Ein hochgeehrter Meister: Dieterich Buxtehude

  • 75 Jahre alt zu werden ist ein Grund zum Feiern; 375 Jahre aber dann erst recht. Es gibt zwar bis heute Unklarheiten über das Geburtsjahr von Dieterich Buxtehude, in vielen Biographien wird allerdings das Jahre 1637 genannt und das schwedische Helsingborg als Geburtsort. Dort wirkte Vater Johann Buxtehude als Organist bis 1641 (möglicherweise schon seit 1633) an der Marienkirche.


    Aufgewachsen ist Dieterich (wie er seinen Namen selber schrieb) allerdings im dänischen Helsingør, denn dort hatte 1641 Johann Buxtehude sein Amt als Organist von St. Olai angetreten.


    Nach einer musikalischen Ausbildung durch seinen Vater übernahm Dieterich Buxtehude 1658 die Organistenstelle an St. Marien in Helsingborg, und wurde damit einer der Nachfolger seines Vaters. 1660 zog es ihn als Organist von St. Marien nach Helsingør zurück. Als Dieterich Buxtehude 1667 die Nachricht vom Tod des weithin berühmten Organisten von St. Marien in Lübeck, Franz Tunder, erfuhr, bewarb er sich um diese Stelle, die er, nach Erhalt des Lübecker Bürgerrechtes 1668 und der Heirat mit Tunders Tochter Anna Margareta, auch erhielt. Vermutlich war diese Heirat sogar Grundvoraussetzung für die Organistenstelle. Damit verbunden war die Position eines „Werkmeisters“ mit den Aufgaben eines Verwaltungsbeamten, eines Sekretärs und Schatzmeisters der Kirche.


    Buxtehude hat vierzig Jahre lang das kulturelle Leben der Hansestadt Lübeck geprägt. Eine wichtige Rolle spielte dabei sicherlich die Fortführung der bereits von Tunder initiierten „Abendmusiken“ an St. Marien, bei denen Orgel-, Chor- und Orchesterwerke zur Aufführung kamen. Diese Konzerte, die stets an den fünf Sonntagen vor Weihnachten stattfanden, erfreuten sich einer so großen Beliebtheit, daß sie, wie man aus Berichten von Zeitzeugen erfahren kann, zu großem Andrang mit Tumulten führten. Die Obrigkeit sah sich gezwungen, mit harten Bestimmungen für Ordnung zu sorgen. Bedauerlicherweise sind Buxtehudes Oratorienwerke für diese Abendmusiken bis auf eines, nämlich DAS JÜNGSTE GERICHT, alle verloren gegangen.


    Wenn man bedenkt, daß Buxtehude keine Konzertreisen unternahm, erstaunt es umso mehr, daß sein Name weithin bekannt war. Seine virtuose und phantasievolle Kunst des Orgelspiels lockte immer wieder Musiker an, darunter Mattheson, Telemann, Händel und Bach. Alle Musikfreunde wissen um den Fußmarsch Bachs von Arnstadt nach Lübeck und die Überschreitung des genehmigten vierwöchigen „Bildungsurlaubs“ um glatte zwei Monate. Möglicherweise hat Bach in dieser Zeit auch Unterricht bei Buxtehude erhalten.


    Da von einem Nachfolger des Orgelmeisters erwartet wurde, daß er die ledige Tochter des berühmten Mannes heiratete, sollen beispielsweise die genannten Komponisten auf die Stelle verzichtet haben. Dennoch fand Anna Margareta Buxtehude einen Ehemann und die Kirche einen Organisten-Nachfolger: Es war Johann Christian Schieferdecker, einer von Buxtehudes Schülern. Der berühmteste Schüler Buxtehudes war Nicolaus Bruhns, später Organist in Husum.


    Dieterich Buxtehude starb am 9. Mai 1707 und wurde in der Lübecker Marienkirche in der Nähe der so genannten „Totentanzorgel“ beigesetzt. 1942 wurde bei einem Bombenangriff die Grabstätte zerstört; zu Buxtehudes 250. Todestag am 9. Mai 1957 brachte man an jener Stelle eine Gedenktafel an.


    Buxtehudes Werke sind nicht vollständig erhalten geblieben. Sein Werke-Verzeichnis weist 135 Vokalwerke, bestehend aus Kantaten und Geistlichen Konzerten, auf (BuxWV 1–135), darunter den so bekannten Passionszyklus „Membra Jesu nostri“ (BuxWV 75). Erhalten ist eine Missa brevis (BuxWV 114). Die 89 Orgelwerke werden im BuxWV mit den Nummern 136–225 geführt, darunter sind 42 Toccaten, Fugen, Canzonen, sowie 47 choralgebundene Werke. Bekannt sind außerdem noch 26 Cembalokompositionen (BuxWV 226–251). Unter den 24 Werken für Streicher und B.C. (BuxWV 252–275) finden sich 10 Sonaten und 14 Triosonaten.


    Das ehrenvolle Gedenken an diesen hochgeehrten Meister des Barock zu seinem 375. Geburtstag ist also durchaus angebracht.


    Die Tamino-Werbepartner haben eine große Anzahl Aufnahmen von Werken Buxtehudes im Angebot. Darunter beispielsweise eine groß angelegte und von Ton Koopman betreute „Opera Omnia“-Ausgabe bei dem Label Challenge. Aber auch NAXOS vervollständigt sein Buxtehude-Programm. Für die Liebhaber der Musik diesen wichtigen Komponisten eine durchaus respektable Werkeschau.

    .


    MUSIKWANDERER

  • Lieber Musikwanderer, vielen Dank für den interessanten Bericht über einen großen Barockmeister. Seine Triosonaten kenne ich größtenteils auch, aber ich merke, dass es da noch eine ganze Menge zu entdecken gibt. Für Bach wäre Anna Margereta übrigens durchaus eine Option gewesen, wenn er nicht schon zu dieser Zeit ein Auge auf Maria Barbara geworfen hätte, jene ominöse "frembde Jungfer", die er - sehr zum Verdruss des Arnstädter Kirchenrates - auf der Empore singen ließ, anstatt den Kirchenchor einzusetzen.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Ich höre gerade meine Aufnahmen von Buxtehude, allerdings vom Orgelwerk abgesehen. Großartig die "membra Jesu nostri", die Buxtehude zur Zeit der lutherischen strengsten Hochorthodoxie auf einen lateinischen Text des Mystikers Arnold von Löwen schrieb (13.Jh., er selbst hielt es für eine Dichtung des Bernhard von Clairvaux). Es ist nicht überliefert, was sein Hauptpastor zu diesem "Rückfall in den Papismus" gesagt hat. Wer einen ersten Eindruck von Buxtehude haben will, soll bei YouTube die Aria "Muss der Tod denn auch entbinden" suchen, ein Stück, geschrieben auf den Tod seines Vaters und ungeheuer eindrucksvoll gesungen von Andreas Scholl.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Hallo,
    in Ergänzung zu dr.pingel’s Beitrag zitiere ich auszugsweise aus dem Booklet:


    „…Buxtehude hat aus dem genannten umfangreichen, mystischen Hymnenwerk für seine 7 Kantatenteile je 3 Textabschnitte ausgewählt und stellt jedem Kantenteil ein von ihm selbst ausgewähltes Bibelzitat voran, die er auch in seine Vertonung mit einschließt...
    (Meine Einfügung: Wer sich die Mühe machen will, die in der Reihenfolge der 7 Kantatenteile nun benannten Bibelstellen zu den jeweiligen Hymnentexten in Beziehung zu bringen, wird feststellen)
    …Buxtehude hat mit großer Sorgfalt und kenntnisreichem Hymnentext die Bibeltexte ausgewählt…
    …Nahum2,1 – Jesaja 66,12 – Sacharja 13,6 – Hohe Lied Salomos 2.13-14 – 1. Brief Petrus 2,2-3 – Hohe Lied Salomos 4,9 – Psalm 31,17...
    …Alle 7 Kantatenteile folgen in der Vertonung dem Schema: Bibelzitat – 3 Hymnentexte – Wiederholung des Bibelzitates, woraus deutlich wird, dass es Buxtehude wichtig war, mittels Quellennachweis einen Bezug zwischen Hymnentext und lat. Bibelfassung nach Lucas Osiander (im Luthertum damals weit verbreitet) herzustellen…
    …Das Verfahren, in einer Dichtung die Körperteile einzeln zu besingen, stammt aus der weltlichen Liebesdichtung und wird hier auf Christus übertragen, wodurch gemäß der bernhardischen (Bernhard von Clairvaux wurde das Hymnenwerk fälschlicherweise zugeschrieben) Frömmigkeit eine liebevoll – ja sinnliche – Beziehung zum Gekreuzigten entsteht…“


    Die weiteren Ausführungen im Booklet fasse ich nun mit eigenen Worten kurz zusammen: Luther (und auch Buxtehude) stand einer Gotteserkenntnis, die gefühlsaffektiv involviert, meditativ und durch eine die Affekte ansprechende Sprache begleitet ist, nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber; dies wird gegen Ende des 16. Jhdt. zurückgedrängt, gewinnt aber im 17. Jhdt. mit den Erbauungsschriften wieder an Bedeutung.


    https://www.youtube.com/watch?v=bWbBK2poJlE
    Ich hoffe, eine gute (die beste?) YouTube-Einspielung eingestellt zu haben.


    Viele Grüße
    zweiterbass (257)


    Nachsatz: In einem 2. Beitrag werde ich auf mir besonders bemerkenswerte Kantatenteile eingehen.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo,
    Fortsetzung des Beitrages Nr. 4


    Jeder der 7 Kantaten geht stets ein kurzes Instrumentalvorspiel (genannt Sonata) voraus. Zitat aus dem Booklet: „Die jeweiligen Bibelverse vertont Buxtehude nach Art eines geistlichen Konzerts für mehrere Stimmen über einem Generalbass, die Hymnen aber als geistliche Arien. Auf diese Weise entstehen sog. Concerto-Aria-Kantaten, ein Formmodell das seit ca. 1660 weit verbreitet ist.“


    Die 1. Kantate „An die Füße“ kommentiere ich nun doch vollständig:
    1, Sonata/Vorspiel – 0:38 bereiten auf die Tonart vor von


    2. Bibeltext, Nahum 2,1 - das geistliche Konzert...
    „ Siehe, über die Berge kommen Füße eines Boten
    guter Nachrichten und sie verkünden Frieden“
    ...ist die Perle jeder der 7 Kantaten. Soli, Quartett SATB („Capella Angelica“) und ein sehr gut instrumentiertes Ensemble („Lautten Compagney = Violine, Viola da Gamba, Violone, Orgel, zwei Theorben) geben dem Bibeltext ein festliches Gepräge. Daraus wird m. E. auch ersichtlich, welche Bedeutung Buxtehude der Vertonung dieser Bibeltexte beimisst, da alle Bibeltexte kompositorisch so aufwändig sind.

    3. Geistliche Arie für Tenor und Vocalensemble
    „Sei gegrüßet, Heil der Welt,
    Sei gegrüßet, lieber Jesus,
    an deinem Kreuz zu hängen würde eigentlich mir zukommen,
    stattdessen – nur du weißt warum –
    schenkst du mir dein Reich.“


    4. Geistliche Arie für orgelbegleiteten Sopran und Instrumente
    „“Die Nägel in deinen Füßen, die harten Schläge
    und deine schweren Striemen
    umfasse ich voller Neigung.
    Deine Angst vor Augen
    gedenke ich deiner Wunden.“


    5. Geistliche Arie für theorben- und orgelbegleiteten Bass und Instrumente
    „Süßer Jesus, frommer Gott,
    erlaube mir Sünder, zu dir zu rufen,
    erweise dich mir gnädig
    und verstoße mich Unwürdigen
    nicht von deinen heiligen Füßen.“


    6. Wiederholung des geistlichen Konzertes, Bibeltext Nahum 2,1


    Die Texte der Hymnen mögen für uns seltsam erscheinen – waren damals aber durchaus üblich; die Choral- und Chorustexte der Johannispassion von J. S. Bach sind äußerst ähnlich.



    Der Bibeltext (Geistliches Konzert) der 2. und 4. Kantate beginnt und setzt sich fort in fugenähnlicher Führung! Die folgenden 3 Arien haben wieder eine wesentlich einfachere Struktur, sind aber gleichwohl mit sangbaren Melodien versehen (was auch für Arien der übrigen Kantaten gilt).


    Das geistliche Konzert der 3. Kantate hat Dissonanzen, die ich so bei Bach kenne.


    Das geistliche Konzert der 5. und 6. Kantate ist polyphon geführt.


    Das geistliche Konzert der 7. Kantate entspricht der 1. Kantate; anstatt der Wiederholung des geistlichen Konzert am Ende erklingt ein prächtiges „Amen“.


    Das Kantatenwerk ist sehr vielseitig, abwechslungsreich komponiert und kann sich neben Bachs Kantaten m. E. sehr wohl behaupten – ich habe viel Freude wenn ich die Musik höre. (Dass der Text nicht so sehr Anlass zur Freude gibt, stört mich wegen der überzeugenden Musik kaum.)


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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  • Ich möchte noch nachtragen, dass es in Buxtehudes vermeintlichem Geburtsort, Göteborg, ein Consort gibt, das sich "Die Buxtehunde" nennt. Das erreicht fast das witzige Niveau des amerikanischen Consorts, das sich "The Suspicious Cheese Lords" nennt, nach einer Mottete von Thomas Tallis, "Suscipe queso, Domine", die ins Englische verballhornt wurde.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Ich möchte den Blick (und das Ohr) auf den neben Orgelwerk und Kantaten dritten wichtigen Schaffensbereich Buxtehudes lenken: Kammermusik auf der Grundlage des Stylus Phantasticus.


    Aus Wikipedia: Im Stylus Phantasticus gehaltene Werke zeichnen sich durch ein aus der Improvisationspraxis abgeleitetes dramatisches Spiel aus, bei dem kurze, unterschiedliche und teilweise dissonante, bizarre Figuren, extrem chromatische Abschnitte, rasende Läufe auf originelle Weise miteinander verknüpft werden. Dies geschieht durch die Verwendung von Ostinato-Strukturen, über denen die Soloinstrumente, ähnlich wie in der heutigen Improvisationspraxis des Jazz, komplexe Kontrapunkte entwickeln.


    Hier das Ensemble Phantasticus mit der Sonata BuxWV 272:

  • Dietrich Buxtehude, der 1637 geboren wurde, starb am 9. Mai 1707. Zu diesem Anlass habe ich eine CD mit Orgelwerken ausgesucht:


    [timg]http://www.klassika.info/Komponisten/Buxtehude/Bild.png[/timg]


    Heute ist sein 308. Todestag.



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • "Kraut und Rüben" - La Capricciosa


    Bachs Goldbergvariationen rekurrieren in mehrerlei Hinsicht auf die ausgedehnteste Variationsfolge, die von Buxtehude überliefert ist.


    Der Thüringer übernahm die Zahl der Variationen, verdoppelte dabei allerdings die Taktzahl. Deutliche Ähnlichkeiten finden sich auch hinsichtlich der Tonarten und der Figurationen. Als Vorlage der letzten Variation verwendet Bach Buxtehudes Thema.


    Es handelt sich um eine Bergamesca, ursprünglich ein geradtaktiger, rustikaler Tanz (ob er tatsächlich aus der Lombardei stammt, ist ungewiss) mit einfachem harmonischem Schema: I-IV-V-I, das freilich immer wieder aufgebrochen wird, wie in der chromatischen Variation 12.


    No. 25 ist, wie bei Bach, beinahe protoromantisch. Dieser ausgedehntesten, langsamen Variation folgt eine sehr quirlige, jener wiederum ein parodistisch - und etwas durchgeknallt - wirkendes Stück.



  • Hallo Gombert,


    gerne hätte ich mir Noten aus BuxWV 250 angesehen, bin aber bei imlsp nicht fündig geworden.


    So bleibt mir nur (da ich meinem Gehör hier nicht vollständig traue), Dir zu vertrauen - was ich gerne tue.
    Das ist ja "ein Hammer". Wie bist Du da drauf gekommen oder ist das in Fachkreisen bekannt? Nun, Themen anderer Komponisten zu zitieren, zu variieren etc. ist ja üblich, aber das Thema zu augmentieren um die Herkunft zu verschleiern - na so was.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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  • Das ist vielleicht ein Missverständnis:
    Das Variationenthema bei Bach ist ein anderes als bei Buxtehude. Buxtehudes Zyklus geht über das muntere "Bergamasca" bzw. "Kraut und Rüben"-Thema und das war (ebenso wie wohl das andere quodlibet-Thema, das meiner Erinnerung nach so ähnlich in der Bauernkantate auftaucht) mehr oder minder Allgemeingut, wurde mithin weder von Bach noch von Buxtehude erdacht.
    Bach scheint mit dem Quodlibet die Reminiszenz an Buxtehudes Vorbild mit einem Augenzwinkern überdeutlich machen zu wollen.
    (Da mir Buxtehudes Stück erst vor ein paar Wochen zum ersten Mal begegnet ist, wusste ich vorher auch nichts von dieser Anspielung. Sie kann aber kaum ein Geheimnis gewesen sein, sogar unabhängig von der Bach-Buxtehude-Verbindung war die "Bergamasca", ähnlich wie "La folia" und ein paar weitere Melodien+Harmonieschemata, im gesamten 17. Jhd. eine Art "Standard", wie heute das Blues-Schema oder bestimmte Jazz-Standards.)


    Die Buxtehude-Variationen sind lohnend und wohl der bedeutendste Variationenzyklus des Barock vor Bach; es gibt eine gute Aufnahme günstig bei Naxos:


    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • ist das in Fachkreisen bekannt?


    Ja, die Reminiszenzen sind schliesslich vielgestaltig. Auch Variationsfolgen anderer Komponisten, wie etwa Pachelbel, nehmen Bezug auf Buxtehudes "Kraut und Rüben" - Adaption, wenngleich weniger konsequent als Bachs.
    Beim Publikum allerdings färbt der Ruhm der Goldbergvariationen offenbar kaum auf das Vorbild ab (ebenso wie auch die Goldberg-Rezeption nicht profitiert ... :pfeif: )


    Übrigens basiert keine einzige der Variationen BuxWV 245-250 auf einem Originalthema. Damit lag Buxtehude auch ganz im Trend der Zeit.
    *

  • Dass Bach ein Originalthema verwendet (anscheinend auch in der aria variata alla maniera italiana, jedenfalls ist wohl nichts Gegenteiliges belegt) ist meinem Eindruck nach noch auf längere Zeit eher eine Ausnahme.


    Von Beethovens zahlreichen Variationszyklen sind es nur drei oder so (op.34,35 und WoO 80).


    Das liegt vermutlich auch an den Wurzeln in der Praxis. So ähnlich wie bei den Orgelpartiten zeigte sich das Können gerade im improvisatorischen Fantasieren/Variieren vorgegebener Themen.
    Zu Beethovens Zeiten dürfte zwar freies Fantasieren dominiert haben, aber es gab gleichzeitig eher "leichte" Variationen über populäre Lieder oder Opernthemen, bei denen die instrumentale Virtuosität mitunter dominierte.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Was für HIP-Aufnahmen kann man da empfehlen? … aber für weitere Empfehlungen bin ich dennoch dankbar.)


    Timo: Diese hier:




    Rezension: »Schöner als in dieser sanft und geschmackvoll vergoldeten Form kann man Buxtehude kaum aufführen.« (kulturradio rbb)

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

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  • Hallo Timo, du musst nur bei Amazon nach *Buxtehude Koopman* suchen und wirst unendlich viel finden!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Danke für den Hinweis! Die Orgelwerke habe ich schon, daher lohnt sich die Box nicht, aber es kommt ein großes Vokalmusikpaket an!

  • Ich habe jetzt die Vokalwerke von Buxtehude mit Koopman. Erster Höreindruck: Sehr schöne Musik, aber untereinander oft ähnlich. Bei den Bachkantaten hat man mehr Vielfalt.

  • Ich habe jetzt die Vokalwerke von Buxtehude mit Koopman. Erster Höreindruck: Sehr schöne Musik, aber untereinander oft ähnlich. Bei den Bachkantaten hat man mehr Vielfalt.


    Hallo Timo, da haste sowas von recht, aber bei Buxtehude gibt die Auswahl nicht mehr her! Deshalb mag ich z.B. die Gesammtaufnahmen der Bachkantaten nicht, bin lieber der Gemischtwarenliebhaber, da kommt man auch zum Ziel!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

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  • Hallo Timo, da haste sowas von recht, aber bei Buxtehude gibt die Auswahl nicht mehr her! Deshalb mag ich z.B. die Gesammtaufnahmen der Bachkantaten nicht, bin lieber der Gemischtwarenliebhaber, da kommt man auch zum Ziel!


    LG Fiesco


    Lieber Fiesco,


    (wird jetzt etwas themenfremd, vielleicht kann da ein Moderator was abtrennen) die Gesamtaufnahme der Bachkantaten mit Koopman finde ich eigentlich für eine Gesamtaufnahme relativ gut (habe auch noch Rilling und Leusink), aber ich gebe dir recht, dass Einzelaufnahmen etwas inspirierter sein können. Auf youtube oder AllOfBach kann man sich ja einiges anhören.

  • Im Rahmen meiner Befassung und behutsamen Fortsetzung mit der Threadserie "Die Protagonisten der Alten Musik" fielen einige Neuerwerbungen an, so beispielsweise die hier gezeigte CD -"Dietich Buxtehude - Eine Lübecker Abendmusik" auf dier sich ein Fiktives Programm einer sogenannten Lübecker Abendmusik (also keine historisch genaue Rekonstruktion eines bestimmten Konzerts) befindet, einer Einrichtung, die schon Buxtehudes Vorgänger, Franz Tunder (1614-1667) 1646 eingeführt hatte-

    Die 7 darauf befindlichen Werke (von insgesam 120) stellen eine Mischform von Kantate und Motette dar, werden aber üblicherweise als Kantaten bezeichnet. Hier verlasse ich mich auf den Booklettext von Roland Wilson



    Benedicam Donimum BuxWV 113 (Kantate)

    Gott, hilf mir BuxWV 34 (Kantate)

    Wie wird erneuet, wie wird erfreuet BuxWV 110 (Kantate)

    Wo soll ich fliehen hin BuxWv? 112 (Kantate)

    Mein Gemüt erfreuet sich BuxWV 72 (Kantate)

    Herr, ich lasse dich nicht BuxWV 36 (Kantate)

    Ihr lieben Christen, freut euch nun BuxWV 51 (Kantate)



    Bei den Abendmusiken sollen auch vollständige Oratorien aufgeführt worden sein - gelten aber leider als verloren. Die interpretation durch La Capella Ducale/Musica Fiata unter Roland Wilson ist äusserst enegagiert und eindringlich. Der CD sind die Texte der Werke beigegeben. Mit der etwas einfältigen und unterwürfigen Hingabe hab ich so meine Probleme. aber das glt für alle religiösen Vokalwerke dieser Zeit....

    Das für mich eindringlichste Werk "Benediciam Dominum" Bux WV 113 ist das imposanteste und aufwendigste dieser CD - geradezu phänumenal


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das für mich eindringlichste Werk "Benediciam Dominum" Bux WV 113 ist das imposanteste und aufwendigste dieser CD - geradezu phänumenal

    Dem ist absolut zuzustimmen, wenngleich mich die anderen Stücke teils mehr berührend, weil ich sie eindringlicher und auch intimer finde. Mit "Benediciam Dominum" wird die wirkungsmächtige CD eingeleitet. Dadurch ist einiges an Pulver verschossen. ;) Ich hätte dieses Stück an den Schluss gestellt. Dadurch wird mein Eindruck insgesamt aber nicht geschmälert.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Das Problem solcher CDs ist, daß der Mensch von heute nocht besonders geeignet ist, sie en bloc zu hören.

    Das war die Frage, die ich mir gestern beim Abhören gestellt habe, ob das in der Vergangenheit (gemeint ist hier als Beispiel das siebzehnte Jahrhundert - aber natürlich auch noch lange Zeit später) Die CD dauert immerhin 78 Minunten.

    Ich bin zu dem Resultat gekommen, daß das früher kein Problem war, denn die Reizüberflutung war noch nicht vorhanden, das kann man auch sehen, wenn man sich einaml mit "barocker Hängung" von Gemälden befasst, wo die gesamten Wänder vollgepflaster wurden.

    Dazu komm zum musikalischen, der religiöse Effekt und jener der Allgemeinbildung. Damals lag ja der Fokus nicht auf technischen oder Computerwissen sondern auf der Kenntniss von alten Mythen, bem Durchschnittsbürger aber vor allem auf religiösen Vorstellungen. Die Bilbel war eben, wie der Name schon sagt, DAS BUCH das eigentlich jeder kannte. Dazu kommt as Gesellschaftlich Erignis. Solche Kantaten fanden sich zumeist in Gottesdiensten eingebettet, aber auch in eben den hier zitierten "Lübecker Abendmusiken", die es seit Franz Tunder gab und dier auch nach Buxtehude von dessen Nachfolgern weitergeführt wueden


    Johann Christian Schieferdecker (1707–1732)

    Johann Paul Kunzen (1732–1757)

    Adolf Karl Kunzen (1757–1781)

    Johann Wilhelm Cornelius von Königslöw (1781–1833)



    Diese Veranstaltungen waren für jedermann erschwinglich - weil nämlich gratis, sie wurden von der Lübecker Kaufmannschaft, dem Rat und Patriziern der Stadt finanziert.

    Sie waren gewissermaßen ein "Event" und "gesellschaftliches Ereignis, das sich niemand entgehen lassen wollte...


    mfg aus Wien

    Alfred


    clck 4500

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das Problem solcher CDs ist, daß der Mensch von heute nocht besonders geeignet ist, sie en bloc zu hören.

    Eigentlich fühlte ich mich erst durch Deine Besprechung dazu angehalten, die CD als Ganzen zu hören. Nicht immer verfahre ich so, lasse bei derartigen Sammlungen lieber die einzelnen Stücke getrennt auf mich wirken - ohne sie sofort zu vergleichen. Diese vollgepackten CDs erzeugen nämlich oft Zerrbilder.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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