BACH, Johann Sebastian: HIMMELFAHRTSORATORIUM

  • Johann Sebastian Bach (1685-1750):


    HIMMELFAHRTSORATORIUM
    (Lobet Gott in seinen Reichen) (BWV 11)
    Originaltitel:
    J.J. Oratorium Festo Ascensionis Xsti
    à 4 Voci. 3 Trombe. Tamburi. 2 Travers. 2 Hautb. 2 Violini. Viola e Cont. di Bach
    Textdichtung und -zusammenstellung von unbekanntem Dichter (möglicherweise Christian Friedrich Henrici, genannt Picander) nach Lukas 24, 50-52; Apostelgeschichte 1, 9-12 und Markus 16, 19; zwei eingefügte Choralstrophen stammen aus Chorälen von Johann Rist und Gottfried Wilhelm Sacer


    Erstaufführung am 19. Mai 1735.



    ZUM INHALT


    Dem Anlaß entsprechend findet Bach bereits für den Eingangschor prächtige Klänge, setzt drei Trompeten und Pauken, Holzbläser neben Streichern und Basso continuo geradezu verschwenderisch ein:


    Lobet Gott in seinen Reichen,/Preiset ihn in seinen Ehren,/Rühmet ihn in seiner Pracht;
    Sucht sein Lob recht zu vergleichen,/Wenn ihr mit gesamten Chören/Ihm ein Lied zu Ehren macht!

    Die weiblichen Chorstimmen führt Bach in sehr engen Figuren, stellt ihnen jedoch die Männerstimmen in noch engeren Konstellationen gegenüber; die freudige Stimmung kann auch der h-Moll-Mittelteil nicht trüben.


    Dem ersten Evangelisten-Rezitativ


    Der Herr Jesus hub seine Hände auf und segnete seine Jünger, und es geschah,
    da er sie segnete, schied er von ihnen.

    läßt er ein betrachtendes Baß-Rezitativ folgen, daß von Abschiedsschmerz gekennzeichnet ist und am Ende in die Bitte mündet, Jesus möge doch noch „nicht weichen“.


    Diese Bitte bringt auch der Alt in der Arie „Ach bleibe doch, mein liebstes Leben“ zum Ausdruck. Es ist ein schwermütiger Abschiedsgesang, aber mit einer Fülle von zärtlicher Anmut und Schönheit.


    Basierte der bisherige Evangelienbericht auf Lukas 24, Verse 50-52, aber auch auf Markus 16, Vers 19, wendet er sich nun der Apostelgeschichte 1, Vers 9 zu:


    Und ward aufgehoben zusehends und fuhr auf gen Himmel,
    eine Wolke nahm ihn weg vor ihren Augen, und er sitzet zur rechten Hand Gottes.


    Der Himmelfahrtschoral „Nun lieget alles unter dir, dich selbst nur ausgenommen“ (der vierte Vers aus Johann Rists „Du Lebensfürst, Herr Jesu Christ“) bringt in schlichten, vierstimmigen Klängen eine Unterbrechung der Handlung und erzählt den gläubigen Zuhörern, daß nicht nur die Engel, sondern auch die Fürsten dieser Welt kommen, um Gottes Sohn aufzuwarten.


    Den Bericht der Apostelgeschichte setzt der tenorale Evangelist rezitativisch fort und weiß von zwei Männern in weißen Kleidern, die den Jesus erstaunt nachblickenden Jüngern mitteilen, daß der in den Himmel aufgenommene Christus wieder kommen wird (Kapitel 1, Verse 10 und 11). Und das anschließende Sopran-Rezitativ „Ach, so komme bald zurück“ ist eine Reflexion auf das Geschehen, aber mit der Erwartungshaltung, daß nämlich Jesus dereinst alle Sorgen („mein trauriges Gebärden“) tilgen werde.


    Nicht als wörtliches Zitat, wohl aber stark an den 12.Vers aus Apostelgeschichte Kapitel 1 angelehnt, schließt der Evangelist den Bericht um die Ereignisse der Himmelfahrt Jesu ab:


    Sie aber beteten ihn an, wandten um gen Jerusalem von dem Berge,
    der da heißet der Ölberg, welcher ist nahe bei Jerusalem und lieget einen Sabbater-Weg davon, und sie kehreten wieder gen Jerusalem mit großer Freude.


    Bevor der Schlußchoral erklingt, meldet sich noch einmal der Solo-Sopran zu Wort und singt, begleitet von Flöte, Oboe und Basso continuo, in der Arie „Jesu, deine Gnadenblicke kann ich doch beständig sehen“ von der freudigen Erwartung ewigen Heils.


    Der vom vollen Instrumentarium begleitete Schlußchoral (Vers 7 aus dem Gemeindelied „Gott fähret auf gen Himmel“ von Gottfried Wilhelm Sacer)


    Wenn soll es doch geschehen,/Wenn kömmt die liebe Zeit,/
    Daß ich ihn werde sehen,/In seiner Herrlichkeit?/
    Du Tag, wenn wirst du sein,/Daß wir den Heiland grüßen,/
    Daß wir den Heiland küssen?/Komm, stelle dich doch ein!


    ist von hochbarocker Pracht und Festlichkeit. Er spannt damit nicht nur einen Bogen zum festlichen Eingangschor, sondern ist vor allen Dingen ein würdiger Abschluß dieser Musik zum Fest Christi Himmelfahrt.



    INFORMATIONEN ZUM WERK


    Das Fest Christi Himmelfahrt wird seit dem Ende des vierten Jahrhunderts begangen. Die Tradition der dieses Fest begleitenden Musik wird fast ebenso alt geschätzt. Von den Hymnen der Gregorianik über die Lieder Martin Luthers oder Johann Crügers bis hin zu Bachs Kantaten zu diesem christlichen Hochfest - die Kraft der Verkündigung durch die Mittel der Musik stand immer im Mittelpunkt. Bachs HIMMELFAHRTSORATORIUM ist in dieser Tradition der Höhepunkt, an der auch der geringe Umfang des Werkes, der lediglich dem einer Kantate entspricht, nichts ändern kann. Das ist aber der Kürze aller Berichte in den Evangelien und in der Apostelgeschichte geschuldet.


    „Lobet Gott in seinen Reichen“ (BWV 11) bezeichnete Johann Sebastian Bach selbst als „Oratorium in Festo Ascensionis“, als HIMMELFAHRTSORATORIUM. Diese Bezeichnung trägt das Werk zu recht, denn die typischen Merkmale wie Evangelienbericht, Arien und Rezitative mit betrachtendem Charakter, dazu Choral- und Chorsätze sind hier als Vorgabe für die traditionelle Oratorienform vollständig erfüllt. In der alten „Bach-Gesamtausgabe“ (BGA) wurde es zwar noch zu den Kantaten gezählt, woraus sich auch die niedrige BWV-Nummer erklärt. Dieser Fehler ist im neuen Bach-Werke-Verzeichnis, dem von Christoph Wolff und Hans-Joachim Schulze vorgelegten „Bach Compendium“ (Ordnungsnummer BC D 9) jedoch berichtigt worden; dabei wurde richtigerweise auch Bachs eigene Einordnung beachtet.


    Das Oratorium ist partiell keine Neukomposition, sondern hinsichtlich des Eingangschores eine Parodie der Kantate „Froher Tag, verlangte Stunde“ (BWV Anhang I/18), die Bach für die Einweihung der neuen Thomasschule im Jahr 1732 geschaffen hat. Er hat dann den Satz 1733 nochmals als Eingangschor für die Glückwunschkantate „Frohes Volk, vergnügte Sachsen“ (BWV Anhang I/12) verwendet.


    Auch die beiden Arien dieses Oratoriums entstammen einem älteren Werk, nämlich der Hochzeitskantate (BWV Anhang I/196) von 1725. Die Alt-Arie „Ach bleibe doch“ hat Bach offensichtlich so geschätzt, daß er sie, modifiziert, in das „Agnus Dei“ der h-Moll-Messe übernommen hat. Für das HIMMELFAHRTSORATORIUM neu komponiert wurden 1735 nur die Rezitative und Choräle. Bemerkenswert ist auch der Schlußchoral „Wenn soll es doch geschehen“, weil es Bach hier gelingt, die in düsterem Moll stehende Choralmelodie „Von Gott will ich nicht lassen“ in einen Orchestersatz in hell strahlendem D-Dur zu integrieren.


    © Manfred Rückert für Tamino-Oratorienführer 2012
    unter Hinzuziehung folgender Quellen:
    Oratoriumstext
    Oratorienführer von Harenberg und Leopold
    Alfred Dürr: Johann Sebastian Bach, Die Kantaten. Bärenreiter, Kassel 1999

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    MUSIKWANDERER

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  • Bachs Himmelfahrts-Oratorium steht in einer Fülle von Einspielungen, zumeist mit anderen Werken gekoppelt, bei den Tamino-Werbepartnern Amazon und jpc im Programm. Einige seien hier, ohne eine künstlerische Wertung, vorgestellt:



    Monoyios, Taylor, Urrey, Nomura;
    Bach Choir Bethlehem;
    Bach Festival Orchestra; Funfgel.


    Pregardien, Gilchrist, Piau, Mertens;
    Amsterdam Baroque Orchestra; Koopman.


    Argenta, Chance, Rolfe Johnson, Varcoe;
    Monteverdi Choir;
    English Baroque Soloists; Gardiner.


    Schlick, Pregardien, Patriasz, Kooy;
    Collegium Vocale; Herreweghe.


    Grümmer, Giebel, Höffgen, Rotzsch, Adam;
    Thomanerchor;
    Gewandhausorchester Leipzig; Thomas.


    Thornhill, Noskaiova, Genz, van der Crabben;
    La Petite Bande; Kuijken.

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