihnen niemand sagt, was sie jetzt genau tun sollen? Ich glaube, sie könnten!

  • Genauso könnte man sagen: "Dass bei der Anweisung Kapelle eine Kapelle zu sehen sein muss und keine Müllhalde, ist doch selbstverständlich" ...

    Das ist vielleicht selbstverständlich (Fallbeispiele mit Müllhalde statt Kapelle?) Aber *wie* die Kapelle auszusehen hat, steht normalerweise eben nicht da. Und hier kriegt mancher schon einen Herzkasper, wenn das nicht so ausschaut, wie es eben 1800 in Rom (oder 1905 oder wann die Tosca Premiere hatte) aussah.



    Zitat

    Wieso aus organisatorischen Gründen? Können die Sänger nicht singen und auf der Bühne Show machen, wenn ihnen niemand sagt, was sie jetzt genau tun sollen? Ich glaube, sie könnten!

    Klar. Man kann auch ohne Dirigenten spielen.
    Wenn man Personenführung auf der Bühne haben will und nicht, dass es zufällig durcheinander wuselt, ist es aber besser, das wird irgendwie vorher verabredet. Vielleicht könnte das Ensemble das auch selbstorganisiert machen. Man könnte es auch spontan improvisatorisch machen. Alles unbestritten.
    Der strittige Punkt zwischen "Regietheater" und "traditioneller" Inszenierung ist aber doch wohl kaum, dass nicht einer die Leitung haben sollte. Insofern war das oben nur wieder mal ein billiger Versuch einen Ausdruck wie "Diktator", den man dem Pulthelden der Vergangenheit eigentlich als heimlichen Ehrentitel anerkennt, abwertend und pauschal auf Regisseure anzuwenden, ohne überhaupt eine Ahnung vom jeweiligen Arbeits- und Führungsstil zu haben.

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)

  • Alles was Johannes in Beitrag 14 hier geäußert hat, entspricht genau dem, was ich oftmals versuche in den Diskussionen in de RT-Treads aufzuzeigen, aber er hat es dann so richtig formvollendet geschrieben, dass ich da nur sagen kann, da schließe ich mich an.
    Für mich ist das der Umgang mit Oper bzw. Kunst allgemein, den ich anstrebe und für den sinnigsten halte.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Der strittige Punkt zwischen "Regietheater" und "traditioneller" Inszenierung ist aber doch wohl kaum, dass nicht einer die Leitung haben sollte. Insofern war das oben nur wieder mal ein billiger Versuch einen Ausdruck wie "Diktator", den man dem Pulthelden der Vergangenheit eigentlich als heimlichen Ehrentitel anerkennt, abwertend und pauschal auf Regisseure anzuwenden, ohne überhaupt eine Ahnung vom jeweiligen Arbeits- und Führungsstil zu haben.


    Der Unterschied ist doch:


    Selbst unter dem Diktat der "Pulthelden der Vergangenheit" (man setze hier jeden beliebigen Namen ein) war doch das jeweilige Werk noch zweifelsfrei zu identifizieren. Selbst die schlimmsten "Vergewaltigungen" etwa von Beethovens 5. bei Furtwängler oder meinetwegen Klemperer bei Schumann lassen doch keinen Zweifel daran aufkommen, was da gerade gespielt wird (auch wenn die Tempi ungewohnt sind und/oder abrupt wechseln).


    Unter dem Diktat gewisser (besonders) heutiger Regisseure jedoch erfolgt eine derartige "Neudeutung" (um es euphemistisch auszudrücken), dass beim besten Willen kein Bezug zum inszenierten Werk mehr erkennbar ist. Beispiele findet man in diversen Threads dieses Forums.


    Insofern ist ein Pultdiktator Furtwängler mir persönlich natürlich lieber als ein Regiediktator Bieito.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Der strittige Punkt zwischen "Regietheater" und "traditioneller" Inszenierung ist aber doch wohl kaum, dass nicht einer die Leitung haben sollte.

    In dem Thread sollte es meiner Intention nach um das Verhältnis von "künstlerischer Freiheit" und "Regietheater" gehen.


    Ich finde ja, dass das Konzept der künstlerischen Freiheit von den Regietheaterfreunden missbraucht wird, indem sie suggerieren, die Freunde nicht werkverfremdender Inszenierungen seien gegen Kunstfreiheit (und womöglich Faschisten) - ein billiger Trick.

    Zitat

    Insofern war das oben nur wieder mal ein billiger Versuch einen Ausdruck wie "Diktator", den man dem Pulthelden der Vergangenheit eigentlich als heimlichen Ehrentitel anerkennt, abwertend und pauschal auf Regisseure anzuwenden


    :hello:

  • o.k., dann wurde aber "Diktator" in einem anderen Sinne verwendet. Ich hatte das im Hinblick auf die Art der Leitung und dem Umgang mit den "untergebenen" Musikern verstanden. Da weiß ich zwar Schauergeschichten von Fritz Reiner, aber nicht von Bieito.


    Die "verunstalteten" Opern sind alle sehr leicht zu erkennen, die Musik bleibt ja diesselbe, und ich dachte immer, die Musik sei das Wichtigste... :D
    Die einzige Bieito-Inszenierung, die ich gesehen habe (Entführung) ist extrem und übertrieben, aber m.E. problemlos als "Entführung aus dem Serail" zu erkennen.


    Und wie gesagt: das Offensichtliche immer wieder zu betonen, ist kein neues Argument, wenn es jemals eines gewesen ist. Natürlich steht nicht im Libretto, dass während Konstanzes Arie eine Komparsin sadistisch gefolter wird. Es steht allerdings auch nicht drin, dass das NICHT geschehen sollte.


    Ein anderes Beispiel: Ich weiß nicht genau, wo die Idee herstammt, aber Harnoncourt vertritt meiner Erinnerung nach im Beiheft zu seiner "Entführung" die Idee, dass Konstanze sich tatsächlich in den Bassa verliebt hat (Stockholm-Syndrom?) und "der Liebe Schmerz", den sie vorher nicht kannte, gar nicht der Entführung und Trennung von Belmonte zu verdanken sind, sondern der Tatsache, dass es ihr so schwer fällt, treu zu bleiben und sie in dieser Dreieckssituation gefangen ist. (So ein wenig in Richtung Cosi-Problematik)


    Erstmal eine ungewöhnliche Idee, aber auch nicht ganz unplausibel. Wenn nun jemand diese Deutung umsetzen würde, wäre doch absolut sekundär, was für Hüte und Kleider die Sänger tragen. Die "Provokation" bzw. der neuartige Aspekt läge doch in dieser Deutung und ihrer Umsetzung durch die Gestik usw. Konstanzes gegenüber dem Bassa bzw. Belmonte.

    Struck by the sounds before the sun,
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    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • In dem Thread sollte es meiner Intention nach um das Verhältnis von "künstlerischer Freiheit" und "Regietheater" gehen.


    Ich finde ja, dass das Konzept der künstlerischen Freiheit von den Regietheaterfreunden missbraucht wird, indem sie suggerieren, die Freunde nicht werkverfremdender Inszenierungen seien gegen Kunstfreiheit (und womöglich Faschisten) - ein billiger Trick.

    Wenn das so geschieht und so gemeint ist, dann ist es vielleicht ein billiger Trick. Das ist aber uninteressant und nicht sehr relevant.


    Meiner Ansicht nach sind hier zwei unterschiedliche Begriffe zu unterscheiden: "Freiheit der Kunst", oft als Variante der Meinungfreiheit, wie oben in dem "Tötet Onkel Dittmeyer/Kohl"-Beispiel. Zwar gibt es in D (anders als etwa in den USA) eine Abwägung zwischen Persönlichkeitsrechten und Kunst/Meinungsfreiheit, so dass ein Künstler Gefahr laufen kann wegen "Beleidigung" o.ä. in Rechtstreitigkeiten verwickelt zu werden. Darum geht es hier aber wohl weniger.


    Sondern um den Sinn von "künstlerischer Freiheit", den man meint, wenn jemand einen Roman über Napoleon schreibt und sich nicht genau an die historisch belegten und belegbaren Tatsachen hält. Oder wenn Rembrandt Salomo nicht als altisraelischen, sondern als damals etwa zeitgenössischen orientalischen Fürsten darstellt. Oder jemand ein Beethoven-Adagio im halben Tempo spielt, weil man meint, dass gehöre so langsam wie möglich. Oder (wie IIRC Mendelssohn) in der Matthäuspassion kürzt, umstellt und Oboen d'amore durch Klarinetten ersetzt (weil man diese Instrumente nicht hat oder kennt). Oder eben das Serail in ein brutales Bordell verwandelt wie Bieito.


    Und dafür ist m.E. durchaus relevant, wie man die Rolle nachschaffender Künstler sieht. Wobei die persönliche Ansicht hier sekundär ist. Theater und Oper haben sich in den letzten 50 oder wieviel Jahren aus unterschiedlichen Ursachen und Gründen eben so entwickelt wie sie sich entwickelt haben. Mag sein, dass sich das wieder ändert, so wie wir heute keine gekürzten und uminstrumentierten Matthäuspassionen mehr hören wollen...

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Und wie gesagt: das Offensichtliche immer wieder zu betonen, ist kein neues Argument, wenn es jemals eines gewesen ist. Natürlich steht nicht im Libretto, dass während Konstanzes Arie eine Komparsin sadistisch gefolter wird. Es steht allerdings auch nicht drin, dass das NICHT geschehen sollte.


    Ein anderes Beispiel: Ich weiß nicht genau, wo die Idee herstammt, aber Harnoncourt vertritt meiner Erinnerung nach im Beiheft zu seiner "Entführung" die Idee, dass Konstanze sich tatsächlich in den Bassa verliebt hat (Stockholm-Syndrom?) und "der Liebe Schmerz", den sie vorher nicht kannte, gar nicht der Entführung und Trennung von Belmonte zu verdanken sind, sondern der Tatsache, dass es ihr so schwer fällt, treu zu bleiben und sie in dieser Dreieckssituation gefangen ist. (So ein wenig in Richtung Cosi-Problematik)


    Erstmal eine ungewöhnliche Idee, aber auch nicht ganz unplausibel. Wenn nun jemand diese Deutung umsetzen würde, wäre doch absolut sekundär, was für Hüte und Kleider die Sänger tragen. Die "Provokation" bzw. der neuartige Aspekt läge doch in dieser Deutung und ihrer Umsetzung durch die Gestik usw. Konstanzes gegenüber dem Bassa bzw. Belmonte.


    Geschenkt, geschätzter Moderator! Wenn ein Regisseur wie in Deinem Beispiel der Meinung ist, hier solle (müsse) eine Komparsin gefoltert werden, oder Konstanze wäre Opfer des Stockholm-Syndroms gewesen - ja, warum nicht? Ob das Auditorium diese Ideen goutiert oder nicht, steht auf einem anderen Blatt.


    Meine zentrale Frage aber ist - vor dem Hintergrund, der Regisseur wolle andere Aspekte der handelnden Person(en) aufzeigen: Ist zu diesem Behuf eine Orts- und Zeitveränderung nötig, wo doch ohnehin laut Lesart des Regisseurs diese "Fakten" aus dem Werk herauszuinterpretieren sind?


    Oder andersrum: Ist eine Transformierung in eine andere Epoche bzw. Örtlichkeit unabdingbar, um bestimmte Charaktere/Verhaltensweisen herausarbeiten zu können?


    Diese einfache Frage konnte mir noch kein Veränderungsbefürworter beantworten!

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Ich glaube , lieber Fritz, foltern konnten sie zu Zeiten Mozarts genauso gut wie heute, natürlich nicht mit Elektroschocks oder anderen elektronischen "Schweinereien", aber das mittelalterliche Folterinstrumentarium war ja recht reichhaltig und zu Zeiten Mozarts sicher noch weiterentwickelt worden.


    Was mich etwas stört, ist der Satz von Johannes:

    Zitat

    Natürlich steht nicht im Libretto, dass während Konstanzes Arie eine Komparsin sadistisch gefoltert wird. Es steht allerdings auch nicht drin, dass das NICHT geschen sollte.

    Ich finde, dieser Gedanke wäre ja ein Freifahrtschein für alle "Regisseure" mit perversen Fantasien.
    Etwas anderes wäre es freilich, wenn Folterungen zur Handlung gehören, wie z.B.: (Zauberflöte), Sarastro: "Gebt dem Ehrenmann sogleich siebenundsiebzig Sohlenstreich". Gemeint ist hier natürlich Monastatos, nicht der Regisseur.


    Liebe Grüße


    Willi ^^

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Meiner Ansicht nach sind hier zwei unterschiedliche Begriffe zu unterscheiden: "Freiheit der Kunst", oft als Variante der Meinungfreiheit, wie oben in dem "Tötet Onkel Dittmeyer/Kohl"-Beispiel. Zwar gibt es in D (anders als etwa in den USA) eine Abwägung zwischen Persönlichkeitsrechten und Kunst/Meinungsfreiheit, so dass ein Künstler Gefahr laufen kann wegen "Beleidigung" o.ä. in Rechtstreitigkeiten verwickelt zu werden. Darum geht es hier aber wohl weniger.


    Sondern um den Sinn von "künstlerischer Freiheit", den man meint, wenn jemand einen Roman über Napoleon schreibt und sich nicht genau an die historisch belegten und belegbaren Tatsachen hält. Oder wenn Rembrandt Salomo nicht als altisraelischen, sondern als damals etwa zeitgenössischen orientalischen Fürsten darstellt. Oder jemand ein Beethoven-Adagio im halben Tempo spielt, weil man meint, dass gehöre so langsam wie möglich. Oder (wie IIRC Mendelssohn) in der Matthäuspassion kürzt, umstellt und Oboen d'amore durch Klarinetten ersetzt (weil man diese Instrumente nicht hat oder kennt). Oder eben das Serail in ein brutales Bordell verwandelt wie Bieito.


    Na - ich weiß nicht - wenn jemand schreibt

    Denn die künstlerische Freiheit ist mir das oberste Gesetz [...]

    dann klingt das mehr nach Kunstfreiheit/Meinungsfreiheit als danach, dass Rembrandt seine Turbane gestalten darf, ohne fließend arabisch sprechen zu können. Naja, vielleicht klärt uns farinelli noch auf.
    :hello:

  • Werte Freunde und Mitstreiter,


    da ich hier mehrfach aus dem Zusammenhang zitiert werde, diesen kurz zur Erinnerung: In der Tat ist die künstlerische Freiheit ähnlich wie die politische oder Meinungsfreiheit zu bewerten, nämlich als eine übergeordnete conditio sine qua non, Über- und Mißgriffe (wie die BILD-Zeitung) einbegriffen.


    Mir ging es allerdings um die einfache logische Reflexion, daß eine so verstandene künstlerische Freiheit eben u.a. auch die Möglichkeit zur werkgetreuen Inszenierung offenhält, während eine normierende Auffassung, wie sie von den meisten hier verteten wird, einer solchen Offenheit des Werkprozesses feindlich gegenübersteht (nämlich nicht werkgetreue Inszenierungen kriminalisiert).


    Ich persönlich habe keine Probleme mit dem Wunsch nach einer Theaterreform als Rückbesinnung auf traditionelle szenische Auffassungen. Probleme habe ich damit, dies als Wahrheitsdiskurs zu verkaufen.


    Meine Reflexionen zu diesem Punkt gehen von verschiedenen Anknüpfungspunkten aus. Einer davon betrifft die Dramaturgie (der Oper). Man konnte manchen Beiträgen zu diesem Diskussionsthema (in diversen threads) entnehmen, es sei Aufgabe der Regie, die Geschichte nicht zu verrätseln und zu verstellen, sondern zu verdeutlichen. Es wurde etwa auf Carmen hingewiesen, und auf Mérimée.


    Allgemein könnte man ja sagen, daß ein veroperter Roman (wie die Traviata, eigentlich eine veroperte Dramatisierung eines urspünglichen Romanstoffs) oder eine veroperte Novelle (wie die Carmen) zunächst eine textliche Verdichtung und Verknappung zum Vorwurf wählt. Die Aufgabe der Musik scheint dann zu sein, das ausgeparte epische Flair, die Welthaltigkeit und Abrundung wieder ins Spiel zu bringen.


    Aber so einfach ist das nicht. Schon Mérimées Novelle ist ein seltsamer Ausbund an erotischen Obsessionen und romantischer Kolportage. Bizets Oper hat damit übrigens nicht mehr allzuviel zu tun. Kein Charakter wird bruchlos übernommen, nicht einmal das Milieu stimmt überein. Darin gleicht die Oper zuletzt der Hollywood-Adaption von "Krieg und Frieden", mit Audrey Hepburn als grandios fehlbesezte Natatscha.


    Tatsächlich ergänzt die Musik die Handlung nicht zum romanhaften Rund, sondern läuft ein wenig neben der Spur. Daher hat sie ihre ganz eigenen Imaginations- und Assoziationsräume.


    Die Lucia und die Norma spielen beide im Zeitalter des Belcanto, unbeeinträchtigt von historisierenden musikalischen Tableaux. Der Unterschied liegt in der Dramaturgie, die im Fall der Lucia katastrophal, im Fall der Norma meisterhaft zu nennen ist. Man denke nur an die Darstellung von Lucias Liebesglück im Duett, ein Beispiel für eine naive szenische Reihung (der Fontainebleau-Akt im Don Carlo ist ein später Tiefpunkt dieser Klebetechnik). - Wie großartig ist dagegen der Zugriff in der Norma, wo Adalgisas Liebesglück nur in einem reuevollen Geständnis an Norma zur Sprache kommt, die sich schmerzlich an ihr eigenes Glück erinnert (ironischer Weise handelt es sich bei beiden Damen um den gleichen Mann). Die Verschränkung der psychologischen Motive ist bewundernswert.


    Überall in der Oper wird gegen die dramaturgische Logik gesündigt. In der Walküre ist es Fricka, die aus einem Sittenkodex heraus gegen Wotans Protektion der Wälsungen Front bezieht. Eben dieser Sittenkodex aber spielt weder für Wotan noch für die Tragödie des Ring die geringste Rolle. Wie einmontiert wirkt der ganze Auftritt der Göttin, eine Scheindramatik. - Welches nicht nur vorgetäuschte, tiefgründigere Interesse sollte aber Fricka an Hundings Sieg haben (die sie ja später gar nicht mehr in Erscheinung tritt)? - "Was du bist, bist du nur durch Verträge ...", das bezog sich also auch auf den Ehevertag.


    Schon die bloße Opernhandlung wird oft genug durch Ungereimtheiten überlagert. - Die Musik wirft darüberhin ihr Beziehungsgeflecht und ihre so schwelgerischen wie wählerischen Ausdeutungen, oder sie entwirft, wie Debussy im Pelléas, eine Vision geschichtlicher Ferne, die eine Herausforderung für den szenischen Entwurf ist (und keine Gebrauchsanweisung i.S. von "man nehme ..."). Die musikalische Zerdehnung der Bühnenvorgänge (etwa im Tristan) spottet jeder naturalistischen Naivität. Daß aber das Rittergewand im Tristan objektiver sei als die erotische Symbolik, kann ich nicht nachvollziehen.


    Die Wahrheit eines Bühnencharakters resultiert aus einem Gestus, einer Identifikation mit Pathos und Format ihres Gegenstands. Daher ist denn die Münchner Lucrezia Borgia ein Ereignis, und der Siegfried des Schenk-Rings von der Met ein Armutszeugnis (ja, ich meine die Protagonisten).


    Bühnenbilder lassen sich nicht festlegen; sie sind so unberechenbar wie künstlerische Auftritte. Die Schwarzkopf als Elvira ist nicht großartig wegen dem konventionellen Kostüm, sondern wegen der unkonventionellen Identifikation mit der Psychopathologie der Figur, in quali excessi, dargestellt durch ein verlorenes, halb bewußtes Zerreiben von Nichts zwischen den Fingern.



    Life's but a walking shadow, a poor player, that struts and frets his hour upon the stage, and then is heard no more; it is a tale told by an idiot, full of sound and fury, signifying nothing.

    - immer noch die beste Definition von Theater, die ich kenne.




    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Es ist manchmal erschreckend wie schnell sich Threads entwickeln.


    Künstlerische Freiheit ? Es gibt sie nicht wirklich - hat sie nie gegeben.
    In manchen Fällen hat der Auftraggeber eine solche zugesagt - wenn er den Künstler kannte - und ihm vertraute.
    Aber als genereller Freibrief haben ihn wohl "ungeliebte" und "mißverstandene" Künstler erfunden, die eine Ausrede suchten ihre Machwerke subventioniert zu bekommen oder jeden geschmacklichen Mißgriff zu rechtfertigen.


    Die "künstlerische Freiheit" ist der selbstgeschaffene Schutzengel derjenigen, die sich selbst als "Künstler" bezeichnen, ein Phantasiegespinst, das nur solange Bestand hat, solange die Gesellschaft daran glaubt - und es akzeptiert......


    Es mag angehen, daß man "Künstlern" ihre Mißgriffe lächelnd oder aber - je nach Standpunkt -zähneknirschend - nachsieht, ohne sie zu belangen, was keineswegs auf ewig der Fall sein muß - es hängt von der Akzeptanz der jeweiligen Gesellschaft ab. Aber daß man ihre "Werke an öffentlichen Plätzen auf Kosten der Steuerzahler aufstellt oder ihre Inszenierungen an Staatstheatern (und Opernhäusern) mit öffentlichem Bildungsauftrag gestattet und subventioniert, das schießt über das Ziel hinaus - und sollte einer Revision unterzogen werden....



    Zitat

    Auf die Gefahr hin wie eine kaputte LP zu klingen: Der springende Punkt ist nach wie vor, ob man einer Aufführung eines Theater- oder Musikstücks den Rang eines in gewissen Grenzen eigenständigen Kunstwerks einräumt oder es als Ausführen eines Kochrezepts sieht.


    Wenn das zweite richtig ist, ist man recht schnell fertig und dann kann man sehr viel (zB beinahe alle Aufführungen von jemandem wie Furtwängler oder Gould) in die Tonne treten, ohne sich weiter Gedanken zu machen.

    Ich finde den Vergleich sehr gelungen, und bekenne mich dazu, daß ich im Falle der Inszenierung, der Meinung bin, hier solle ein "Kochrezept" ausgeführt werden.
    JEDOCH - man sehe sich die Zubereitungarten für "ungarisches Gulasch" an, es gibt eben doch KLEINE, feine Unterschiede.


    Somit muß man Furtwängler nicht "in die Tonne treten", Gould wird von vielen als Grenzfall gesehen, aber hier möchte ich mich nicht festlegen....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,


    1. Deine konservative Haltung, um nicht zu sagen …Einstellung, ist bekannt und es gibt überhaupt kein Grund, irgendwelche Einwände dagegen zu haben.


    2. Ob dies allerdings zwangsläufig dazu führen muss, diesen Umstand bei jeder passenden (und unpassenden?) Gelegenheit im Forum erneut zu dokumentieren, ist für mich eine Frage.


    Aber auch gegen 2. gibt es für mich grundsätzlich keinen Einwand.


    LG
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Künstlerische Freiheit ? Es gibt sie nicht wirklich - hat sie nie gegeben.


    Na, ich weiß nicht - ist das nicht die "Narrenfreiheit" etwa des Scherzkekses, der während der Triumphwagenfahrten dem römischen Sieger kritisches Zeug in die Ohren blies, damit der nicht völlig überschnappte? Allerdings ist der Hofnarr eigentlich jemand anderer als der "Künstler".

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